Ohff, Heinz Der grüne Fürst

PIPER

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Mit 30 Abbildungen

Die Aufnahmen für den Bildteil wurden von Christiane Hartmann angefertigt.

 

 

ISBN 978-3-492-97212-3

Januar 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 1991

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Muskau (»Park. Gestaltung von Wehren«, akgimages, Berlin)

Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe

 

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Read no history: nothing but biography,
for that is life without theory.

Laßt die Finger von Geschichte – lest Biographien,
sie sind Leben ohne Theorie.

Benjamin Disraeli

1.

Auftritt des Helden

Was hier erzählt werden soll, ist alles andere als ein Schauerroman. Es beginnt trotzdem schaurig genug.

1815. Ein junger Graf, noch nicht ganz 30 Jahre alt, hat eben einen Entschluß gefaßt, der sein Leben verändern soll und seinen gesamten Besitz, die größte Standesherrschaft in deutschen Landen, dazu. Der Entschluß ist lange in ihm gereift. Jetzt verwirklicht er ihn und setzt an den Anfang eine große pathetische Szene.

Vor den erschreckten Augen seiner Untertanen, meist abergläubischen Hinterwäldlern, steigt er zur Mitternacht in die Gruft seiner Ahnen, um dort über Leben und Tod, Vergangenheit und Zukunft, über sich, seine Herkunft und seine Pläne zu meditieren.

Drei Särge hat der junge Graf vorher öffnen lassen. Mit dem Küster schreitet er zur Geisterstunde beim Schein einer Fackel der Kirche entgegen. Es ist Vollmond. Die Kreuze auf dem Friedhof werfen lange Schatten. Wind heult durch die Kiefern. Immer wieder verschwindet der Mond hinter fliegenden Wolken.

»Woher das unbegreifliche Grauen vor den Toten, die kein Glied mehr rühren können, uns zu schaden«, lesen wir in des Grafen eigenem Bericht. »Woher die nächtlichen Schauer, woher die eisige Furcht vor dem, was einst Leben hatte und uns wieder erscheint ohne Fleisch und Bein? – Wenn man jung ist, will man alle Furcht besiegen.«

Mit einer Handbewegung schickt er den Küster fort, nachdem dieser die knarrende Falltür geöffnet hat. Die Fackel in der Hand steigt der junge Standesherr die morschen Stufen hinab ins düstere Gewölbe. »Mein alter Großvater, der 86 Jahre des Lebens Bürde getragen, war der erste, den ich erblickte. Sein schlohweißes Haar hatte sich in der bleiernen Hülle wieder blond gefärbt. Sein Haupt lag nicht mehr in der alten Richtung auf dem Kissen, sondern hatte sich seitwärts mir zugewandt, und seine weiß kalzinierten (kalkbedeckten) Augen starrten mich an wie zum Vorwurf, daß ich im jugendlichen Übermute der Toten Ruhe gestört.« Ihm küßt er den eiskalten Schädel und schneidet »eine spärliche Locke von seinem ehrwürdigen Scheitel«.

Im zweiten Sarg streckt sich »unter goldgestickten Lumpen ein langes Gerippe hin«, das eines Feldobristen, der im Dreißigjährigen Krieg unter Pappenheim gegen die Schweden zu Felde gezogen ist – ein weiterer Vorfahr.

Dem gleichen Geschlecht, welches sich, der Sage nach, auf Rüdiger von Bechelaren, den Ritterhelden aus dem Nibelungenlied, zurückführt, gehörte auch die Frau im dritten Sarg an. Sie sei, berichtet unser Graf, »bei ihrem Leben die schöne Ursula genannt« worden. In der lokalen Überlieferung hat sie allerdings als »böse Ursel« überlebt. »Der kleine Totenkopf hatte eine dunkelbraune, häßliche Farbe angenommen; der ganze übrige Körper war mit einem langen, wunderbar erhaltenen Mantel von feuerfarbener Seide mit silbernen Fransen bedeckt. Ich wollte ihn aufheben, doch er kam mir selber zuvor, denn bei der ersten Berührung zerfiel er fast in Staub, und eine Legion Kellerwürmer, Gott weiß, wie hier hereingekommen, wimmelten unter meinen Händen auf den zusammengebrochenen Knochen.«

Lange betrachtet der Graf, auf einem der nicht geöffneten Särge sitzend, »in dumpfer Betäubung« bei flackerndem Fackellicht die lange Reihe seiner Vorfahren. Dann fällt er auf die Knie und betet, »bis das Eis in meiner Brust in schmerzlich-süße Tränen zerschmolz. Was von Furcht, Grausen und allen unheimlichen Gefühlen in mir gewesen, es verschwand vor Gott, und stille sanfte Wehmut blieb allein zurück.«

Gestärkt und getröstet, will man seinen Worten glauben, schreitet der Standesherr zurück in die Welt der Lebenden. Die – von uns übrigens hinzuerfundene – Kulisse von Mond, Wolken und Windgeheul gehört dort gewissermaßen zum Gefühlsrepertoire. Wir befinden uns in Zeiten der Hochromantik mit ihrem Gespenster- und Unheimlichkeitskult. Die Romantiker, zu denen wir den Grafen rechnen müssen, pflegen freilich, als Kehrseite der Medaille, ebenso die Skepsis und ihre zynische Stiefschwester, die Ironie. Unser Graf macht da keine Ausnahme.

Zu seiner großen Freude erregt die mitternächtliche Szene allgemeines Entsetzen nicht nur in seinem Umkreis, denn er sorgt dafür, daß sie weithin publiziert wird. Mutprobe, romantisches Abenteuer und wohl sogar echte Schwermut gehen, wie später noch so oft bei ihm, mit einer Art von früher Public Relation eine sonderbare Ehe ein.

Sein Name erschien und erscheint ohnedies oft in den Zeitungen, vor allem den Klatschspalten, die es damals schon gibt, und die oft den Hauptteil der Gazetten ausmachen. Der Graf erfreut sich eines nicht immer schmeichelhaften Rufs als Luftikus, Casanova, Verschwender und Urheber hintergründiger, mitunter auch böser Scherze, die, hat man das Gefühl, häufig nur dazu erdacht sind, um in die Zeitung zu kommen.

Sein Gruftbesuch, ein bißchen geschmacklos, aber höchst zeitgemäß, erinnert schon damals Zeitgenossen an Szenen aus E. T. A. Hoffmanns »Phantasiestücken in Callots Manier«, die eben erschienen sind. Es kann sogar gut sein, daß sie tatsächlich von ihm stammen, zumindest von ihm angeregt sind. Denn mit dem vielseitigen Dichter-Juristen-Komponisten ist der Graf – man kann getrost sagen: – befreundet, hat so manches Glas im Weinkeller von Lutter & Wegner in Berlin mit ihm geleert.

Das ironische Rüpelspiel folgt dann auch der gespenstischen Szene auf dem Fuße.

Gleichsam zur Nachfeier lädt der Graf die Bevölkerung seines Hauptstädtchens zu einem Ball ins Parktheater. Er selbst kann – angeblich – an dem Fest nicht teilnehmen, weil er erkrankt ist, sitzt jedoch in Wirklichkeit hinter den Gittern seiner verdunkelten Loge und beobachtet die von ihm wohlgeplanten Ereignisse.

