cover image

Jane Austen

Emma

Vollständige Fassung

Jane Austen

Emma

Vollständige Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
2. Auflage, ISBN 978-3-954183-79-1

www.null-papier.de/emma

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Au­to­rin und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sieb­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Zwölf­tes Ka­pi­tel

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Acht­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Achtund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Achtund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

 

Ihr
Jür­gen Schul­ze

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Zum Buch

Die klu­ge, selbst­be­wuss­te aber auch ver­wöhn­te jun­ge Emma Wood­hou­se lebt ein Le­ben ohne fi­nan­zi­el­le Nöte. Um sich die Lan­ge­wei­le auf dem el­ter­li­chen Be­sitz zu ver­trei­ben, ver­sucht sie sich - mal recht, mal schlecht – als Ar­ran­geu­rin zwi­schen­mensch­li­cher Be­zie­hun­gen. Nicht sel­ten in­tri­gant und ge­gen die Op­fer ih­rer Be­mü­hun­gen han­delnd, er­kennt sie ihr sinn­lo­ses Un­ter­fan­gen, als sie selbst für den wah­ren Gent­le­man Mr. Knight­ley ent­flammt. Wie dumm, dass sie die­sen ur­sprüng­lich für die schö­ne Har­riet Smith vor­ge­se­hen hat­te.

Jane Aus­tens Werk gilt als rich­tung­wei­send für die eng­li­sche Li­te­ra­tur, so­wohl sti­lis­tisch als auch in­halt­lich.

»Ich wer­de eine Hel­din schaf­fen, die kei­ner au­ßer mir be­son­ders mö­gen wird.« (Jane Aus­ten)

Autorin und Werk

Ste­ven­ton in Hamps­hi­re, eine gute Wo­che vor dem Weih­nachts­fest des Jah­res 1775: Fuß­stap­fen füh­ren über den ver­schnei­ten Ra­sen zum zwei­stö­cki­gen Pfarr­haus der Ort­schaft. Dort le­ben Wil­liam Ge­or­ge Aus­ten, sei­ne Frau Cas­san­dra und die sechs Kin­der. Die Brü­der wer­fen Schnee­bäl­le in die frost­glit­zern­den Baum­kro­nen vor dem Haus. Kom­men die Kin­der fröh­lich und ver­fro­ren zur Tür her­ein, emp­fängt sie der Duft des Holz­feu­ers – aber heu­te müs­sen sie still sein. Va­ter Wil­liam kann sich nicht auf sei­ne Ge­dan­ken zur Weih­nachtspre­digt kon­zen­trie­ren, denn Mut­ter Cas­san­dra liegt in den We­hen.

Angebliches Porträt Jane Austens von Ozias Humphry

Be­co­ming Jane

Jane Aus­ten wird am 16. De­zem­ber 1775 ge­bo­ren, als sie­ben­tes Kind der Pfar­rers­fa­mi­lie. Sie ist das zwei­te Mäd­chen und wird ih­rer Schwes­ter Cas­san­dra le­bens­lang eng ver­bun­den sein. Lei­der ver­nich­tet Cas­san­dra die meis­ten Brie­fe ih­rer jün­ge­ren Schwes­ter nach de­ren frü­hem Tod, wes­halb über die große Dame der eng­li­schen Li­te­ra­tur nicht all­zu viel be­kannt ist.

Die El­tern le­gen viel Wert auf Bil­dung; das Haus be­her­bergt eine große Biblio­thek, die stän­dig er­wei­tert wird und den Kin­dern zu­gäng­lich ist. Jane ist be­reits recht be­le­sen, als sie im Al­ter von zwölf Jah­ren selbst zu schrei­ben be­ginnt. Die jun­ge Dame ver­fasst be­vor­zugt scharf­zün­gi­ge Kurz­ro­ma­ne und Thea­ter­stücke, lässt ei­ni­ge Ar­bei­ten je­doch un­voll­en­det oder wird sie spä­ter wie­der auf­grei­fen. The­ma­tisch ist sie von Be­ginn an ih­rer Sa­che si­cher: Das Eng­land des Re­gen­cy mit sei­nen so­zia­len Sit­ten, ins­be­son­de­re mit der ab­hän­gi­gen Stel­lung der Frau, wird von ihr sa­ti­risch kri­ti­siert.

Nach dem Um­zug nach Bath, wo die Fa­mi­lie bis 1805 lebt, ent­ste­hen we­ni­ge Wer­ke – zu­min­dest wird das an­ge­nom­men. Als der Va­ter ver­stor­ben ist, las­sen sich Mut­ter Aus­ten und die bei­den Schwes­tern in Southamp­ton nie­der, be­vor sie 1809 nach Chaw­ton zie­hen. In dem dor­ti­gen Land­haus wohnt Jane Aus­ten, ge­mein­sam mit ih­rer Schwes­ter und ei­ner Freun­din, bis zu ih­rem Tod.

Be­legt ist, dass Jane im Jahr 1802 einen Hei­rats­an­trag ab­lehnt; ob ihr wei­te­re Avan­cen ge­macht wer­den, ist un­be­kannt. Mög­li­cher­wei­se ist es ihre be­wuss­te Ent­schei­dung, un­ver­hei­ra­tet zu blei­ben. Dass sie ihre ganz ei­ge­ne Sicht­wei­se be­züg­lich die­ser Fra­ge hat, be­le­gen ihre Ro­ma­ne, in de­nen die Pro­tago­nis­tin­nen zwar letzt­end­lich die Ehe ein­ge­hen, sich den Ent­schluss je­doch nie­mals leicht ma­chen. Die Her­aus­for­de­rung ist in der Ab­hän­gig­keit be­grün­det, worin Frau­en ent­we­der durch einen Ehe­gat­ten ver­sorgt wer­den oder le­bens­lang auf wohl­mei­nen­de Ver­wand­te an­ge­wie­sen sind. Jane und ihre Schwes­ter, die eben­falls un­ver­hei­ra­tet ist, er­fah­ren das selbst, als sie nach Chaw­ton zie­hen. Ihr dor­ti­ges Wohn­haus ge­hört ei­nem ih­rer Brü­der. Für ge­ach­te­te Bür­ge­rin­nen aus wohl­ha­ben­dem Hau­se ist es zu je­ner Zeit un­denk­bar, den ei­ge­nen Le­bens­un­ter­halt zu er­ar­bei­ten – Ja­nes Exis­tenz als Schrift­stel­le­rin be­fin­det sich in ei­ner Grau­zo­ne und ist ten­den­zi­ell an­rü­chig.

By a Lady

In­so­fern nimmt es nicht Wun­der, dass ihre Ro­ma­ne un­ter dem Pseud­onym »by a Lady« (»von ei­ner Dame«) er­schei­nen, wenn­gleich mit wach­sen­der Aner­ken­nung die wah­re Iden­ti­tät der Au­to­rin be­kannt wird. Jane Aus­ten hät­te ein in­di­vi­du­el­les, viel­leicht männ­li­ches, Pseud­onym wäh­len kön­nen. Dass sie sich da­für ent­schei­det, Ge­schlecht und un­ge­fäh­re Stan­des­zu­ge­hö­rig­keit mit­zu­tei­len, darf wohl als Stel­lung­nah­me ver­stan­den wer­den, pas­send zum In­halt ih­rer Wer­ke. Ob­wohl sie sich dar­in als klar­sich­ti­ge Beo­b­ach­te­rin er­weist, mensch­li­che Schwä­chen hu­mor­voll be­leuch­tet und vor Ge­sell­schafts­kri­tik kei­nes­wegs zu­rück­schreckt, wer­den vor al­lem die spä­ten Ro­ma­ne po­si­tiv auf­ge­nom­men. Dass der all­seits ge­ach­te­te Wal­ter Scott ihr größ­te Ach­tung zollt, wird da­bei nicht ohne Wir­kung ge­blie­ben sein.

Jane Aus­tens Werk gilt als rich­tung­wei­send für die eng­li­sche Li­te­ra­tur, so­wohl sti­lis­tisch als auch in­halt­lich. Die dar­in ge­üb­te Kri­tik be­fasst sich mit der Lage le­di­ger Frau­en des ge­ho­be­nen Bür­ger­tums, in sacht-iro­ni­schem Stil. Der Lie­bes­ro­man, in des­sen Zen­trum eine un­ver­hei­ra­te­te Frau steht, dient der Au­to­rin stets als Rah­men so­zia­ler Be­trach­tun­gen. Spä­te­re Ro­ma­ne, die zum Teil aus frü­hen Ent­wür­fen ent­ste­hen, sind eben­so ge­nau be­ob­ach­tet, je­doch er­zäh­le­ri­scher ver­fasst. So be­schäf­tigt sich Jane Aus­ten 1809 mit dem be­reits 1796 ent­stan­de­nen »Eli­nor and Ma­ri­an­ne«, das schließ­lich 1811 un­ter dem Ti­tel »Sen­se and Sen­si­bi­li­ty« (Ver­stand und Ge­fühl) er­scheint. In dem­sel­ben Jahr über­ar­bei­tet sie »First Im­pres­si­ons«, das 1813 als »Pri­de and Pre­ju­di­ce« (Stolz und Vor­ur­teil) ver­öf­fent­licht wird.

Ihr zu­rück­ge­zo­ge­nes Le­ben in Chaw­ton ver­bringt Jane Aus­ten schrei­bend. Wäh­rend die­ser Zeit ent­ste­hen »Mans­field Park«, »Emma« und »Per­sua­si­on«, das spä­ter in der deut­schen Über­set­zung un­ter den Ti­teln »Über­re­dung« und »Anne El­li­ot« pu­bli­ziert wird.

