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Mario Bial

Giftiges Weihnachten, Herr Thomschek





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

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Ich sitze am Tresen in Erwins Butterblume, ein Bier in der einen, eine Zigarre in der anderen Hand und ringe mit mir, ob ich mir noch einen genehmigen soll. Es ist eine schwierige Entscheidung, denn in meiner Wohnung über der Kneipe wartet ein Kühlschrank voller Tiefkühlpizza und Dosenbier auf mich. Der Inhalt meines Kühlschranks verrät jedem sofort Single, alter Jungfer vom anderen Geschlecht ungeliebt und ungewollt. Die zwölf Tiefkühlpizzen Champignon und Thunfisch bedeuten übersetzt so isst ein Verstoßener einsamer Mensch, der nicht kochen kann. So sieht dein Frühstück aus, wenn du Single bist und einsam, wie der hallesche Komet durch das Weltall rast. Ich fühle mich im Moment wie ein hässlicher Opel Manta, der verschämt in der Garage steht Öl verliert und rostet und von der Autobahn träumt. So lebt der neununddreißig Jahre alte Theo Thomschek. Ich lege einen Zwanziger auf den Tresen und Erwin der Wirt dreht ihn ein paar Mal um und hält ihn gegen das Licht.

»Soll ich den wieder mitnehmen, Erwin?«, frag ich.

»Naja Alter man kommt sich nur so herzlos vor von so einer armen Sau wie dir Geld zu nehmen!«, sagt Erwin und gibt mir das Geld zurück.

»Keine Arbeit, Theo?«

»Das Geschäft läuft nicht besonders. Du weißt ja, warum.«

»Wegen dem Dezember, der verdammte Weihnachtsstillstand und weil du bei deinem Aussehen keine Chance bekommst, auf die Besetzungscouch zu hüpfen.«

Ich nicke. Die Anzahl der Film Produktionen in der Stadt hat sich zwar mehr als verdreifacht aber es ist Schrott, die keine Dicken wollen außer als spaßiger Dirk Bach Typ. Man klebt im Augenblick auf irgendeiner ästhetischen Schiene, nicht was die Drehbücher betrifft die sind Schrott, was das Aussehen der Schauspieler betrifft. Man muss halt die Zähne zusammenbeißen und ausharren, irgendwann wird das werberelevante Zielpublikum auch älter und man dreht wieder andre Dinge als Werbung für iPods und Aknecreme.

»Die Stadt sollte sich schämen nach allem was ich für sie getan habe!«, maule ich.

Vor sechs Jahren stand ich in der Bildzeitung, weil ich einen Hund im Hochsommer aus einem Auto befreit habe. Der Welpe hechelte als würde er gleich am Hitzeschock sterben, Sauerei, was manche Menschen für eine Einstellung gegenüber ihren Haustieren haben. Die Frau der der Porsche gehörte, deren Seitenfenster ich eingeschlagen hatte, um den Welpen zu retten, nicht, die war noch keine drei Minuten in einer Ku-Damm Boutique um was abzuholen. Eines ist ganz klar, egal wer das Sagen hat in dieser verdammten Stadt wird ein ehrlicher guter Schauspieler mit fundierter Ausbildung an einer der besten Akademien der Welt ruiniert und die Reichen und Korrupten auf meine Kosten verwöhnt.

»Die Geschäftslage ist wirklich mehr als mau. Bei mir zum Glück nicht, Kneipen gehen immer in Zeiten der Krise«, sagt Erwin.

»Das stimmt der Mensch sucht das Vergessen. Eine lange Zeit ohne Engagement ist tödlich für den Ruf eines Schauspielers. Naja außer man schreibt ein Buch im Erziehungsjahr und kümmert sich um seine Patchwork Familie.«