Zunächst gerät die Musik außer Rand und Band. Ein Hochländer wird als Walzer, ein Walzer gar als getragene Sinfonie gespielt. Die geladenen Gäste hüpfen verzweifelt herum und stehen – oder sitzen – wenig später ebenso ratlos vor einem Essen im englischen Stil, das ihnen, zum Beispiel durch übergroße, unhandliche Löffel für die Suppe, zusätzlich erschwert wird.

Während des Mahls machen dann angelernte Provokateure die braven Bürger auf die seltsamen Tischdecken aufmerksam. Sie sind allesamt tiefschwarz, und das Gerücht verbreitet sich, es handle sich um Leichentücher aus der eben vom Grafen aufgesuchten Grabkammer. Sogar das Fleisch, spricht sich herum, stamme daher, was eine allgemeine Flucht der Gäste zur Folge hat, in die hinein der Kronleuchter plötzlich von der Decke stürzt und jemand »Feuer, Feuer!« ruft, was alles unseren Grafen in seiner Loge höchlich amüsiert.

Der Ort der Handlung: Muskau in der Oberlausitz. Über den mit dem Grauen Scherz treibenden Grafen: Hermann von Pückler, ist das Echo geteilt, wohl sogar bis heute. Noch 1906 tönt ein wütender Muskauer Festredner namens Siegfried Braun über die »Doppelnatur« Pücklers: »Meine Damen und Herren! Das sind doch alles keine bloßen gutmütigen Schwabenstreiche, als welche man sie hat hinstellen wollen. Fürst Pückler ist nach allem diesem doch auch kein so vornehmer und tadelloser Charakter… Hierbei haben allein Wahrheit und Gerechtigkeit das erste Wort zu sprechen. Solange sie gelten, wird der Mensch Pückler keinen anderen Ruhm beanspruchen können als den, daß er jede gute bürgerliche Sitte und Moral mit Füßen trat.«

Der empörte Siegfried Braun weiter: »Um in aller Leute Mäuler zu kommen, fuhr er z. B. in Berlin mit vier starken gezähmten Hirschen die Linden entlang, um dann plötzlich innezuhalten, ein Buch aus der Tasche zu ziehen und sich darin zu vertiefen. Oder er überredet einen völlig durchnäßten Geistlichen, zur Wahrung seiner Gesundheit in den Sonntagsstaat einer Frau Försterin zu schlüpfen, lädt den Vertrauensseligen auf seine Kalesche, saust mit ihm in voller Karriere zur nächsten Stadt und zum Ergötzen aller Einwohner dreimal um die Kirche herum und ähnliches mehr.« Andere haben ebenso geurteilt.

»Seine größte Schwäche«, lesen wir, »war Eitelkeit, und um so mehr, da sie, gegen bessere Erkenntnis, durch eine ganz eigentümliche Anomalie ihre Nahrung nur in äußeren Zufälligkeiten und wahren Lappalien suchte.«

Ein vernichtendes Urteil. Es stammt allerdings vom Verurteilten selbst, was die Sachlage entschieden verändert. Der Graf und spätere Fürst ist sich seiner Schwächen völlig bewußt. Seiner Stärken übrigens auch. Ein trotz des eitel-aristokratischen Gehabes im Grunde melancholischer und kontemplativer Charakter, beobachtet er sich ein Leben lang genau und mit nahezu unbestechlichen Augen. Pücklers stärkster Kritiker ist Pückler selber. Er überschätzt sich nicht, wie er sich ebensowenig unterschätzt. Er kann in einem Augenblick stolz und im anderen bescheiden sein. Die Doppelnatur, die ihm sein nachgeborener Kritiker vorwirft, hält ihn im Gleichgewicht.

Das gilt ebenso für seine berühmt-berüchtigten Jugendstreiche. Romantische Todessehnsucht, in der Gruft der Ahnen theatralisch ausgespielt, und alberner Studentenulk scheinen zwar extreme Gegensätze. Man kann sie aber auch als Ausgleich sehen, als einander bedingend, Kehrseiten, wie sie zur menschlichen Natur gehören. Den Deutschen sollte so etwas eigentlich vertraut sein, wohnen doch, ihrem Lieblings-Goethezitat zufolge, zwei Seelen, ach, in ihrer Brust.

Das ist, was Pückler betrifft, freilich weit untertrieben. Seine in der deutschen Kulturgeschichte einzigartige Persönlichkeit beweist, daß in ihm, wahrscheinlich aber in uns allen (und nicht nur den Deutschen), unzählige Doppelnaturen hausen, ungleiche Paare von oft erschreckender Gegensätzlichkeit.

Was bei ihm verblüfft, ist eben diese Häufung anscheinender Unvereinbarkeiten. In die Romantik paßt er wie maßgeschneidert. Trotzdem bleibt er, getreu dem 18.Jahrhundert, aus dem er stammt, ein Aufklärer, ein überzeugter Rationalist. Herkunft, Erziehung, Titel und Adelsstolz, alles deutlich zur Schau getragen, hindern ihn nicht, politisch liberal zu denken, zu schreiben und zu agieren. Zum Ärger des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. entpuppt er sich – ein Fürst! – sogar als Demokrat. Zeitweilig bilden er und Alexander von Humboldt im preußischen Staat so etwas wie eine liberal-adlige Opposition.

Pückler, überzeugter Anhänger des französischen Sozialreformers Saint-Simon, aber vor ideologischer Parteinahme zurückschreckend, liebäugelt mit englischen Verhältnissen, einer konstitutionellen Monarchie und einem Parlament aus zwei Kammern, einer für das Volk und einer für den Adel. Seinen Standesgenossen bleibt er suspekt – er, ein Sympathisant der Revolution! Dabei liebt Pückler – Konsequenz ist nicht seine Sache – den Luxus und jagt verzweifelt jedem Orden nach, mit dem er seine ohnedies reich dekorierte Brust schmücken kann.

Gegensätzliches scheint ihn anzuziehen. Er ist eitel und doch selbstkritisch, schadenfroh und menschenfreundlich, verwöhnt und sportlich, hochherzig und dünkelhaft, preußisch gesinnt und vor allem ein Weltbürger – lauter Doppelseelen in seiner Brust. Ein Stutzer und Elegant, erträgt er auf Reisen spielend und ohne Murren die ärgsten Strapazen. Sein Leben lang neigt er zum Katholizismus, tritt aber trotzdem für eine strenge Trennung von Kirche und Staat ein. Sein größtes Kunststück: Daheim der treueste aller Ehemänner und ansonsten ein notorischer Schürzenjäger, versteht er es am Ende sogar, wie wir sehen werden, Monogamie und Vielweiberei unter einen Hut zu bringen.

Eine schillernde Erscheinung, zweifellos. Nicht nur in der kargen Lausitz und unter seinen preußischen Landsleuten, auch wo er sich sonst herumtreibt, am englischen Hof und an dem des türkischen Sultans, in französischen Salons und an der Spitze eines Trupps berittener Beduinen, wirkt er wie ein Kolibri unter Spatzen.

