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Esther Vilar

Der dressierte Mann

Sachbuch

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Die weibliche Libido

Die weibliche Sexualität bereitet den Männern Unbehagen. Denn sexuelle Erregbarkeit und Orgasmus lassen sich bei der Frau – ganz im Gegensatz zum Mann – schwer kontrollieren. Die Männer sind also bei ihren Untersuchungen hauptsächlich auf jene Informationen angewiesen, die ihnen die Frauen freiwillig zukommen lassen. Und da eine Frau an wissenschaftlich exakten Ergebnissen in keiner Weise interessiert ist und immer nur an den nächstliegenden Vorteil denkt, wird sie immer nur gerade das aussagen, was ihr in dieser oder jener speziellen Situation opportun erscheint. Deshalb führen die vielen Untersuchungen – etwa über die Frigidität der Frau, über ihre Genussfähigkeit beim Geschlechtsakt, ob sie einen mit dem des Mannes vergleichbaren Orgasmus hat – zu genau entgegengesetzten Resultaten (es sei unterstellt, dass auch Masters & Johnson die Durchschnittsfrau nicht auf ihren Prüfstand bekamen). Der Mann schwankt daher zwischen der Annahme, die Frau habe überhaupt keinen Sexualtrieb, und alles sei nur Komödie, und der Furcht, sie sei in Wirklichkeit viel potenter als er (und verschweige ihm das aus Mitleid), ständig hin und her. Um sich Gewissheit zu verschaffen, arbeitet er immer neue, noch besser ausgeklügelte Fragen und Fragebogen aus, in der selbstverständlichen Erwartung, die Frauen beantworteten sie im Dienst der höheren Sache gewissenhaft. Eine trügerische Erwartung!

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte: Die Frauen sind zwar nicht wild auf Geschlechtsverkehr (sonst gäbe es sicher mehr männliche Prostitution), andererseits ist ihnen der Geschlechtsakt auch nicht verhasst, wie oft behauptet wird.

Die Frau existiert auf einem animalischen Niveau, sie isst gern, trinkt gern, schläft gern, und auch Sex gefällt ihr – vorausgesetzt, sie versäumt dadurch nichts Besseres und muss sich dafür nicht übermäßig anstrengen. Im Gegensatz zum Mann würde sie nie größere Strapazen auf sich nehmen, um einen Partner ins Bett zu bekommen: Wenn sie ihn aber schon in ihrem Bett hat (und wenn sie nicht gerade eine kosmetische Großaktion beabsichtigt oder im Fernsehen ein Programm läuft, das sie gern sehen würde), ist sie – vorausgesetzt, dieser Mann übernimmt die aktive Rolle – dem Geschlechtsverkehr durchaus nicht abgeneigt. Denn auch die schöne Bezeichnung »aktiv« für den männlichen Part und »passiv« für den weiblichen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Frau auch im Bett – wie sonst überall im Leben – vom Mann bedienen lässt. Auch wenn er dem Mann Lust verschafft, ist der Geschlechtsakt doch letzten Endes nichts weiter als eine Art Service an der Frau, bei dem der Mann der bessere Liebhaber ist, der einer Frau geschickter, rascher und länger Lust verschafft.

Weil die Männer zumindest ahnen, dass eigentlich sie diejenigen sind, die während des Geschlechtsakts missbraucht werden, hatten sie schon immer eine gewisse Angst vor der weiblichen Libido. Man findet diese Angst in vielen Riten vergangener Kulturen, in den philosophischen Werken Schopenhauers, Nietzsches, in den Romanen Baudelaires, Balzacs, Montherlants, in den Dramen von Strindberg, Tennessee Williams, O'Neill. Doch seit der Erfindung der Geburtenkontrolle durch Ovulationshemmer – der sogenannten Anti-Baby-Pille – hat diese Angst hysterische Formen angenommen. Es werden ganze Bücher darüber geschrieben, ob und wie sehr der Mann die Frau in sexueller Hinsicht fürchten müsse, ganze Zweige der Publizistik leben davon, den Männern Ratschläge für eine überlegene Rolle im Geschlechtsverkehr zu verkaufen.

