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ISBN: 978-3-8438-0243-7
 
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Vorwort

Der vorliegende Band ist als Fortsetzung zu dem 2007 erschienenen ersten Band angelegt und bildet gleichzeitig auch dessen Abschluss. Während in dem von Martha Schad verfassten ersten Band berühmte Frauen von der Antike bis zum 17. Jahrhundert vorgestellt wurden, wird in dem zweiten Band die Reihe mit Porträts vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart fortgesetzt.

Die in diesem Buch zusammengeführten Kurzporträts präsentieren die Biographien von 51 international bekannten und interessanten Frauen. Der Bogen spannt sich von Monarchinnen und Premierministerinnen, über Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen, Frauenrechtlerinnen und Sportlerinnen bis zu Spioninnen, Attentäterinnen und Hexen. Die getroffene Auswahl muss dabei immer subjektiv bleiben, da es eine Vielzahl anderer Frauen gibt, die mit dem gleichen Recht in diesen Band hätten aufgenommen werden können, da sie ebenfalls ein faszinierendes Leben führten und herausragende Leistungen vollbrachten. Hauptkriterium für die Auswahl war der Wunsch, eine möglichst große Bandbreite zu erreichen und so Frauen aus den unterschiedlichsten Berufen und Lebensbereichen vorstellen zu können.

Barbara Beck, August 2008

Anna Göldi

* 1734 in Sennwald
† 1782 in Glarus

Dienstmagd und »Hexe«

»Gleichwohl, um das Gelächter zu vermeiden, beschloss man, sie nicht unter dem Titel der Hexe, sondern unter einem andern (…) aus der Welt zu schaffen.«

(Wilhelm Ludwig Wekhrlin)

Hexenverfolgungen und Hexenprozesse fanden in Mitteleuropa vom 14. bis zum 18. Jahrhundert statt. Geahndet wurde dabei schadenstiftende und teuflische Zauberei. Alle nicht erklärbaren Ereignisse und alles auf natürlichem Weg nicht begründbare Unglück wurden dem Wirken von Hexen und Unholden zugeschrieben. Der Hexenwahn, dem in Europa etwa 40.000 bis 60.000 Menschen zum Opfer fielen, fand erst im Zuge der Aufklärung ein Ende. Vor allem Frauen waren dabei bevorzugte Opfer der Hexenverfolgungen – sie bildeten etwa achtzig Prozent der Verurteilten. In der Mehrzahl entstammten die Verfolgten den sozialen Unterschichten.

Die am 24. Oktober 1734 in Sennwald geborene Anna ­Göldi entstammte ärmlichen Verhältnissen. Ihre Eltern waren der Messmer und Scherenschleifer Adrian Göldi und Rosina Bühler. Seit ihrer frühen Jugend musste das Mädchen selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen, indem es als Dienstmagd arbeitete. Bevor sie nach Glarus kam, wurde Anna Göldi zwei Mal ­Mutter von unehelichen Kindern. Da ihr erstes heimlich geborenes Kind 1765 bereits in der ersten Nacht starb, wurde sie wegen Kindsmordes mit Prangerstehen und Hausarrest bestraft. Über das Schicksal des 1775 in Straßburg geborenen Sohnes, der aus einer anderen Liebesbeziehung stammte, ist nichts bekannt.

Im September 1780 trat sie ihren Dienst bei dem Arzt, Ratsherrn, Richter und Regierungsrat Dr. Johann Jakob Tschudi in Glarus an. Die Familie Tschudi gehörte zu den reichsten und einflussreichsten Herrschaftsgeschlechtern im protestantischen Kanton Glarus. Nach einem Streit mit der verwöhnten acht­jährigen Tochter Anna Maria Tschudi, genannt Annamig­geli, fanden sich im Oktober 1781 mehrmals Stecknadeln in der Milchtasse des Kindes. Man beschuldigte die Magd, die Nadeln hineingelegt zu haben, und entließ Anna Göldi trotz ihrer Unschuldsbeteuerungen. Auf die Beschwerde der Magd reagierte die Obrigkeit ungehalten. Als das kleine Mädchen Wochen nach der Entlassung mehrfach Nadeln und Nägel auszuspucken begann und unter heftigen krampfartigen Zuckungen litt, kam rasch der Verdacht auf, dass Anna Göldi das Kind »verderbt« habe. Aus den Erzählungen des Annamiggeli schloss man, dass die Nadeln und Drahtstücke durch ein von der Magd ver­abreichtes »Leckerlein« in den Körper des Mädchens gelangt seien.

Als treibende Kraft hinter Göldis Verhaftung und dem folgenden Prozess entpuppte sich ihr Dienstherr Dr. Tschudi. Offensichtlich war er besorgt, dass ihm ein Verhältnis mit seiner Dienstmagd zur Last gelegt werden könnte. Da überführte Ehebrecher als unfähig galten, ein politisches und richterliches Amt zu bekleiden, lag es nahe, dass Johann Jakob Tschudi die Göldi mundtot machen wollte.