Dabei ist er eine blendende Erscheinung. Eine Reiterfigur, hoch gewachsen und – bis ins Greisenalter – gertenschlank, das Bild eines Aristokraten vom Scheitel bis zur Sohle. Daß sich die Frauen reihenweise in ihn verlieben, kann nicht verwundern.

In die deutsche Kulturgeschichte ist er, aus Gründen, auf die wir noch zu sprechen kommen, hauptsächlich als Schöpfer einer Eis-Leckerei eingegangen. Man kann das nur als ungerecht und ungerechtfertigt bedauern. Pückler war zwar ein großer Feinschmecker vor dem Herrn, aber diese Création stammt nicht von ihm, sondern von einem cleveren Cottbusser Konditormeister, der bat, den erlauchten Namen für seine Erfindung verwenden zu dürfen.

Der Fürst würde sie vermutlich wenig goutieren, jedenfalls nicht so, wie sie heute daherkommt: drei verschiedenfarbige Speiseeissorten zwischen zwei pappige Waffeln gepreßt. Das Originalrezept hatte schon eher Delikatessencharakter. Es sei an dieser Stelle verraten und zur Nachahmung empfohlen, auch wenn es schwierig sein dürfte, die nötigen Zutaten, etwa Koschenille, laut Fremdwörter-Duden ein aus Weibchen der Scharlachschildlaus gewonnener karminroter Farbstoff, heute in gebührender Qualität aufzutreiben. Man bedenke ferner, daß das Rezept aus Zeiten stammt, in denen es noch keine elektrischen Kühlsysteme gab.

Rezept Fürst-Pückler-Eis (6 Personen)

½ 1 sehr steif geschlagener Schlagsahne mit 2 gehäuften Eßlöffeln feinem Zucker vermischen. Die Masse in 3 gleiche Teile teilen. Den ersten Teil, der weiß bleiben soll, mit 1 Gläschen Maraschino oder Kirschwaser vermischen, den zweiten mit ⅓ Tasse Erdbeeren rot färben (notfalls mit einigen Tropfen Koschenille nachhelfen), den dritten mit 2 Eßlöffeln in wenig Wasser aufgelöster Schokolade versetzen. 100 Gramm Makronen in kleine Stücke hacken, mit Maraschino oder Kirschwasser durchziehen lassen, unter alle 3 Sorten verteilen. In eine Eiskegelform zuerst die rote, dann die weiße, dann die braune Schicht streichen, diese oben mit einem Blatt weißem Papier abdecken und den Deckel fest anpressen. Die Form sollte in einem Gemisch aus Eis und Viehsalz 2–3 Stunden ganz bedeckt stehen. Sie wird dann in lauwarmes Wasser getaucht, schnell abgetrocknet, geöffnet und gestürzt.

So weit zum kulinarischen Andenken des Fürsten Pückler. Von Eis wird dann auch nicht mehr die Rede sein. Der stets zu Streichen, »practical jokes«, aufgelegte Mann von Hochadel, vielfach begabt auch als Reiter, Sänger, Spieler und Pistolenschütze in immerhin acht geführten Duellen, hat Wertvolleres hinterlassen. Er war einer der bedeutsamsten deutschen, ja europäischen Landschaftsgartengestalter. Seine großen grünen Schöpfungen, die Parks von Muskau, Branitz, Babelsberg, zeugen noch heute von seinem gärtnerischen Können. Und er war ein erfolgreicher und geistvoller Schriftsteller, neben seinem Freund Heine und seinem Feind Börne vielleicht der beste Stilist seiner Zeit in deutscher Sprache. Seine Bücher, einst Bestseller, sind mit wenigen Ausnahmen vergessen. Zu Unrecht, denn bei all seiner Vorliebe für schwer verständliche Fremdwörter und selbsterfundene französisierende Wortungeheuer hat selten ein Feuilletonist die deutsche Sprache mit einer derartigen Eleganz zu handhaben verstanden.

In beiden künstlerischen Metiers war er allerdings kein Vorreiter, kein Avantgardist, eher ein Vollender. Die Gartenkunst im englischen Stil wurde von ihm schon gleichsam in dritter Generation ausgeübt, nach dem Vorbild der von ihm wohlstudierten englischen Gärten William Kents (l. Generation), »Capability« Browns (2.) und Humphry Reptons (3. Generation). Seine Schreibe ist deutlich an Heine geschult, dessen »Reisebilder« er sogar in der Wüste mit sich führte, seine belletristischen Versuche an E. T. A. Hoffmann und Victor Hugo. Kein Neuschöpfer, eher ein Mann der Nachhut.

Seine Zeitgenossen jedoch hält er in Atem mit gigantischen Planungen, gewagten Zeitungsartikeln und Büchern, aber auch Hirschgespannen, Phantasieuniformen, einem Aufstieg im Luftballon sowie der haarsträubenden Provokation, daß er aus Afrika mit einer auf dem Sklavenmarkt erstandenen schwarzen Geliebten heimkehrt.

Der Mann, fand man damals schon, hatte eben sehr viel Geld. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Reich war Pückler über lange Strecken seines Lebens nur an Schulden, ansonsten oft bettelarm. Für seine Landschaftsparks, sein luxuriöses Leben und seine Abenteuer hat er mehrere Vermögen zum Fenster hinausgeworfen, und dasjenige seiner Frau Lucie dazu. Ein armer reicher Mann; aber auch damit auf der Höhe seiner Zeit. Denn es war damals modern, Eigentum zu verachten. Oft zitiert Pückler seinen Freund, den Berliner Baumeister Schinkel, der nicht einmal ein eigenes Haus besitzen möchte, weil es ihn belasten würde. Tieck, damals als Erz-Romantiker empfunden und daher dem Zeitgeist am nächsten stehend, spricht in seiner vielgelesenen Novelle »Die Gemälde« von »starrem Eigentum« und der »Grausamkeit des Besitzes«.

Pückler hat sich seines Reichtums immer wieder auf wahrhaft masochistische Weise entledigt, indem er Geld, das er besaß, sogleich in Umlauf brachte, und sei es durch Extravaganzen. Zu Starrsinn und Grausamkeit ließ er Eigentum und Besitz gar nicht erst kommen. Er verschwendete – und er genoß.

Obwohl Melancholiker und überschatteten Gemüts, ist Pückler einer der wenigen Deutschen, die ihr Leben in vollen Zügen und noch als Greis zu genießen verstanden. Die deutsche Kulturgeschichte kennt fast ausschließlich selbstquälerische, umdüsterte Gestalten, denen Lebensgenuß das letzte war, was sie erstrebten. Pückler macht kein Hehl aus der Tatsache, daß er unter anderem auch ein Genußmensch ist wie der Taugenichts in Eichendorffs Novelle. Ein Sonderkapitel deutschen (oder preußischen) Wesens, das man nicht in irgendeine dunkle Ecke schieben sollte: Eichendorffs Taugenichts als Ideal- und Traumvorstellung, Pückler als dessen Realisierung, Verkörperung des auch geistigen Lebensgenusses.

