Eshkol Nevo

Wir haben noch das ganze Leben

Aus dem Hebräischen von Markus Lemke

 

 

 

 

2012 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG
© 2010 für die deutschsprachige Ausgabe:
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

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Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
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eBook ISBN 978 - 3 - 423 - 40898 - 1 (epub)
ISBN der gedruckten Ausgabe 978 - 3 - 423 - 14067 - 6

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Inhaltsübersicht

Wen immer es betreffen mag

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Nachwort des Lektors

Wen immer es betreffen mag

Erklärung

Mit Datum vom 1. 6. 2002 wurde ich durch die Familie von Herrn Juval Fried ersucht, dessen Habseligkeiten auf dem Polizeirevier Dizengoff-Straße in Tel Aviv in Empfang zu nehmen. Unter den Gegenständen, die mir durch Frau Esther Lu’el, die für das Magazin verantwortliche Beamtin, ausgehändigt wurden, befand sich auch eine Plastiktüte mit einem größeren Stoß Blätter. Herr Fried hatte weder mich noch seine anderen Freunde davon in Kenntnis gesetzt, dass er sich einer schriftstellerischen Tätigkeit zugewandt hatte, weshalb meine erste Vermutung in Bezug auf besagten Blätterstoß lautete, es handele sich dabei um eine der Übersetzungsarbeiten, die er gegen Bezahlung für Studenten der Geistes- und Sozialwissenschaften anzufertigen pflegte. Auf der Tüte fanden sich jedoch weder ein Name noch eine Telefonnummer vermerkt, und entgegen der üblichen Gepflogenheit tauchte auf dem Deckblatt auch nicht der englische Titel des Fachaufsatzes auf. All dies möchte ich explizit vermerkt wissen, um klarzumachen, weshalb ich es für richtig erachtete, einige Stunden später den Stoß Blätter einer kurzen Begutachtung zu unterziehen. Nicht Voyeurismus war es mithin, der mich leitete, sondern der aufrichtige Wunsch, herauszufinden, für wen das mir anvertraute Paket bestimmt war und wie ich damit zu verfahren hatte.

Eine kursorische erste Durchsicht, die ich mir gestattete, setzte mich ins Bild, dass tatsächlich nicht von einem übersetzten Fachaufsatz die Rede war, sondern von einem Text aus der Feder Herrn Frieds. Eine nachfolgende gründlichere Lektüre offenbarte mir, dass es sich hierbei offenbar um das Manuskript eines Buches mit dem Titel Wir haben noch das ganze Leben handelte, an dem Herr Fried im Verlauf des zurückliegenden Jahres gearbeitet hatte und dessen Helden Herr Fried selber und drei seiner Freunde sind. Ein klärendes Telefonat, das ich mit dem Vater von Herrn Fried führte, ergab, dass sein Sohn tatsächlich die Absicht gehegt habe, dieses Manuskript in Buchform herauszubringen, und es in dieser Hinsicht sogar bereits zu einer Übereinkunft zwischen ihm und dem Druckhaus »Die Lerche« in Haifa gekommen sei, das sich im Besitz der Familie befindet. Nach den Worten des Vaters sei das Einzige, was noch zwischen dem Manuskript und seiner Drucklegung gestanden habe, die Frage des Lektorats gewesen, eine Aufgabe, die sein Sohn seines Wissens beabsichtigt habe, mir, dem Unterzeichneten, anzutragen.

Um jeglichem Zweifel zuvorzukommen: Ich bin nicht im Mindesten sicher, ob die Vermutung des Vaters zutreffend ist, Herrn Fried sei tatsächlich daran gelegen gewesen, dass ich sein Buch sprachlich überarbeitete. Denn je mehr ich von dem Manuskript las, desto größer wurde mein Erstaunen: Warum sollte Herr Fried es für angebracht gehalten haben, ausgerechnet einen der Helden seines Buches, der sich darin in äußerst unvorteilhaftem Licht dargestellt findet, zu bitten, eine solche Überarbeitung für ihn vorzunehmen? Da jedoch Herr Fried selbst den Tatbestand naturgemäß nicht mehr bestätigen noch dementieren kann und ich als sein Freund der Vollendung des Buches bis zu dem von ihm gesetzten Datum große Bedeutung beimesse, habe ich schweren Herzens diese Aufgabe auf mich genommen.

Die Versuchung, sprachlich korrigierend in das Manuskript einzugreifen, war übergroß. Der Unterzeichnetewird darin, wie bereits erwähnt, in verunglimpfender Weise dargestellt. So werden mir ehrenrührige und peinliche Äußerungen angelastet, die ich niemals getätigt habe. Am schlimmsten aber: Das Buch steckt voller faktischer Ungenauigkeiten, die in jeder anderen Situation, meiner juristischen Erfahrung nach, hinreichend Grund für eine Verleumdungsklage abgeben würden. Dennoch habe ich letztendlich entschieden, mir Zurückhaltung aufzuerlegen und so wenig Korrekturen und Veränderungen wie möglich vorzunehmen, und dies aus zwei Gründen: Erstens vermittelt der Text als Ganzes, ungeachtet der Vielzahl von Ungenauigkeiten und aller »schriftstellerischen Freiheit«, die sich Herr Fried großzügig herausgenommen hat, ein Gefühl von Authentizität, weshalb ich die Befürchtung hatte, jede von mir vorgenommene Änderung könne dieses Gefühl beeinträchtigen. Zweitens wäre ein »Lifting« des Textes, ohne dass Herr Fried die Möglichkeit hätte, darauf zu reagieren oder die Änderungen gutzuheißen, in meinen Augen wie ein Verrat an ihm und seinem Vertrauen gewesen, und da ich mich im Verlaufe unserer Freundschaft bereits einmal eines solchen Verrates schuldig gemacht hatte, wollte ich mich nicht weiter versündigen.

Ungeachtet dieser Vorbemerkungen konnte ich nicht umhin, einige Änderungen vorzunehmen, die sich aus der mir übertragenen Aufgabe der sprachlichen Überarbeitung zwingend ergaben. Doch waren dies fast ausschließlich Änderungen kosmetischer Natur: das Ersetzen eines Kommas durch einen Punkt, eines Punktes durch einen Doppelpunkt oder eines Satzes mit englischsprachigem syntaktischem Aufbau durch einen von hebräischsprachigem Aufbau. Lediglich an einer Stelle im Verlauf des gesamten Textes habe ich mir erlaubt, eine faktische Korrektur vorzunehmen: Auf Seite 4 des Originalmanuskripts heißt es, im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1994 hätten Deutschland und Brasilien gegeneinander gespielt, während tatsächlich Italienund Brasilien dieses bestritten hatten. Aufgrund meiner langjährigen Bekanntschaft mit Herrn Fried habe ich keinen Zweifel daran, dass es sich hierbei um einen reinen Flüchtigkeitsfehler handelt und der Verfasser kein Interesse daran gehabt hätte, diesen unbeanstandet zu belassen.

Abgesehen von dieser einen Korrektur sowie drei marginalen Anmerkungen und einem kurzen Nachwort, das am Ende des Buches anzufügen ich für richtig erachtet habe, ist alles Übrige, was in diesem Buch geschrieben steht, der Feder von Herrn Fried, meinem geliebten Freund, entsprungen und unterliegt allein seiner Verantwortung.

 

Der Unterzeichnete

Rechtsanwalt Joav Alimi

(Churchill)