In dem Steckbrief des Kantons Glarus vom 9. Februar 1782 wurde Anna Göldi, die inzwischen außer Landes lebte, folgendermaßen beschrieben: »Anna Göldin (…), ohngefähr 40. Jahr alt, dicker und grosser Leibsstatur, vollkommnen und rothlechten Angesichts, schwarzer Haaren und Augbraunen, hat graue etwas ungesunde Augen, welche meistens rothlecht aussehen, ihr Anschauen ist niedergeschlagen, und redet ihre Sennwälder Aussprach, tragt eine modenfarbne Jüppen, eine blaue und eine gestrichelte Schos, darunter eine blaue Schlingen- oder Schnäbeli-Gestalt, ein Damastenen grauen Tschopen, weis castorin Strümpf, ein schwarze Kappen, darunter ein weisses Häubli, und tragt ein schwarzes Seidenbettli.«

Noch im Februar 1782 wurde Anna Göldi in Degersheim verhaftet und nach Glarus überführt. Auf Betreiben Dr. Tschudis wurde der Fall vor dem Evangelischen Rat, nicht vor dem Gemeinen Rat verhandelt, der für landesfremde Personen zuständig war. Über Leben und Tod der Angeklagten entschied somit ein Gericht, das dafür gar nicht zuständig war. Zu den Räten im Evangelischen Rat besaß Dr. Tschudi beste Kontakte und Verwandtschaftsbeziehungen.

Da ein Teufelsbanner die Meinung vertreten hatte, nur die Verderberin des Kindes könne dieses wieder heilen, wurde so lange Druck auf die Inhaftierte ausgeübt, bis diese sich dazu bereiterklärte. Zunächst hatte Anna Göldi dies mit den Worten abgelehnt: »Wie soll ich dem Kinde helfen, da ich ihm doch gar nichts zu Leide getan habe.« Als die Wunderheilung gelang, wurde dies als ein Beweis angesehen, dass die Magd mit mehr als natürlichen Kräften begabt war. Sie hatte damit unwillentlich den vollen Schuldbeweis geliefert.

In dem Prozess gab die Dienstmagd nach stundenlangen Verhören und unter der schweren Folter zu, die Kräfte des Teufels zu nutzen. In der Urteilssprechung wurde aber der Vorwurf der Hexerei vermieden, stattdessen die »ausserordentliche und unbegreifliche Kunstkraft« der Angeklagten hervorgehoben. Bei der Frage, ob man Anna Göldi zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe oder zum Tod verurteilen solle, entschied sich der Rat für Letzteres, da Glarus kein Zuchthaus besaß. Eine Zuchthausstrafe hätte nur in Zürich vollzogen werden können. Da die Glarner Richter befürchteten, dass die Göldi in Zürich alles widerrufen könnte, verurteilte sie der Rat am 6. Juni 1782 als Giftmörderin zum Tod durch das Schwert. Am 13. Juni wurde das Urteil vollstreckt und Anna Göldis Leichnam unter dem Galgen verscharrt.

Anna Göldi war jedoch, wie dies bei solchen Prozessen häufig geschah, nicht das einzige Opfer geblieben, denn durch die Erzählungen der Tschudi-Tochter wurde auch der mit Anna Göldi bekannte Schlossermeister Rudolf Steinmüller der Mittäterschaft verdächtigt und Ende März 1782 verhaftet. Als der alte Mann erkennen musste, dass das Gericht nicht an der Wahrheit interessiert war, sondern nur sein Geständnis haben wollte, beging er am 12. Mai 1782 in seiner Zelle Selbstmord.

Trotz strenger Pressezensur sorgte der Göldi-Fall für Aufsehen und wurde zum Ärger des Glarner Rates als Justizmord gegeißelt. Der Begriff des Justizmordes wurde in diesem Zusammenhang überhaupt erstmals in der Geschichte verwendet. Dank der kritischen Berichterstattung wurde der Glarner Hexenprozess der letzte seiner Art in Westeuropa.

Anlässlich des 225. Todestages von Anna Göldi wurde im März 2007 die Anna-Göldi-Stiftung gegründet. Gemäß ihren Statuten will die Stiftung nicht nur das Andenken an Anna Göldi lebendig erhalten, sondern sich auch aktuell »für Randständige, Minderheiten und Opfer von Willkür einsetzen«. Am 22. September 2007 wurde in Mollis das Anna-Göldi-Museum eingeweiht.

Marie-Jeanne Bécu, Gräfin Dubarry

* 1743 in Vaucouleurs
1793 in Paris

Mätresse

»Sie ist die einzige Frau in Frankreich, die es geschafft hat, mich vergessen zu lassen, dass ich sechzig bin.«

(Ludwig XV. von Frankreich)

Im Gegensatz zu dem Königspaar Ludwig XVI. und Marie Antoinette sowie vieler anderer zum Tode verurteilter Mitglieder der französischen Aristokratie verlief die Hinrichtung der Gräfin Marie-Jeanne Dubarry am 8. Dezember 1793 in Paris beschämend würdelos. Die völlig verängstigte Gräfin weinte und schrie auf der ganzen Fahrt zur Guillotine. Als sie zum Schafott gebracht wurde, wühlte ihr Jammern und Flehen die versammelte Menschenmenge so auf, dass Unruhe aufkam. Das Publikum hatte sonst meist eher gefasste, stoisch in ihr Schicksal ergebene Verurteilte erlebt. Aus Sorge vor Tumulten beschleunigte der Henker daher die Hinrichtung der Dubarry. Mit ihr wurde die letzte »maîtresse en titre« am französischen Königshof geköpft.