Im Mai 1817 be­gibt sich Jane Aus­ten, ge­mein­sam mit ih­rer Schwes­ter, zur ärzt­li­chen Be­hand­lung nach Win­che­s­ter, wo sie am 18. Juli des Jah­res stirbt. Ihre Grab­stät­te be­fin­det sich in der Ka­the­dra­le von Win­che­s­ter.

Ja­ne Aus­ten bei Null Pa­pier: www.null-papier.de/austen

Erstes Kapitel

Emma Wood­hou­se, hübsch, klug und reich, im Be­sitz ei­nes ge­müt­li­chen Heims so­wie ei­ner glück­li­chen Ver­an­la­gung, ver­ei­nig­te sicht­lich ei­ni­ge der bes­ten Ga­ben des Le­bens auf sich. Sie war schon fast ein­und­zwan­zig Jah­re auf der Welt, ohne je wirk­lich Schwe­res oder Beun­ru­hi­gen­des er­lebt zu ha­ben.

Sie war die jün­ge­re der bei­den Töch­ter ei­nes sehr lie­be­vol­len und äu­ßerst nach­sich­ti­gen Va­ters. Schon lan­ge, seit der Ver­hei­ra­tung ih­rer Schwes­ter, war sie die Frau des Hau­ses. Ihre Mut­ter war schon zu lan­ge tot, als dass sie sich ih­rer Zärt­lich­kei­ten noch hät­te er­in­nern kön­nen. An de­ren Stel­le war eine vor­treff­li­che Frau als Er­zie­he­rin ge­tre­ten, die eine bei­nah müt­ter­li­che Zu­nei­gung für sie emp­fand.

Miss Tay­lor ge­hör­te nun schon seit sech­zehn Jah­ren zu Mr. Wood­hou­ses Fa­mi­lie, sie war we­ni­ger Er­zie­he­rin als Freun­din, hing sehr an bei­den Töch­tern, be­son­ders aber an Emma. Zwi­schen ih­nen be­stand eine eher schwes­ter­li­che Ver­traut­heit. Schon als Miss Tay­lor noch als Er­zie­he­rin wirk­te, hat­te sie es mit ih­rem sanf­ten Tem­pe­ra­ment sel­ten ge­wagt, Ver­bo­te aus­zu­spre­chen, aus der Re­spekts­per­son war längst eine Freun­din ge­wor­den. Trotz der großen ge­gen­sei­ti­gen Zu­nei­gung tat Emma stets, was sie ge­ra­de woll­te. Sie schätz­te Miss Tay­lors Mei­nung zwar sehr, setz­te aber meis­tens doch ihre ei­ge­ne durch. Es war für Emma kei­nes­wegs von Vor­teil, dass man ihr zu viel Hand­lungs­frei­heit ließ. Au­ßer­dem neig­te sie dazu, sich selbst zu über­schät­zen; ne­ga­ti­ve Ei­gen­schaf­ten, die die Ge­fahr in sich bar­gen, sich un­güns­tig für sie aus­zu­wir­ken. Ge­gen­wär­tig war die­se Ge­fahr in­des­sen noch so ge­ring, dass man ih­rer kaum ge­wahr wur­de.

Ei­nes be­rei­te­te ihr jetzt Kum­mer – wenn auch so­zu­sa­gen po­si­ti­ver Na­tur – Miss Tay­lor hei­ra­te­te. Die­ser Ver­lust ver­ur­sach­te ihr die ers­te Be­trüb­nis ih­res Le­bens. Am Hoch­zeits­tag der ge­lieb­ten Freun­din saß Emma in trau­ri­ge Ge­dan­ken ver­sun­ken da und dach­te dar­über nach, wie es nun wei­ter­ge­hen sol­le. Nach­dem die Hoch­zeit vor­bei war und das Braut­paar sie ver­las­sen hat­te, wa­ren Emma und ihr Va­ter al­lein zu­rück­ge­blie­ben, um ge­mein­sam zu spei­sen, ohne einen Drit­ten zu er­war­ten, der den Abend et­was un­ter­halt­sa­mer ge­stal­tet hät­te. Ihr Va­ter zog sich wie üb­lich zu sei­nem Ver­dau­ungs­schläf­chen zu­rück, und sie konn­te nichts wei­ter tun, als da­sit­zen und über ih­ren Ver­lust nach­den­ken.

Die Hei­rat bot ih­rer Freun­din die denk­bar bes­ten Mög­lich­kei­ten, denn Mr. We­ston war nicht nur ein Mann von vor­treff­li­chem Cha­rak­ter, der au­ßer­dem das pas­sen­de Al­ter und an­ge­neh­me Ma­nie­ren hat­te und es war für sie eine in­ne­re Be­frie­di­gung, die­se Ver­bin­dung in selbst­lo­ser und groß­zü­gi­ger Freund­schaft her­bei­ge­wünscht und ge­för­dert zu ha­ben, aber es hat­te sie viel Mühe ge­kos­tet. Sie wür­de Miss Tay­lors Ab­we­sen­heit je­der­zeit schmerz­lich emp­fin­den. Sie er­in­ner­te sich ih­rer Güte in frü­he­ren Ta­gen, der Lie­be und Zu­nei­gung von sech­zehn Jah­ren, wie sie sie seit ih­rem fünf­ten Le­bens­jahr un­ter­rich­tet und mit ihr ge­spielt hat­te, wie sie stets all ihre Kraft ein­ge­setzt, um sie in ge­sun­den Ta­gen für sich zu ge­win­nen und sie zu un­ter­hal­ten und wie sie sie wäh­rend ih­rer ver­schie­de­nen Kin­der­krank­hei­ten ge­pflegt hat­te. Sie war ihr da­für zu großem Dank ver­pflich­tet, aber die Ver­trau­lich­keit der letz­ten sie­ben Jah­re, die Gleich­stel­lung und völ­li­ge Of­fen­heit, die sich nach Isa­bel­las Hei­rat ein­stell­te, nach­dem sie sich selbst über­las­sen wa­ren, ent­hielt für sie an­ge­neh­me Erin­ne­run­gen, die ihr noch teu­rer wa­ren. Sie war eine Freun­din und Ka­me­ra­din ge­we­sen, wie es we­ni­ge gab, in­tel­li­gent, ge­bil­det, nütz­lich und sanft, sie kann­te alle Ge­wohn­hei­ten der Fa­mi­lie, nahm an all ih­ren Sor­gen An­teil, be­son­ders an den ih­ren, eben­so an ih­ren Ver­gnü­gun­gen, ih­ren Plä­nen, sie war ein Mensch, mit dem man im­mer of­fen spre­chen konn­te, wenn einen et­was be­drück­te, und ihre Zu­nei­gung war so blind, dass sie nie et­was zu ta­deln fand.

Wie soll­te sie die­sen Wech­sel er­tra­gen? Si­cher­lich, ihre Freun­din zog nur eine hal­be Mei­le von ih­nen weg, aber es war Emma klar, dass zwi­schen ei­ner Mrs. We­ston, die eine hal­be Mei­le ent­fernt wohn­te, und ei­ner Miss Tay­lor im Hau­se ein großer Un­ter­schied be­stand; und Emma war trotz ih­rer na­tür­li­chen und häus­li­chen Tu­gen­den jetzt in großer Ge­fahr, geis­tig zu ver­ein­sa­men. Sie lieb­te ih­ren Va­ter zwar sehr, aber er war kein gu­ter Ka­me­rad. Er war ihr we­der in erns­ter noch in leich­ter Un­ter­hal­tung ge­wach­sen.

Der Nach­teil des großen Al­ters­un­ter­schieds (Mr. Wood­hou­se hat­te sehr spät ge­hei­ra­tet) wur­de durch sei­ne Kon­sti­tu­ti­on und sei­ne Ge­wohn­hei­ten noch ver­grö­ßert; da er zeit sei­nes Le­bens ein Hy­po­chon­der ohne jede kör­per­li­che und geis­ti­ge Ak­ti­vi­tät ge­we­sen war, wirk­te er da­durch viel äl­ter, als er ei­gent­lich war. Ob­wohl er all­ge­mein we­gen sei­ner Her­zens­freund­lich­keit und sei­nes lie­bens­wür­di­gen Na­tu­rells be­liebt war, hät­ten die­se Ei­gen­schaf­ten doch nicht aus­ge­reicht, um die Men­schen für ihn ein­zu­neh­men.

Ob­wohl ihre Schwes­ter nach ih­rer Ver­hei­ra­tung sich re­la­tiv nah in Lon­don, in ei­ner Ent­fer­nung von sech­zehn Mei­len, nie­der­ge­las­sen hat­te, war sie doch nicht täg­lich er­reich­bar; und man muss­te auf Hart­field manch lang­wei­li­gen Ok­to­ber- und No­vem­ber­tag tot­schla­gen, ehe Isa­bel­la an Weih­nach­ten mit Mann und Kin­dern zu Be­such kam, die das Haus mit Le­ben er­füll­ten und Emma eine an­ge­neh­me Ge­sell­schaft wa­ren.