Wir sind bei der Vorstellung unseres Helden vom romantischen Schauerroman in Gefilde geraten, die mit dem zu tun haben, was man deutschen Volkscharakter nennt. Für manches, was man diesem Volkscharakter meist zurechnet, ohne weiter nachzudenken, setzt Pückler, auch ein Deutscher und sogar ein bewußter Preuße, das exakte Gegenbeispiel. Oder besser gesagt: Er verkörpert einen Strang deutscher Geistesgeschichte, der von anderen, aber auch den Deutschen selbst, gern übersehen wird.

Pückler vertritt wie neben ihm nur noch Goethe die kosmopolitische Tendenz deutscher Kultur und Literatur. Seine Sprachgewandtheit reicht über die deutsche Mutterzunge auf ganz natürliche, beinahe selbstverständliche Weise hinaus. Sie erstreckt sich unter Mißachtung fester Grenzen ins Französische, das er vollkommen beherrscht, aber auch ins Englische, Italienische, Spanische und zurück ins Latein der Antike.

Er strebt gewiß kein Esperanto an, wohl aber versucht er, die babylonische Sprachverwirrung durch eine gegenseitige Form von Sprachdurchdringung herabzumildern. Das gelingt ihm meist sogar auf sehr graziöse Art. Sein Sprachfluß, soviel Fremdes er mitschleppt, bleibt immer elegant – ein kosmopolitisches Parkett, auf dem er sich, geistreich und verspielt, mit Charme zu bewegen versteht. Das geht manchmal, zugegeben, auch fürchterlich daneben. Wie stolz ist er, als er auf seiner Englandreise die Vokabel »bewilder« (irreführen, verblüffen) entdeckt und nun ebenso wortreich wie vergeblich versucht, sie ins Deutsche einzugliedern (»Ich bin doch sehr bewildert«).

Die deutschen Oberlehrer hat das immer empfindlich gestört, ein Grund mehr für sie, Pücklers Bücher zu vergessen. Den deutschen Provinzialen hält er echten kosmopolitischen Sinn entgegen. Er bleibt trotzdem oder eben deshalb – schon wieder die vielzitierten beiden Seelen, ach – ein Patriot. Wie sagt Goethe in seiner Rezension von Pücklers »Briefen eines Verstorbenen«? »Hier wird uns ein vorzüglicher Mann bekannt.«

Aber kehren wir noch einmal zu dem jungen Grafen zurück, der der Gruft seiner Ahnen entstiegen ist. Seine Gedanken – wir folgen seiner eigenen Darstellung – schweifen zurück in die Vergangenheit, deren makabre Hinterlassenschaft er eben in Augenschein genommen hat. Die Fackel ist in seiner Hand erloschen. Er wirft sie zwischen die Grabkreuze und schreitet, die großväterliche Lokke umklammert, den Laternen der Dienerschaft entgegen, die ihn am Kirchhofstor erwartet. Samt Equipage. Sie, das Schloß und der Traum von einem großen Landschaftsgarten, der es umgeben soll, prächtiger als alle bisherigen in Europa und möglichst sogar England, sind Gegenwart.

Noch auf der Heimfahrt wendet er sich in Gedanken der Zukunft zu. Und es kennzeichnet ihn, daß diese Richtungsänderung eine Wandlung seiner Gemütslage um gute 180 Grad zur Folge hat. E. T. A. Hoffmann verschwindet. Pückler, der Realist, der Zyniker und Skeptiker tritt zutage. Er ahnt, daß das feudale Zeitalter sich seinem Ende zuneigt. Er ahnt auch, daß die Zukunft dadurch nicht besser, wohl aber anders werden wird. So manches von den Prophezeiungen des grünen Fürsten ist Wirklichkeit geworden: Er stellt sich vor, daß er 100 Jahre nach seinem eigenen Tode zurückkehrt auf seinen Besitz. Da hat sich vieles, beinahe alles geändert. Die neue Welt scheint rein materialistisch organisiert. »Was seh ich? Schiffbar ist der Fluß geworden, der meinen Park durchströmt; aber Holzhöfe, Bleichen, Tuchbahnen, häßliche, nützliche Dinge nehmen die Stellen meiner blumigen Wiesen, meiner dunklen Haine ein.« Das Schloß sieht er zur Fabrik umgestaltet. Sein Nachfahr ist kein Herr mehr. Sein Besitz »hat sich mit der Zeit wohl unter hundert verschiedene Besitzer verteilt. Wie könnte einer so viel haben und Freiheit und Gleichheit bestehen!«

So stellt Pückler sich also das 20. Jahrhundert vor. Es kommt noch schlimmer. In seiner Zukunftsvision sieht der Fürst seinen »Urenkel« (den es de facto nie geben wird) auf dem Totenbett: »›Der Vater ist tot!‹ höre ich eben den Sohn zu einem anderen sagen. ›Es ist kein Zweifel, fahrt ihn hinaus.‹«

Pückler endet seinen Bericht: »Ach, lieber Leser, welch ein Begräbnis! Du fragst, wohin es mit der Leiche ging? – Nun, natürlich, wo sie am nützlichsten ist: – aufs Feld, als Dünger.«

Die Satire eines Romantikers auf ein allzu rationales oder rationelles Zeitalter, das er voraussieht? Der Ausflug ins Reich der Toten und anschließend das der Nachfahren endet jedenfalls in bitterem Gelächter.

Wenden wir uns Pücklers Gegenwart zu.

2.

Das Sonntagskind

»Sie müssen nämlich wissen, daß heute Sonntag ist«, schreibt der 75jährige Pückler einer jungen Dame, »an welchem Tage ich einst vor langen Zeiten gerade um 12 Uhr geboren ward, ich also ein Sonntagskind bin, das eintreffende Ahnungen hat und Geister sehen kann.«

Zunächst scheint es nicht so, als ob dieses Sonntagskind auch ein Glückskind wäre, eher im Gegenteil. Graf und Gräfin Erdmann von Pückler-Muskau, denen am 30. Oktober 1785 ein Sohn geboren wird, der erste Nachwuchs, sind ein seltsames Ehepaar, bereits zutiefst zerstritten. Feuer und Wasser vertragen sich unter Umständen besser miteinander als diese beiden.

Das ist allerdings durchaus nichts Ungewöhnliches. Aus Liebe wird damals in derart hochgestellten Kreisen selten oder nie geheiratet. Heiraten stellen vielmehr einen Geschäftsvorgang dar, haben ein dynastisches Ziel und ein materielles, die Arrondierung der Familienbesitze. Sie sind exakt vorkalkuliert, wobei auf persönliche Wünsche keine Rücksicht genommen werden kann. Land und Adel haben Vorrang, was zwangsläufig zu lauter mehr oder weniger unglücklichen Ehen führt. Die Schlösser der Duodezzeit – Deutschland besteht aus über 1700 Kleinstaaten – dürften mehr Kummer und Tränen als Glück in Liebesnächten gesehen haben. Die Reichen und Mächtigen müssen sich Reichtum und Macht durch persönliches Unglück erkaufen; man beneidet sie oft zu Unrecht. Als Friedrich Wilhelm, der Kronprinz von Preußen, wenig später aus der Reihe tanzt und sich seine schöne Luise selbst aussucht, ohne Hintergedanken und nur aus Herzensgründen, gerät das ganze Land Preußen vor Freude außer sich. Unter Grafen und Fürsten, geschweige denn Königen, sind unglückliche Ehen die Regel.