Die am 19. August 1743 in Vaucouleurs geborene Marie-Jeanne Bécu entstammte einfachen Verhältnissen: Sie war die uneheliche Tochter der Näherin Anne Bécu und eines Geistlichen, über dessen Person nur wenig bekannt ist. 1749 zog sie mit ihrer Mutter zu Verwandten nach Paris, wo ihr eine Erziehung im Kloster von Saint-Aure ermöglicht wurde. Danach machte sie eine Schneiderlehre in einem Pariser Modegeschäft. Dort fiel die blonde Schönheit dem Grafen Jean Dubarry auf, dem größten Zuhälter von Paris. Für einige Zeit wurde Jeanne Bécu seine Geliebte. Eine der frühesten Beschreibungen der Kurtisane liefert der Graf Espinchal: »Sie ist hochgewachsen, von schönster Bildung und hat den bezauberndsten, hellsten Teint. Ihre Stirn ist hoch, ihre Augen strahlen, sie hat köstliche Wimpern und Brauen, ihr Gesicht ist oval und weist Grübchen in den Wangen auf, wodurch ihre Schönheit nur erhöht wird, ihr Mund scheint ständig zu lächeln und ihr Busen ist so herrlich, dass jede andere Frau gut daran tut, den Vergleich damit zu scheuen.« Ob sie sich auch als Prostituierte verdingte, wie ihr dies die späteren Gegner am Versailler Hof unterstellten, ist heute nicht mehr eindeutig zu klären. Dem Grafen Dubarry und dem Herzog von Richelieu erschien Jeanne Bécu jedenfalls bestens als Mätresse für König Ludwig XV. von Frankreich geeignet. Der Graf versprach sich davon vor allem finanziellen Profit, während sich der Herzog eine Stärkung seiner Position am königlichen Hof erhoffte.

Der alternde König Ludwig XV. war von Jeanne Bécus Charme und Schönheit entzückt und verliebte sich Hals über Kopf in sie. Die Beziehung zwischen dem Monarchen und der jungen Frau von niederer Herkunft und zweifelhaftem Ruf begann im Sommer 1768. Sie verstand es, den König zu unterhalten und ihm so seine ständige Langeweile zu vertreiben. Der Herzog von Croy schrieb über Ludwig XV.: »Er ist verliebter denn je. Er scheint verjüngt, und ich habe ihn nie froheren Mutes erlebt, so hochgestimmt und viel mehr aus sich herausgehend, als er es jemals getan hat.« Um Jeanne Bécu hoffähig zu machen, verheiratete Graf Dubarry sie mit seinem Bruder Guillaume. Am 22. April 1769 wurde sie am Versailler Hof offiziell als neue königliche Geliebte eingeführt. Sie erhielt ein eigenes Appartement, das mit den Räumen des Königs in direkter Verbindung stand. Außerdem schenkte Ludwig XV. seiner Mätresse die in der Nähe von Versailles liegende Herrschaft Louveciennes. Madame Dubarry beauftragte die besten Künstler mit der Ausgestaltung des dortigen Schlosses. Neben großzügigen finanziellen Zuwendungen überschüttete der König seine Geliebte mit Juwelen. Vermutlich besaß Jeanne Dubarry die größte Juwelensammlung Europas. Gegen den Widerstand des Hofes nahm sie 1770 an der Seite des Königs an den Hochzeitsfeierlichkeiten des Dauphins Ludwig und der österreichischen Erzherzogin Marie Antoinette teil.

In der jungen Dauphine Marie Antoinette fanden jene Kreise der höfischen Gesellschaft eine Leitfigur, die der Geliebten des Königs feindlich gesinnt waren. Marie Antoinette strafte die Mätresse mit öffentlicher Nichtachtung und sprach kein Wort mit dieser. Kaiserin Maria Theresia sah sich wegen der unklugen Behandlung der königlichen Favoritin durch ihre Tochter bemüßigt, an Marie Antoinette zu schreiben: »Ihr habt die Dubarry nicht anders zu kennen und anzusehen, als eine am Hofe und zur Gesellschaft des Königs zugelassene Dame. (…) aber ein gleichgültiges Wort, einen freundlichen Blick kann man von Euch erwarten, nicht der Dame wegen, sondern mit Rücksicht auf Euren Großvater [Ludwig XV.].« Die Dauphine musste einlenken und richtete bei dem Neujahrsempfang 1772 in der Spiegelgalerie folgende Worte in Richtung von Madame Dubarry: »Heute sind viele Menschen in Versailles.«

Im Gegensatz zu ihrer berühmten Vorgängerin Madame Pompadour, die eine Schlüsselposition in der französischen Politik, Kunst, Kultur und Gesellschaft in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingenommen hatte, blieb Madame Dubarrys Einfluss mehr oder weniger auf persönliche Intrigen beschränkt. Allerdings nutzte sie ihre Position, um Bittgesuche, Begnadigungen und Denkschriften an den König weiterzuleiten. Der Empfang derartiger Bittsteller und das Entgegennehmen von Ansuchen war fest in ihren Tagesablauf integriert.

