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Erno Fischer, Wilfried A. Hary

HdW-B 017: Der Seelenberg





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

HERR DER WELTEN Buchausgabe 017:

Der Seelenberg

von Erno Fischer, Wilfried A. Hary und W. A. Travers:

»Die Reise in den Wahnsinn - und der erste HERR DER WELTEN!«

 

In über einer Million Jahre: Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen geführt hat. Der so genannte HERR DER WELTEN wacht unnachgiebig über dieses Verbot.

Das Verbot wurde nicht immer befolgt, weil es den HERRN DER WELTEN nicht schon immer gegeben hat. John Willard, der Diener des HERRN DER WELTEN, erfährt: Wenige Jahrhunderte in der Zukunft, von hier und heute aus betrachtet (und somit über eine Million Jahre in der Vergangenheit aus der Sicht von John Willard!), hatte der Mensch bereits einen Teil des Weltraums erobert. Überlichtschnelle Flüge wurden von hoch spezialisierten (und teilweise sogar regelrecht »gezüchteten«) so genannten PSI-Menschen durchgeführt. Man nannte sie in Anlehnung an einen Begriff aus der SF des zwanzigsten Jahrhunderts der so genannten christlichen Zeitrechnung Psychonauten. Als der Ultimate-Konzern die Psychonauten mittels technischem Überlichtantrieb zu ersetzen trachtete, hatte das unabsehbare Folgen, was die negativ betroffenen Fremdrassen auf die Menschen aufmerksam machte und zu einer tödlichen Bedrohung werden ließ. Endlich sah auch Ultimate und mit dem Konzern das totalitäre Regime des menschlichen Imperiums ein, dass sie sämtliche Experimente in dieser Richtung einstellen mussten. Eine Friedensmission wurde gegründet, um die Völker des Universums zu besänftigen. Das Raumschiff ESPERANTO (zu deutsch etwa: Der Hoffende) wurde mit der Friedensmission auf den Weg geschickt. Doch an Bord herrscht gegenseitiges Misstrauen und sogar... Hass!

Außerdem ist ihre erste Zielwelt, Zyzschniy, am Rande des Abgrundes.

Die letzte Hoffnung ist eine Expedition zum Tafelberg, genannt DER SEELENBERG - und das hat seinen Grund. Supermutant PSY 9.11, bezeichnet auch als DER GOLDENE, erzählt...

 

Impressum

Dieses Buch basiert auf der gleichnamigen

Heftserie – Band 51 bis 53!

ENDE dieser Staffel!


ISSN 1614-3302

Copyright 2015 by HARY-PRODUCTION

Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332 48 11 50

www.HaryPro.de

eMail: wah@HaryPro.de

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

HARY-PRODUCTION!


Coverhintergrund: Anistasius

Titelbild: Gerhard Börnsen


1


Wie geplant nahmen neben mir Soschnyz-Baschraz-Som, Esper 98 und Liza, die Hexe, an der Expedition zum Tafelberg teil. Es gab nur eine kleine Änderung: Psiona, die eigentliche Hüterin des Berges, kam ebenfalls mit. Das hatte sie sich ausbedungen.

Ich zermarterte mein Gehirn, ob sie das nun wegen Soschnyz-Baschraz-Som getan hatte oder aus anderen Beweggründen.

Der Gleiter, in den wir stiegen, ähnelte Soschnyz-Baschraz-Soms Raumschiff, war nur wesentlich kleiner. Per Transmitter gelangten wir aus den Tiefen des Planeten, von wo aus wir ausgesendet wurden, in die Atmosphäre über dem Dschungel.

Soschnyz-Baschraz-Som steuerte. Psiona war ganz nahe bei ihm. Ich spürte beider PSI-Flüstern, ohne es deuten zu können.

Die körperliche Veränderung von Soschnyz-Baschraz-Som schritt unglaublich schnell voran: Zum ersten Mal hatte Soschnyz-Baschraz-Som zu Bekleidungsstücken gegriffen! Er tat dies offensichtlich aus Pietätsgründen - uns gegenüber.

Für mich war es mehr als ein Kuriosum oder eine biologisch interessante Darbietung. Soschnyz-Baschraz-Som war mein Freund und er veränderte sich nicht nur körperlich. Niemals zuvor war mir Soschnyz-Baschraz-Som so fremd erschienen.

Und auch Psiona hatte kaum ein Auge für uns.

Es war mir klar, dass die Geschlechtsreife nur eingeleitet wurde, wenn der auserwählte Partner Resonanz zeigte. Wären die erforderlichen Gefühle einseitig geblieben, hätte Soschnyz-Baschraz-Som sich nicht so entwickelt.

Und er bedeckte in bei den Menschen angeeigneter Scham die Körperstellen, die von der Geschlechtsreife besonders betroffen waren.

Oftmals tauschten Liza und ich bedeutsame Blicke. Nicht, weil das verhohlene Liebesspiel der beiden uns etwa ansteckte, sondern weil Liza ebenso Anteil an dem Vorgang nahm wie ich.

Sie hatte Soschnyz-Baschraz-Som in den letzten Stunden ebenfalls als Freund erlebt.

Für mich hatte die Angelegenheit einen sehr bitteren Nebengeschmack: Ich, DER GOLDENE, war grundsätzlich völlig unfähig zur körperlichen Liebe!