Denn mit der Erfindung der medikamentösen Empfängnisverhütung hat sich der Mann (natürlich hat er diese Erfindung gemacht) des einzigen Triumphs beraubt, den er bei all seiner sexuellen Abhängigkeit von der Frau noch hatte: Sie war ihm in diesem Punkt in gewisser Weise ausgeliefert. Jetzt ist sie plötzlich auch hier überlegen: Sie kann Kinder haben, soviel, sowenig und von wem sie will (also möglichst von einem Reichen), und auch wenn sie keine Fortpflanzungsabsichten hat, kann sie den Geschlechtsakt vollziehen, sooft es ihr vorteilhaft erscheint.

Der Mann kann das nicht. Er hat sich immer den Anschein gegeben, seine sexuelle Potenz sei unendlich groß, und nur die Zurückhaltung der Frau hindere ihn daran, sie unter Beweis zu stellen. Doch heute muss er Farbe bekennen, heute kann sich jede Frau in der erstbesten Illustrierten darüber informieren, wie es um die männliche Potenz bestellt ist. Sie weiß jetzt, wie potent ein Mann in einem bestimmten Alter zu sein hat, ob er nachmittags potenter ist als nachts, ob er vor dem Essen potenter sein sollte als nachher, ob See- oder Gebirgsluft seine Potenz steigern, und wie oft hintereinander er in der Lage sein muss, eine Frau zu befriedigen. Und da die Männer die Statistik nie belügen – der männliche Mann lügt überhaupt nicht, Lügen ist für ihn ein Eingeständnis der Schwäche –, kann sie sich auf diese Daten hundertprozentig verlassen. Anhand der Tabellen, welche die Männer für sie ausgearbeitet haben, kann sie die Potenz eines bestimmten Mannes exakt feststellen. – Nicht nur feststellen, sondern, da der Geschlechtsverkehr kein Risiko mehr für sie birgt, mit der eines jeden beliebigen anderen vergleichen. Doch sie wird nicht – wie der Mann in seiner Angst glaubt – die Potenzen gegeneinander abwägen und sich für den Potentesten entscheiden. Da sie – wie bereits gesagt wurde – nicht wild ist auf Sex, wird sie (falls die anderen Bedingungen gleich sind) eher den weniger Potenten bevorzugen und mit ihren Intimkenntnissen erpressen.

Denn der Mann ist auf sexuellem Gebiet mehr noch als sonst ein Opfer des Leistungsprinzips, nach dem er dressiert wurde. Er gibt sich selbst Zensuren: dreimal hintereinander = sehr gut, zweimal = gut, einmal = befriedigend. Sexuelles Versagen bedeutet für ihn Versagen auf jedem Gebiet (auch wenn er ein brillanter Wissenschaftler ist, wird er nicht mehr glücklich werden). Die Frau weiß das und sieht darin mehrere Möglichkeiten, sich Vorteile zu verschaffen: a) Sie kann so tun, als wisse sie nicht, dass ihr Mann eine geringe Potenz hat, und ihn trotzdem für seine Potenz loben (vermutlich die am meisten verbreitete Methode). b) Sie kann den Mann glauben machen, seine geringe sexuelle Leistungsfähigkeit sei ein großes Handikap, und er könne sich glücklich schätzen, wenn sie trotzdem bei ihm bleibe. c) Sie kann drohen, ihn öffentlich bloßzustellen, wenn er sich ihr nicht genügend versklavt. Und weil der Mann sich noch lieber einen Dieb oder Totschläger schelten lässt als einen Impotenten, wird er sich in jedem Fall beugen und tun, was sie von ihm verlangt.

Die Potenz des Mannes hängt noch mehr als jede andere Körperfunktion von psychischen Faktoren ab, und wenn es einmal angefangen hat, gerät er tatsächlich mit der Zeit in immer größere Potenzschwierigkeiten. Er steigert sich in die Angst, die Frau nicht mehr zu brauchen, denn aufgrund seiner Dressur identifiziert er diese Abhängigkeit mit seiner Männlichkeit. Man muss sich den Widersinn einmal klarmachen: Er tut alles, um sich die Abhängigkeit von der Frau zu erhalten. Aphrodisiaka – früher unter dem Ladentisch verkauft und von Quacksalbern zubereitet – sind längst salonfähig geworden und Bestseller der pharmazeutischen Industrie. Sogar in seriösen Blättern häufen sich die Artikel über Beischlafschwierigkeiten, und Herrenwitze – die bekanntlich der männlichen Kastrationsangst entspringen – haben mehr denn je Hochkonjunktur, obwohl ihnen der »Witz« meistens fehlt. Die zahlreichen pornografischen Magazine kauft sich der Mann bestimmt nicht zum Vergnügen – amüsieren würde er sich auf einem anderen Niveau besser –, sondern in der verzweifelten Hoffnung, durch diese starken Reize immer fit zu sein und auf der Höhe seines Männlichkeitsmythos zu bleiben.