Als der an Pocken erkrankte Ludwig XV. im Mai 1774 im Sterben lag, verfügte er, dass die Gräfin Dubarry nach seinem Tod in das Benediktinerinnenkloster Pont-aux-Dames verbannt werden sollte. Hinter dieser Entscheidung stand wahrscheinlich sein Beichtvater und die Sorge des Königs um sein Seelenheil. Sein Nachfolger Ludwig XVI. kam dieser Anordnung nach. Mehr als ein Jahr musste die Dubarry in dem Kloster bleiben, bevor sie 1775 wieder in ihr Schloss Louveciennes zurückkehren durfte. Allerdings bestand die Auflage, dass sie weder in Versailles noch in den anderen königlichen Schlössern erscheinen durfte. Seitdem führte die Gräfin ein zurückgezogenes Leben und nahm sich der Armen an. Die Öffentlichkeit interessierte sich nicht mehr für die Dubarry.

Als die Französische Revolution ausbrach, wurde auch das Schloss der Gräfin ausgeraubt. Vor allem wurde ihr gesamter Schmuck gestohlen, nach dem sie unklugerweise öffentlich fahnden ließ, wodurch man sich wieder ihrer Person erinnerte. Durch Reisen nach England machte sie sich zusätzlich verdächtig. Obwohl sie in England von der Hinrichtung Ludwigs XVI. im Januar 1793 erfuhr, kehrte sie nach Paris zurück, da sie die Situation für sich selbst als ungefährlich einschätzte. Im September 1793 wurde sie jedoch verhaftet und von dem Revolutions­tribunal wegen Unterstützung der Konterrevolution, Kontakten zu emigrierten Royalisten sowie wegen Verschwendung öffentlichen Eigentums in ihrer Zeit als Mätresse angeklagt. Als sie am 7. Dezember 1793 zum Tode verurteilt wurde, verriet die Gräfin, um ihr eigenes Leben zu retten, die Namen anderer Personen, die daraufhin auch verhaftet und zum Tode verurteilt wurden. Dieser Verrat nutzte ihr jedoch nichts, denn bereits einen Tag später wurde sie auf der Guillotine hingerichtet.

Caroline Herschel

* 1750 in Hannover
1848 in Hannover

Astronomin

»Ich hatte immer zuviel zu lernen, um etwas ganz zu lernen.«

(Caroline Herschel)

»Mein Vater war ein großer Bewunderer der Astronomie und besaß einige Kenntnisse in der Wissenschaft. Ich erinnere mich, daß er mich in einer kalten Nacht auf die Straße führte, um mich mit einigen unserer schönsten Sternbilder bekannt zu machen, nachdem wir vorher einen Kometen, der eben sichtbar war, beobachtet hatten.« Dass aus Caroline Herschel einst eine bedeutende Astronomin werden würde, konnte ihr Vater nicht ahnen.

Caroline Lucretia Herschel kam am 16. März 1750 als Tochter des Militärmusikers Isaac Herschel und seiner Ehefrau Anna Ilse Moritzen in Hannover zur Welt. Der Vater bemühte sich darum, seinen Kindern eine musikalische Grundausbildung zu vermitteln. Zusammen mit ihren Brüdern besuchte Caroline Herschel bis zu ihrem 14. Lebensjahr die Garnisonsschule, wo sie Lesen und Schreiben lernte. Wenig Freude bereitete dem intelligenten Mädchen, dass sie mehrere Stunden am Tag mit Stricken, Sticken und Haushaltstätigkeiten verbringen musste. Ihre eher engstirnig veranlagte Mutter vertrat die Auffassung, dass sie »ein roher Klotz sein und bleiben sollte, allerdings aber ein nützlicher.« Später beklagte sie in ihren Memoiren, dass sie in ihrem Wunsch, sich »in irgendeinem Zweige des Wissens so weit auszubilden, um dadurch eine ehrenhafte und achtbare Existenz zu gewinnen, immer und überall behindert und gestört worden« sei. Die Überlegungen des Vaters, sie zur Konzertsängerin auszubilden, sagten ihr dagegen zu. Der Tod Isaac Herschels im März 1767 war daher ein großer Verlust für sie, da ihr nun nicht nur seine aufmunternden Worte fehlten, sondern damit auch jede Hoffnung auf eine bessere Erziehung schwand. Auf eigenen Wunsch durfte sie immerhin eine Putzmacherschule besuchen.