High­bu­ry, der große und be­leb­te Ort, war schon bei­nah eine Stadt, trotz ei­ge­nem Na­men, ei­ge­ner Ra­sen­flä­chen und Sträu­cher ge­hör­te Hart­field ei­gent­lich dazu, aber es bot ihr nie­mand Gleich­ge­sinn­ten. Ge­sell­schaft­lich stand Fa­mi­lie Wood­hou­se dort an ers­ter Stel­le. Alle schau­ten zu ihr auf. Sie hat­ten im Ort zwar vie­le Be­kann­te, da ihr Va­ter zu al­len höf­lich war, aber sie hät­te nicht eine da­von auch nur für einen Tag an Miss Tay­lors Stel­le se­hen mö­gen. Es war ein be­trüb­li­cher Wan­del, und Emma blieb nichts wei­ter üb­rig, als zu seuf­zen und in mü­ßi­gen Träu­men zu schwel­gen, bis ihr Va­ter wie­der auf­wach­te, sie wür­de sich dann Mühe ge­ben müs­sen, hei­ter und ge­löst zu er­schei­nen.

Sie muss­te ver­su­chen, sei­ne Stim­mung zu he­ben. Er war ein ner­vö­ser und häu­fig de­pri­mier­ter Mensch, der alle moch­te, an die er ge­wöhnt war, und von de­nen er sich un­gern trenn­te, da er jede Art von Ver­än­de­rung ab­lehn­te. Er emp­fand es stets als läs­tig, wenn eine Ehe­schlie­ßung eine sol­che Ver­än­de­rung nach sich zog und hat­te sich noch kei­nes­wegs mit der Hei­rat sei­ner ei­ge­nen Toch­ter ab­ge­fun­den, konn­te von ihr nicht ohne Mit­ge­fühl spre­chen, ob­wohl es eine aus­ge­spro­che­ne Lie­bes­hei­rat ge­we­sen war; nun woll­te man ihn auch noch zwin­gen, sich von Miss Tay­lor und sei­nen sanft egois­ti­schen Ge­wohn­hei­ten zu tren­nen. Da er nie im­stan­de ge­we­sen war, sich in die Denk­wei­se und Ge­füh­le an­de­rer Men­schen hin­ein­zu­ver­set­zen, neig­te er sehr zu der An­sicht, Miss Tay­lor habe sich selbst und ih­nen et­was Un­ver­zeih­li­ches an­ge­tan, und dass sie viel glück­li­cher ge­wor­den wäre, hät­te sie den Rest ih­res Le­bens auf Hart­field ver­bracht. Um ihn von solch trüb­sin­ni­gen Ge­dan­ken ab­zu­len­ken, plau­der­te und lä­chel­te Emma so un­be­fan­gen wie mög­lich, aber als der Tee ser­viert wur­de, konn­te er es nicht las­sen, ge­nau das­sel­be wie wäh­rend des Din­ners zu sa­gen.

»Arme Miss Tay­lor – ich wünsch­te, sie wäre wie­der hier. Scha­de, dass Mr. We­ston je auf sie ver­fal­len ist!«

»Sie wis­sen, Papa, dass ich Ih­nen nicht zu­stim­men kann. Mr. We­ston ist solch ein gut­ge­laun­ter, an­ge­neh­mer und vor­treff­li­cher Mann, der eine gute Frau durch­aus ver­dient. Sie hät­ten Miss Tay­lor doch nicht ewig hier fest­hal­ten kön­nen und mei­nen ex­zen­tri­schen Lau­nen aus­set­zen, wenn sie ein ei­ge­nes Haus ha­ben kann?«

»Ein ei­ge­nes Haus! – Wo­rin be­steht denn der Vor­teil ei­nes ei­ge­nen Hau­ses? Un­se­res ist drei­mal so groß; – au­ßer­dem hast du nie­mals ex­zen­tri­sche Lau­nen, mei­ne Lie­be.«

»Wie oft wer­den wir sie be­su­chen und sie wer­den zu uns kom­men! – Wir wer­den uns im­mer wie­der tref­fen! Wir müs­sen da­mit den An­fang ma­chen, in­dem wir bald hin­ge­hen und ih­nen einen Hoch­zeits­be­such ab­stat­ten.«

»Mei­ne Lie­be, wie soll ich denn dort­hin ge­lan­gen? Ran­dalls ist so weit ent­fernt. Ich könn­te nicht halb so weit ge­hen.«

»Wer re­det denn da­von, dass Sie zu Fuß ge­hen sol­len, Papa. Wir wer­den na­tür­lich den Wa­gen neh­men.«

»Den Wa­gen! Aber Ja­mes wird den Wa­gen nicht gern für solch eine kur­ze Fahrt ein­span­nen wol­len; – und wo sol­len die ar­men Pfer­de blei­ben, wäh­rend wir un­se­ren Be­such ma­chen?«

»Na­tür­lich in Mr. We­stons Stall, Papa. Sie wis­sen doch, dass wir das al­les schon ar­ran­giert ha­ben. Wir ha­ben es ges­tern Abend mit ihm be­spro­chen. Was Ja­mes be­trifft, geht er be­stimmt im­mer gern nach Ran­dalls, seit sei­ne Toch­ter dort Haus­mäd­chen ist. Ich be­zweifle nur, dass er uns gern ir­gend­wo an­ders hin­fah­ren wür­de. Da­ran sind Sie schuld, Papa. Sie ha­ben Han­nah die gute Stel­lung ver­schafft. Nie­mand wäre auf sie ge­kom­men, wenn Sie nicht ih­ren Na­men ge­nannt hät­ten. – Ja­mes ist Ih­nen sehr zu Dank ver­pflich­tet!«

»Ich bin froh, dass ich an sie dach­te. Es war ein Glück, denn es wäre mir un­an­ge­nehm ge­we­sen, wenn Ja­mes sich von mir über­gan­gen ge­fühlt hät­te; und ich bin si­cher, sie gibt eine gute Die­ne­rin ab, sie ist ein höf­li­ches Mäd­chen und weiß sich gut aus­zu­drücken, ich hal­te viel von ihr. Wann im­mer ich sie sehe, macht sie stets einen an­mu­ti­gen Knicks und er­kun­digt sich nach mei­nem Be­fin­den, und wenn du sie zu Näh­ar­bei­ten hier hast, stel­le ich fest, dass sie die Tür vor­sich­tig schließt und nie zu­knallt. Sie wird si­cher eine aus­ge­zeich­ne­te Die­ne­rin und die arme Miss Tay­lor wird froh sein, je­mand um sich zu ha­ben, an den sie ge­wöhnt ist. Weißt du, wann im­mer Ja­mes hin­über­geht, um sei­ne Toch­ter zu be­su­chen, wird sie Neu­es über uns er­fah­ren. Er wird ihr er­zäh­len, wie es uns al­len geht.«

Emma gab sich alle Mühe, ihn in die­ser er­freu­li­chen Stim­mung zu hal­ten und hoff­te da­bei, dass das Puff­spiel ih­ren Va­ter leid­lich über den Abend hin­weg­brin­gen und er sie nicht mehr mit sei­nen Küm­mer­nis­sen be­hel­li­gen wer­de. Der Tisch für das Puff­spiel wur­de zwar auf­ge­stellt, aber da kurz dar­auf Be­such kam, wur­de er nicht ge­braucht.

Mr. Knight­ley, ein ver­stän­di­ger Mann von sie­ben- oder achtund­drei­ßig Jah­ren, war nicht nur ein al­ter und ver­trau­ter Freund der Fa­mi­lie, als äl­te­rer Bru­der von Isa­bel­las Mann fühl­te er sich mit ih­nen be­son­ders ver­bun­den. Er wohn­te un­ge­fähr eine Mei­le von High­bu­ry ent­fernt und war ein häu­fi­ger, stets will­kom­me­ner Be­su­cher. Dies­mal war er ih­nen noch will­kom­me­ner, da er di­rekt von ih­ren ge­mein­sa­men Ver­wand­ten aus Lon­don kam. Er war nach ei­ner Ab­we­sen­heit von ei­ni­gen Ta­gen zu ei­nem spä­ten Din­ner zu­rück­ge­kehrt und an­schlie­ßend nach Hart­field her­über­ge­kom­men, um zu be­rich­ten, dass in Bruns­wick Squa­re al­les wohl­auf sei. Es wa­ren er­freu­li­che Nach­rich­ten, die Mr. Wood­hou­se zu­nächst sehr an­reg­ten. Mr. Knight­ley hat­te ein hei­te­res We­sen, das wohl­tu­end auf ihn wirk­te, und die Ant­wor­ten auf sei­ne Fra­gen nach der »ar­men Isa­bel­la« stell­ten ihn au­ßer­or­dent­lich zu­frie­den. Mr. Wood­hou­se be­merk­te dar­auf dank­bar, »Es ist sehr freund­lich von Ih­nen, Mr. Knight­ley, uns noch zu solch spä­ter Stun­de auf­zu­su­chen. Ich be­fürch­te, Sie hat­ten nicht ge­ra­de einen an­ge­neh­men Spa­zier­gang.«

»Nichts we­ni­ger als das, Sir, es ist eine wun­der­vol­le Mond­nacht und so mild, dass ich von Ihrem star­ken Feu­er weg­rücken muss.«

»Aber ist es nicht drau­ßen sehr feucht und schmut­zig? Hof­fent­lich er­käl­ten Sie sich nicht.«

»Schmut­zig, Sir! Schau­en Sie sich mei­ne Schu­he an, sie sind ganz sau­ber und tro­cken.«

»Nun, das wun­dert mich, denn wir hat­ten hier einen star­ken Re­gen, der eine hal­be Stun­de lang mit großer Hef­tig­keit nie­der­ging, wäh­rend wir beim Früh­stück sa­ßen. Ich woll­te schon vor­schla­gen, die Hoch­zeit zu ver­schie­ben.«

