Ina Brandt

Eulenzauber

Rätsel um die Goldfeder

Mit Illustrationen von
Irene Mohr

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In der Reihe Eulenzauber von Ina Brandt
sind im Arena Verlag erschienen:
Eulenzauber. Ein goldenes Geheimnis (Band 1)
Eulenzauber. Rettung für Silberpfote (Band 2)
Eulenzauber. Eine wunderbare Freundschaft (Band 3)
Eulenzauber. Magie im Glitzerwald (Band 4)
Eulenzauber. Rätsel um die Goldfeder (Band 5)
Eulenzauber. Flora und das Weihnachtswunder

 

 

Ina Brandt
arbeitete nach dem Germanistikstudium einige Jahre
als Lektorin, bevor sie sich als Autorin selbstständig machte.
Seitdem hat sie zahlreiche Kinderbücher veröffentlicht.
Mit »Eulenzauber« erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum,
den ihr ein kleiner Waldkauz in vielen Nächten aus dem Garten
zugerufen hat. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren
beiden Töchtern in der Nähe von Stuttgart.

Irene Mohr
wurde in Hamburg geboren und hat dort an der
Fachhochschule für Gestaltung Grafikdesign studiert. Seitdem
arbeitet sie als Illustratorin und Grafikerin für verschiedene
Kinderbuchverlage. In ihrem Atelier hat sie eine Malschule
gegründet und dort viele Jahre Kurse für Kinder und Erwachsene
gegeben. Wenn sie keine Bücher illustriert, ist sie am liebsten
in der freien Natur – zwar ohne Eule, aber dafür gerne mit
Pinsel und Staffelei.

 

 

Für alle, die Mut haben
zu träumen

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1. Auflage 2016
© 2016 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag- und Innenillustration: Irene Mohr
Covergestaltung: Max Meinzold
Liedtexte S.128–131: Julia Miller-Lissner
ISBN 978-3-401-80626-6

www.arena-verlag.de
www.eulenzauber-lesen.de

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Diese Zeilen hinterlasse ich dem Menschen , der daran glaubt, dass es Zaubereulen wirklich gibt! Dem, der bereit ist, ihr Geheimnis zu wahren und ihre Kräfte weise zu nutzen . Dem, der seine Eule gefunden hat, die bloß er verwandeln kann. Nur wenn die beiden wirklich füreinander bestimmt sind, wird das Wunder wahr.

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Eine echte Freundin!

»Du liegst ja immer noch im Bett!« Floras Mutter stand in der Zimmertür und warf ihrer Tochter einen vorwurfsvollen Blick zu. »Jetzt aber los! Sonst kommst du zu spät!«

»Mama, kann ich meinen Piratensäbel mit in die Schule nehmen?«, erklang da die Stimme von Floras Bruder Felix von nebenan.

»Ganz sicher nicht!«, presste Frau Faltin zwischen schmalen Lippen hervor und entfernte sich mit eiligen Schritten. Flora hörte den Protest ihres Bruders und zog sich die Decke über den Kopf. Sie hatte keine Lust auf Schule. Sie wusste genau, der Vormittag würde sich wie ein Gummihüpfseil in die Länge ziehen. Warum verging die Zeit in den Ferien nur immer so schnell? Es war viel zu schön gewesen, morgens auszuschlafen, wunderbare Stunden mit Miri und den Pferden zu verbringen … Und natürlich mit Goldwing, ihrer kleinen Zaubereule! Gemeinsam hatten sie der kranken Schleiereule Kalliper geholfen, die nun wieder mit ihrer Freundin Kala zur Burg Federstein zurückgekehrt war. Wie schön die beiden ausgesehen hatten, als sie gemeinsam mit Goldwing durch den glitzernden Nachthimmel geflogen waren.