Als ihr zwölf Jahre älterer Lieblingsbruder Friedrich Wilhelm Herschel, der als Organist, Konzertleiter und Komponist im eleganten britischen Badeort Bath tätig war, sie aufforderte, zu ihm nach England zu kommen, ergriff sie nur zu gerne die Gelegenheit, sich der häuslichen Enge zu entziehen. Ihr Bruder brauchte sie zwar auch als Haushälterin, aber er bot ihr zugleich die Möglichkeit, sich musikalisch weiterzubilden und als Solistin in seinen Konzerten aufzutreten. Im August 1772 übersiedelte Caroline Herschel nach England, dessen Landessprache sie allerdings erst erlernen musste. Schon bald stieg sie zur ersten Sängerin bei den von ihrem Bruder geleiteten Oratorien auf und übernahm Leitungsfunktionen im Chor: »Dass meine Stimme keine schlechte war, schließe ich daraus, daß der Eigentümer des Theaters in Bath mir sagte, sie würde eine Zierde der Bühne sein.« Das Angebot eines Engagements beim Birmingham Festival lehnte sie aber ab, da sie nur unter der Leitung ihres Bruders auftreten wollte.

Neben der musikalischen Begabung teilte sie mit ihrem Bruder Wilhelm Herschel die Passion für die Astronomie. Sie half ihm beim Anfertigen von Spiegelteleskopen. Vor allem übernahm sie die Aufgabe, die Spiegel zu polieren und zu schleifen, was eine absolute Genauigkeit erforderte. Daneben beschäftigte sie sich auch mit astronomischer Theorie.

Am 13. März 1781 entdeckte ihr Bruder den Planeten Uranus, was ihn über Großbritannien hinaus bekannt machte. Er erhielt eine Stelle als eine Art königlicher Privatastronom in Windsor. Caroline Herschel musste sich entscheiden, ob sie ihre Karriere als Sängerin in Bath vorsetzen oder für ihren Bruder als wissenschaftliche Assistentin tätig sein wollte. Sie entschied sich für Letzteres. Bei ihrem Entschluss spielte sicher auch die Überlegung eine Rolle, dass es für eine allein stehende Frau damals äußerst schwierig war, in der englischen Gesellschaft zu bestehen: »Ich besaß nicht Muth genug, vor das Publikum zu treten, wenn ich seinen Schutz entbehrte.« Zunächst bezog sie mit ihrem Bruder ein Haus in Datchet, danach lebten die Geschwister in Slough. Als astronomische Assistentin blieb sie mit ihrem Bruder nächtelang auf Beobachtungsposten, notierte Sternpositionen, wertete die nächtlichen Aufzeichnungen aus und rechnete sie nach. Sie begann, auch selbst den Sternenhimmel zu erforschen. Sie entdeckte vierzehn bemerkenswerte Nebel und zwischen 1786 und 1797 acht Kometen, darunter den Enckeschen Kometen. Sie überarbeitete den Sternenkatalog des britischen Astronomen John Flamsteed, dem Begründer des Royal Greenwich Observatory. Sie nahm neue Sterne auf, korrigierte Fehler und legte ein Gesamtregister an. 1787 erhielt sie als Anerkennung für ihre Arbeit vom englischen Hof eine Anstellung als Gehilfin ihres Bruders, wofür sie auf Lebenszeit ein Gehalt von 50 Pfund im Jahr beziehen sollte. Sie war damit die erste Frau, die für eine wissenschaftliche Tätigkeit ein Gehalt bekam, was für sie eine große Genugtuung gewesen sein muss: »Ich empfing im October die erste Vierteljahres-Rate, das erste Geld, das ich in meinem ganzen Leben für mich besaß und nach meinem Belieben verwenden konnte. Damit wurde mir ein sehr unbehagliches Gefühl von der Seele genommen.«

Obwohl ihr höchste Anerkennung gezollt wurde, blieb Caroline Herschel lebenslang die bescheidene Frau im Hintergrund, die ihre Leistungen nur als Verdienst des berühmten Bruders verstanden wissen wollte. Sie bekannte selbst: »Ich weiß zu gut, wie gefährlich es für eine Frau ist, die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich zu ziehen.«

Die Heirat ihres Bruders Wilhelm Herschel im Mai 1788 empfand sie als Tiefschlag, da sie wohl befürchtete überflüssig zu werden. Die Geburt des Neffen John 1792 trug dazu bei, dass das Verhältnis zur neuen Schwägerin Mary Herschel entspannter wurde. Nach dem Tod des Bruders 1822 kehrte sie aber wieder nach Hannover zurück, obwohl ihr ihre Heimatstadt inzwischen fremd geworden war. Als »gelehrte Frau« erregte sie großes Aufsehen: »Man betrachtet mich nicht nur als solche, man starrt mich sogar hier als solche an.« Sie setzte ihre astronomischen Studien fort und ordnete das umfangreiche Material, das ihr Bruder hinterlassen hatte. Sie ermöglichte es so ihrem Neffen John Herschel, der ebenfalls ein bedeutender Astronom werden sollte, die väterliche Arbeit und die seiner Tante fortzusetzen. Weiterhin suchten bedeutende Wissenschaftler Caroline Herschel auf, die auch in Hannover Kontakt zum Hof hatte. Zahlreiche Auszeichnungen wurden ihr noch verliehen. 1828 erhielt sie die Goldmedaille der Royal Astronomical Society, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 zeitgleich mit der Mathematikerin und Physikerin Mary Somerville ernannt wurde. Die beiden Wissenschaftlerinnen waren die ersten weiblichen Mitglieder der Society. 1838 wurde Caroline Herschel auch noch zum Mitglied der Royal Irish Academy berufen. Als 96-Jähriger wurde ihr 1846 die Goldene Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften verliehen. Hochbetagt starb sie am 9. Januar 1848 in Hannover. Der Planetoid (281) Lucretia wurde ebenso nach ihr benannt wie ein Mondkrater im Sinus Iridium (Regenbogenbucht).