Allmählich bedauere ich, dass ich meinen Deutschlehrer nicht auf der Stelle umgebracht habe, als er zum ersten Mal gesagt hat, Theo du bist ein Vollblut Schauspieler. Ich geh nach oben, in das verkehrsgünstig gelegene City Appartment, ein anderes Wort für Bude im Innenstadt Slum und hole mir ein Bier und werfe mich vor den Computer zu meiner Dragon time. Die letzten Wochen habe ich damit zugebracht, lautstark einen Text zu Lernen und in den nichtssagenden Worten etwas Tiefe zu entdecken. Selbst für mich einen professionellen Schauspieler war es schwierig, damit etwas anderes auszudrücken als eine egoistische Absicht. Es kostete mich viele Stunden vor dem Flurspiegel, dem Ganzen etwas mehr zu geben. Und das im wärmsten Dezember seit Aufzeichnung der Wetterperioden. Englische Pfarrer fingen damit an, ich nehme an aus purer Langeweile. Vergangenen Mittwoch hatte ich ein Vorsprechen für die Rolle eines Hundebesitzers im besten Alter, meine Agentur meinte ich sei zu Alt dazu und sehe nicht, wie der Typ aus den die Werbeagentur suche. Ich heulte so lange, wie dreckig es mir geht. Das sich zur Weihnachtszeit die meisten Selbstmörder entscheiden diesen wichtigen Schritt doch noch im alten Jahr zu tun. Dass die Welt ohne mich besser dran sei, dabei schielte ich immer zum Fenster, (12 Etagen bis zum Aufprall) bis ich den Termin bekam. Die Sekretärin rückte mit der Anschrift und den Termin heraus. Sie war genervt von ihrem eigenen Mitgefühl und sagte: »Die Hässlichkeit soll nur die Schönheit betonen Herr Tomscheck. Das Normale ist nur ein Akzent in ihrer Branche, deshalb spielen auch schöne Menschen die Hässlichen, schon mal an eine Umschulung oder ABM Maßnahme gedacht?« Die schwerreiche Hundefutter Industrie suchte nach einem dynamischen Typen vom mittleren Management, was kam an? Ein Typ mit hungrigen Augen, der so aussah als würde er dem reinrassigen Setter sein Champion de luxe mit Hühnchen Provence wegessen. Das Vorsprechen lief gar nicht so schlecht. Der Regisseur und der Kerl von der Pferdeschlachterei die das Hundefutter produzieren sahen mich ungläubig an, nachdem ich geendet hatte, wie auf LSD in die Kamera zu grinsen. Ein Werbekind, blond und adrett weint und zittert in meine Richtung.

»Mutti der Mann macht mir Angst.«

Die Mutter die so viel Hoffnung in ihr kleines blondes Pausbäckchen setzt scheint ärgerlich.

»Pssst halt die Gusche es geht um unsere Karriere!«

Ich rufe mit meinem breitesten Lächeln meinen Text in die Kameras. Aber vielleicht hat mich das weinende Kind etwas in der Konzentration gestört. Diese kleinen Heulsusen sind eben keine Profis und sollten erst einmal die Vorschule beenden.

»Seit mein bester Kumpel in der Welt Champion de luxe mit echten Provence Hühnerfleisch bekommt, ist er soooo glücklich.«

Ich sehe mit großen runden Augen den Regisseur, einen 18 jährigen vollbärtigen Studenten der Filmhochschule Babelsberg an und flüsterte, mit bittend gefalteten Händen.

»Ich brauche diesen Job wirklich dringend, es ist wegen der Krank - Krankenhausrechnungen meiner Kinder!«