Flüchtig dachte ich an ein vergangenes Erlebnis, als der Zwiespalt zwischen Können und Wollen am größten gewesen war.

Das Grausame an der Sache war die Tatsache, dass ich mich durchaus in eine Frau verlieben konnte, aber dass diese Liebe niemals einen Ausdruck finden durfte.

Verstohlen schielte ich nach Liza. Sie schien meinen Blick zu spüren und erwiderte ihn ernst.

Erschrocken wandte ich das Gesicht ab.

Sie schien zu wissen, was in mir vorging.

Vorsicht!, bläute ich mir ein. Goldener, besinne dich. Du hast mehr als ein Fiasko in dieser Hinsicht hinter dir. Bleib auf dem Teppich und vermeide jeden Gedanken daran. Es ist besser für alle Beteiligten. Und außerdem würde es dich nur von den wesentlichen Dingen ablenken.

In meinem Innern war ein fernes Brennen und Sehnen. Als ich es bekämpfte, trieb es mir die Tränen in die Augen. Unwillkürlich ballte ich die Hände zu Fäusten und schluckte einen trockenen Kloß hinunter, der anscheinend in meinem Hals gesteckt hatte. Ich zitterte und konnte nichts dagegen tun.

Dann war es wieder vorbei. Ich fühlte mich innerlich leer und ausgehöhlt, aber ich hatte es wieder einmal überwunden und wandte mich aufatmend Soschnyz-Baschraz-Som zu.

Der Zyzschniyer hatte mich beobachtet! Ich erschrak darüber. Soschnyz-Baschraz-Som sagte: »Wir werden unser Ziel bald erreicht haben, Goldener. Psiona braucht möglicherweise unseren PSI-Beistand. Aber wir müssen äußerst vorsichtig sein. Irgendwie sind wir alle Außenseiter dieses in Jahrmillionen pervertierten Systems und...«

»Pervertiertes System?«, fragte ich ungläubig. »Das sagst du als Zyzschniyer?«

Er hielt meinem Blick stand. »Ja, Goldener, das sage ich, weil es stimmt. Aber halten wir uns nicht mit den Details auf. Kommen wir zum Wesentlichen: Psiona und ich können uns aus dem System ausklammern. Deshalb können wir es auch vermeiden, von der Seuche erfasst zu werden. Psiona hat ihren Posten auf dem Tafelberg verlassen müssen, weil sie die Mittlerin ist. Sie wäre als erste umgekommen.« Er sah sie von der Seite an. »Nicht nur mir wäre etwas sehr Wertvolles verloren gegangen!«

»Sprich weiter«, forderte ich ihn ungeduldig auf, weil ich befürchtete, dass er sich wieder von seinen Gefühlen einspinnen ließ.

»Ja, Goldener, Psiona ist geflüchtet und hat den Hütern des Erbes die Einzelheiten geschildert. Aber sie waren unfähig zu begreifen. Sie halten das System für einen Idealzustand und können sich nicht vorstellen, dass dieses System ausarten könnte.

Dabei ist es schon seit Millionen von Jahren ausgeartet, sonst hätte es niemals zum heutigen Zustand kommen können.«

»Wie, um alles in der Welt, sieht dieses verdammte System denn überhaupt aus?«, rief ich unbeherrscht.

Ich hatte es einfach satt, mit Halbheiten abgespeist zu werden. Warum hatte man uns alles erzählt, aber die Aufgabe von Psiona als Eremitin vom Berg ausgeklammert?

Soschnyz-Baschraz-Som wollte mir antworten. In diesem Augenblick traf den Gleiter ein brutaler Schlag von vorn.

Soschnyz-Baschraz-Som wandte sich den Kontrollen zu. Er stand mit dem Bordcomputer in geistiger Verbindung. Die sichtbaren Hebel und Schalter bewegten sich scheinbar selbständig, als der Geist von Soschnyz-Baschraz-Som in den Steuerelementen »versank«.

Da schrie Soschnyz-Baschraz-Som auf. Er brüllte seinen Schmerz hinaus. Eine unsichtbare Faust packte ihn, hob ihn aus dem Sitz, der sich jeder Körperkontur anpassen konnte und warf ihn quer durch den Gleiter.

Unwillkürlich konzentrierten Liza und ich uns darauf, um den Sturz abzufangen.

Kaum strengten wir unsere PSI-Sinne an, als uns das Grauen überfiel. Etwas Unsichtbares drang mit aller Brutalität auf uns ein.

Wie durch einen Nebelschleier sah ich, dass Soschnyz-Baschraz-Som mit unverminderter Wucht gegen die rückwärtige Wand krachte. Aber er hatte einen Körper, der dem eines Menschen haushoch überlegen war. Mit katzengleicher Gewandtheit traf er auf und sprang auf den Boden.

Er hatte sich nichts getan und hatte dabei nicht einmal PSI einsetzen müssen.

Ich begriff dumpf, dass ich einen furchtbaren Fehler begangen hatte, als ich meine eigene PSI einsetzte.

Es traf mich genauso wie Liza.

Es wischte unsere Gedanken hinweg, um sie vom Körper zu isolieren und dort zu zerquetschen.

Es war eine furchtbare Macht. Dahinter stand ein unglaubliches Wesen, das ich in seiner Gesamtheit nicht zu erfassen vermochte. Es war die Hölle und es war das Feuer. Es war das Böse und es war die brutale Zerstörungswut.