Elisabeth Louise Vigée-Lebrun

* 1755 in Paris
1842 in Paris

Malerin

»Ich verstehe nichts von Malerei,
aber Sie lehren mich diese Kunst lieben.«

(Ludwig XVI. von Frankreich)

Die französische Malerin Elisabeth Louise Vigée-Lebrun war eine der am meisten geschätzten und gesuchten Porträtistinnen des europäischen Adels in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Am 16. April 1755 wurde sie in Paris als Tochter des Pastellmalers Louis Vigée und der Friseurin Jeanne Maissin geboren. Da sie schon als Kind Talent und Liebe zur Malerei erkennen ließ, erteilte ihr der Vater den ersten Kunstunterricht. Nach dem frühen Tod des Vaters 1767 bildete sie sich bei den Malern Gabriel-François Doyen, Paul Davesne und Gabriel Briard weiter. Lehrer im eigentlichen Sinne hatte sie jedoch nie. Auf Anregung des bekannten Malers Joseph Vernet studierte sie die Werke der alten Meister und fertigte Naturstudien an. Um Geld für den Unterhalt von Mutter und Bruder zu verdienen, spezia­lisierte sich Elisabeth Louise Vigée auf das Porträtieren, den finanziell lukrativsten Zweig der Malerei. Schon im Alter von fünfzehn Jahren galt sie als professionelle Porträtmalerin. 1776 heiratete die Zwanzigjährige den Maler und einflussreichen Kunsthändler Jean-Baptiste Pierre Lebrun. Der 1794 geschiedenen Ehe entstammte ihre einzige 1780 geborene Tochter Julie.

Ihre große künstlerische Karriere begann, als sie 1779 erstmals an den französischen Hof gerufen wurde, um Königin Marie Antoinette zu malen. »Die Ehrfurcht gebietende Miene der Königin schüchterte mich zu Anfang bei der ersten Sitzung ganz außerordentlich ein; aber Ihre Majestät sprach zu mir mit großer Güte, und ihre wohlwollende Gnade zerstreute bald den Eindruck. Damals machte ich das Bild, das sie mit einem großen Reifrock in einer Atlasrobe und eine Rose in der Hand haltend darstellt. Es war für ihren Bruder, den Kaiser Joseph II. bestimmt, (…). Ich machte dann nach und nach zu verschiedenen Zeiten noch mehrere andere Porträts von der Königin.« Zwischen Vigée-Lebrun und der Königin, deren Lieblingsmalerin die Künstlerin wurde, entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. In der Folgezeit erhielt die Malerin vor allem von den weiblichen Mitgliedern des Königshauses und des Adels Porträtaufträge.

Die von Vigée-Lebrun in ihren Bildnissen gewählten Ausdrucksmittel entsprachen den Wünschen der Bestellerinnen: »So viel es mir nur immer möglich war, versuchte ich, den Frauen, die ich malte, die ihrem Charakter entsprechende Stellung und geeigneten Gesichtsausdruck zu geben, diejenigen aber, die keine ausgeprägten Züge hatten (…) malte ich träumerisch und in nachlässiger Weise aufgestützt.« Die gelungene Verbindung von Ähnlichkeit und gleichzeitiger Idealisierung sowie die meisterliche Erfassung der zarten Halbtöne des Inkarnats (Hautfarbe) und die gekonnte Wiedergabe der kostbaren Stoffe brachten Vigée-Lebrun die Wertschätzung der Aristokratie und der führenden Gesellschaftskreise ein. Die Künstlerin wurde mit Aufträgen derart überhäuft, dass man – wie sie rückblickend sagte – Mühe hatte, »sich in meine Liste aufnehmen zu lassen; mit einem Worte, es schien, als ob alles sich vereinigte, mich in Mode zu bringen.«

Auf die Fürsprache der Königin hin wurde Vigée-Lebrun 1783 in die Académie Royale aufgenommen, die gemäß ihren Satzungen insgesamt nur vier weibliche Mitglieder zuließ. Bei Ausbruch der Französischen Revolution zwang die enge Verbindung zum Königshaus die in Pamphleten angegriffene Malerin zu einer überstürzten Flucht und zu einer zwölf Jahre dauernden Emigration. Die guten Kontakte zu den Hofkreisen um Marie Antoinette sollten sich jedoch zusammen mit Vigée-Lebruns Charme und anziehendem Äußeren im Ausland als Eintrittskarte zu den Salons der europäischen Aristokratie erweisen und brachten ihr viele Bildnisaufträge ein.