Er nickt und sagt: »Mal was anderes.«

Er klang als sei ihm eben klar geworden, was er den Rest seinen Lebens machen würde, Werbung. Ganz ehrlich ich brauche den Job, wie ein Sportler den Werbevertrag mit Nike. Ein Basketballer von Alba lange Arme und eine gegen die Wand gesetzte Karriere in der NBA. Brauche die Kohle wie ein Junky seinen Schuss Heroin. Man braucht Geld, um in diesem verdammten System zu funktionieren, um zu konsumieren, damit man funktioniert, ein Kreislauf eben, wie Erwin der Wirt mit nachdenklicher Stimme formulieren würde. Er ist ein Kreislauftyp der sämtliche Erkrankungen der Welt mit einer einfachen kreisförmigen Handbewegung erklärt. Womit wir bei meiner Erkenntnis des Vorsprechens sind, dass es übergewichtige mittelalte Schauspieler schwer haben die Rollen aktiver Hundebesitzer zu bekommen. Nach dem Vorsprechen gehorche ich dem Diktat der Schauspieler Innung und zünde mir in einer Kneipe die obligatorische Zigarre an. Der Werbespot sollte in Sylt gedreht werden, schade ich habe ewig keinen Urlaub gemacht. Ein blonder Lockenkopf mit Grübchen mit hoch gerollten Jackettärmeln und auf alle Fälle barfuß rennt über den Strand, so sah das die Tierabfallindustrie, die Champion de luxe produziert. Sein Volvo parkt am Strand und die BMX Bikes stehen auf dem Gepäckträger der Karre, zur Versinnbildlichung des aktiven. Der irish Setter kommt angewetzt um seine Dose Provence Hühner zu fressen. Eine Werbeschablone, die auf alles passt, Bier, Autos, Versicherungen, Hundefutter. Noch einmal gesagt: Das ist nicht die Realität, das ist Werbung. Gemacht von Leuten die auf Universitäten gelernt haben den Wilden, also uns, mit Tand und Firlefanz um Gold und Sklaven zu betrügen. Heute fahren Sie nicht mehr mit Karavellen und Windjammern zur Goldküste und verramschen billigen Tand, heute geht das alles übers Fernsehen. Trotz künstlerischer Unterforderung und dem miesen System, für das Werbung steht, hoffe ich auf die Rolle dann ist Schluss mit dem bescheuerten demütigenden Halbtagsjob als Straßenbahn Kontrolleur in Uniform. Das Telefon klingelt, und ich spiel das epische einmalige unerreichte Meisterwerk modernen Unterhaltungskultur Dragon Age und wollte einen Drachen erlegen, und mein Mana war leer und der Tank hatte auch nur noch halbes Leben. Ein Mördervieh die Mutter von Morigan, die ein Drache ist und wenn ich die erledige, kann man mit Morigan in die Kiste, ich meine mein Pixelego im Rollenspiel konnte. Ich verfluchte das Telefon und nahm atemlos ab, während auf dem Monitor Feuerbälle explodierten und Lichteffekte die alte Grafikkarte des Computers zum Kochen brachte. Ich hielt den Hörer in der Hand während, meine Schwerkämpfer, Bogenschütze und zwei Magiern vor die Hunde gingen und mein Unterbewusstsein über diese Verschwendung von Lebenszeit heulte. Mein Unterbewusstsein hat die Evolution nicht mitgemacht, es steckt im Jahr 40000 vor Christus fest und meint ernsthaft ich sollte draußen sein und mit Höhlenbären kämpfen.

»Mist keine Zaubertränke mehr! Und mein eigener Zauberer schießt verdammte Eisbälle auf den Drachen, anstatt die Kumpels zu heilen, ist das vielleicht fair?«

Ich höre ein Nachdenkliches, »Was?«

Mein Gesicht sieht eine Weile aus wie das vom German Angry Kid, dem verhaltensauffälligen Youtube Star.

»Tommy erklär mir mal wozu hat man ein Taktikslot, wenn der Dreckshund macht, was er will?«, frage ich.

»Weiss ich doch nicht!«

Es ist mein bester Freund und Agent. Tommy lächelt immer selbst am Telefon, selbst als er mit dem Bestatter seiner Oma telefonierte, doch jetzt entglitt es ihm.

»In Valar garai gemb hîs or enîa«, sagt Tommy auf elbisch was wohl die Götter mögen dich beschützen heißt.

»Wie geht es meinem Robert de Niro heute?«

Er klang als mache er sich Sorgen um mich.

»Mh, Moment der verdammte Drache bringt gerade meine Magier um.« Es sind die einzigen Worte, die mir über die Lippen fliegen. Das Handy ans Ohr geklemmt haue ich auf die Tastatur meines Computers.

»Die ist Level 32 was sollen der Scheiß ich bin gerade einmal Level 12 können die keine Level Bosse generieren«, schießt es aus mir heraus.

»Was generiert wem?«, fragt Tommy.

»Fleanegan die Mutter von Morigan der Drache!«, jammere ich.

»Du hast eine Freundin?«, fragt Tommy ungläubig.

»Dragon Age Ultra Edition! Au scheiße die sind hin!«, jammere ich.

In Wellen überkommt mich Wut und ich haue mit der Faust auf den Arbeitstisch, der Becher Kaffee kippt um und flutet die Tastatur. Ich reiß den Stecker heraus als es zu Funken beginnt.