»Üb­ri­gens, ich habe Ih­nen ja noch gar nicht gra­tu­liert. Mir war näm­lich klar, dass Sie es für sich durch­aus nicht nur als Glück emp­fin­den, wes­we­gen ich mich mit mei­nen Glück­wün­schen nicht all­zu­sehr be­eilt habe. Hof­fent­lich ist al­les so­weit zu­frie­den­stel­lend ab­ge­lau­fen. Wie habt ihr euch alle be­nom­men? Wer hat denn am meis­ten ge­weint?«

»Ach, na­tür­lich die arme Miss Tay­lor! Sʹist eine trau­ri­ge An­ge­le­gen­heit.«

»Ar­mer Mr. und arme Miss Wood­hou­se, bit­te sehr, aber ich kann un­mög­lich ›ar­me Miss Tay­lor‹ sa­gen. Ich habe zwar vor Ih­nen und Emma große Ach­tung, aber hier geht es um die Al­ter­na­ti­ve: Ab­hän­gig­keit oder Un­ab­hän­gig­keit. Es ist auf alle Fäl­le viel leich­ter, nur einen Men­schen an­statt de­ren zwei zu­frie­den­stel­len zu müs­sen.«

»Be­son­ders, wenn ei­ner die­ser bei­den ein der­art lau­ni­sches und un­er­träg­li­ches Ge­schöpf ist!« warf Emma fröh­lich ein. »Ich weiß, dass es das ist, wor­an Sie den­ken und auch un­ver­blümt aus­spre­chen wür­den, wäre mein Va­ter nicht an­we­send.«

»Mei­ne Lie­be, ich glau­be, das trifft tat­säch­lich zu«, sag­te Mr. Wood­hou­se seuf­zend. »Ich fürch­te, ich bin manch­mal wirk­lich sehr lau­nen­haft und un­er­träg­lich.«

»Mein liebs­ter Papa, Sie neh­men doch nicht etwa an, dass ich Sie da­mit ge­meint habe, oder Mr. Knight­ley dies glau­ben ma­chen woll­te. Was für ein schreck­li­cher Ge­dan­ke! Oh nein, ich dach­te da­bei aus­schließ­lich an mich selbst. Mr. Knight­ley hat, wie Sie wis­sen, an mir oft et­was aus­zu­set­zen, wenn auch nur im Scherz. Wir sa­gen ein­an­der im­mer, was uns ge­ra­de so ein­fällt.«

Mr. Knight­ley war tat­säch­lich ei­ner der we­ni­gen Men­schen, die an Emma Wood­hou­se Feh­ler ent­deck­ten, und auch der ein­zi­ge, der mit ihr dar­über sprach, und ob­wohl es für Emma selbst nicht ge­ra­de an­ge­nehm war, wuss­te sie ge­nau, dass es ih­ren Va­ter noch här­ter tref­fen wür­de, hät­te er eine Ah­nung da­von, dass sie durch­aus nicht von al­len für voll­kom­men ge­hal­ten wur­de.

»Emma weiß, dass ich ihr nie schmeich­le«, sag­te Mr. Knight­ley, »aber ich woll­te nie­mand Un­recht tun. Miss Tay­lor war dar­an ge­wöhnt, zwei Men­schen zu­frie­den­stel­len zu müs­sen, wäh­rend es jetzt nur noch ei­ner ist. Es ist sehr wahr­schein­lich, dass sie schon da­durch bes­ser dran ist.«

»Nun«, sag­te Emma, ge­willt, es durch­ge­hen zu las­sen, »Sie möch­ten doch si­cher et­was über die Hoch­zeit er­fah­ren und ich wer­de Ih­nen gern dar­über be­rich­ten. Wir ha­ben uns alle char­mant be­nom­men. Alle wa­ren pünkt­lich zur Stel­le, alle sa­hen vor­teil­haft aus, es gab kei­ne Trä­nen und kei­ne lan­gen Ge­sich­ter. Oh nein, wir wuss­ten ja, dass wir nur eine hal­be Mei­le von­ein­an­der ent­fernt le­ben wür­den und uns je­den Tag se­hen könn­ten.«

»Mei­ne gute Emma er­trägt al­les mit Fas­sung«, sag­te ihr Va­ter. »Aber, Mr. Knight­ley, es ist ihr doch sehr schmerz­lich, die arme Miss Tay­lor zu ver­lie­ren, und sie wird sie in Zu­kunft si­cher­lich noch mehr ver­mis­sen, als ihr jetzt klar ist.«

Emma wand­te das Ge­sicht ab und schwank­te zwi­schen La­chen und Wei­nen.

»Es wäre un­denk­bar, dass Emma solch eine Ge­fähr­tin nicht miss­en soll­te«, sag­te Mr. Knight­ley. »Wir hät­ten sie nicht so gern, Sir, wenn wir dies an­neh­men müss­ten, aber sie ver­steht auch, wie will­kom­men ein ei­ge­nes Heim für Miss Tay­lor in ih­rem Al­ter sein muss und wie wich­tig eine aus­rei­chen­de Ver­sor­gung für sie ist, Miss Tay­lor kann es sich in­fol­ge­des­sen nicht leis­ten, mehr Kum­mer als Freu­de zu emp­fin­den. Alle ihre Freun­de müs­sen sich dar­über freu­en, sie so glück­lich ver­hei­ra­tet zu se­hen.«

»Sie ha­ben noch et­was ver­ges­sen, was für mich ein Grund zur Freu­de ist«, sag­te Emma, »noch dazu ein sehr wich­ti­ger – näm­lich der, dass ich die Ver­bin­dung zu­stan­de ge­bracht habe. Sie müs­sen wis­sen, ich habe die­se schon vor vier Jah­ren an­ge­bahnt und ihr Zu­stan­de­kom­men be­weist, wie recht ich hat­te, wäh­rend noch vie­le Leu­te sag­ten, Mr. We­ston wür­de nie wie­der hei­ra­ten, das trös­tet mich über alle Unan­nehm­lich­kei­ten hin­weg.«

Mr. Knight­ley konn­te nur den Kopf schüt­teln. Ihr Va­ter er­wi­der­te zärt­lich: »Ach, mei­ne Lie­be, ich wür­de es vor­zie­hen, du wür­dest kei­ne Ehen stif­ten und Er­eig­nis­se vor­her­sa­gen, denn lei­der trifft das, was du sagst, im­mer zu. Bit­te stif­te kei­ne wei­te­ren Ehen.«

»Ich ver­spre­che Ih­nen, Papa, kei­ne für mich selbst zu stif­ten, wer­de es aber stets gern für an­de­re tun. Es be­rei­tet so viel Ver­gnü­gen. Und dann noch nach die­sem Er­folg, wis­sen Sie! Wo alle be­haup­te­ten, Mr. We­ston wür­de nie wie­der hei­ra­ten. Du lie­be Zeit, nein! Mr. We­ston, der schon so lan­ge Wit­wer war und sich un­be­weibt völ­lig wohl zu füh­len schi­en, der sich dau­ernd um sei­ne Ge­schäf­te in der Stadt oder sei­ne Freun­de küm­mer­te, der über­all, wo er auch hin­kam, gern ge­se­hen und stets gu­ter Lau­ne war – Mr. We­ston hät­te es nicht nö­tig ge­habt, auch nur einen ein­zi­gen Abend al­lein zu ver­brin­gen, wenn er es nicht ge­wollt hät­te. Oh nein, Mr. We­ston wür­de be­stimmt nicht wie­der hei­ra­ten. Ein­zel­ne er­wähn­ten so­gar ein Ver­spre­chen, das er sei­ner Frau am Ster­be­bett ge­ge­ben habe, und an­de­re spra­chen da­von, sein Sohn und der On­kel wür­den es nicht zu­las­sen. Manch hö­he­rer Un­sinn wur­de in der Sa­che ge­äu­ßert, aber ich hielt nichts da­von. Ich hat­te an je­nem Tag (vor etwa vier Jah­ren), als Miss Tay­lor und ich ihn in Broad­way Lane tra­fen, und als er, da es zu nie­seln an­ge­fan­gen hat­te, so ga­lant da­v­on­stürz­te und sich von Far­mer Mit­chell für uns zwei Schir­me aus­lieh, be­reits mei­nen Ent­schluss ge­fasst. Von da an plan­te ich die Ver­bin­dung, und da ich in die­sem Fall so er­folg­reich war, kön­nen Sie, lie­ber Papa, nicht von mir er­war­ten, dass ich das Ehe­stif­ten auf­ge­be.«

»Ich be­grei­fe nicht recht, was Sie un­ter ›Er­fol­g‹ ver­ste­hen«, sag­te Mr. Knight­ley. »Er­folg setzt An­stren­gung vor­aus. Sie ha­ben Ihre Zeit zweck­mä­ßig und takt­voll an­ge­wen­det, wenn Sie sich in den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren um die­se Ehe­schlie­ßung be­müht ha­ben. Durchaus eine Be­schäf­ti­gung, die dem Geist ei­ner jun­gen Dame an­ge­mes­sen ist. Wenn aber, wie ich es sehe, ihre so­ge­nann­te Ehe­stif­tung dar­in be­steht, dass Sie die­sel­be le­dig­lich plan­ten, in­dem Sie sich ei­nes mü­ßi­gen Ta­ges ein­re­de­ten, ›ich glau­be, es wäre für Miss Tay­lor vor­teil­haft, wenn Mr. We­ston sie hei­ra­ten wür­de‹, und Sie es sich im­mer wie­der sug­ge­rier­ten – wie­so spre­chen Sie da von Er­folg? Wo­rin be­steht Ihr Ver­dienst? Was bil­den Sie sich ei­gent­lich ein? Sie hat­ten eine glück­li­che Vorah­nung, das ist al­les.«

»Und ha­ben Sie nie er­lebt, wie viel Freu­de und Ge­nug­tu­ung ei­nem eine glück­li­che Vorah­nung be­rei­ten kann? Dann kann ich Sie nur be­dau­ern. Ich hät­te Sie für in­tel­li­gen­ter ge­hal­ten. Sie kön­nen mir glau­ben, eine glück­li­che Vorah­nung be­ruht nicht nur auf Glück. Es kommt im­mer auch et­was Be­ga­bung hin­zu.