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Mit einem Seufzen schlug Flora die Bettdecke zurück und stand auf. Ihr Blick fiel auf das große Plakat, das dort auf ihrem Schreibtisch lag. Das erinnerte sie daran, dass sie morgen ihr Referat halten musste. Jedes Kind aus Floras Klasse sollte nämlich etwas zum Thema »Tiere in unserer Umgebung« erzählen. Flora hatte sich für Schleiereulen entschieden. Die lebten jetzt zwar nicht direkt hier in Tannenbach, aber in dem Greifvogelpark, der sich auf Burg Federstein befand. Und der war schließlich nicht weit weg. Hoffentlich fanden die anderen Schleiereulen auch so spannend wie sie. Flora war auf jeden Fall jetzt schon froh, wenn das Referat vorbei war. Wenigstens war sie am gleichen Tag wie ihre Freundin Miri dran, die etwas zu Pferden vortragen wollte. Wie dumm, dass ausgerechnet die doofe Nathalie genau dasselbe Thema gewählt hatte. Nathalie, die sich selbst immer für die Klügste und Schönste von allen hielt und sowieso überall die Beste war. Es war eh schon klar, dass sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, sich als tollste Reiterin weit und breit in Szene zu setzen.

Flora schlang schnell ihr Müsli herunter und schlurfte ins Bad. Sie putzte die Zähne und versuchte, mit einer nassen Haarbürste ihre widerspenstigen blonden Locken zu bändigen. Müde blickten ihr ihre katzenartigen grünen Augen aus dem Spiegel entgegen. Ach, wenn Ferien doch nie zu Ende gingen!

Eine halbe Stunde später kam Flora in der Schule an. Als sie die schwere Eingangstür öffnete, schlug ihr wildes Geschrei entgegen. Ein Schuh flog durch die Luft, zwei Jungs aus ihrer Klasse rangelten lachend auf dem Boden und ständig kreischte oder schrie es von irgendwoher. Da hörte Flora jemanden ihren Namen rufen. Sie entdeckte Miri, die hinten bei der Garderobe stand und ihr zuwinkte. Wie gut, dass sie schon da war, Flora hatte sich gerade irgendwie ein bisschen verloren gefühlt. Rasch bahnte sie sich einen Weg zu ihr.

»Was für ein Chaos!«, meinte Miri und verdrehte die Augen. Da erklang auch schon die Stimme von Frau Hauser, ihrer Klassenlehrerin.

»Alle reingehen, bitte!«, rief sie und klatschte in die Hände. »Beeilt euch, der Unterricht beginnt in zwei Minuten!«

Flora und Miri quetschten sich zwischen den anderen nach drinnen. Als endlich jeder Platz genommen und Frau Hauser die Kinder begrüßt hatte, klopfte es bereits wieder. Eine junge Frau erschien in der Tür, die Flora auf Ende zwanzig schätzte. Schlagartig wurde es mucksmäuschenstill und die Kinder musterten die Besucherin mit großen Augen.

»Ah, das ist ja schön«, sagte Frau Hauser und ging strahlend auf die junge Frau zu. »Kinder, darf ich euch Frau Green vorstellen? Eure neue Musiklehrerin!« Sie klang so begeistert, als ob sie einen Popstar ankündigte. Ein bisschen sah Frau Green auch so aus, fand Flora. Sie trug eine pinkfarbene, zerknitterte Bluse mit Leopardenmuster unter einem abgewetzten grauen Cordjackett und eine knallenge schwarze Jeans. Ihre Schuhe hatten so hohe Absätze, dass Flora garantiert beim ersten Schritt gestürzt wäre. Und durch ihre wilden braunen Haare, die den gleichen Ton wie ihre dunklen Augen hatten, fiel eine lilafarbene Strähne vorne aus ihrem verwuschelten Pferdeschwanz. Wow!