»Was machst du denn da?«, ruft Tommy.

Ich fange an, erbärmlich zu fluchen.

»Dragon Age«, murmel ich nach dem die Wut abgekühlt ist.

Ich mag Tommy, aber es ruft immer an, wenn es stört. Wenn ich nach Jahren des unfreiwilligen Zölibats, eine Braut abschleppe und ich mit der Hand gerade bis zum Knopf ihrer Jeans gekommen bin, wird Tommy anrufen. Die scharfe Braut wird schlagartig aus ihrem Alkoholkoma erwachen sich in meinem Dreckstall umsehen und so schnell verduften als hätte ich ihr gesagt, Baby willst du meine Totenkopfsammlung sehen.

»Mensch du hast echt ein Problem!«, sagt er entsetzt, »kannst du nicht wenigstens Lügen sag doch ich sehe einen Porno und masturbiere oder sei unverschämt und sage ich lese ein Buch von Michael Prost.«

Ich weiß er hat natürlich recht.

»Marcel Proust heißt der Mann und viele gestandene Männer spielen Rollenspiele! 60 Prozent der über dreißigjährigen Spielen regelmäßig!«, lüge ich.

»Nicht so wie du das denkst. Wie auch immer. Also kommst du?«

»Wohin?«

Er schweigt verblüfft.

»Wohin? Heute ist Freitag DVD Tag Alter. Also an Harad!«

An Harad, mach‘s gut Alter, auf elbisch. Wenn man eine Sprache erfindet, Mister Tolkien, warum eine komplizierte? Warum nicht etwas Einfaches, ein Äquivalent zum Grunzen vielleicht. Einmal grunzen ja zweimal nein?

»An Harad und hast was zu essen?«

Mein Magen erträgt nur eine gewisse Zeit Tiefkühlpizza, ohne zu revoltieren, vielleicht wegen der Surrogate, Geschmacksverstärker und Tierfleischabfälle im Belag und Teig?

»Ich kann Orkeingeweide kochen (Spaghetti), dazu eiskalter Hobbit Met (Pilsner) und die DVDs liegen bereit.«

 

Freitag sehen wir uns in seinem Haus in Zehlendorf der Herr der Ringe an, alle drei Teile. Tommy sitzt als Herr Frodo Beutlin verkleidet da, er balanciert sein Elbisch Lexikon aufgeschlagen auf den Knien und spricht den ganzen Film Text mit. Er ist Tolkien Experte und spricht elbisch und reagiert empfindlich auf Abweichungen in Film und Büchern und er ist mein bester Freund. Ich kenne ihn seit einer Ewigkeit und niemals hätte irgendwer gedacht, seine Eltern eingeschlossen er würde von etwas anderem als Arbeitslosenunterstützung leben. Damit will ich sagen, dass der Mann nicht von der Erde ist, aber es drauf hat den Geschäftsmann zu spielen. Angesehene Filmproduktionen und Quizsendungen lassen nur ihn casten, was bedeutet das für mich ab und zu ein Brocken abfällt. Ich war in den letzten beiden Jahren eine fette Leiche im Tatort, der Schatten eines Vojeurs hinter einem Vorhang und einmal 50 Sekunden ein Fahrradfahrer für die Weight Watchers Werbung in der Sendung Praxis. In seiner Villa, die aussieht wie ein gläsernes Lego Haus, in einer Straße voller beamteter Oberlehrer und Architekten und Söhnen von Architekten, die irgendetwas bei den Berliner Sparkasse oder der Postbank geworden sind, sehe ich eines immer deutlicher. Meine Karriere ist schneller heruntergekommen als gestartet, es ist eine Art von über Lichtgeschwindigkeit schneller Negativeffekt der mich begleitet.