Wir hatten keine Chance.

Doch da war ein gehässiges Lachen, das plötzlich eine Mauer zwischen die Macht und uns schob, mit einer fast lässig anmutenden Geste. Die Macht hielt irritiert inne. Sie tastete an der Mauer entlang und suchte nach uns.

Aber da war nichts mehr: Wir erwachten.

Das Lachen blieb und uns wurde klar, woher es kam: aus dem Mund von Esper 98.

Wir blickten unwillkürlich in seine Richtung.

»Tja, Kinder, so ist das nun mal im Leben: Der Sieg gehört dem Tüchtigen. Nur keine übertriebene Dankbarkeit, ihr beiden. Es reicht, wenn ihr meine Überlegenheit anerkennt. Ist sie jetzt noch zu leugnen?«

Er schüttelte sich aus vor Lachen und klatschte sich dabei auf die Schenkel.

Abrupt unterbrach er es. Seine Augen glühten verhalten. Er betrachtete uns kurz. Dann wandte er seinen Blick Soschnyz-Baschraz-Som zu.

»Ich wollte nur nebenbei bemerken, dass unser Gleiter abstürzt und wir in den nächsten Sekunden am Boden zerschellen!«

Der Boden raste mit ungeheurer Geschwindigkeit auf uns zu. Es war einer der hässlichen braunen Flecke - dort, wo sich früher der undurchdringbar erscheinende Dschungel befunden hatte. Die Flecke waren ein Überbleibsel der letzten Katastrophe.

Esper 98 hatte recht: Wir würden zerschellen und konnten nichts dagegen tun.

Und Soschnyz-Baschraz-Som machte auch keinerlei Anstalten dazu. Er stand breitbeinig zwischen uns. Psiona stand an den Kontrollen und schickte ihm einen hilflosen Blick aus ihren braunen Augen zu.

Der Gleiter erreichte die Planetenoberfläche in einer Geschwindigkeit, bei der wir alle atomisiert werden würden.

Nichts dergleichen geschah, obwohl ich mein Ende erwartet hatte: Der Gleiter stoppte einfach. Es gab nicht einmal Andruckkräfte.

Dafür krümmte sich Soschnyz-Baschraz-Som wieder schreiend zusammen und brach zu Boden.

Esper 98 stand auf und ging zu ihm hin. Gefühllos betrachtete er den Bewusstlosen.

»Er hat sich für uns geopfert. Einer musste den Steuerimpuls auf PSI-Ebene geben. Wer seine PSI-Fähigkeiten in diesem Bereich, so nahe dem Tafelberg, einsetzt, muss damit rechnen, dass er den Moloch auf sich aufmerksam macht.«

Er sah uns an - Liza und mich.

»So wie ihr Narren. Oder soll ich Kinder sagen? Schade, dass ihr niemals erwachsen werdet.«

»So wie du?«, zischte Liza in verhaltener Wut.

Er nickte ihr zu. »Ja, so wie ich!«

Ich befürchtete das Schlimmste für Soschnyz-Baschraz-Som, aber der Zyzschniyer hatte aus den unangenehmen Begegnungen mit dem Moloch gelernt und den PSI-Impuls so gestaltet, dass es ihn nicht das Leben kosten konnte.

Trotzdem war es für ihn äußerst gefährlich gewesen. Er war nunmehr dem Moloch, wie wir die Hyperraum-Entität nun allgemein nannten, am besten bekannt. Wir brauchten uns nicht einmal zu konzentrieren, um zu spüren, dass die Entität mit ihren unbeschreiblichen Sinnen nach ihm suchte. Sie wollte ihn aufsaugen wie all die anderen Seelen der Zyzschniyer - und neuerdings auch die Zwitterexistenzen.

Es wirkte sich auf den Gleiter aus, der durchdrungen war von PSI-Energie. Esper 98 und Psiona machten uns darauf aufmerksam. Wir trugen Soschnyz-Baschraz-Som hinaus ins Freie und entfernten uns rasch von dem Gleiter.

Kaum war das geschehen, als er sich in einer grellen Lichterscheinung auflöste. Ein fürchterlicher Strahlenschauer ging auf uns nieder. Ich war durch meine goldene Aura dagegen gefeit. Diesmal wirkten sie nach außen und nicht nur nach innen. Die anderen konnten sich gegen den Strahlenschauer nicht einmal mit PSI zur Wehr setzen: In dieser Umgebung hätte es sie auf der Stelle getötet. Soschnyz-Baschraz-Som war das beste Beispiel dafür.

Wir hatten Angst: Psiona, Liza und ich. Auch Esper 98?

Das war nicht feststellbar. Er grinste mich überlegen an. Sein Blick glitt über meine Aura.

»Wir alle haben unsere Strahlendosis abbekommen, Goldener, außer dir. Es kann sich für uns nachteilig auswirken, weil wir körperliche Veränderungen erst nach diesem Abenteuer korrigieren können - wenn die Entität wieder normal ist.«

»Du sprichst, als wäre schon alles überstanden«, hielt ich ihm vor. »Dabei sind wir nicht einmal auf dem Weg.«

Psiona kümmerte sich um den bewusstlosen Soschnyz-Baschraz-Som, während ich das Verlangen spürte, Esper 98 zu schlagen. Nicht zum ersten Mal.

