Ingeborg Gleichauf

Denken aus Leidenschaft

Acht Philosophinnen und ihr Leben

Mit Porträts von Peter Schössow

Neuausgabe 2009
© Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

eBook ISBN 978-3-423-40414-3 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-62381-0

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website
www.dtv.de

Inhaltsübersicht

Einleitung

»Nimm die Spitzhacke deines Verstandes« Christine de Pizan (1365–1430)

»Warum ward ich kein Mann!« Karoline von Günderrode (1780–1806)

»Dass ich es lernen muss, in die Tiefe zu gehen« Edith Stein (1891–1942)

»Menschen, die nicht denken, sind wie Schlafwandler« Hannah Arendt (1906–1975)

»Man kommt nicht als Frau zur Welt« Simone de Beauvoir (1908–1986)

»Die Wahrheit ist zu gefährlich zum Anfassen« Simone Weil (1909–1943)

»Was für ein Leben wollen wir führen?« Martha C. Nussbaum (geb. 1947)

»Ich bin eine unruhige Philosophin« Petra Gehring (geb. 1961)

Nachwort

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

 

Für Jonas

Einleitung

Niemand würde heute noch behaupten, dass die Philosophie eine reine Männerdomäne wäre. Philosophinnen wie die beiden in diesem Band porträtierten Denkerinnen Petra Gehring und Martha C. Nussbaum sind heute international anerkannt, sie lehren und forschen an Universitäten, publizieren, halten Vorträge und äußern sich zu brisanten Themen aus Politik und Gesellschaft. Nicht nur das Philosophieren als Tätigkeit verändert sich ständig, auch der Blick auf diejenigen, die diese Tätigkeit als Beruf ausüben, ist dem Wandel der Zeit unterworfen. Heute sind Philosophinnen und Philosophen gefragt als Ratgeber in verschiedenen Gremien, in Betrieben und Institutionen.

In früheren Jahrhunderten war das ganz anders: Die Philosophie spielte in keinem Bereich des gesellschaftlichen und politischen Lebens eine besondere, geschweige denn eine beratende Rolle. Außerdem war die Übermacht der philosophierenden Männer eine Selbstverständlichkeit, Frauen hatten auf dem Feld der Philosophie nichts zu suchen, wagten sie es trotzdem, betraten sie vermintes Gelände, wurden belächelt, diskriminiert und in einigen Fällen sogar verfolgt und bedroht.

Alle für diesen Band ausgewählten Philosophinnen verbindet die enge Zusammengehörigkeit von Denken und Leben. Unterschiedlich sind ihre Denkmethoden. Die Vielfalt ihrer Schwerpunktsetzungen ist beeindruckend. Dabei sind sie alle starke Persönlichkeiten mit spannenden Lebensläufen.

Die spätmittelalterliche Philosophin Christine de Pizan schaffte es, unter persönlich und politisch widrigsten Umständen ein beachtliches Werk hervorzubringen. In ihrer Stadt der Frauen wagte sie einen utopischen Gesellschaftsentwurf, der in seiner Klarheit, der Mischung aus streng logischem Aufbau und poetischer Sprache, seinesgleichen sucht.

Ebenso schwer hatte es die Romantikerin Karoline von Günderrode, deren Arbeit ein fortwährender Kampf gegen die Kleinkariertheit vor allem ihrer männlichen Zeitgenossen war. In ihrer Philosophie und in ihrem literarischen Werk entwarf sie ein ideales Bild vom Menschen und der Welt. Sie wollte und konnte keinen Unterschied machen zwischen Schreiben und Leben und zerbrach an ihrem eigenen Anspruch.

Im 20. Jahrhundert änderte sich die Situation philosophierender Frauen allmählich. Trotzdem waren die Steine, die man ihnen in den Weg legte, noch längst nicht alle beseitigt. Das musste vor allem Edith Stein schmerzlich erfahren. Ihr Wunsch, sich zu habilitieren und danach als Professorin an der Universität zu arbeiten, scheiterte daran, dass eine Hochschullaufbahn für Frauen noch nicht möglich war und Husserl außerdem eine Habilitation als für »Damen nicht schicklich« ansah.

Auf eine sehr extreme Weise hat Simone Weil Leben und Denken verbunden. Um wirklich zu verstehen, was in Fabrikarbeitern vor sich geht, hat sie selbst bis zur Erschöpfung in einer Fabrik gearbeitet. Was sie dort erlebte, prägte ihren Denkweg entscheidend.

Einen ganz anderen Weg ist Hannah Arendt gegangen. Ihr bedeutete Denken vor allem auch Abstand, Rückzug aus der Welt des Handelns. Mit ihrem Buch Eichmann in Jerusalem hat sie der Diskussion über den Charakter des sogenannten Bösen eine entscheidende Dimension eröffnet.

Eine der wichtigsten philosophischen Richtungen des 20. Jahrhunderts war der Existenzialismus. Die französische Existenzialistin Simone de Beauvoir ist vor allem durch ihr bahnbrechendes Werk Das andere Geschlecht berühmt geworden.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und das beginnende 21. Jahrhundert sind geprägt durch verschiedene Strömungen innerhalb der Philosophie. Dabei steht die Praktische Philosophie, die Ethik, die vor allem in den Vereinigten Staaten vorherrscht, besonders im Blickpunkt. Mit Sicherheit gehört die Moralphilosophin Martha C. Nussbaum zu den philosophischen Stimmen der US-amerikanischen Gegenwartsphilosophie, die weit über ihr eigenes Land hinaus Gehör finden.

Ganz anders und nicht minder spannend sind die Denkansätze der Darmstädter Philosophin Petra Gehring. Ihre denkerische Neugierde gilt Begriffen, Texten, wissenschaftlichen Problemen und Alltagsphänomenen. Sie macht deutlich, wie weit der Horizont dieses wunderbaren Fachs sein kann, und macht den heute lebenden philosophierenden Menschen Mut, sich den Gegenwartsfragen mit kritischem Geist zu stellen. Als denkende Frau hat sie sich den Platz erobert, der den Philosophinnen immer schon gebührt hätte.