»15 Uhr ich schicke dir meinen Wagen. Ach ja, ich habe einen Anruf von Petermann bekommen er sagt, dass sie dich alle ganz tolle superspitzen superklasse gefunden haben. Sie waren echt Wau und weg überrascht von deiner schauspielerischen Leistung. Aber Petermann meint die Marketingabteilung der Fabrik will einen Jüngeren mittelalten Darsteller bis dreißig und so durchtrainiert wie der Hund. Sie planen, in naher Zukunft ihre Produktion um ein Futtermittel für den reiferen Hund zu erweitern und dann bist du der richtige Mann. Klasse Nachrichten mein Superstar.«

Tommy legt den Hörer weg und ich bin es der auflegen muss. Tommy glaubt, dass derjenige der zuerst auflegt, Pech hat. Ich trinke eine Dose Bier und aß sieben papierdünn gepresste Scheiben Toast mit Butter und Salz, was anderes war nicht da bis auf Pizza. Ich schmeiß mich in Uniform um den Schwarzfahrer das Leben zur Hölle zu machen, zumindest den halben Mittag lag. Ich bin der Meinung wenn man so weit unten angekommen ist kann man auch bei der Arbeit nach Bier stinken. Als ich den Drecksjob annahm, machten wir einen zwei Tage Kurs und ein BVG Hauptsturmführer erklärte uns das wir als lizenzierte genehmigte Kontrollletten mit niemandem erbarmen haben sollen. Weder mit der Schwangeren, die gerade mit geplatzter Fruchtwasserblase und Wehen ins Krankenhaus fährt, oder dem Kind, das sich verfahren hatte. Namen notieren Ausweis zeigen lassen und rausschmeißen. Ich handhabte den Job so, ich stieg ein sage In drei Minuten beginnt die Kontrolle! Dann sehe ich eine ganze Weile lang aus dem Fenster und trink mein Bier aus. Manchmal leerte sich die Straßenbahn schlagartig als wäre jemand mit Lepra eingestiegen. Wer immer noch drin saß ohne Fahrschein war so blöd das ich das Kontrollieren einfach nicht übers Herz brachte oder ein stinkiger Bodybuilder, dem alles Scheiß egal war. Ich meine ganz ehrlich ein Großteil von uns zahlt Steuern, der Nahverkehr ist staatlich oder städtisch sollte er da nicht umsonst sein oder zumindest einen angemessenen Preis haben? Während ich meine Beine hochlege und ein Dosenbier trinke und in der Straßenbahn durch die betonierte graue Dezemberwelt kutschiere, klingelt mein Handy.

»Junge der Hund frisst nicht, du musst kommen!«,

Mutter schreit hysterisch in das Telefon mein Trommelfell summt. Es klang als informiere sie mich darüber, dass mein Vater gerade im Badezimmer mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen ist. Nach dem ersten Schock, der mich erstarren lässt, erwidere ich höflich mit immer noch klopfenden Herz ein wenig in George Clooney Krankenhausarzt Manier mit einem Notfall.

»Seit wann denn?«

»Seit gestern, er ist schon ganz abgemagert! Du musst mit ihm sprechen.«

Was ich tue und versuche Bodo davon zu überzeugen Mutter keine Sorgen zu machen und seine obszönes Scheva mit dem Fitzelchen Petersilie zu fressen. Was wenn er mal was verschluckt, erwartet Mutter, dass ich einen Luftröhrenschnitt beim Hund mache. Und tatsächlich, Mama gibt dem Hund entweder ein Fitzelchen Petersilie auf sein Scheva oder ein Radieschen und ganz klar der Hund frisst es nicht. Für den Hund hat diese Verfeinerung seiner Esskultur den schalen Beigeschmack des übertriebenen als würden Sie in einem Restaurant ihre Pizza mit einem Backstein oben auf serviert bekommen.

»Schnucki Schnucki Bodo, will nicht Happa Happa pappa ... «, raune ich wie ein Idiot ins Nokia.