Was mein un­an­ge­brach­tes Wort ›Er­fol­g‹ be­trifft, an dem Sie An­stoß zu neh­men schei­nen, wüss­te ich nicht, warum ich es für mich nicht be­an­spru­chen soll­te. Sie ha­ben zwei net­te Deu­tun­gen ge­ge­ben, aber ich glau­be, da ist noch eine drit­te – ein Zwi­schen­ding von Al­les-Tun und Gar­nichts-Tun. Hät­te ich Mr. We­stons Be­su­che hier im Hau­se nicht be­güns­tigt, ihn er­mu­tigt und klei­ne Schwie­rig­kei­ten aus­ge­bü­gelt, dann wäre viel­leicht trotz­dem nichts da­bei her­aus­ge­kom­men. Ich neh­me an, Sie ken­nen Hart­field gut ge­nug, um zu ver­ste­hen, was ich mei­ne.«

»Man hät­te es ei­nem frei­mü­ti­gen, of­fen­her­zi­gen Mann wie Mr. We­ston, und ei­ner ver­nünf­ti­gen, na­tür­li­chen Frau wie Miss Tay­lor durch­aus über­las­sen kön­nen, mit ih­ren ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten fer­tig zu wer­den. Sie ha­ben sich durch Ihre Ein­mi­schung mög­li­cher­wei­se mehr ge­scha­det als ih­nen genützt.«

»Emma denkt nie an sich selbst, wenn sie an­de­ren nütz­lich sein kann«, er­wi­der­te Mr. Wood­hou­se, der al­les nur halb mit­be­kom­men hat­te. »Aber stif­te bit­te kei­ne wei­te­ren Ehen, mei­ne Lie­be, es sind über­flüs­si­ge Din­ge, die nur das Fa­mi­li­en­le­ben be­ein­träch­ti­gen.«

»Nur noch eine, Papa; die von Mr. El­ton. Du hast ihn doch gern; ich muss un­be­dingt eine Frau für ihn fin­den. Ich wüss­te hier in High­bu­ry kei­ne, die zu ihm pas­sen wür­de – er ist schon ein gan­zes Jahr hier und hat sein Haus be­hag­lich ein­ge­rich­tet, es wäre doch scha­de, wenn er noch län­ger le­dig blie­be, und als er heu­te ihre Hän­de in­ein­an­der leg­te, kam es mir so vor, als hät­te er mit Bli­cken sa­gen wol­len, er wäre gern an ih­rer Stel­le! Ich hal­te viel von Mr. El­ton, und dies wäre die ein­zi­ge Mög­lich­keit, ihm zu hel­fen.«

»Mr. El­ton ist be­stimmt ein sehr hüb­scher und an­stän­di­ger jun­ger Mann, und ich habe große Ach­tung vor ihm. Aber wenn du ihm eine Auf­merk­sam­keit er­wei­sen willst, mei­ne Lie­be, dann lade ihn doch ein­mal ein, mit uns zu spei­sen. Das wäre das rich­ti­ge. Ich neh­me an, Mr. Knight­ley wird so freund­lich sein, ihn ab­zu­ho­len.«

»Je­der­zeit, Sir, mit dem größ­ten Ver­gnü­gen«, sag­te Mr. Knight­ley la­chend. »Ich bin ganz Ih­rer Mei­nung, dass dies der bes­se­re Weg wäre. La­den Sie ihn zum Din­ner ein, Emma, und set­zen Sie ihm vom Fisch und Fleisch die bes­ten Stücke vor, aber über­las­sen Sie es ihn, sich die pas­sen­de Frau zu su­chen. Ver­las­sen Sie sich drauf, ein Mann von sechs- oder sie­ben­und­zwan­zig Jah­ren kommt auch al­lein zu­recht.«

Zweites Kapitel

Mr. We­ston stamm­te aus High­bu­ry, er war in ei­ner an­ge­se­he­nen Fa­mi­lie ge­bo­ren, die wäh­rend der letz­ten zwei oder drei Ge­ne­ra­tio­nen zu Rang und Be­sitz ge­kom­men war. Er hat­te eine gute Er­zie­hung ge­nos­sen, aber da es ihm schon früh im Le­ben ge­lun­gen war, zu ei­ner be­schei­de­nen Un­ab­hän­gig­keit zu kom­men, la­gen ihm die ein­fa­che­ren Be­ru­fe nicht mehr, de­nen sei­ne Brü­der nach­gin­gen und es war für sei­nen ak­ti­ven, leb­haf­ten Geist ge­nau das rich­ti­ge ge­we­sen, in die neu­ge­grün­de­te Bür­ger­wehr der Graf­schaft ein­zu­tre­ten.

Cap­tain We­ston war all­ge­mein be­liebt; und als die Wech­sel­fäl­le sei­nes Mi­li­tär­le­bens ihn mit Miss Churchill, aus be­deu­ten­der Yorks­hi­re-Fa­mi­lie, zu­sam­men­führ­ten und die­se sich in ihn ver­lieb­te, wun­der­te sich nie­mand dar­über, au­ßer ih­rem Bru­der und des­sen Frau, die ihn nie ge­se­hen hat­ten und so von Stolz und Wich­tig­tue­rei er­füllt wa­ren, dass sie die Ver­bin­dung übel­nah­men.

Miss Churchill in­des­sen, voll­jäh­rig und im un­ein­ge­schränk­ten Be­sitz ih­res Ver­mö­gens – ob­wohl die­ses zu dem Fa­mi­li­en­be­sitz in kei­nem Ver­hält­nis stand – ließ sich von die­ser Ehe­schlie­ßung nicht ab­brin­gen und die Hoch­zeit fand zur un­end­li­chen Krän­kung von Mr. und Mrs. Churchill statt, die sie mit an­ge­mes­se­nem An­stand vers­tie­ßen. Es war eine un­pas­sen­de Ver­bin­dung, die nicht viel Glück brach­te. Mrs. We­ston hät­te ei­gent­lich mehr dar­in fin­den kön­nen, denn sie hat­te einen Ehe­mann, des­sen war­mes Herz und freund­li­che Ver­an­la­gung ihn den­ken ließ, dass ihr für die große Ge­fäl­lig­keit, in ihn ver­liebt zu sein, al­les zu­ste­he, aber ob­wohl sie ir­gend­wie Geist hat­te, war es nicht ge­ra­de der rich­ti­ge. Sie hat­te ge­nü­gend Ent­schluss­kraft be­wie­sen, ih­ren ei­ge­nen Wil­len ge­gen den ih­res Bru­ders durch­zu­set­zen, aber wie­der­um nicht ge­nug, ihr un­ver­nünf­ti­ges Be­dau­ern ob ih­res Bru­ders eben­so un­ver­nünf­ti­gen Zorn zu un­ter­drücken oder den Lu­xus ih­res frü­he­ren Heims zu ver­mis­sen. Sie leb­ten über ihre Ver­hält­nis­se, trotz­dem war al­les mit Ens­com­be nicht zu ver­glei­chen; sie lieb­te ih­ren Mann zwar noch im­mer, aber sie woll­te gleich­zei­tig Cap­tain We­stons Frau und Miss Churchill auf Ens­com­be sein.

Es er­wies sich für Cap­tain We­ston, von dem alle, be­son­ders die Churchills, an­nah­men, er sei eine her­vor­ra­gen­de Ver­bin­dung ein­ge­gan­gen, dass er bei die­sem Han­del am al­ler­schlech­tes­ten weg­ge­kom­men war; denn als sei­ne Frau nach drei­jäh­ri­ger Ehe starb, war er eher är­mer als vor­her und hat­te noch für ein Kind zu sor­gen. Man nahm ihm in­des­sen die­se Aus­ga­ben bald ab. Der Jun­ge war, mit dem zu­sätz­lich mil­dern­den An­spruch der lan­gen Krank­heit sei­ner Mut­ter, das Mit­tel zu ei­ner Art von Ver­söh­nung ge­wor­den; und da Mr. und Mrs. Churchill kei­ne ei­ge­nen Kin­der noch ir­gend­ein an­de­res jun­ges We­sen hat­ten, für das sie hät­ten sor­gen müs­sen, mach­ten sie kurz nach dem Tode von Mrs. We­ston das An­ge­bot, den klei­nen Frank ganz in ihre Ob­hut zu neh­men. Der ver­wit­we­te Va­ter mag viel­leicht ei­ni­ge Skru­pel ge­habt und ei­ni­ges Wi­der­stre­ben emp­fun­den ha­ben, aber an­de­re Er­wä­gun­gen lie­ßen ihn die­se über­win­den und das Kind wur­de der Ob­hut und dem Reich­tum der Churchills über­ge­ben; er selbst brauch­te sich nur noch um sein ei­ge­nes Wohl­er­ge­hen zu küm­mern und da­nach zu trach­ten, sei­ne Lage zu ver­bes­sern, so gut es ging.