Und bei alledem ist er wieder einmal das Opfer seiner Gewohnheit, die eigenen Wertmaßstäbe für die Beurteilung der Frau anzuwenden. Er glaubt, die Frau habe nun, da es eine zuverlässige Verhütungsmethode gibt, nichts anderes mehr im Kopf, als alles Versäumte nachzuholen und nur noch das zu machen, was er – wegen seiner gründlichen Dressur – für das höchste aller Vergnügen hält – Sex. Das ist selbstverständlich ein Irrtum – denn Sex ist zwar ein Vergnügen für die Frau, aber lang nicht das größte. Die Freude, die einer Frau ein Orgasmus verschafft, rangiert auf ihrer Wertskala weit hinter der, die ihr zum Beispiel der Besuch einer Cocktailparty bereitet oder der Kauf von einem Paar auberginefarbenen Lackstiefeln.

Die Angst der Männer, durch die neugewonnene Freiheit der Frauen von diesen sexuell übertroffen oder gar physisch geschwächt zu werden, ist deshalb absurd. Eine Frau wird einen Mann, der für sie sorgt, immer nur so weit außer Gefecht setzen, dass er am darauffolgenden Morgen pünktlich in seinem Bürosessel Platz nehmen kann. Weshalb sollte sie in diesem Punkt Risiken eingehen? Selbst eine feurige Geliebte wird, wenn ihrem Mann wegen durchtobter Nächte auch nur der geringste Nachteil in seiner beruflichen Laufbahn entstehen könnte, den Geschlechtsverkehr sofort auf ein ungefährliches Maß reduzieren. Nymphomanische Frauen gibt es fast nur im Film und im Theater. Gerade weil sie im Leben selten sind, ist das Publikum auf sie neugierig (aus demselben Grund handeln so viele Filme und Romane von extrem reichen Leuten, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ja auch sehr gering ist).

Wenn die Frauen an der männlichen Potenz interessiert sind, so hauptsächlich wegen der zu zeugenden Kinder. Kinder braucht die Frau – wie wir später noch sehen werden – zur Verwirklichung ihrer Pläne. Viele Frauen wären vermutlich froh, wenn die sexuelle Potenz ihres Ehepartners nach der Zeugung von zwei bis drei Kindern versiegen würde, ließen sich doch so für sie eine Unmenge kleiner Komplikationen vermeiden.

Dass der Frau die körperliche Liebesfähigkeit des Mannes nicht so wichtig ist, beweist auch die Tatsache, dass gutverdienende Männer auch dann unbeirrt geheiratet werden und verheiratet bleiben, wenn sie impotent sind (man könnte sich umgekehrt kaum vorstellen, dass Frauen ohne Vagina irgendwelche Aussichten auf die Ehe mit einem normal veranlagten Mann hätten).

Dressur durch Bluff

Der starke Sexualtrieb des Mannes, seine hervorragende Intelligenz und sein Verlangen nach einem System, das ihm seine große Verantwortung abnimmt (die er aufgrund eben dieser Intelligenz erkannt hat), gestatten der Frau die sinnvolle Verwertung von Institutionen, die eigentlich der Vergangenheit angehören: der Kirchen, Sekten und anderen Glaubensgemeinschaften einer jeglichen Richtung, die sie kaltblütig zur Dressur ihrer kleinen Kinder missbraucht und deren Heere von Angestellten, die Geistlichen, ihr auch später, wenn diese Kinder erwachsen sind, als eine Art Polizeitruppe dienen, die darauf achtet, dass ihre Interessen immer gewahrt bleiben. Dabei kommt es ihr zustatten, dass sie selbst, wie wir gesehen haben, weder gläubig noch abergläubisch ist. Auch die Männer glauben später nicht an die Lehren ihrer Kirche (es sei denn, eine Dressur wäre – wie etwa bei einem Priester – besonders gut gelungen), doch wenn man sie diesen Lehren früh genug zuführt, kann man gewisse Archetypen in ihnen züchten, Maßstäbe für Gut und Böse, die nicht in ihrem Verstand verwurzelt sind, sondern in ihrem Unterbewusstsein, und die sie deshalb nie mehr vergessen können. Und diese Maßstäbe sind ihrem Wesen nach immer Maßstäbe der Frau.