Der mies gelaunte Bodybuilder, der die ganze Zeit zu mir schielt und seine Fäuste knetet, scheint mich für einen verkleideten Irren zu halten und nimmt Abstand von mir. Nach der Schicht kutschierte bis zum Straßenbahn Depot Mitte steige aus und stempel die Lochkarte für meine Kollegen. Die entweder ihren Kater ausschliefen oder zu zartbesaitet waren, um zur Spezies der meist gehasstesten Menschen zu gehören. Ich fuhr mit dem Fahrrad nach Hause. Du Pimmel mit Ohren, hervorgebracht von einer hart arbeitenden Frau, war das lustigste was ich heute an Beschimpfungen gehört habe. Sie konnte nicht einsehen, dass die Paten der öffentlichen Nahverkehrsunternehmen ihre Kunden als potenzielle Verbrecher sehen, die es zu kontrollieren und einzuschüchtern gilt. Niemand würde noch in einem Supermarkt einkaufen, wenn man beim Eintritt hautnah von einem Detektiv verfolgt würde und seinen Atem im Nacken spürte und der andauernd in die Manteltaschen sehen will. Aber diese Soziopaten aus dem Vorstand der Nahverkehrsbetriebe tun genau das. Sie geben dem Kunden das anheimelnde Gefühl mit dem Fahrpreis betrogen worden zu sein. Aber irgendwer muss ja die dicken Gehälter und die Schlitten bezahlen. Ich würde den Kerlen ihre Audis wegnehmen und sie zwingen mit den öffentlichen Bussen und Bahnen zu fahren. Ich krieche nach Hause sprinte mit dem Fahrrad die stinkende Haustreppe nach oben. Drei Junkys kommen gerade herunter, neben mir wohnt ein Dealer und bei dem geht es zu wie im Baumarkt. Wer immer die Bankenkrise hat, der Kokain und Heroin Branche im Wirtschaftsstandort Berlin geht es blendend. Einer der Junkys im Hausflur faucht mich an, als ich mich an der Wand gepresst an den Kerlen vorbei drücke.

»Seit die Amis die Taliban vertrieben haben, wird der Dreck immer besser.«

»Scheiße ich liebe die Amis!«

Informiert mich sein Sancho Panza. Ich öffne die Tür zu meiner Behausung und das Festnetz Telefon klingelt gerade. Es ist mein Vater gut gelaunt wie immer. Seit er im Ruhestand ist, versucht er die Jahre, die er verpasst hat, nachzuholen seit ein paar Wochen steht eine enge Beziehung zum Sohn auf seiner To Do Liste. An schönen Tagen spielt er wie ein kleiner Junge mit dem Modellflugzeug und sagt er trainiert für die Landesmeisterschaft. Wenn ich ihm erkläre, Käse du spielst mit einem Modellflugzeug, das ist kein Training ist er sauer, aber nie sehr lange. Wenn es regnet und er nicht raus zum spielen kann, ruft er bei mir an.

»Hast du schon eine richtige Arbeit Junge?«, trällert er.

Ich höre den Hund kläffen, also noch nicht verhungert.

»Ich bin Schauspieler das ist richtige Arbeit«, flüstere ich.

»Ach du hast ein Engagement das ist ja fantastisch!«, flötet er sarkastisch.

»Ein Vorsprechen und da du gerade anrufst Papa kannst du mir einen Vorschuss geben, ich habe echt Hunger«, bettele ich.

»Vorschuss, worauf du arbeitest, nicht. Ich habe mit Herr Wu geredet Sophie könnte dir was besorgen du solltest dich mal mit ihr treffen!«, sagt Papa geheimnisvoll.

»Was eine Feuerpolice?«, frage ich.

Schlagartig wird es am anderen Ende der Telefonleitung sehr ruhig. Dann explodiert es.

»Wieso hast du im Bett geraucht und bist eingeschlafen?«, schreit mein Vater mich an.

Ich und mein Bruder Sören haben mal als Kinder auf einer Baustelle Inquisition gespielt und ein paar Barbie Puppen wegen Ketzerei und Umgang mit dem Malefiz zum reinigenden Feuer verurteilt. Nachdem die freiwillige Feuerwehr von Aargau West die Bauarbeiterbaracken gelöscht hatte, musste mein Vater tief in die Tasche greifen, was er mir dreißig Jahre später immer noch vorhält.

»Nein ich habe kein Feuer gelegt und ich will mich um meine künstlerische Entwicklung kümmern und keine Senioren mit Versicherungen über den Tisch ziehen.«

Vater schweigt eine Weile.