Bei unserem Sonntagskind tritt erschwerend hinzu, daß die Ehe der Eltern schon von vornherein durch den Ehevertrag unterminiert worden ist. Und zwar auf eine Weise, die den Kleinen, der auf die Namen Hermann Ludwig Heinrich getauft wird, ebenfalls von vornherein tangiert. Daß sein Vater ihn hassen wird, haben ihm seine beiden Großväter, kein ersprießliches Erbe, in die Wiege gelegt.

Die beiden Großväter, der reiche und mächtige Graf von Callenberg auf Muskau in der Oberlausitz, und der weniger reiche und mächtige Graf Pückler auf Branitz, in der Niederlausitz gelegen, müssen irgendwann um das Jahr 1780 herum im Schloß zu Muskau zusammengekommen sein. Wie wir aus einer betimmten Tatsache wissen, die später verraten werden soll, zogen sich die Verhandlungen über mehrere Tage beziehungsweise Nächte hin. Es ging um das Schicksal ihrer Kinder und, gleichzeitig, ihrer Besitzungen, beides Standesherrschaften, von denen es noch vier in der Lausitz gibt.

Branitz, Stammsitz der Pücklers, ist die größte und angesehenste nicht. Sie besteht aus ein paar Dörfern und einem maroden Schloß in pfannkuchenplatter, dazu ziemlich unfruchtbarer Ebene unweit von Cottbus. Die Pücklers haben dafür andere Qualitäten. Im Lande spielen sie eine gewisse Rolle, die sie sich durch List, Mundwerk und Ellenbogen errungen haben. Auch können sie auf das ehrwürdige Alter ihres Adels verweisen. Im »Gotha«, dem genealogischen Handbuch des deutschen Adels, steht zwar als frühester Vorfahr 1334 ein Nikolaus Pokeler verzeichnet, aber ist dieser Name nicht von Bechelarn abzuleiten, also bis zum Nibelungenlied zurückzuverfolgen? Man glaubt nur halbwegs daran, auch in der Familie Pückler, aber es fördert Prestige und Kreditwürdigkeit.

Wenn letztere nicht schon durch die Standesherrschaft gesichert ist. Solche gibt es längst nicht mehr in allen deutschen Ländern, wohl aber in Sachsen, wozu die Lausitz gehört. In einer Standesherrschaft gilt noch das »alte Recht«. Der Standesherr schaltet und waltet wie ein Alleinherrscher, was für seine »Erbuntertanen«, wie man sie nennt, eine Art von Leibeigenschaft bedeutet. Sie sind »schollengebunden«, das heißt, sie dürfen nirgendwo anders hinziehen, müssen für ihre kümmerlichen Äcker dem Grafen Frondienst leisten und ihn sogar bei allen familiären Veränderungen, etwa Heiraten, um Erlaubnis fragen. Relikte aus dem Mittelalter. Standesherrschaften sind demgemäß, jedenfalls für den Standesherrn, eine lukrative Sache. Um so mehr, als sie in Sachsen nicht einmal Steuern zahlen, wohl aber solche eintreiben dürfen.

Gegen den Muskauer Besitz der Callenbergs ist das Branitz der Pücklers nur eine kleine Klitsche. Die Standesherrschaft Muskau, zehnmal so groß wie Branitz, erstreckt sich über 550 Quadratkilometer, die größte in Deutschland überhaupt. Sogar ein Städtchen gehört dazu mit rund 3000 Einwohnern, Muskau, und die Aufzählung der Namen aller ebenfalls dazugehörenden Dörfer, 45 an der Zahl, würde gut eine halbe Seite füllen. Rund um das Dorf Weißwasser hat sich ferner ein kleiner Industriebezirk entwickelt mit Eisenwerken, Glashütten, einer Kerzenfabrik und einer Brauerei, die Bier bis hin nach Leipzig und Berlin liefert, sowie einer Mühle. Ausgebeutet werden auch die reichlichen Bodenschätze, vor allem Alaun und Braunkohle, sowie die Mineralquellen.

Es handelt sich überdies um einen ausgesprochen hübschen Landstrich, keineswegs so kahl wie die Gegend um Cottbus. Von Kiefern bewachsene Hügelketten bestimmen das Bild der Landschaft, Ausläufer des schlesischen Riesengebirges, dessen schneebedeckte Bergkuppen man bei gutem Wetter sehen kann. Ein lauschiges Flüßchen, die Neiße, schlängelt sich am Schloß Muskau vorbei und durch die Waldungen, die ebenfalls einiges abwerfen. Sind die Pücklers Alleinherrscher auf Branitz, so kann man die Callenbergs mit Königen in ihrem Land vergleichen. Sie besitzen sogar eigene Gerichtsbarkeit, eigene Kirchenhoheit und eine eigene Polizei.

Bewohnt wird ihr Land vorwiegend von Sorben, slawischen Wenden, die als gutmütig, abergläubisch, vielleicht etwas hinterwäldlerisch gelten und teilweise ihre wendische Sprache und Volkstracht erhalten haben. Die Frauen laufen noch mit ihren unter Volkstumsforschern berühmten weißen Häubchen herum, deren aufrechte Spitzenränder die Gesichter wie ein Heiligenschein umrahmen. Selbst der Name Muskau stammt aus dem Slawischen, eine eingedeutschte Form von »Moskwa«, also Moskau.

Diese beiden ungleichen Standesherrschaften sollen nun also durch Heirat vereint werden. Den größten Brocken präsentiert dabei der Muskauer Graf Callenberg. Von ihm wird folglich die Initiative ausgegangen sein. Er besitzt nur ein einziges Kind, eine Tochter, für die er den passenden Mann sucht. Daß seine Wahl auf die Pücklers fällt, erstaunt trotzdem. Sie verkörpern in allem das genaue Gegenteil der Callenbergs und sind im ganzen Land unbeliebt. Gelten die Callenbergs als weltläufig, wenn auch etwas fahrig und nervös, vornehme Herrschaften mit musischen Interessen, so die Pücklers als schroff, ungehobelt, habsüchtig und ausschließlich auf Landwirtschaft ausgerichtet. Zudem sind sie als Schürzenjäger berüchtigt.

Das alles trifft auch auf den Reichsgrafen August Heinrich von Pückler zu, der dem Callenberger im Schloß Muskau gegenübersitzt. Sein Talent als Verführer stellt er bald darauf unter Beweis, als die 24jährige Frau des Gräflich Callenberger Landvogts Petrick schwanger wird und bekennen muß, daß kein anderer als Graf Pückler diese Schwangerschaft während seines geschäftlichen Aufenthalts im Schloß verursacht hat.

August Heinrich von Pückler beugt sich dem Diktat des Callenbergers; ihm bleibt wohl auch nichts anderes übrig. Beschlossen wird die Heirat zwischen Klementine Kunigunde Charlotte Olympia Luise von Callenberg, im weiteren kurz Klementine genannt, und Erdmann von Pückler, Tochter des Muskauer und Sohn des Branitzer Standesherrn. Muskau geht, eine gewaltige Mitgift, auf dieses Ehepaar über. Freilich mit Einschränkungen.