Eine völ­li­ge Le­ben­sum­stel­lung wur­de wün­schens­wert. Er trat aus der Bür­ger­wehr aus und be­schäf­tig­te sich mit Han­del, da er Brü­der hat­te, die dar­in in Lon­don schon gut eta­bliert wa­ren, was ihm einen vor­teil­haf­ten Start er­mög­lich­te. Es war ein Un­ter­neh­men, das ihm ge­ra­de ge­nug Ar­beit brach­te. Er hat­te noch im­mer ein klei­nes Haus in High­bu­ry, wo er fast alle sei­ne frei­en Tage ver­brach­te; und so gin­gen die nächs­ten acht­zehn oder zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens zwi­schen nütz­li­cher Be­schäf­ti­gung und den Zer­streu­un­gen der Ge­sell­schaft an­ge­nehm da­hin. Er hat­te in der Zwi­schen­zeit ge­nü­gend Ver­mö­gen er­wor­ben – aus­rei­chend, um sich den Kauf ei­nes klei­nen Be­sit­zes nahe High­bu­ry zu er­mög­li­chen, den er sich im­mer ge­wünscht hat­te. Aus­rei­chend, um selbst eine Frau wie Miss Tay­lor zu hei­ra­ten, die kei­ne Aus­s­teu­er be­saß und ganz nach den Nei­gun­gen sei­ner freund­li­chen und ge­sel­li­gen Ver­an­la­gung zu le­ben.

Es war jetzt schon ei­ni­ge Zeit her, seit Miss Tay­lor be­gon­nen hat­te, sei­ne Plä­ne zu be­ein­flus­sen, aber es war nicht der ty­ran­ni­sche Ein­fluss, den Ju­gend auf Ju­gend aus­übt, sein Ent­schluss, sich nicht nie­der­zu­las­sen, ehe er Ran­dalls kau­fen kön­ne, war nicht er­schüt­tert wor­den, und er hat­te dem Ver­kauf die­ses Be­sit­zes lan­ge ent­ge­gen­ge­se­hen, aber er hat­te mit die­sem Ob­jekt in Aus­sicht stän­dig wei­ter­ge­macht, bis al­les ver­wirk­licht war. Er hat­te ein Ver­mö­gen er­wor­ben, sein Haus ge­kauft, eine Frau ge­fun­den und einen neu­en Le­bens­ab­schnitt be­gon­nen, der alle Mög­lich­kei­ten grö­ße­ren Glücks barg, als je­ner, der hin­ter ihm lag. Er war nie un­glück­lich ge­we­sen, selbst in sei­ner ers­ten Ehe hat­te sein ei­ge­nes Tem­pe­ra­ment ihn da­vor be­wahrt, aber erst die zwei­te soll­te ihm zei­gen, wie wun­der­bar eine ur­teils­fä­hi­ge und wahr­haft lie­ben­de Frau sein kann und ihm den er­freu­lichs­ten Be­weis da­für lie­fern, dass es we­sent­lich bes­ser sei zu wäh­len, an­statt ge­wählt zu wer­den, Dank­bar­keit zu er­we­cken an­statt sie zu emp­fin­den.

Er brauch­te nur eine ihm ge­neh­me Wahl zu tref­fen, sein Ver­mö­gen ge­hör­te aus­schließ­lich ihm, denn was Frank be­traf, war die­ser still­schwei­gend als Erbe sei­nes On­kels er­zo­gen wor­den; es war eine of­fen an­er­kann­te Ad­op­ti­on, und Frank soll­te, wenn er mün­dig wür­de, den Na­men Churchill an­neh­men. Es war in­fol­ge­des­sen höchst un­wahr­schein­lich, dass er je die Un­ter­stüt­zung sei­nes Va­ters be­nö­ti­gen wür­de. Die­ser mach­te sich des­we­gen auch kei­ne Sor­gen. Die Tan­te war eine lau­ni­sche Frau und be­herrsch­te ih­ren Mann völ­lig; aber es lag nicht in Mr. We­stons Na­tu­rell, sich vor­zu­stel­len, dass eine Lau­ne stark ge­nug sein könn­te, um je­mand, der so ge­liebt wur­de und der, wie er an­nahm, auch ver­dien­te, ge­liebt zu wer­den, zu be­ein­flus­sen. Er sah sei­nen Sohn je­des Jahr in Lon­don und war stolz auf ihn; und die­se lie­be­vol­le Be­schrei­bung von ihm als ei­nem aus­ge­zeich­ne­ten jun­gen Mann ließ auch High­bu­ry ir­gend­wie stolz auf ihn sein. Er wur­de als ge­nü­gend zum Ort ge­hö­rig be­trach­tet, um sei­ne Ei­gen­schaf­ten und Aus­sich­ten zu ei­ner Sa­che von all­ge­mei­ner An­teil­nah­me zu ma­chen.

Mr. Frank Churchill war der Stolz von High­bu­ry, und alle wa­ren au­ßer­or­dent­lich neu­gie­rig dar­auf, ihn zu se­hen, ob­wohl das Kom­pli­ment so we­nig er­wi­dert wur­de, dass er in sei­nem gan­zen Le­ben noch nie dort ge­we­sen war. Man sprach zwar oft da­von, dass er kom­men und sei­nen Va­ter be­su­chen wür­de, aber es wur­de nie Wirk­lich­keit.

Jetzt, nach der Hei­rat sei­nes Va­ters, nahm man all­ge­mein an, der Be­such sol­le als ge­büh­ren­de Auf­merk­sam­keit statt­fin­den. Es gab in der gan­zen Stadt dar­über kei­ne ab­wei­chen­de Mei­nung, we­der als Mrs. Per­ry mit Mrs. und Miss Ba­tes Tee trank, noch als die­se den Be­such er­wi­der­ten. Nun war es für Frank Churchill an der Zeit, sich bei ih­nen se­hen zu las­sen, und die Hoff­nung nahm zu, als man hör­te, er habe sei­ner neu­en Mut­ter in der An­ge­le­gen­heit ge­schrie­ben. Für ein paar Tage wur­de der net­te Brief, den Mrs. We­ston er­hal­ten hat­te, in je­der Vor­mit­tags­vi­si­te er­wähnt. »Ich neh­me an, Sie ha­ben von dem net­ten Brief ge­hört, den Mr. Frank Churchill an Mrs. We­ston ge­schrie­ben hat? Ich glau­be, es war wirk­lich ein net­ter Brief. Mr. Wood­hou­se er­zähl­te mir da­von. Er hat den Brief ge­se­hen und er sagt, er habe nie in sei­nem Le­ben einen net­te­ren Brief ge­se­hen.«

Es war wirk­lich ein höchst ge­schätz­ter Brief. Mrs. We­ston hat­te sich na­tür­lich von dem jun­gen Mann sehr vor­teil­haf­te Vor­stel­lun­gen ge­macht; und solch freund­li­che Auf­merk­sam­keit war ein un­wi­der­leg­li­cher Be­weis für sei­nen aus­ge­präg­ten ge­sun­den Men­schen­ver­stand und ein höchst­will­kom­me­ner Bei­trag zu all den Glück­wun­sch­äu­ße­run­gen, die ihre Hei­rat ihr schon be­schert hat­te. Sie hat­te das Ge­fühl, eine sehr glück­li­che Frau zu sein, und sie leb­te schon lan­ge ge­nug, um zu wis­sen, dass man sie mit Recht glück­lich schät­zen kön­ne. Ihr ein­zi­ger Kum­mer war die teil­wei­se Tren­nung von Freun­den, de­ren Freund­schaft für sie sich nie ab­ge­kühlt hat­te und für die es nicht leicht ge­we­sen war, sich von ihr tren­nen zu müs­sen.

Sie wuss­te, dass man sie zu­wei­len ver­miss­te, und konn­te nicht ohne Schmerz dar­an den­ken, Emma könn­te auch nur ein ein­zi­ges Ver­gnü­gen ver­säu­men oder sich auch nur eine Stun­de lang­wei­len, weil ihre Ge­sell­schaft ihr ab­ging; aber die gute Emma hat­te kei­nen schwa­chen Cha­rak­ter und war der Lage bes­ser ge­wach­sen, als die meis­ten Mäd­chen es ge­we­sen wä­ren. Sie hat­te ge­sun­den Men­schen­ver­stand, Ener­gie und Auf­trieb, wes­halb man hof­fen konn­te, dass sie gut und glück­lich über die klei­nen Schwie­rig­kei­ten und Ent­beh­run­gen hin­weg­kom­men wür­de. Und dann lag auch eine Be­ru­hi­gung in der ge­rin­gen Ent­fer­nung Ran­dalls von Hart­field, be­quem selbst für al­lein spa­zie­ren­ge­hen­de weib­li­che We­sen und in Mr. We­stons Cha­rak­ter und Ver­hält­nis­sen, wo auch die her­an­na­hen­de Jah­res­zeit kein Hin­der­nis sein wür­de, die Hälf­te der Aben­de in der Wo­che ge­mein­sam zu ver­brin­gen.