Jedes Glaubenssystem gründet sich auf Dressur, denn es besteht aus einer gewissen Anzahl von Regeln oder Geboten und einem Katalog von Strafen, die der Übertretung dieser Regeln (der sogenannten »Sünde«) folgen. Natürlich folgen diese Strafen niemals wirklich, denn der Glaube an eine Art Überbewusstsein ist ja ein System ohne reale Basis, und es gibt daher auch niemand, der von einer heimlichen Sünde wissen oder sie bestrafen könnte. Man sagt deshalb, dass Unglücksfälle, die sich sowieso ereignen, wie etwa Erdbeben oder der Verlust eines Freundes (früher, bei noch wenig entwickelten Naturwissenschaften, auch Seuchen, Missernte, Blitzeinschlag), solche Strafen für begangene Sünden seien und dass man diese durch bedingungslose Unterwerfung unter die Regeln oder durch Buße (eine Art Gehirnwäsche) von sich selbst abwenden könne. Natürlich wird der Mensch in dem Maß, wie er seine Intelligenz entwickelt, diese Fiktion durchschauen und das Ausbleiben der Strafen verifizieren können. Doch die tiefverwurzelte Angst vor den Strafen (das Gefühl der Sünde), das in jenen ersten Jahren in ihm gezüchtet wurde, wird ihn auch als Erwachsenen nach Möglichkeit Handlungen meiden lassen, die in seiner Jugend als »böse« galten. Oder er wird, wenn er sie begeht, zumindest ein schlechtes Gewissen dabei haben.

Eine der Sünden, die sich in beinahe allen diesen Katalogen findet, ist die Freude am Geschlechtsakt, der nicht der Fortpflanzung dient. Und da die Männer – von den Frauen dazu provoziert – immer Lust auf Sex haben, dieser Lust so oft wie möglich nachgeben möchten und dabei nie an Fortpflanzung denken (während des Orgasmus empfindet der Mann bestimmt jede Art von Freude, nur nicht die Freude auf das Kind, das er gerade zeugt – er wird also in diesem Augenblick noch mehr betrogen als gewöhnlich), verstoßen sie ständig zumindest gegen eine der Regeln ihres Kinderglaubens und tragen so immer ein Gefühl von Sünde mit sich herum. Die Frauen hingegen, die ihren Trieb konditioniert haben und den Geschlechtsakt meist aus einem bestimmten Grund ausführen, und nicht zu ihrem Vergnügen (Broterwerb, Fortpflanzung, Befriedigung des Mannes – im letzten Fall also karitativ), begehen dadurch meist keine Sünde; selbst wenn sie darauf Wert legen würden, blieben sie von Gewissensbissen verschont. Im Gegensatz zum Mann, der zwar immer wieder gute Vorsätze fasst, diese jedoch in der Praxis nicht einhalten kann, hätten sie, auch wenn sie daran glaubten, kein Schuldkonto bei ihrem System. In ihrem Hang zur Selbsterniedrigung, ihrem verstümmelten, unterdrückten Sexualtrieb (und auch in der Selbstverständlichkeit, mit der sie ohne einträgliche Beschäftigung auskommen und andere für sich arbeiten lassen) ähneln sie jenen Figuren – Jesus, Gandhi –, die sie ihren Männern als Vorbilder anpreisen lassen. Vorbilder, die diese in ihrer Triebbesessenheit natürlich nie erreichen können und die sie in ihrem Verdacht bestätigen, alle wirklich anbetungswürdigen Qualitäten seien doch letzten Endes weiblich.