Standesherrin wird Klementine, die Braut, nicht ihr zukünftiger Mann. Da dessen Vater es versteht, sich bei den Verhandlungen mit dem Callenberger höchstselbst als Hausmeier, Verwalter, zu empfehlen, bleibt für den Sohn, Klementines Bräutigam, wenig übrig. Er macht nur äußerlich eine gute Partie. Ihm wird nichts gehören, und er wird nicht einmal das Sagen haben, das hat sein Vater, auch über ihn, übrigens volle 30 Jahre lang. Eine Danaer-Erbschaft.

Man kann verstehen, daß er nur widerwillig seinem Namen, wie der Ehevertrag es fordert, den Namen des Orts seiner Demütigung anhängt und sich in Zukunft Pückler-Muskau nennt. All das beeinträchtigt von vornherein sein Verhältnis zum Erstgeborenen, dem das Erbe ja einmal direkt und ungeteilt zufallen soll.

Als die Ehe am 27. Dezember 1784 geschlossen wird, ist Klementine noch nicht ganz 14, ihr Mann bereits 30. Die Überschreibung der Standesherrschaft erfolgt am 3. Januar 1785. Am 30. Oktober wird, die Freude hält sich in Grenzen, der kleine Hermann geboren. Die Eheleute haben sich bereits gründlich auseinandergelebt; tägliche Kräche sind an der Tagesordnung. Trotzdem stellen sich – auch dies beim Adel nicht unüblich, denn nur Nachkommen garantieren das Fortbestehen der Linie – in rascher Folge weitere Kinder ein: drei Jahre später Carl-August, der aber schon neun Monate später an der Ruhr stirbt, und dann drei Schwestern, eine nach der Mutter benannte Klementine, gefolgt von Bianca und Agnes. Über Erdmann geht in Muskau die Rede, das Kinderzeugen sei das einzige, was er könne und dürfe.

Der Spott des Volkes schlägt sich zuweilen in grölenden Liedern nieder, die aus den Wirtshäusern ertönen und von denen zumindest eines an die 100 Jahre überdauert hat. Noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts will es ein Augen- beziehungsweise Ohrenzeuge in Muskau gehört haben.

Armer Erdmann! Er muß sogar erleben, daß sein Vater, der ihn so sehr kujoniert, mit 71 Jahren noch einmal heiratet, ein Fräulein Auguste von Kracht, mit der er seinem inzwischen 45jährigen Sohn zum Vergnügen der Einwohnerschaft Muskaus im Jahre 1800 noch ein Brüderchen beschert. Kein Wunder, daß Graf Erdmann als finster, mürrisch, verschlossen und geizig gilt. Er gönnt niemandem etwas, nicht einmal seinen Kindern (wofür sein einziger Sohn bittere Rache nehmen sollte). Zu Hause steht er unter der Fuchtel seines Vaters und dem Pantoffel seiner jungen Frau, benimmt sich aber gleichzeitig den Kindern und dem Gesinde gegenüber wie ein Haustyrann. Er wird regelrecht gehaßt, obwohl eher Mitleid am Platze wäre. Hermann hat ihn später als seinen tödlichen Feind bezeichnet, den einzigen, den er in seinem Leben gehabt habe.

Die Mutter, kaum dem Kindesalter entwachsen, bietet ebenfalls weder Schutz noch Hilfe. Sie behandelt den Sohn wie ein Spielzeug, »ohne selbst zu wissen, warum sie mich bald schlug, bald liebkoste«, wie es der 16jährige in einem versöhnlichen Brief an den Vater ausgedrückt hat. Klementine ist Halbfranzösin. Ihre eigene Mutter, eine La Tour de Pin-Montauban, stammte aus der Dauphiné. Von ihr hat sie in der Nähe von Crest in Südfrankreich ein schönes Schloß geerbt, Allex, das sie später bewohnen wird; auch Verwandte hat sie noch dort unten. Ihr Temperament ist lebhaft und unausgeglichen, eine ungemein reizvolle, aber nicht unbedingt angenehme Persönlichkeit. Wo immer sie jemand beschreibt, fällt das Wort »schnippisch«. Der kleine Hermann Pückler ist ihr nicht viel mehr als eine Puppe. Das Sonntagskind wächst ohne Liebe auf, mit allen Nachteilen hoher Geburt, die er dann auch geringgeschätzt – wenngleich gebührend ausgenutzt – hat.

»In den frühen Jahren meiner Kindheit«, heißt es im schon erwähnten Brief, »finde ich mich in den Händen theils dummer, theils roher Bedienten, die mich ziemlich nach Gefallen behandelten.« Später treten Hauslehrer oder vielmehr Hofmeister hinzu, denn unter dem tut man's nicht auf Schloß Muskau. Der Vater treibt sie auf und hat einmal sogar eine glückliche Hand bei einem Mann namens Tamm, dem Pückler noch im Alter seine Reverenz erweist. Der 16jährige: »Hätte ich ihn behalten können, vieles wäre anders; der gute Mann hatte aber den Fehler, zu sagen, was er dachte; Damen wollen lieber geschmeichelt sein; meine Mutter konnte sich mit ihm nicht vertragen, und er ging.«

Der nächste schmeichelt wiederum zu sehr; er verbarg »unter der Maske des Edelmüthigen die niederträchtigsten Gesinnungen«, das heißt, er suchte »meine bisher wenigstens ihrem Gemahl noch treu gebliebene Mutter zu verführen«. Da beißt er überraschenderweise auf Granit und muß gleichfalls gehen. Uberraschend kann man den Widerstand nennen, weil Erdmann inzwischen kein Hehl daraus macht, daß er sich über seine unglückliche Ehe von anderen Töchtern des Landes hinwegtrösten läßt.

Der kleine Hermann wird unter solchen Umständen störrisch und heimtückisch. Er macht wohl dem Vater bald das Leben noch schwerer. In einem Brief an seinen Vertrauten, den Hofgerichtsdirektor Hempel, stößt Erdmann den Seufzer aus: »Gott, wie komme ich in solche Familie!!« und fügt hinzu: »Hätte ich nicht den Trost, daß meine Töchter gute Kinder wären, ich müßte verzweifeln.« Besonders Klementine ist sein Liebling. Dem kleinen Hermann bleibt solcher Trost versagt. Von den Bedienten herumgestoßen, von der Mutter gleichgültig behandelt, vom Vater mißachtet, spielt er den »Hofmeistern« üble Streiche. In ihnen zeigen sich zum erstenmal Anzeichen von Exzentrik und Temperament. Pückler ist eigentlich gar kein Pückler, sondern ein echter Callenberg. Etwas »von dem leicht erregbaren französischen Blut der Mutter fließt ebenfalls in seinen Adern«, wie es ein früher Biograph ausdrückt.