Mir wurde bewusst, dass er sich diesmal nicht mit PSI wehren konnte. Das Risiko war für ihn nicht kleiner als für uns. Dass er uns gerettet hatte, war nur einem besonderen Trick zu verdanken: Er hatte die persönliche Abschirmung einfach auf uns erweitert. Natürlich, ein Vorgang, der einem normalen Psychonauten niemals möglich gewesen wäre. Esper 98 hatte Fähigkeiten, die alles andere in den Schatten stellten. Diese Erkenntnis war nicht neu.

Er deutete auf meine goldene Aura. »Es zeigt sich tatsächlich, dass sie ihren praktischen Nutzen hat. Dennoch frage ich mich, was wohl passiert, wenn du sie in dieser Umgebung öffnest!«

»Was soll passieren?«, erkundigte ich mich misstrauisch, weil ich wieder eine Anzüglichkeit und Gemeinheit vermutete.

Er zuckte die Achseln. »Nur so eine Erwägung, mehr nicht, PSY 9.11. Ich überlege, dass ein Erlöschen der Aura den Moloch erst recht auf dich aufmerksam machen würde. Was würde er tun? Würde er sich an der konzentrierten PSI-Strahlung verschlucken?«

»Das käme auf ein Experiment an, nicht wahr?«, fragte ich gehässig.

»Du sagst es, Goldener.« Er grinste mich an.

»Wehe, ich würde es tun: Es würde dich auf der Stelle umbringen.«

Abermals zuckte er mit den Schultern.

»Natürlich, Goldener - nichts anderes geschieht doch, wenn du deine Aura auflöst: Du bringst alle um - einschließlich dich selbst. Aber wir wollen nicht ablenken. Ich bin der Meinung, dass es die ganze Aufmerksamkeit des Molochs auf dich lenkt. Vielleicht stirbst du überhaupt nicht? Vielleicht übernimmt der Moloch die gesamte Energie und lässt dein Ich ungeschoren? Na, was meinst du dazu, Goldener? Ist das nicht äußerst interessant? Für dich wäre das kaum mit einem Risiko verbunden und du würdest zu einem Menschen werden. Vielleicht zu einer Art Super-Psychonaut... wie ich?«

Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Es war ohnedies noch nie meine Stärke gewesen. Nur die Verantwortung für die Aufgabe, die ich beim Antritt der Reise übernommen hatte, war mir behilflich gewesen. Jetzt konnte ich nicht mehr anders. Ich schlug ansatzlos zu. Esper 98 konnte nicht in meinem Gesicht lesen - weil mein Gesicht von der Aura bedeckt war, also konnte er auch nichts vorausberechnen.

Oh, er reagierte verdammt schnell, aber nicht schnell genug - nicht schnell genug für PSY 9.11.

Meine golden strahlende Faust traf ihn mitten im Gesicht. Ich sah einen roten Schleier aus seiner Nase wehen, sah die Deformierung seines Gesichts, sah den scharfen Ruck, mit dem sein Kopf zurückgerissen wurde, sah, dass er den Boden unter den Füßen verlor - mit einer vergeblichen Abwehrbewegung.

Ich sah es wie in Zeitlupe. Ich weiß nicht, ob es in meinem Körper so etwas wie einen Adrenalinspiegel gab. Wenn ja, war er in diesem Augenblick ungewöhnlich hoch. Die Zeit dehnte sich scheinbar, während ich mich blitzschnell bewegte. Jede einzelne Phase bekam ich wach mit. Esper 98 war ein kräftiger Bursche – hoch gewachsen und muskelbepackt. Gegen mich hatte er dennoch keine Chance.

Kaum hatte ihn mein brutal ausgeführter Fausthieb getroffen, als ich ihm mit dem Fuß die Beine unter dem Körper weg angelte. Ich tat es mit solcher Vehemenz, dass Esper 98 sich rückwärts halb überschlug. Dann trat ich noch einmal zu. Dieser Tritt war tödlich. Es krachte, als würde jemand auf einen trockenen Ast treten. Ein Geräusch, das prompt Übelkeit erzeugte - und mich wieder zu Sinnen brachte. Was hatte ich getan?

»Goldener!«, schrie Liza und stürzte sich auf mich. Sie schüttelte mich mit aller Kraft.

»Goldener!«

Ich machte eine hilflose Abwehrbewegung und stierte auf den blutüberströmten, toten Esper 98.

Allein mein Fausthieb musste ihm das Genick gebrochen haben. Das überlebte selbst ein Super-Psychonaut nicht.

»Goldener!« Liza beruhigte sich nicht und ich konnte meinen Blick nicht mehr von dem blutüberströmten Leichnam lösen.

Esper 98 war eine grausame, anzügliche, überhebliche, nichtswürdige Bestie gewesen, aber er hatte uns beiden zweimal das Leben gerettet.

Ich hatte es ihm gedankt, indem ich ihn umbrachte.

Eine Tragödie, die noch zu all dem Schrecklichen hinzu addiert werden musste, das Zyzschniy heimsuchte.

»Nein!«, flüsterte ich.

Etwas berührte mich: Es war die Hand von Psiona. Es war eine zierliche, schlanke, feingliedrige und doch kräftige Hand.

»Bitte, schau einmal richtig hin, Goldener«, sagte Psiona tonlos.

Ich verstand nicht, was sie meinte.