Mrs. We­ston be­trach­te­te ihre gan­ze Le­bens­si­tua­ti­on mit Dank­bar­keit, die nur für Au­gen­bli­cke Be­dau­ern auf­kom­men ließ. Ihre Zufrie­den­heit – eine Zufrie­den­heit, die das üb­li­che Maß über­stieg – die Freu­de über ih­ren Be­sitz war so of­fen­bar, dass Emma, ob­wohl sie ih­ren Va­ter zu ken­nen glaub­te, sich manch­mal dar­über wun­der­te, dass er die »arme Miss Tay­lor« noch im­mer be­dau­er­te, wenn sie sie auf Ran­dalls in­mit­ten jeg­li­chen häus­li­chen Kom­forts ver­lie­ßen, oder wenn sie sie am Abend weg­ge­hen sa­hen, von ei­nem auf­merk­sa­men Ehe­mann zur ei­ge­nen Kut­sche ge­lei­tet. Aber sie ging nie­mals, ohne dass Mr. Wood­hou­se lei­se seufz­te und sag­te:

»Ach, die arme Miss Tay­lor! Sie wäre so froh, wenn sie blei­ben könn­te.«

Sie wür­den we­der Miss Tay­lor zu­rück­ge­win­nen, noch be­stand Aus­sicht, dass das Be­mit­lei­den auf­hö­ren wür­de; aber ei­ni­ge Wo­chen brach­ten Mr. Wood­hou­se doch eine ge­wis­se Er­leich­te­rung. Die Glück­wün­sche der Nach­barn hat­ten auf­ge­hört, er wur­de nicht mehr län­ger mit Gra­tu­la­tio­nen zu die­sem trau­ri­gen Er­eig­nis be­läs­tigt; und der Hoch­zeits­ku­chen, der ihm so vie­le Qua­len be­rei­tet hat­te, war gänz­lich ver­zehrt wor­den. Sein ei­ge­ner Ma­gen konn­te nichts Schwe­res ver­tra­gen, und er ver­moch­te sich nie vor­zu­stel­len, dass an­de­re Leu­te an­ders sei­en als er. Was ihm nicht be­kam, das be­trach­te­te er auch für an­de­re als un­ge­eig­net; und er hat­te ih­nen des­halb ernst­haft aus­re­den wol­len, über­haupt von dem Hoch­zeits­ku­chen zu neh­men; und als sich dies als ver­geb­lich er­wies, eben­so ernst­haft ver­sucht zu ver­hin­dern, dass je­mand da­von aß. Er hat­te sich so­gar die Mühe ge­macht, Mr. Per­ry, den Apo­the­ker, des­halb zu kon­sul­tie­ren. Mr. Per­ry war ein in­tel­li­gen­ter Mann von gu­ter Er­zie­hung, und sei­ne Be­su­che wa­ren eine der An­nehm­lich­kei­ten in Mr. Wood­hou­ses Le­ben; als er ge­fragt wur­de, muss­te er (al­ler­dings, so schi­en es, sehr ge­gen sei­ne in­ne­re Nei­gung) be­stä­ti­gen, dass Hoch­zeits­ku­chen si­cher­lich vie­len nicht be­kom­me – viel­leicht den al­ler­meis­ten, wenn man ihn nicht mit Maß ge­nie­ße. Mit die­ser Mei­nung, die sei­ne ei­ge­ne be­stä­tig­te, hoff­te Mr. Wood­hou­se je­den Be­su­cher des jung­ver­hei­ra­te­ten Paa­res be­ein­flus­sen zu kön­nen; aber der Ku­chen wur­de den­noch ge­ges­sen und es gab für sei­ne wohl­wol­len­den Ner­ven kei­ne Ruhe, ehe er nicht ver­schwun­den war.

Es ging ein Gerücht in High­bu­ry um, man habe all die klei­nen Per­rys mit ei­nem Stück von Mrs. We­stons Hoch­zeits­ku­chen in der Hand ge­se­hen; aber Mr. Wood­hou­se woll­te es nicht glau­ben.

Drittes Kapitel

Mr. Wood­hou­se hat­te auf sei­ne Art gern Ge­sell­schaft. Er lieb­te es, wenn sei­ne Freun­de ihn be­su­chen ka­men; und er konn­te aus ver­schie­de­nen Grün­den, we­gen sei­ner lan­gen An­we­sen­heit in Hart­field, sei­ner Gut­mü­tig­keit, sei­nem Ver­mö­gen und sei­ner Toch­ter, die Be­su­che sei­nes klei­nen Freun­des­krei­ses weit­ge­hend so steu­ern, wie es ihm pass­te. Er hat­te mit Fa­mi­li­en au­ßer­halb die­ses Krei­ses we­nig Ver­kehr; sein Grau­en vor lan­gem Auf­blei­ben und großen Din­ner-Ein­la­dun­gen lie­ßen nur sol­che Be­kannt­schaf­ten zu, die ihn ent­spre­chend sei­nen ei­ge­nen Be­din­gun­gen be­such­ten. Glück­li­cher­wei­se wohn­ten vie­le von ih­nen in High­bu­ry, das Ran­dalls im glei­chen Pfarr­be­zirk und Don­well Ab­bey, den Sitz Mr. Knight­leys im an­gren­zen­den Pfarr­be­zirk ein­schloss. Manch­mal, wenn Emma ihn dazu über­re­den konn­te, hat­te er ei­ni­ge der Au­ser­wähl­ten und Bes­ten zum Din­ner bei sich; aber im All­ge­mei­nen zog er Abend­ein­la­dun­gen vor; und wenn er sich nicht ge­ra­de für Ge­sell­schaft un­ge­eig­net fühl­te, gab es in der Wo­che kaum einen Abend, an dem Emma nicht den Kar­ten­tisch für ihn auf­stel­len konn­te.

Ech­te Freund­schaft von lan­ger Dau­er brach­te die We­stons und Mr. Knight­ley ins Haus und bei Mr. El­ton, ei­nem Jung­ge­sel­len wi­der Wil­len, be­stand kaum die Ge­fahr, dass er das Vor­recht ver­schmäh­te, einen trost­lo­sen, ein­sam ver­brach­ten Abend ge­gen die Ele­ganz und Ge­sell­schaft des Wood­hou­se­schen Empfangs­zim­mers und das Lä­cheln der hüb­schen Toch­ter ein­zut­au­schen.

Nach die­sen Gäs­ten kam eine zwei­te Gar­ni­tur; von de­nen Mrs. und Miss Ba­tes so­wie Mrs. God­dard am leich­tes­ten er­reich­bar wa­ren; drei Da­men, die zu ei­nem Be­such in Hart­field je­der­zeit be­reit wa­ren, die so oft ab­ge­holt und wie­der nach Hau­se ge­bracht wur­den, wie Mr. Wood­hou­se glaub­te, es den Pfer­den und Ja­mes zu­mu­ten zu kön­nen. Es wäre in­des­sen eine Krän­kung ge­we­sen, wenn dies nur ein­mal im Jahr statt­ge­fun­den hät­te.

Mrs. Ba­tes, die Wit­we ei­nes frü­he­ren Vi­kars von High­bu­ry, war eine sehr alte Dame, die au­ßer über Tee­trin­ken und ein Spiel Qua­dril­le über al­les hin­aus war. Sie leb­te mit ih­rer ein­zi­gen Toch­ter in äu­ßerst be­schei­de­nen Ver­hält­nis­sen, sie wur­de mit all der Rück­sicht und dem Re­spekt be­han­delt, den eine harm­lo­se alte Dame de­ren Le­ben­sum­stän­de un­güns­tig sind, er­war­ten konn­te. Für eine Frau, die we­der jung, noch hübsch, noch reich, noch ver­hei­ra­tet war, er­freu­te sich ihre Toch­ter ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Be­liebt­heit. Da­durch, dass sie so hoch in der öf­fent­li­chen Gunst stand, be­fand sich Miss Ba­tes in denk­bar miss­li­cher Lage; und sie be­saß nicht die geis­ti­ge Über­le­gen­heit, mit sich selbst fer­tig zu wer­den, oder de­nen, die sie nicht moch­ten, we­nigs­tens äu­ßer­lich Re­spekt ab­zu­nö­ti­gen. Sie hat­te sich nie der Schön­heit oder Klug­heit rüh­men kön­nen. Ihre Ju­gend war un­auf­fäl­lig ver­lau­fen und ihre mitt­le­ren Le­bens­jah­re wa­ren der Pfle­ge ei­ner krän­keln­den Mut­ter und dem Be­stre­ben ge­wid­met, ihr klei­nes Ein­kom­men so weit als mög­lich zu stre­cken. Den­noch war sie eine glück­li­che Frau, von der noch dazu nie­mand ohne Wohl­wol­len sprach. Die­ses Wun­der wur­de durch ihre all­um­fas­sen­de Freund­lich­keit und ihr zu­frie­de­nes Ge­müt be­wirkt. Je­der­mann hat­te sie gern, sie war an je­der­manns Glück in­ter­es­siert, er­kann­te schnell die Vor­zü­ge ei­nes Men­schen, hielt sich selbst für das glück­lichs­te Ge­schöpf, das von den Wohl­ta­ten des Le­bens, wie ei­ner vor­treff­li­chen Mut­ter und vie­len gu­ten Nach­barn und Freun­den um­ge­ben war, sie be­saß ein Heim, in dem es an nichts fehl­te. Die Ein­fach­heit und Fröh­lich­keit ih­res Na­tu­rells lie­ßen sie je­der­mann an­ge­nehm er­schei­nen und wa­ren für sie eine Quel­le des Glücks. Sie konn­te auch über klei­ne Din­ge viel er­zäh­len, was für Mr. Wood­hou­se ge­nau das Rich­ti­ge war, und sie war stets voll tri­via­ler Ge­dan­ken und harm­lo­sen Klat­sches.