Eines Tages sperrt ihn sein derzeitiger Hofmeister zur Strafe in ein Turmzimmer hoch über dem Schloßgraben. Wer je in Muskau war, wird den Turm kennen. Er läßt sich unschwer identifizieren, auch wenn man sich das Schloß selbst damals sehr viel einfacher vorstellen muß. Die vielen Zinnen, Erker und Türmchen hat es erst später, nach den Tagen der Pücklers, erhalten, eine Art von Über-Renaissance, die unwillkürlich an Walt Disney erinnert. 1945, nicht während der Kämpfe, sondern Tage nach dem Einmarsch der Roten Armee, brannte die Anlage ab. Die erstaunlich festen Außenmauern sind jedoch erhalten geblieben, eindrucksvoller gewiß und wohl auch unheimlicher als im zieratüberladenen Zustand vorher.

Unheimlich muß es auch dem renitenten Kind im Turmzimmer gewesen sein. Es ist voller Gerümpel und Spinnweben. Aufgeschreckte Fledermäuse flattern herum. Der Knabe öffnet das Fenster und droht, sich in die Tiefe zu stürzen, aber sein Hofmeister läßt es darauf ankommen.

Der Sechsjährige bewahrt erstaunlich kaltes Blut. Eine Weile geschieht gar nichts, wird es im Dachzimmer nur verdächtig ruhig. Dann ertönt ein lauter Schrei, dem ein heftiger Aufprall auf der Wasseroberfläche folgt. Sofort ist das Schloß alarmiert. Der Eingeschlossene hat ganz offensichtlich seine Drohung wahrgemacht. In fliegender Hast stürzen Hofmeister und Dienerschaft zu den Booten an der Brücke. Was sie aus dem Wasser fischen, ist eine Strohpuppe, der Hermann seine Kleider übergestreift hat. Er wird alsbald aus seinem Karzer befreit.

Dies sein erster überlieferter Streich. Der Junge wird aus ihm gelernt haben, daß man mit Witz und Geschick mehr erreicht als mit bloßem Trotz. Und daß Schadenfreude ein zusätzlicher Lustgewinn sein kann.

Insgesamt aber verläuft seine Kindheit freudlos. Es gibt überhaupt nur zwei Menschen, denen er vertraut und von denen er so etwas wie Liebe erfährt. Im Städtchen lebt die ehemalige Amme seiner Mutter, zu der er sich manchmal vom Schloß hinwegstehlen kann. Und im Schloß selbst wohnt sein Großvater mütterlicherseits, der alte Callenberg, dem er einige Zuneigung entgegenbringt. »Selbst einer Ohrfeige, die er mir einmal gab, denke ich mit mehr Dankbarkeit, als aller gezwungenen Wohltaten meines Vaters, die freilich diesen Namen nicht verdienen«, hat Pückler später selbst bekannt. Der Großvater stirbt, als Hermann eben sieben Jahre alt ist.

»So erreichte ich mein siebentes Jahr«, heißt es im Brief des 16jährigen, »begabt mit allen Fehlern, die aus einer solchen, oft widersinnigen Behandlung entstehen mußten. Meine Mutter, der ich zum Spielwerk zu groß wurde, und die meine Erziehung überhaupt zu ennuyiren (langweilen) anfing, drang nun darauf, daß ich aus dem väterlichen Hause weg sollte.«

Wie immer gibt der Vater nach. Man entledigt sich des Jungen, indem man ihn in eine Erziehungsanstalt der Herrnhuter nach Uhyst schickt, nur wenige Meilen von Muskau entfernt. Dort verbringt er vier fürchterliche Jahre, in denen er die Frömmler der »herrnhutischen Heuchelanstalt«, wie er sie später nennt, gründlich verachten, ja hassen lernt. Der herzlose Pietismus, der in dieser Filiale des berühmten Instituts herrscht, wirkt auf ihn wie »kaltes Wasser auf einen heißen Stein«. Zeitweilig nimmt ihn die Erziehung in Uhyst gegen jede Religion überhaupt ein, womit er sich ein Leben lang herumquält, bis er aus seinem latenten Atheismus, den ihm überzeugte Christen eingebläut haben, im vorgeschrittenen Alter in die katholische Kirche wechselt, der gegenüber er gleichwohl skeptisch bleibt.

»Uhyst«, so Pücklers französischer Biograph August Ehrhard, »hinterließ ihm nur zwei angenehme Erinnerungen: ein Gärtchen, das er mit Liebe bestellte, und eine kleine Kusine, die im Mädchenhaus von Uhyst von Frauen der gleichen Sekte erzogen wurde. 40 Jahre später erinnerte er diese Kusine, die inzwischen die reizende Gräfin von Kielmannsegge geworden war, daß er eines Tages ihr Seidenkleid gestreift und bei dieser Berührung einen seltsamen Schauder empfunden habe.«

Das Gärtchen, das ihm die Herrnhuter zur Pflege geben, könnte tatsächlich so etwas wie die Keimzelle der künftigen Landschaftsgärten gewesen sein. Die Natur und ihr Wachstum bleibt Pückler ein Faszinosum bis zuletzt. Insofern verdankt er, verdanken wir der gestrengen »Brüdergemeine« doch einiges.

Was allerdings den Schauder beim Streifen eines Seidenkleids angeht, so hat Pückler in seinem Brief an Kusine Kielmannsegge augenzwinkernd galant untertrieben. Wir wissen es von ihm selbst, aus einem Brief an eine engere Vertraute. Der frühreife und wohl schon pubertierende Knabe ist in Uhyst bereits erotisch, sogar sexuell weit aktiver. Was er Ada von Treskow über die Affäre mit der ebenfalls nicht mehr unschuldigen kleinen Kusine berichtet, hört sich anders an.

»Ich nun«, lesen wir, »der noch nicht ganz 10 Jahr zählte, verliebte mich sterblich in das fromme schöne Mädchen, und bald machten wir es möglich, uns an zum Teil wunderlichen Orten allein zu treffen und Mund auf Mund und Tränen in den Augen vor Verzückung zu vergehen. Aber unschuldig (…) blieb unsere Liebe nicht. Ich war sehr früh gereift, und schon was man verführt nennt. Mein frommes Mädchen gleichfalls durch Gespielinnen, und auf solche Weise, wie zwei Mädchen, genossen wir, gewissermaßen in aller Unschuld, wenigstens ohne Gewissensskrupel und mit Enthusiasmus Liebe und Wollust unersättlich, wie unbefangene Naturkinder, fast ein ganzes Jahr lang…«

Pädagogik, sieht man daran, läuft oft auf das Gegenteil des Angestrebten hinaus. Wer hätte denn gedacht, daß eine derart prüde Erziehungsanstalt den Keim zu Pücklers schier unersättlicher Sinnlichkeit zumindest mit angelegt haben könnte? Beim Zehnjährigen dürfte die Lieblosigkeit beider Elternteile eine ebenso große Rolle spielen wie der Verdrängungseffekt der Schule. »Verführt« ist er also schon. Wo? Auf Schloß Muskau? Halten wir uns weiter an das, was er selbst verrät.