Auch Liza sah nur sie an und nicht Esper 98.

Aber dann wandte Liza den Blick. Wir betrachteten beide den Leichnam von Esper 98.

Und da begann der Super-Psychonaut, sich zu regen.

Und er lachte sein gemeines, herablassendes Lachen, das uns tief ins Mark fuhr und den ganzen Hass zum Eskalieren brachte.

Esper 98 rollte sich auf den Rücken, blickte mit seinen glühenden Augen in den Himmel über Zyzschniy und schüttete sich wieder mal aus vor Lachen.

Für ihn waren wir keine Unmenschen. Für ihn waren wir nicht einmal Tiere. Für ihn waren wir weniger als Spielzeug.

Er fühlte sich gottgleich und überlegen. Selbst der Moloch brachte ihn höchstens zu einem müden Lächeln.

Natürlich, er konnte im Moment seine PSI-Kräfte nicht zur freien Entfaltung bringen, aber dafür konnte er dank ihnen seinen Körper kontrollieren. Er hatte mich getäuscht. Seine Abschirmung war so stark, dass er die totale Kontrolle über seine Lebensfunktionen nicht verlor.

Ich hätte es mir denken können, da er es sogar geschafft hatte, uns in diese Abschirmung mit einzubeziehen.

Schließlich hatte er uns damit gerettet.

Ich war so betroffen über die Tat gewesen, dass mich Psiona auf diesen Umstand hatte aufmerksam machen müssen.

Der Super-Psychonaut hatte mir die schlimmste Niederlage meines Lebens bereitet. Ich würde es ihm nie mehr vergessen können.


*


Soschnyz-Baschraz-Som hatte den Anschlag auf sein Leben unbeschadet überstanden und er führte uns wieder - gemeinsam mit Psiona.

Uns stand ein langer Fußmarsch bevor und wir durften unsere PSI-Fähigkeiten unterwegs nicht einsetzen. Das Risiko war zu groß.

Liza und ich hielten uns zusammen. Wir vermieden den Kontakt mit dem Super-Psychonauten, wo wir nur konnten. So war Esper 98 gezwungen, hinter uns herzulaufen. Er war isoliert, denn auch die Zyzschniyer akzeptierten die Art des Super-Psychonauten nicht.

Er fühlte sich nicht nur als Übermensch, sondern auch ihnen überlegen.

Ich konnte mir denken, was er über die Zyzschniyer dachte. Für ihn waren das degenerierte Wesen, die keine Existenzberechtigung mehr hatten - zumal sie unfähig waren, ihre eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Dass an diesen Problemen die Menschheit schuld hatte, daran schien er nicht zu denken.

Einmal beobachtete ich ihn und versuchte, seine Gedanken zu erraten.

Er merkte es und grinste mich herablassend an.

Esper 98 schien es nicht einmal etwas auszumachen, dass wir ihn isolierten. Für ihn war das vielmehr die Bestätigung für seine Überlegenheit.

Heiße Wut entstand in mir. Ich drängte sie gewaltsam zurück.

Liza merkte es. Sie legte beruhigend ihre Hand auf meinen Unterarm.

Eine warme Geste, die ihre Wirkung tat. Ich sah sie dankbar an.

Liza hatte mir noch nie etwas Besonderes bedeutet und ich war sicher, dass wir nach diesem Abenteuer wieder zum normalen Leben zurückkehren würden, aber in der gegenwärtigen Situation entstanden gewisse Bande zwischen uns und ich fand es wieder einmal äußerst bedauerlich, dass daraus niemals mehr werden konnte.

Liza war eine normale, aktive Frau und ich - DER GOLDENE!

Wieder kam jene Bitterkeit in mir auf, die ich so sehr hasste und es gab kein Ventil dafür.

Der Marsch war eintönig. Die ganze Welt schien nur aus dieser braunen Wüste zu bestehen. Die braune Erde zerkrümelte unter unseren Füßen zu Staub. Ein sanfter Wind trug ihn davon.

Dann blieb auch der Wind aus. Kein Lüftchen regte sich. Wie die Ruhe vor dem berüchtigten Sturm.

Und in der Tat war uns ja bekannt, dass der Tafelberg von heftigen Stürmen umtost wurde.

Soschnyz-Baschraz-Som blieb plötzlich stehen. Ich sah, warum: Psiona! Ihr Gefieder zitterte vor Erregung. Sie stieß seltsame Laute aus: wie eine Sprache, aber selbst Soschnyz-Baschraz-Som schien sie nicht zu verstehen.

Waren es rituelle Beschwörungen?

Ich wollte näher gehen, aber Soschnyz-Baschraz-Som winkte ab.

Psiona brach zitternd zusammen und Soschnyz-Baschraz-Som tat nichts dagegen. Das konnte ich nicht verstehen.

Und jetzt trat Soschnyz-Baschraz-Som sogar von ihr zurück. Psiona kauerte schreiend und bibbernd am Boden. An dieser Stelle schien ein Miniaturwirbelsturm zu entstehen.

Jemand schob sich an mir vorbei: Esper 98. Er stellte sich demonstrativ vor mich, verschränkte die Atme vor der Brust, spreizte die Beine.

Notgedrungener maßen musste ich zur Seite treten, um an ihm vorbei zu sehen.

Psiona verstummte. Sie hob die gefiederten, schlanken Arme gegen den Himmel. Ein überirdischer Ausdruck entstand in ihrem exotischen Gesicht. Die Augen funkelten.