»Aber Theo du hast keine Entwicklung, weil du nämlich nicht arbeitest.« Mein Vater entstammt einer, vergangenen Epoche, in der ein Schauspieler entweder beim Theater oder im Fernsehen immer einen Job fand. Arbeitslose Schauspieler gab es damals nicht, weil es nur Heinz Rühmann Peter Alexander und eine Handvoll andere gab. Im Notfall sprang das kleine ZDF-Fernsehspiel ein und XY ungelöst suchte immer Statisten. Vater versteht einfach nicht, dass ein Mann mit einer exclusiven Ausbildung an einer privaten und unerhört teuren Schauspielakademie, nicht einmal die Rolle eines Hundebesitzers abgenommen bekommt. Er hat recht es kratzte an meinem Ego, ein blöder Hundebesitzer, ich machte mir ja nicht die Mühe die Rolle des Schimansky zu bekommen, falls es den noch gibt.

»Ich schreib ein Buch«, lüge ich.

»Worüber?«, fragt er hellhörig.

»Och nichts so eine Vater Sohn Geschichte.«

Mein Vater ist mucksmäuschenstill und fragt, wie viel ich brauche. Er befürchtet nichts wie ein Skandal so kurz vor der Vorstandswahl in seinem Modellflugzeugbauer Verein. Karl Heinz Kaspers schafft es nicht mehr, die viele Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, hat ihn zu einem nervlichen Wrack gemacht, lässt er über die Vereinszeitschrift der Fokker verbreiten. Ich will Papa etwas aufbauen, das Gefühl einen Sohn gezeugt zu haben der mit vierzig immer noch auf Taschengeld angewiesen ist gibt ihm schwer zu denken.

»Gute Filme werden eh nur noch in Asien und Amerika gemacht. Und gedreht wird in Osteuropa um Produktionskosten zu sparen. Willst du etwa das ich nach Rumänien gehen und dann in einem schäbigen Kakerlaken verseuchten Hotelzimmer einer Badewanne voller Eis erwache und mir eine Niere fehlt?«

»Nein Sohn such dir einen Job.«

»Papa wer heute in meinem Beruf Erfolg haben will, muss zum Reality-TV in den Big Brother Container oder eine Prominente heiraten oder ein Serienmörder sein.«

Bisher habe ich auf meine Heiratsanträge keine Antworten bekommen weder von Madonna noch Halle Berry. Selbst Elton John lässt sich verleugnen, der doch so aussieht als greife er nach jedem Strohalm um der Einsamkeit zu entgehen.

»Du Papa fünfhundert dürften genügen, bis ich aus dem Gröbsten rauskomme. Ich zahle dir das Geld zurück Papa!«, lüge ich.

»Weißt du das der Fritzek tot ist! Ging ruckzuck und man hat ihn mit den Füssen voran aus der Villa getragen.«

Draußen hupt der Mercedes den Tommy geschickt hat, weil er weiß was sich gehört und er annimmt, da ich heute für die BVG gearbeitet habe das ich zu blau sein werde mit meinem Auto zu fahren.

»Fritzek ist doch der Teller Typ oder?«, frage der Höflichkeit wegen.

»Fritzek Porzellan Junge jeder kennt doch Fritzek Porzellan. Also alles klar dann Junge. Sophie ruft an wegen des Fritzeks.«

Ich höre nicht weiter zu und verabschiede mich von Vater und mache mich Herr der Ringe bereit. Streife die tägliche Depression ab und lächle mir zu und stecke die Gummi Elbenohren in die Tasche. Ich betrachte mich im Spiegel und denke an das Gute in meinem Leben.

»Theo du Herzensbrecher die Haare fallen aus aber wir haben einen Parkplatz.«

Ich habe es Tommy noch nicht erzählt, warum ich ohne Auto bin. Dass ich einen Parkplatz in der Nähe gefunden habe, keine zwei Straßen entfernt und ich nicht riskieren will den zu verlieren, weil ich mein Auto unvorsichtiger weise benutze. Er steht auf dem Aldi Parkplatz, und zwar auf einer Stelle, die nur zur Hälfte dem Supermarkt gehört und die noch keinen Weg gefunden haben halbe Autos abzuschleppen. Ich bekam das zufällig mit, als ich Pizzen und Bier kaufte. Ein Mann vom Bauamt stand mit dem Supermarktleiter dort draußen und verlangte das der Supermarkt sofort abgerissen wird. Der Parkplatz ist zu groß 70 Zentimeter öffentlichen Raums wurden gestohlen. Ich fragte den Mann vom Bauamt, ob er sich sicher ist und er verwies auf die Akte mit den Bauplänen in seiner Hand und den Zollstock. Seitdem bin ich ein beneideter Mensch mit einem Parkplatz für seinen Passat bis Bauamt und Aldi Konzern sich über eine Lösung ihres Problems geeinigt haben. Der Supermarkt steht immer noch und verkauft weiter Hundefutter und E74 und Natriumglutamat ... Aber zuerst muss ich nach meinen Schuhen suchen. Ich lasse meine Turnschuhe, wegen ihres Gestanks, vor der Wohnungstür stehen aber jetzt sind sie weg. Ich hämmere an die Tür meines Nachbarn.