Dabei sind weder die Frauen am Sexualtrieb des Mannes sonderlich interessiert, noch deren Polizei. Das Tabu müsste nicht unbedingt Sex sein, sie haben es nur deshalb gewählt, weil Sex die größte und reinste – vielleicht die einzige – Freude des Mannes ist. Wenn er den gleichen oder einen noch größeren Genuss beim Essen von Schweinefleisch oder beim Rauchen empfände, würden sie natürlich sein Gefühl für Sünde mit der Zigarette oder dem Schweinefleisch koppeln. Hauptsache, er lebt überhaupt in Sünde – in Angst – und bleibt so manipulierbar. Der Katalog wird deshalb auch je nach Alter variiert. Für die Kleinen ist die Lüge Sünde, das Begehren fremden Eigentums oder die unzureichende Ehrerbietung gegenüber Vater und Mutter. Für die Älteren ist es die Lust auf Sex und das Begehren »des Weibes ihres Nächsten«.

Doch wie sollen sie diese Sünden erkennen, wenn sie zunächst weder die Regeln kennen noch das System, in dessen Namen sie errichtet wurden? Wie sollen sie an etwas glauben, das es nicht gibt, oder sich einer Freude schämen, die niemand schadet? Da alles, was mit religiösem Glauben zu tun hat, dermaßen gegen die Logik verstößt, muss die Dressur in einem Alter durchgeführt werden, in dem man noch nicht logisch denken kann. Sie muss nach Möglichkeit an einem Ort stattfinden, dessen absurde Architektur der Absurdität des Vorgetragenen entspricht und es so etwas weniger unglaubhaft erscheinen lässt. Und wenn möglich, sollten diejenigen, die diese Schulung im alogischen Denken betreiben, anders aussehen als gewöhnliche Menschen. Wenn es zum Beispiel Männer sind, die Frauenkleider tragen oder irgendeine andere Maskerade, wird die Verwirrung und Einschüchterung der Kinder besser gelingen, und der Respekt, den sie vor diesen Wesen empfinden, wird sie auch bei späteren Begegnungen nie ganz loslassen.

Dabei haben die Frauen von Anfang an dafür gesorgt, dass ihre Lobby, die Geistlichen, ausschließlich aus Männern besteht. Denn erstens könnte es dem weiblichen Image schaden, wenn sie ihre Interessen selbst vertreten würden (man könnte sie womöglich für berechnend halten!), und zweitens wissen sie, dass der Mann nicht allzu viel von ihrem Verstand hält und dass sie deshalb immer nur über die Gefühle auf ihn einwirken können. Aber Ratschläge, die ihm ein anderer Mann erteilt – besonders einer, den er von Kind an als Respektperson kennengelernt hat –, wird er anhören und vielleicht sogar befolgen. Dass diese Ratschläge immer den Frauen zugute kommen (sie raten zum Beispiel, bei einer ungeliebten Frau auszuharren oder für Kinder zu sorgen, die sie nicht gewollt haben), entspricht nicht etwa einer Feindseligkeit dieser Lobby gegenüber den »normalen« Männern, sondern ist eine direkte Konsequenz aus deren finanzieller Abhängigkeit von den Frauen.

Die Frauen könnten gut ohne Kirchen existieren (sie brauchen sie, wie gesagt, nur zur Dressur von Männern und Kindern oder als Kulisse zur Vorführung von Garderoben zu besonderen Gelegenheiten), die Kirche selbst wäre jedoch ohne die Unterstützung der Frauen schnell ruiniert. Wenn es der Frau einfiele, ihre Kinder nur noch außerhalb der Kirchen zu dressieren – was zuweilen schon geschieht –, wenn sie darauf verzichteten, das Kirchenschiff als den wirkungsvollsten Rahmen für ein weißes Kleid zu betrachten, und wenn sie sich bei der Trauzeremonie mit der Einschüchterung des Bräutigams durch einen Standesbeamten begnügten, stünden die Kirchen innerhalb weniger Jahre vollkommen leer (in der Sowjetunion haben die sogenannten »Heiratspaläste« die Kirchen als Kulisse ersetzt). Man würde sie plötzlich als das erkennen, was sie sind, Relikte aus einer vergangenen Kultur, und ihnen unverzüglich alle staatlichen und privaten Zuwendungen sperren – die doch letzten Endes immer von Männern kommen, denn natürlich zahlt der Mann, da es sonst niemand für ihn tut, seine Peiniger stets selbst. Wenn daher jemand sagt, die Kirchen hätten erwiesenermaßen etwas Magisches an sich, weil sie mit ihren jahrtausendealten Lehren auch heute noch so viele Menschen in ihren Bann zögen, dann ist das ganz einfach eine Fehlinterpretation. Nicht die Kirchen haben dieses Magische, sondern die Frauen. Die Glaubensgemeinschaften sind längst zu Instrumenten der Frauen umgemünzt und tun wohl nie etwas anderes als das, was diese von ihnen verlangen.