Der Staub ringsum wurde spiralförmig empor gewirbelt. Ein Lufthauch fuhr über uns hinweg.

Und dann fauchte der Staub in einer dichten Fahne empor, drehte sich schlauchförmig und zerflatterte erst in hundert Metern Höhe.

Psiona war das Zentrum des Wirbels.

Der Wirbel fächerte auseinander und zerfaserte. Dann fiel er in sich zusammen.

Psiona blinzelte, als würde sie aus tiefem Schlaf erwachen und müsste sich erst zurechtfinden.

»Sie hat es geschafft«, murmelte Soschnyz-Baschraz-Som tonlos.

»Was hat sie geschafft?«, fragte ich gereizt.

Soschnyz-Baschraz-Som antwortete nicht sofort, sondern half Psiona auf die Beine. Sie wandten sich uns beide zu.

»Das Tor ist geöffnet«, sagte Soschnyz-Baschraz-Som. »Wir dürfen hindurch treten.«

Er machte eine alles umfassende Geste: »Dies hier ist die äußerste Grenze. Der Berg schirmt sich ab. Es geschieht nicht bewusst. Alles, was Zyzschniy widerfährt, entspringt keiner Absicht.«

Ich wünschte mir, Soschnyz-Baschraz-Som würde nicht so sehr in Rätseln reden.

Sein Zyklopenauge richtete sich auf mich. Es wirkte irgendwie traurig.

Psiona begann zu sprechen: »Es ist nicht einfach zu erklären, Goldener. Du weißt inzwischen, dass man mich die Eremitin vom Berg nennt. Du kennst auch die Geschichte von der Entität der Baahrsans, die im Laufe der Jahrmillionen längst zu einer Entität der Zyzschniyer wurde. Eine Entität entwickelt sich meistens aus einem Volk heraus. Sie ist die höchste Stufe in der Entwicklung einer Rasse, wenn die Individuen ihre Körper ablegen und sich zu einer Art Energiewesen vereinen.

Dies ist ein Naturgesetz im Universum. Man wird die Entitäten häufig an der Spitze der Superzivilisationen finden, wenn die Zivilisationen zerfallen, weil alle Zeugnisse ihres Wirkens sinnlos geworden sind.

Aber eine Rasse wird nicht zwangsläufig zur Entität. Es gibt auch andere Wege - falls sie sich nicht vor der Zeit selber ausrottet.

Zyzschniy trug einst eine Superzivilisation und es gab gleichzeitig die Entität, die in starker Wechselbeziehung zu Zyzschniy steht. Du weißt, Goldener, dass jeder Zyzschniyer bei seinem Tod seinen Geist nach Hyperraum hinübergehen lässt.

Dies geschieht nur an einem einzigen Punkt innerhalb des ganzen Raumsektors. Dieser einzige Punkt ist der... Tafelberg!

Deshalb ist er so wichtig für das Volk der Zyzschniyer. Deshalb gibt es stets eine Eremitin vom Berg, die dafür verantwortlich zeichnet, mit ihren speziellen Kräften die Dinge in der Waage zu halten. Die Entität darf niemals von Hyperraum aus Einfluss auf Zyzschniy erhalten, sonst stört sie das Gleichgewicht. Andererseits darf der Einfluss der Zyzschniyer, insbesondere der Hüter des Erbes und der Anpasser, nicht bis in Hyperraum wirksam werden. Es ist müßig, euch das komplizierte Wechselspiel erklären zu wollen. Wir haben euch nicht deshalb alles bisher verheimlicht, um daraus ein Geheimnis zu machen. Dafür ist jetzt kein Platz mehr, denn ihr wollt uns helfen. Wir wollen euch dennoch nur Stück für Stück einweihen, damit die Anforderungen nicht zu groß und die Gefahr der menschlichen Fehlinterpretationen nicht zu schwerwiegend werden.

Ich bin die Eremitin vom Berg und für das Gleichgewicht verantwortlich. In dieser meiner Amtsperiode bin ich völlig allein. Wie auch Soschnyz-Baschraz-Som der einzige Zyzschniyer ist, der den Raumsektor verlassen kann. Aber das wurde bereits angesprochen. Ich wollte es euch nur ins Gedächtnis zurückrufen.

Ich bin mit meinen speziellen Fähigkeiten das Medium, aber ich musste mich gegen die Entität verschließen, um nicht von ihr getötet zu werden. Ich musste sogar fliehen - zu den Hütern des Erbes.

Jetzt kehre ich mit euch zurück. Ihr könnt nicht meine Aufgabe übernehmen und könnt mich dabei nicht einmal unterstützen. In dieser Beziehung muss ich auf mich allein gestellt bleiben. Deshalb musste Soschnyz-Baschraz-Som zurücktreten, als wir unvermittelt auf die äußerste Grenze stießen.

Von nun an durchschreiten wir Sektoren. Ich verspreche euch, dass es von Sektor zu Sektor schwieriger wird. An jeder Grenze muss ich es wagen, meine Fühler auszustrecken, wohldosiert und ich muss die auf mich einwirkenden zerstörerischen Kräfte ablenken. Ihr habt es erlebt.

Bitte, wir müssen jetzt weiter«, drängte sie plötzlich, »sonst ist das Tor wieder verschlossen.«

Sie und Soschnyz-Baschraz-Som gingen voran.