Elisabeth Louise Vigée-Lebrun flüchtete Anfang Oktober 1789 mit ihrer Tochter Julie und deren Gouvernante nach Italien. In Bologna wurde sie am 14. November zum Mitglied der Accademia Clementina ernannt. In Florenz forderte man sie auf, ihr Bildnis für die Sammlung der Künstlerporträts in den Uffizien zu malen. Für das »Selbstporträt vor der Staffelei« wählte die Künstlerin ein schwarzes Taftkleid mit einem Spitzenkragen à la Van Dyck. Mit diesem Rückgriff auf die flämische Malerei des 17. Jahrhunderts verwies Vigée-Lebrun, die 1781 eine Künstlerreise nach Flandern und in die Niederlande unternommen hatte, auf einen der sie prägenden Einflüsse. Das auf der Staffelei stehende Porträt Marie Antoinettes unterstrich dagegen ihren Rang als Malerin der Königin und stellte ihre politische Loyalität heraus. Zeitweise lebte und arbeitete die Malerin in Rom und Neapel. Über Zwischenstationen in Parma, wo sie 1792 zum Mitglied der Akademie ernannt wurde, Venedig, Verona und Mailand reiste sie nach Wien. Nach einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Wien, wo ihre historisierenden Rollenpor­träts auf begeisterte Aufnahme stießen, brach Elisabeth Louise Vigée-Lebrun 1795 nach St. Petersburg auf. Wie überall wurde sie auch dort glänzend aufgenommen und erhielt zahlreiche Aufträge der kaiserlichen Familie und des russischen Adels, was ihr ein beträchtliches Vermögen einbrachte. 1800 wurde sie Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie.

Nach ihrer Amnestie in Frankreich verließ sie 1801 St. Petersburg und kehrte über Berlin, wo sie ebenfalls in die Akademie aufgenommen wurde, und Dresden im Januar 1802 nach Paris zurück. Im nachrevolutionären Frankreich Napoleons musste sie jedoch erleben, dass man sie als eine künstlerisch deklassierte Überlebende des Ancien régime betrachtete. Die neue Macht­elite blieb ihr fremd, und sie fand keinen Einstieg mehr in den inzwischen von jüngeren Porträtisten besetzten Kunstmarkt. Im April 1802 reiste sie deshalb nach England, wo sie fast drei Jahre blieb. 1808 und 1809 zog es sie in die Schweiz. Hier entstand ihr bekanntes Porträt der berühmten Schriftstellerin Madame de Staël als Corinna. Nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz erwarb Vigée-Lebrun ein Landgut in Louveciennes, wo sie ihren Lebensabend verbrachte.

1835/37 erschienen ihre »Souvenirs«, die bis heute immer wieder neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Die Erinnerungen der Malerin werden zu den wichtigen Quellen über die höfische Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts gezählt. Am 30. März 1842 starb Vigée-Lebrun in Paris. Laut einer eigenhändigen Aufstellung hinterließ sie 662 Porträts und etwa 200 Landschaften.

Marie Antoinette von Frankreich

* 1755 in Wien
1793 in Paris

Königin von Frankreich und Navarra

»Eine Königin, die nur dafür gekrönt wird,
dass sie ihren Zerstreuungen nachgeht, ist eine verhängnisvolle Errungenschaft für die Völker,
welche die Kosten zu tragen haben.«

(Abbé Desnoyers)

Ihr tragisches Schicksal, das sie vom Königsthron auf das Schafott führte, ließ sie zur berühmtesten Königin Frankreichs werden. In der Geschichtsschreibung immer noch umstritten, genießt sie dank ihrer Schönheit und ihrer dramatischen Biographie, die sie zum Spielball politischer Mächte machte, in der Populärkultur bis heute viel Aufmerksamkeit. Ihre Neigung, Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die mit ihrem »Beruf Königin« zwangsläufig einhergehende Etikette ausleben zu wollen, lässt sie wie die Vorläuferin eines anderen berühmten Mitglieds des Hauses Habsburg, der Kaiserin Sisi, erscheinen. Welchen Eindruck ihre vielgerühmte Schönheit bei den Zeitgenossen hinterließ, wird in den Memoiren des Grafen Alexandre de Tilly deutlich: »Ich habe viel von ihrer Schönheit gehört und gebe zu, dass ich diese Meinung niemals geteilt habe. Aber sie hatte das, was auf dem Thron wichtiger ist als vollkommene Schönheit: die Haltung einer Königin von Frankreich, und dies selbst noch in jenen Augenblicken, in denen sie nur als hübsche Frau erscheinen wollte.«