Die Leidtragenden sind nicht zuletzt die Repräsentanten der Religionsgemeinschaften selbst. Sie wollen nichts weiter als ein friedliches, kampfloses Leben führen (freilich auf Kosten der männlichen Männer – aber die Frauen tun ja nichts anderes) und werden nun von den Frauen als eine Art Mafia benutzt, mit deren Hilfe sie ihre Kinder erschrecken, ihre Partner versklaven, den Fortschritt bremsen. Sie werden gezwungen (unter Boykottdrohung), bei besonderen Anlässen in einer lächerlich-weibischen Maskerade aufzutreten, mit lauter Stimme groteske Lieder zu intonieren und vor einem – manchmal sogar intelligenten – Auditorium Schauermärchen zu verbreiten, die allen modernen theologischen Erkenntnissen widersprechen, die sie auf ihren Universitäten gelernt haben und mit denen sie sich vor diesem Auditorium unsäglich blamieren.

Denn mit der modernen Theologie, die dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip völlig entsagt, kann man niemand mehr schrecken und selten Leistungen steigern. Was die Frauen brauchen, sind die alten Geschichten aus der Mottenkiste von Himmel und Hölle, Engel und Teufel, Paradies und Jüngstem Gericht. Nur wenn der Tod eine Tür zu ewigem Glück oder ewiger Verdammnis ist, an der nach einem Punktsystem die auf Erden vollbrachten Leistungen im Sinne der Frau abgerechnet werden, ist er ein brauchbares Dressurmittel. Und wenn man das ewige Leben als etwas Wirkliches hinstellt, zu dessen Erwerb nur Treue und Sklaverei erforderlich sind, dann ist das den Interessen der Frauen viel zuträglicher, als wenn ihre Männer tatsächlich nach der biologischen Unsterblichkeit forschen würden, die womöglich dann doch ein paar Generationen auf sich warten ließe.

Von alledem bleiben die Frauen selbst natürlich ganz unberührt. Sie gehen in ihre Kirchen, wann immer es erforderlich scheint, und bleiben ohne Gewissensbisse fern, wann immer es ihnen passt. Zu den großen Zeremonien (die nie etwas anderes sind als Einschüchterungsversuche – Einschüchterungsversuche der Frauen, nicht der Priester) erwerben sie mit viel Aufwand festliche Toiletten (Brautkleider, Taufkleider, Trauerkleider, Firmungskleider) und stecken die sie begleitenden Männer in die gewohnten dunklen Anzüge. Sie spielen die Gläubigen, Abergläubischen oder auch die Zweiflerinnen, doch bei allem denken sie über den Glauben selbst nie nach. Die Erwägungen der Männer, ob es physikalische Voraussetzungen dafür gäbe, durch einen Zaubertrick auf dem Meer zu wandeln, Wasser zu Wein zu verzaubern oder durch Zauberei »unbefleckt« ein Kind zu empfangen, lassen sie kalt. Sie sind, wie immer, auf die Sache selbst nicht neugierig, ihr Interesse liegt bei deren Verwertbarkeit. Und wenn sie auf einen Mann treffen, der einen anderen Glauben hat und zur Bedingung macht, dass sie den ihren aufgeben, tun sie es ohne Zögern.

Kommerzialisierte Gebete

Die meisten Männer vergessen, wie gesagt, ihren Kinderglauben. Was bleibt, sind andressierte Verhaltensmuster, wie etwa die Wahrheitsliebe, die Freude an der Arbeit oder die Lust an der Unfreiheit.

Vom moralischen Standpunkt aus ist das Recht auf Lüge eines jener Menschenrechte, die eigentlich jedem zustehen sollten, denn mit der Lüge kann man allzu dreiste Überwachungsversuche der Gesellschaft abwehren und so den eigenen Existenzkampf verringern. Ungünstig ist dabei nur, dass lügen nur dann sinnvoll ist, wenn nicht jeder lügt. Das heißt, damit jemand belogen werden kann, muss er wahrheitsliebend sein und das auch bei anderen voraussetzen. Die Lüge ist also gewissermaßen ein Luxusartikel, sie hat Seltenheitswert; und der muss – durch unablässige Verteufelung – im Interesse der Lügner unbedingt erhalten bleiben. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass die Frau den Mann zur Wahrheitsliebe dressiert: Nur wenn er die Wahrheit liebt, kann sie sich diesen Luxus leisten.