»Halli Hallo«, grüßt Witmann der Dealer fröhlich, als er die Tür aufzieht, doch als er sieht, dass ich es bin, sagt er enttäuscht: »Oh, was willst du?«

Aus dem Inneren seiner Wohnung zieht ein penetranter Marihuana Geruch und Patschuli Gestank in den Hausflur.

»Ich will meine verdammten Turnschuhe Witmann!«, schmettere ich ihm entgegen.

»Was!«, fragt er mich entsetzt.

Er glaubt, weil ich meine Vorsprechtexte laut lerne, ich bin ein Selbstgespräche haltender paranoider Schizophrener.

»Ja, du hast richtig gehört Herr Pablo Escobar ich will meine verdammten Nikes!«, brülle ich.

Meine Fäuste sind in die Hüften gestemmt und mein Speichel fliegt ihm ins kalkweiße Gesicht. Ich bin selbst von meiner Stimme beeindruckt, wie laut und klar sie durch das nach Urin und Gras und Patschuli stinkende Treppenhaus schallt. Meine Stimmfülle muss an den Lets Plays liegen die ich auf Youtube in meinen Gronkh Kanal stelle. Jeder Polizist in Berlin Neukölln der am Treppenaufgang vorbeigeht muss einfach wissen das dort verkauft wird wenn er mich nicht gehört hat muss er es riechen. Daran sieht man wieder Marihuana ist in Berlin nur im Prinzip illegal, durch den rasanten Anstieg anderer gefährlicherer Drogen, hat die Polizei es aufgegeben, sich um Kiffer zu kümmern. Heroin ist wieder in Mode und währen nicht die amerikanischen Gangsterfilme würden viel mehr Dealer am Bahnhof Zoo ganz offen Crack verkaufen. Am Bahnhof Zoo ist der schmierige Typ, der alle feindselig anstarrt, wie ein widerliches Kind bein Bonbon essen das nicht Teilen will, und immer von U-Bahn Eingang zum Bahnhofseingang geht, trotz der Kameras, zu 70 Prozent ein Dealer. Entgegen der landläufigen Meinung sind die Straßen Heroindealer überwiegend Deutsche, so wie Witmann das Arschloch. Jemand sollte auch mal wegen des Gestanks WC-Steine ans Treppengeländer binden.

»Warum verdammt klaust du immer meine alten stinkigen Turnschuhe? Bist du ein Schuhfetischist, hä?«

Witmann ist ziemlich Grün im Gesicht und bittet mich meine Stimme zu senken. Dann zeigt er auf die 30 Watt Glühbirne der Treppenbeleuchtung von denen meine Nikes hängen und knallt die Tür zu.

»Besser ist!«, zische ich.

Ich betrachte die Schuhe und nun weiß ich auch wieder, warum ich dachte, dort oben sei ein guter Platz um die Latschen auszulüften. Ich brauche keine Schuhe, Tommys Fahrer holt mich ab. In Hauslatschen trottete ich hinunter. Der Fahrer der Agentur, er hat einen tollen Job und fährt die Stars durch die Gegend möchte sich mit mir nicht unterhalten. Er ist beleidigt, dass er immer mich abholen, muss anstatt so ein dürres Supermodel, das ihn nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde. Er ist ein junger Bursche mit Fitnessstudio Erfahrung und schmierigen Haaren. Dass mit der Fitnessstudio Erfahrung steht in seinen Bewerbungsunterlagen als Hobbys. Actionfilme und Fitnessstudios steht dort als Manifestation seiner Dummheit. Er schweigt, was ich sehr angenehm finde und ich zische mein Bier.