Mrs. God­dard war Lei­te­rin ei­ner Schu­le – nicht ei­nes Se­mi­nars oder ei­ner An­stalt oder sonst et­was, das in lan­gen Sät­zen ge­ho­be­nen Un­sinns be­haup­te­te, fort­schritt­li­che Er­run­gen­schaf­ten mit ele­gan­ter Tu­gend­haf­tig­keit, mit neu­en Grund­sät­zen und neu­en Sys­te­men zu ver­bin­den – wo jun­ge Da­men für hor­ren­de Sum­men aus der Ge­sund­heit in die Ei­tel­keit ge­drängt wer­den –; son­dern ei­nes rich­ti­gen, ehr­li­chen, alt­mo­di­schen In­ter­nats, wo ver­nünf­ti­ge Leis­tun­gen zu ei­nem eben­sol­chen Preis ge­bo­ten wer­den und wo­hin man Mäd­chen schickt, da­mit sie aus dem Wege sind und sich ein biss­chen Bil­dung zu­sam­men­krat­zen, ohne Ge­fahr zu lau­fen, als Wun­der­kin­der nach Hau­se zu­rück­zu­keh­ren. Mrs. God­dards Schu­le hat­te den bes­ten Ruf und ver­dien­te ihn auch; denn High­bu­ry galt als be­son­ders ge­sun­der Ort; sie be­saß ein weit­räu­mi­ges Haus mit Gar­ten, gab den Kin­dern reich­lich und nahr­haft zu es­sen, ließ sie im Som­mer viel her­um­lau­fen und be­han­del­te im Win­ter ei­gen­hän­dig ihre Frost­beu­len. Es war des­halb kein Wun­der, dass jetzt ein Ge­fol­ge von zwan­zig jun­gen Mäd­chen­paa­ren ihr zur Kir­che folg­te. Sie war eine schlich­te, müt­ter­li­che Frau, die in ih­rer Ju­gend hart ge­ar­bei­tet hat­te und die des­halb jetzt ein Recht dar­auf zu ha­ben glaub­te, sich bei ei­ner ge­le­gent­li­chen Tee­vi­si­te zu er­ho­len, und da sie von frü­her Mr. Wood­hou­ses Freund­lich­keit viel schul­de­te, fühl­te sie sich dazu ver­pflich­tet, ihr ge­pfleg­tes, rings­um mit fei­nen Hand­ar­bei­ten gar­nier­tes Wohn­zim­mer ver­las­sen zu müs­sen, um am Ka­min ei­ni­ge Six­pence-Stücke zu ge­win­nen oder zu ver­lie­ren.

Es wa­ren die­se Da­men, die Emma am leich­tes­ten zu­sam­men­brin­gen konn­te, und sie freu­te sich für ih­ren Va­ter, dass dies in ih­rer Macht stand, ob­wohl es für sie selbst kein Ge­gen­mit­tel für die Ab­we­sen­heit Mrs. We­stons war. Sie war ent­zückt, wenn ihr Va­ter zu­frie­den aus­sah, und freu­te sich, der­ar­ti­ges so gut ar­ran­gie­ren zu kön­nen, aber das lang­wei­li­ge Ge­schwätz die­ser drei Frau­en ließ sie emp­fin­den, je­der so ver­brach­te Abend sei ge­nau das, was sie voll Furcht vor­aus­ge­ahnt hat­te.

Als sie ei­nes Mor­gens wie­der ein­mal so da saß und vor­aus­sah, dass auch die­ser Tag ge­nau­so en­den wür­de, brach­te man ihr eine Nach­richt von Mrs. God­dard, die re­spekt­voll an­frag­te, ob man ihr ge­stat­ten wür­de, Miss Smith mit­zu­brin­gen; eine hoch­will­kom­me­ne An­fra­ge, denn Miss Smith war ein sieb­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen, das Emma vom Se­hen gut kann­te und für das sie schon lan­ge sei­ner Schön­heit we­gen In­ter­es­se emp­fand. Eine freund­li­che Ein­la­dung ging zu­rück und die schö­ne Her­rin des Hau­ses brauch­te vor dem Abend kei­ne Angst mehr zu ha­ben.

Har­riet Smith war die na­tür­li­che Toch­ter von ir­gend­je­mand. Ir­gend­je­mand hat­te sie vor ein paar Jah­ren in Mrs. God­dards Schu­le un­ter­ge­bracht und hat­te sie un­längst zum Rang ei­ner be­vor­zug­ten Schü­le­rin er­ho­ben, die bei der Schul­lei­te­rin wohnt. Das war al­les, was über ihre Ver­gan­gen­heit all­ge­mein be­kannt war. Sie hat­te of­fen­sicht­lich au­ßer de­nen, die sie in High­bu­ry ken­nen­ge­lernt hat­te, kei­ne Freun­de und war ge­ra­de von ei­nem lan­gen Be­such bei ei­ni­gen jun­gen Da­men auf dem Land zu­rück­ge­kehrt, die dort mit ihr zur Schu­le ge­gan­gen wa­ren.

Sie war ein sehr hüb­sches Mäd­chen und stell­te zu­fäl­lig den Schön­heits­typ dar, den Emma be­son­ders be­wun­der­te. Sie war klein, wohl­ge­run­det und hell­häu­tig, mit blü­hen­dem Teint, blau­en Au­gen, hel­lem Haar, re­gel­mä­ßi­gen Zü­gen und ei­nem Aus­druck großer Sanft­heit; und noch ehe der Abend zu Ende ging, war Emma von ih­rer Per­son und ih­rem Be­neh­men glei­cher­ma­ßen ent­zückt und fest ent­schlos­sen, die Be­kannt­schaft fort­zu­set­zen.

Ihr fiel zwar an Miss Smit­hs Un­ter­hal­tung nichts be­son­ders Klu­ges auf, aber sie fand sie im gan­zen sehr ge­win­nend, nicht un­kon­ven­tio­nell schüch­tern, nicht ab­ge­neigt zu plau­dern, und den­noch weit da­von ent­fernt, auf­dring­lich zu sein, sie zeig­te an­ge­mes­se­ne und schick­li­che Zu­rück­hal­tung, schi­en er­freut und dank­bar zu sein, dass man sie nach Hart­field ein­ge­la­den hat­te, und so na­tür­lich da­von be­ein­druckt, dass al­les einen viel schö­ne­ren Stil auf­wies, als sie ge­wöhnt war, sie schi­en ge­sun­den Men­schen­ver­stand zu be­sit­zen und Er­mu­ti­gung zu ver­die­nen. Die­se sanf­ten blau­en Au­gen und all die na­tür­li­che An­mut soll­ten nicht an die zweit­klas­si­ge Ge­sell­schaft von High­bu­ry und de­ren Be­kann­ten­kreis ver­schwen­det wer­den. Ihre bis­he­ri­gen Be­kannt­schaf­ten wa­ren ih­rer na­tür­lich un­wür­dig. Die Freun­de, die sie erst vor kur­z­em ver­las­sen hat­te, muss­ten ihr scha­den, ob­wohl sie be­stimmt sehr an­stän­di­ge Men­schen wa­ren. Es han­del­te sich um eine Fa­mi­lie na­mens Mar­tin, die Emma vom Hö­ren­sa­gen kann­te, sie hat­te von Mr. Knight­ley einen großen Hof ge­pach­tet und wohn­te im Pfarr­be­zirk von Don­well – wahr­schein­lich sehr acht­bar, da Mr. Knight­ley viel von ihr hielt; aber sie war si­cher­lich grob und un­ge­bil­det und als in­ti­me Freun­de ei­nes Mäd­chens völ­lig un­ge­eig­net, dem nur noch ei­ni­ge Kennt­nis­se und Ele­ganz fehl­ten, um voll­kom­men zu sein. Sie wür­de sie über­wa­chen; sie ver­edeln, sie von ih­ren un­pas­sen­den Be­kannt­schaf­ten ab­son­dern und sie in die gute Ge­sell­schaft ein­füh­ren, auch ihre Mei­nung und ihre Ma­nie­ren bil­den. Es wäre ein in­ter­essan­tes und be­stimmt gut­ge­mein­tes Un­ter­fan­gen, das ih­rer ei­ge­nen Le­bens­si­tua­ti­on, ih­rer Muße und ih­ren Kräf­ten wohl an­ste­hen wür­de.

Sie war so ein­ge­hend da­mit be­schäf­tigt, die­se sanf­ten blau­en Au­gen zu be­wun­dern, zu plau­dern und zu­zu­hö­ren und ne­ben­bei Plä­ne zu schmie­den, dass der Abend un­ge­wöhn­lich schnell ver­ging und das Sup­per, das stets sol­che Ein­la­dun­gen ab­schloss und vor dem sie meist nur her­umsaß und die rich­ti­ge Zeit ab­war­te­te, war fer­tig und in der Nähe des Feu­ers an­ge­rich­tet, ehe sie es be­merk­te. Mit ei­ner grö­ße­ren Be­reit­wil­lig­keit und grö­ße­rem Ei­fer als sonst, den­noch dank­bar für die Aner­ken­nung, al­les rich­tig zu ma­chen, mit ei­nem gu­ten Wil­len und viel Freu­de über die ei­ge­nen Ide­en tat sie al­les, was dem Mahl zur Ehre ge­reich­te, half bei der Be­die­nung und emp­fahl mit Nach­druck die über­ba­cke­nen Aus­tern, weil sie wuss­te, sie wür­de dem frü­hen Zu­bett­ge­hen und den höf­li­chen Skru­peln ih­rer Gäs­te da­mit ent­ge­gen­kom­men.

Bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten kämpf­ten in Mr. Wood­hou­se die wi­der­sprüch­lichs­ten Ge­füh­le mit­ein­an­der. Er hat­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­