Die Wahrheitsliebe des Mannes ist für das Überleben der heutigen Gesellschaftsordnung, in der alle wichtigen Arbeiten von Männern verrichtet werden, ohnehin Voraussetzung: Auf der Lüge könnte man keine funktionstüchtigen – das heißt logischen – Systeme errichten. In unserem hochentwickelten, arbeitsteiligen Gesellschaftssystem muss einer mit dem anderen zusammenarbeiten und sich auf dessen Daten vollkommen verlassen können. Würden die Männer lügen – würden sie, nur weil es ihnen in einem Augenblick nützlich wäre, etwa falsche Angaben über die Abfahrtszeiten von Zügen, Kapazitäten von Frachtern oder Benzinvorräten von Flugzeugen an ihre Kollegen melden –, so hätte dies für das gesamte Wirtschaftssystem verheerende Konsequenzen; binnen kürzester Zeit entstünde ein komplettes Chaos.

Eine Frau kann ruhig lügen. Da sie nicht in den Arbeitsprozess eingegliedert ist, schadet ihre Lüge immer nur einem einzelnen Menschen – meist ihrem Mann –, und sie nennt sie, wenn sie zuweilen doch ertappt wird, auch nicht »Lüge« oder »Betrug«, sondern »weibliche List«. Und solange sie nur »weibliche List« anwendet (solange es nichts mit einer körperlichen Untreue zu tun hat – das einzige Delikt, das ihr der Mann nicht verzeihen würde), findet niemand etwas Anstößiges an ihrer Lügerei. Es scheint dem Mann (wegen der an ihm vorgenommenen Dressur durch Selbsterniedrigung der Frau) ganz natürlich, dass eine Frau, schwach und abhängig wie sie ist, solche Listen gebraucht, um ihn, den starken, triebbesessenen Koloss (dieses »unselige Tier«), auf den richtigen Weg zu lenken. Und es ist deshalb kein Wunder, dass erfolgreiche Erfahrungen in dieser Sparte unter den Frauen ganz offen diskutiert und sogar in ihren Gazetten, den Frauenzeitschriften, veröffentlicht werden können. Die Mütter geben sie an ihre Töchter weiter und diese an die Ihren. Sie empfinden diesen Erfahrungsaustausch als völlig legitim, denn sie sind ja häufig dazu gezwungen, beide den gleichen Mann auszubeuten (erst den der Mutter, dann den der Tochter), und ihr ganzes Wohlergehen hängt davon ab, wie er pariert.

Natürlich sagen sie einem erwachsenen Mann nicht offen, dass er nicht lügen darf. Sie tun nichts weiter, als mit seiner Lüge Unlustgefühle zu verbinden. Das machen sie – wie wir gesehen haben – entweder über den Umweg der Glaubenssysteme, bei denen auf Lügen fiktive Strafen stehen, oder direkt, durch eine Art persönlicher Magie. Wenn eine Frau ihrem Kind sagt: »Lügen ist etwas Böses, du darfst deine Mutter niemals belügen«, dann bekommt das Kind automatisch beim Lügen Gewissensbisse. Sie braucht dieses »Böse« nicht weiter zu begründen, das Kind glaubt es einfach so, es ist darauf angewiesen, ihr zu glauben, und vertraut darauf, dass sie es ihrerseits auch nicht belügt (was natürlich Unsinn ist, denn Mütter belügen ihre Kinder ständig).

Es ist die gleiche Magie, mit der die Frau später ihren Mann überzeugt: »Untreue ist etwas Erbärmliches, du darfst mich nie betrügen«, oder bei den sogenannten »großzügigen« Frauen: »Wenn du mich betrügst, ist es nicht so schlimm, nur verlassen darfst du mich nicht.« Der Mann folgt diesem Befehl – denn es ist ein Befehl –, ohne dessen Berechtigung zu bezweifeln: Er wird eine solche Frau gelegentlich betrügen, doch verlassen wird er sie selten (obwohl doch das Eingeständnis einer solch maßlosen Gleichgültigkeit für ihn ein Signal zum sofortigen Aufbruch sein müsste).