Wir spürten von der Grenze überhaupt nichts.

Sie hat recht, dachte ich, wenn sie uns nur Stück für Stück aufklärt - anhand konkreter Beispiele. Sonst können wir es nicht begreifen. Es ist zu kompliziert und so fern von menschlichem Zusammenleben.

Zyzschniy ist mehr als nur ein Stück Exotik. Zyzschniy ist das Beispiel von Systemabhängigkeit. Innerhalb des starren Systems lässt es sich im größtmöglichen Individualismus leben. Doch das bringt offensichtlich keinen Vorteil, obwohl es in dieser Form seit Jahrmillionen funktioniert.

Jede Starrheit eines Systems ist von Nachteil.

Der extreme Individualismus nutzt nur dem Individualisten und niemals der Gemeinschaft.

Es ist wie immer und überall: Es gibt den goldenen Mittelweg. Als ich zum ersten Mal von Soschnyz-Baschraz-Som über Zyzschniy hörte, dachte ich an ein Paradies. Ohne die zurückliegende Katastrophe und all ihre tödlichen Störungen wäre es das wahrscheinlich auch. Nur ist ein starres System gegenüber Störungen so anfällig, dass ich niemals Gelegenheit gefunden hätte, das Leben auf Zyzschniy kennen zu lernen.

Es bleibt die Frage, ob dieses Kennen lernen wirklich ein Vorteil wäre!

Ich blickte nach vorn und hörte die leichten Schritte von Liza neben mir. Esper 98 hatte zu dem Vorangegangenen keinerlei Kommentar abgegeben. Ich beschloss, ihn weiterhin zu ignorieren - und hoffte, dass ich selbst gegen Provokationen in Zukunft weitgehend gefeit war.

Obwohl ich mir in dieser Beziehung nicht trauen konnte.


2


Das fantastische Spiel von Psiona, das sich schlicht »öffnen eines Tores in einer Sektorengrenze« nannte, wiederholte sich mehrmals und dann war die verbrannte Wüste hinter uns. Vor uns lag der Dschungel.

Und genau am Dschungelrand lag die nächste Grenze. Psiona, die immer erst im letzten Augenblick eine solche Grenze aufspürte - dann, wenn sie nicht mehr zurück konnte -, spürte sie jetzt schon lange zuvor.

Wir waren von ihr vorbereitet und blieben in Sichtweite stehen.

Ich blickte an der Dschungelwand empor und es war mir, als würde sich eine schmutzige Glasscheibe zwischen mir und dem Dschungel befinden.

Konnte es sein, dass die Grenze selbst für uns sichtbar war?

»Ihr müsst es euch wie das irdische Magnetfeld vorstellen«, sagte Psiona leise. »Zentrum ist der Tafelberg. Er ist ein künstlich entstandener Berg, eine Anhäufung von manifestierter PSI-Energie. In seinem Innern ist die PSI-Sphäre, doch eigentlich gibt es kein Inneres, denn der Berg selbst ist nur der Mantel für das Tor nach drüben. Die PSI-Sphäre befindet sich in Wirklichkeit... in Hyperraum!«

Die »Glasscheibe« trübte sich rasch ein, wurde an verschiedenen Stellen wieder klarer, zeigte im nächsten Augenblick Schlieren und Streifen, verzerrte mancherorts das Bild, das dahinter war... Ein ständiges Wechselspiel, dem ich fasziniert zuschaute, während Psiona ihre neuerlichen Erklärungen gab.

»Vom PSI-Pol des Tafelbergs aus ziehen die PSI-Wellen ihre Kreise. An der Stelle einer Sektorengrenze sind die Wellenberge. Dazwischen liegen die Wellentäler. Ist das anschaulich genug?«

Sie wartete keine Bestätigung ab, sondern fuhr gleich fort: »Je weiter der Punkt vom Pol entfernt ist, desto größer sind die Abstände zwischen den Wellenbergen. Die Kreise ziehen sich noch relativ eng, wie ihr festgestellt habt. Der gesamte Raumsektor um Zyzschniy, mit einem ungefähren Durchmesser von zehn Lichtjahren, wird von der äußersten Grenze umschlossen. Es ist die ursprüngliche Membrangrenze, außerhalb der sich die ESPERANTO befindet. Dort stauen sich auch die Zwitterexistenzen und die anderen Energiemanifestationen von Hyperraum. Sie wurden angelockt und können sich dort noch halten. Doch das Feld mit seinem Zentrum am Tafelberg wird sich verstärken. Im äußeren Sektor tritt mehr und mehr das Schwingen auf. Im inneren Sektor, den wir vor uns sehen, gibt es kein Leben mehr - außer einem absterbenden Dschungel. Direkt in der Umgebung des Tafelberges ist es natürlich am schlimmsten. Wir hatten bisher Glück, denn wir wurden von den sporadisch auftretenden PSI-Stürmen verschont. Im inneren Sektor, rings um das Strahlungszentrum, wird es mit Sicherheit schlimmer werden.