»Nur ein Schmerz trübte unser Glück«, fährt der 75jährige in seinem Brief fort, »der des Abschieds, als man mich in eine andere Anstalt, das Pädagogium zu Halle, versetzte, wo andere Aventüren mich erwarteten, denn mein Leben ist sehr reich an solchen geblieben.«

Das steht fest. Der Äußerung eines Zeitgenossen zufolge soll Pückler »mehr Liebschaften gehabt haben, als Don Juan und Casanova zusammengenommen«. Aus dem Pädagogium in Halle, wiederum einer Pietistenschule mit Internat, auf der Kinder reicher Familien eine »standesgemäße Ausbildung« erhalten, sind uns nur Freundschaften mit Gleichaltrigen bekannt geworden. In Halle fühlt er sich nicht weniger unwohl als in Uhyst, aber er ist jetzt älter, hochfahrend und aufbrausend, »nicht zu bändigen«, wie ihn die Lehrer bezeichnen, ein »böser Bube«, dies die Charakterisierung des Direktors und »Kanzlers« der Franckeschen Stiftungen, Niemeyer.

Zwei seiner Hallenser Schulfreunde haben sich später als Schriftsteller einen Namen gemacht. Christoph Ernst Freiherr von Houwald aus der Niederlausitz, drei Jahre jünger als Pückler, wurde ein Hauptvertreter der romantischen »Schicksalstragödie«. Stücke von ihm, so »Der Fürst und der Bürger« und »Die Feinde«, sind auf deutschen Bühnen viel gespielt worden. Der Schlesier Karl-Wilhelm Contessa, zwei Jahre jünger, befreundete sich mit E. T. A. Hoffmann, der ihn für die Gestalt des Sylvester in seinen »Serapionsbrüdern« zum Modell nahm. Besonders erfolgreich waren seine Lustspiele (»Magister Rößlein«). In Berlin, wo er, noch keine 40 Jahre alt, 1825 starb, machte er sich auch als Landschaftsmaler bekannt.

Zwei künftige Literaten, musisch interessiert, aus gutem Hause und etwas jünger als Pückler, der sie dominiert haben dürfte. Einer etwaigen homoerotischen Ader in diesem homme à femme hat noch keiner nachgespürt. Sie ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Es wäre eher, im Gegenteil, verwunderlich, wenn jemand wie er auf diesem Gebiet überhaupt etwas ausgelassen hätte. In seinen Schriften stößt man oft unvermutet auf Hinweise oder mögliche Hinweise. Im »Südöstlichen Bildersaal« taucht ein geheimnisvoller schöner Jüngling auf, der den Fürsten beim Nacktbaden zu umgarnen versucht. Und in »Mehemed Alis Reich« beschreibt der Reisende Pückler, wie er (»ich liebe die Schönheit in jeder Form«) im Dampfbad in Kairo vom Anblick eines nackten Beduinen in Ekstase versetzt wird und ihn daraufhin als Diener engagiert. Der im voraus bezahlte Monatslohn erweist sich allerdings als Fehlinvestition, denn der herkulische Muskelmensch ißt zwar für sechs, kann sich aber an keinerlei Arbeit gewöhnen.

Fraglos die größte Hallenser »Aventüre« stellt jenes Spottgedicht dar, das der 13 jährige Pückler auf die flatterhafte junge Frau des Kanzlers Niemeyer verfaßt. Hier beginnt sich ein schriftstellerisches und satirisches Talent zu regen. Das Gedicht könnte sich übrigens ebensogut auf seine Mutter beziehen und dürfte unter anderem auch auf deren Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit gemünzt sein. Die Verse machen auf der Schule Furore, und als die Autorschaft herauskommt, fliegt Hermann mit Aplomb vom Pädagogium. Der sensationelle Vorfall beschäftigt noch Generationen späterer Schüler, denen der widerborstige Pückler-Muskau zum heimlichen Helden und Vorbild wird.

Jetzt soll er seine Studien auf der allgemeinen Stadtschule in Dessau fortsetzen. Dessau liegt in Anhalt; das ist nach Sachsen (Uhyst) und Preußen (Halle) nun schon der dritte deutsche Staat, in dem man den Grafensohn vergeblich zu erziehen versucht. Da es in Dessau kein Internat gibt, muß erneut ein »Hofmeister« her und eine Unterkunft gesucht werden, was der vielgeplagte Graf Erdmann ausgerechnet dem Kanzler Niemeyer überläßt. Pückler hat seinem Vater später vorgeworfen, sich den Hofmeister nicht einmal angesehen zu haben. Der rasch in die Höhe geschossene junge Mann ist dem von Niemeyer Erwählten intellektuell haushoch überlegen und tanzt ihm, wie auch seinen Lehrern, auf der Nase herum. Vater Erdmann erhält eines Tages die Nachricht, daß auch in Dessau die Relegierung seines Ältesten bevorsteht. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihn ins ungeliebte Muskau heimzuholen. Weitere Schulen in der Nähe und weitere deutsche Staaten fallen ihm nicht mehr ein.

3.

Der tolle Pückler oder Wie man den Nachteilen hoher Geburt entrinnt

Auf Muskau hat sich einiges verändert. Die Mutter ist nicht mehr da. Nach 15jährigem Kampf, tagtäglichem Gezänk, hat Gräfin Klementine aufgegeben und sowohl Schloß als auch Mann und Kinder verlassen. Die Scheidung ist eingereicht; sie wird alsbald ausgesprochen werden. Gegen eine Jahresrente von 6000 Talern, keiner geringen Summe, verzichtet sie auf das von ihr in die Ehe gebrachte Muskau. Nutznießer ist nicht ihr geschiedener Mann, sondern sind ihre Kinder, vor allem Hermann, dem die Standesherrschaft dermaleinst als alleinigem Erben zufallen soll.

Ein letzter Tort, den sie Graf Ludwig Johannes Karl Erdmann antut. Er bleibt unter der Fuchtel seines greisen Vaters, und er muß in absehbarer Zeit den Besitz einem ungeliebten Sohn übergeben, mit dem er nichts als Schwierigkeiten hat und vermutlich weiterhin haben wird. Vieles läßt darauf schließen, daß Klementine ihre Entscheidung weniger aus Mutterliebe trifft, als um ihren Ehemaligen zu ärgern.

Es dauert auch nicht lange, da ist sie schon wieder verheiratet, und zwar mit dem bayerischen Reiteroberst Kurt von Seydewitz, der es noch einmal zum General bringen wird. Im Januar 1800, acht Monate nach der neuerlichen Eheschließung, kommt ihr Sohn Max auf die Welt, in der Familie nur Purzelchen genannt, Pücklers Halbbruder.

Es bleibt nicht der einzige, denn auch der Vater ist seiner Passion treu geblieben. Mit der Geliebten, die an die Stelle Klementines tritt, zeugt er ebenfalls einen Sohn, der auf die Namen Louis Marco getauft wird. Er spielt, im Gegensatz zu Purzelchen, im weiteren Leben Pücklers keine Rolle.

Man sieht: Es weht auf Muskau inzwischen ein anderer, milderer Wind. Die heftigen Vorwürfe, die Hermann zu Hause erwartet, bleiben aus. Man hat genug mit sich selbst und der neuen Situation zu tun. Dem Vater steht mittlerweile der brave Schloßintendant Wolff zur Seite, ein gutmütiger Mann, dessen besänftigender Einfluß auch dem unglücklichen Hermann zugute kommt.