Erzherzogin Maria Antonia Josepha Johanna kam als fünfzehntes Kind von Kaiser Franz I. Stefan und Kaiserin Maria Theresia am 2. November 1755 in Wien zur Welt. Früh stand fest, dass sie dereinst Königin von Frankreich werden sollte. Zweck dieser anvisierten Vermählung mit dem französischen Kronprinzen war eine Festigung des neuen Bündnisses von Österreich mit Frankreich. Der Vertrag von 1756 sollte so seine familiäre Konsolidierung erfahren. Das von Kindesbeinen an als reizend geschilderte Mädchen verstand es, sich häufig dem von der Kaiserin aufgestellten strengen Schulungsprogramm zu entziehen. Die charmante, aber vergnügungssüchtige Prinzessin neigte zu Oberflächlichkeit und Hochmut. Erst im Vorfeld der Heirat fielen offenbar die empfindlichen Mängel in der Allgemeinbildung und in der Beherrschung der französischen Sprache bei der Erzherzogin auf, die daraufhin im Eilverfahren auf ihr künftiges Amt als französische Königin vorbereitet wurde. Im Alter von vierzehn Jahren und fünf Monaten wurde sie 1770 mit dem ein Jahr älteren französischen Thronfolger Louis Auguste, Enkel von König Ludwig XV., verheiratet. Die blutjunge Habsburgerin kam dadurch an einen der prächtigsten, aber auch intrigantesten Höfe Europas, worauf sie ihre Mutter hingewiesen hatte: »Hier gibt es nur Kindereien und Eifersüchteleien um nichts, andernorts ist es sehr viel ernster.«

Die Ehe von Marie Antoinette gestaltete sich wider Erwarten schwierig. Der Dauphin war schwermütig, schüchtern und bedauerlicherweise auch impotent. Erst nach einem Besuch seines Schwagers, Kaiser Joseph II., ließ er sich 1777 operieren, so dass die Ehe endlich vollzogen werden konnte. Von den danach geborenen vier Kindern des Königspaares sollte nur die Tochter »Madame Royale«, Prinzessin Marie Thérèse, die Französische Revolution überleben.

Nach dem Tod von König Ludwig XV. am 10. Mai 1774 bestieg sein Enkel als Ludwig XVI. den Thron. Weder er noch seine Ehefrau besaßen dafür die nötige Reife. Kaiserin Maria Theresia machte sich zu Recht Sorgen: »Das Schicksal meiner Tochter (…) kann nur sehr groß oder unglücklich sein. (…) Ich rechne damit, dass ihr schönes Leben vorüber ist.« Schon nach kurzer Zeit wurde Marie Antoinette als leichtsinnige und verschwenderische Königin kritisiert. Ihr Hauptinteresse galt Modefragen, ausgefallenen Frisuren und kostbarem Schmuck, wofür sie sich hoch verschuldete. Die enormen Ausgaben für ihr Schloss Le Petit Trianon erregten die Gemüter ebenso wie ihre Leidenschaft für Glücksspiele. Ihr nachlässiger Umgang mit der Hofetikette rief bei vielen Höflingen Empörung hervor. Man munkelte über allerlei Romanzen der Königin. Auch ihre Einmischung in politische Angelegenheiten stieß auf Missfallen. Nach Maria Theresias Tod im November 1780 wünschte Kaiser Joseph II., dass seine Schwester die österreichischen Interessen vertreten solle. Marie Antoinette geriet dadurch in Konflikt mit dem französischen Außenminister Graf Vergennes, der unter keinen Umständen einen Ausbau der Vormachtstellung Österreichs wünschte. Wie gering ihr Einfluss in Wirklichkeit war, bekannte sie selbst in einem Brief vom September 1784 an ihren Bruder: »Ich täusche mich nicht über meinen Einfluss, ich weiß, dass ich vor allem in der Politik keinen großen Einfluss auf die Entscheide des Königs habe. Wäre es klug von mir, wenn ich mit seinem Minister über Dinge stritte, bei welchen es so gut wie sicher ist, dass der König mich nicht unterstützen wird? Ohne damit großzutun oder zu lügen, bemühe ich mich, nach außen den Anschein zu erwecken, dass ich größeren Einfluss habe, als ich tatsächlich besitze. Denn wenn man dies nicht glauben würde, wäre mein Einfluss noch geringer.« Dessen ungeachtet wurde sie trotzdem als »l’Autrichienne« (die Österreicherin) in Schmähschriften verunglimpft und von ihren Untertanen verabscheut. Ihre Versuche, eine die Missstände in Frankreich beseitigende Reformpolitik zu hintertreiben, trugen ebenso zu ihrer Unbeliebtheit bei wie die »Halsbandaffäre« von 1785, obwohl sie nichts mit dem Skandal zu tun hatte.

Durch die Versammlung der Generalstände 1789 erfuhr die politische Krise eine Steigerung, da sich der König nicht zu einer konsequenten Haltung durchringen konnte. Er lehnte die Revolution ab und duldete sie zugleich. Die Ratschläge seiner Gemahlin trugen dagegen zu einer Radikalisierung bei. Nachdem die Königin am 10. Juli 178914517912017 zur Kriegserklärung kam. Die ersten Niederlagen der französischen Armee und die Invasion durch preußische Truppen lösten die Revolution des . August aus. Die Monarchie wurde abgeschafft, die königliche Familie interniert. Louis XVI. wurde am . Januar hingerichtet. Die ehemalige Königin wurde am 4161793