Und es besteht die Möglichkeit, dass ich es gar nicht schaffe, ein Tor zu öffnen, ohne dabei umzukommen!«

Ich murmelte brüchig: »Und die Wellenberge werden mit Zunahme der Strahlungsintensivität immer höher und unüberwindbarer und die Wellentäler, als Sektoren dazwischen, dehnen sich immer weiter aus. Die Grenzen verschieben sich allmählich und immer schneller, bis der innere Bereich den gesamten Raumsektor erfasst.«

»Ja«, bestätigte Soschnyz-Baschraz-Som einfach. »Die Störung ist bereits komplett und die totale Ausweitung kann ungeheuer schnell erfolgen. Übrigens zieht sich die braune Wüste wie ein breiter Ring um den gesamten Pol. Ein Zeichen dafür, dass bei der letzten Katastrophe der Tafelberg einen besonders starken Treffer abbekommen hat.«

»Dadurch wurde die Entität nachhaltig gestört«, sagte Psiona. Sie wirkte nervös und drängte sich an Soschnyz-Baschraz-Som. Er legte den Arm beruhigend um sie, doch das nutzte wenig.

Sie wandten sich ab, in der Meinung, genug gesagt zu haben und schritten auf die nächste Grenze zu.

Ich beobachtete den Boden und das Flimmern wanderte tatsächlich. Die Grenze verschob sich ständig.

Wir hielten darauf zu, aber am liebsten hätte ich mich umgedreht und die Flucht ergriffen.

Psiona musste sich diesmal vorbereiten. Wir warteten in einigem Abstand. Ich betrachtete Esper 98. Der Super-Psychonaut stand da und betrachtete interessiert die Szene, als Psiona sich unweit der sich ständig verschiebenden Sektorengrenze niederkauerte und mit ihrem Ritual begann.

Soschnyz-Baschraz-Som kommentierte: »Das Ritual entspricht den uralten Überlieferungen. Es mutet religiös an, ist aber mehr. Die Entität ist ein lebendiges Wesen, der Zusammenschluss von unzählbaren Seelen. Psiona vermutet, dass durch die zurückliegende Katastrophe das Seelenkonglomerat auseinander bricht und die Bemühungen der Entität, das anscheinend unvermeidbare Ende aufzuhalten, führen zu diesen negativen Erscheinungen.

Die Entität ist sich dessen nicht bewusst.«

»Und was wollen wir dagegen tun?«, fragte ich Soschnyz-Baschraz-Som.

»Das wissen wir selbst nicht!«, gab der Zyzschniyer in entwaffnender Offenheit zu.

Ich sah ihn ungläubig an.

Da waren wir her gezogen, begaben uns in das Zentrum des PSI-Infernos, das anscheinend nur darauf wartete, über uns hereinzubrechen und Soschnyz-Baschraz-Som wusste noch nicht einmal, warum wir das taten?

Mir fehlten die Worte. Mir wurde auf einmal klar, dass der Hauptgrund der spärlichen Informationen augenscheinlich darin lag, dass Psiona und Soschnyz-Baschraz-Som selber nicht so hundertprozentig Bescheid wussten.

Es hatte sich alles radikal geändert. Sie konnten mit ihren Erfahrungen und mit ihrem alten Wissen nichts anfangen, sondern mussten umdenken.

Der Super-Psychonaut lachte gehässig und verließ seinen Platz. Er ging direkt auf Psiona zu.

»He!«, rief Soschnyz-Baschraz-Som ihm nach. Esper 98 hörte nicht auf ihn. Er erreichte Psiona, die sich bereits in Trance befand.

»Du wirst sterben, Psiona!«, sagte er rau.

Esper 98 ging in die Hocke und brachte sein Gesicht dem von Psiona ganz nahe.

Soschnyz-Baschraz-Som neben mir zitterte. Ich erwartete, dass er im nächsten Augenblick los sprintete und Esper 98 umbrachte. Aber er beherrschte sich meisterlich.

Esper 98 fuhr fort: »Du bist durch das Vorangegangene geschwächt, Psiona. Verstehst du mich? Ich habe dich beobachtet und alles analysiert. Ich kann dir helfen. Ich bin ein Super-Psychonaut. Begreifst du das? Ich weiß, welche Kräfte du anwendest. Meine Analyse ist nunmehr abgeschlossen. Ich...«

Die wandernde Sektorengrenze war heran. Sie hatte sprunghaft ihre Stellung verändert. Es kam auch für Esper 98 unerwartet. »Nein!«, schrie Psiona. Esper störte sie in der Konzentration. Das war offensichtlich. Dadurch, dass er Psiona zugeredet hatte, war alles gefährdet.

Über das PSI-Feld, das wie eine schmierige Glasscheibe wirkte, zuckten Blitze wie schwarze Risse. Ein krachendes Netzwerk bildete sich, mit dem Zentrum Psiona und Esper 98. Ein energetischer Mantel stülpte sich über die beiden.

Das Krachen wurde lauter. Es war, als würde überall der Boden aufreißen, um uns zu verschlingen.

Der Boden begann zu wackeln. Wir hatten Mühe, nicht umgeworfen zu werden. Die Welt schien untergehen zu wollen und das Farbenspiel um die Zweiergruppe verstärkte sich.

Ein Kreischen und Stöhnen klang auf. Die PSI-energetische, halbdurchsichtige Wand zeigte riesige Beulen, als würde von der anderen Seite her ein Gigant dagegen schlagen.

Eine grelle Lichterscheinung und die beiden waren verschwunden.

An den Rissen geschah dasselbe, bis eine wahre Sturzflut auf uns einstürmte.