»Hallo zusammen«, begrüßte sie die Kinder und Flora wunderte sich, warum das so komisch klang. Ein bisschen, als ob Frau Green nebenher Kaugummi kaute. »Okay, meinen Namen kennt ihr jetzt schon. Und den schreibt man so.«

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Sie nahm sich ein Stück Kreide und schrieb »Green« an die Tafel. »Das ist Englisch, weil mein Vater Amerikaner ist. In Amerika bin ich auch aufgewachsen, aber meine Mutter ist Deutsche und deswegen kann ich beide Sprachen. Ich habe in Deutschland Musik studiert und arbeite jetzt als Lehrerin. Ich freue mich schon auf den Unterricht hier an der Schule. Der wird auch ganz bestimmt nicht langweilig werden, das verspreche ich euch. Für die Weihnachtsfeier üben wir zum Beispiel ein richtig fetziges Lied. Da könnt ihr sogar ein bisschen mittanzen! Und ihr lernt, was für Musikrichtungen es gibt: Klassik, Hip-Hop, Jazz, Rock – alles ist dabei! Das wird cool!«

Das letzte Wort sprach sie mit ganz langem »U«, verdrehte dabei die Augen und lachte. Auch über Floras Gesicht huschte ein Lächeln. Das klang wirklich cool! Und tausendmal spannender als der Musikunterricht bei Frau Hauser, wo sie immer nur dieselben Lieder sangen. Frau Green war echt der Hit!

In der großen Pause drängten sich alle unter dem Vordach vor der Eingangstür zusammen. Draußen regnete es Bindfäden und niemand hatte Lust, bei diesem Wetter über den Schulhof zu rennen.

»Diese Frau Green fand ich ja toll«, hörte Flora Nathalies Freundin Lea sagen.

»Pah!«, meinte Nathalie nur und rümpfte die Nase. »Verschiedene Musikrichtungen – wen interessiert das schon? Die kann ich alle auf meinem Keyboard einstellen. Ist doch nichts Besonderes.«

Flora bekam große Augen. »Die hat ein eigenes Keyboard!«, flüsterte sie Miri zu. Miri schüttelte den Kopf und zog Flora weg.

»Denk dir nichts dabei«, meinte sie nur. »Nathalie wird einfach nach Strich und Faden von ihren Eltern verwöhnt. Die können ihr keinen Wunsch abschlagen. Angeblich, weil ihre Mutter Nathalie so spät bekommen hat. Die dachten, sie kriegen gar kein Kind mehr.«

»Woher weißt du das denn?«, fragte Flora erstaunt.

»Das hat mir Lea erzählt, als ich noch bei denen in der Clique war. Den anderen geht nämlich Nathalies Angeberei manchmal auch auf die Nerven. Die sind jedoch alle zu feige, ihr das zu sagen.«

Aber Miri war dafür nicht zu feige, dachte Flora. Und nun war sie ihre Freundin!

»Treffen wir uns nachher beim Stall?«, fragte Miri. »Du hast doch heute Reitstunde.«

»Ja, super!«, freute sich Flora. Sie war immer froh, wenn Miri mit dabei war, damit sie Nathalie nicht alleine begegnete. Die war nämlich auch meistens da und verpasste keine Gelegenheit, Flora irgendeine bissige Bemerkung an den Kopf zu schleudern. Flora wusste, dass sie sich immer noch ärgerte, dass Miri nicht mehr in ihrer Clique war.

»Hoffentlich ist Benni heute nicht mehr so stur wie beim letzten Mal«, meinte Flora mit einem Seufzen.

»Ach was«, antwortete Miri. »Das hast du doch super gemacht. Hat Sarah auch gesagt.«

Flora nickte. Sarah, die Besitzerin des Reiterhofs, hatte ihr eine Reitstunde geschenkt, weil Flora und Miri ihr vor Kurzem so toll bei den Vorbereitungen für das Hoffest geholfen hatten. Und nun durfte Flora ab und zu Unterricht nehmen. Sie freute sich schon riesig darauf!

Wenigstens hatte sie heute nicht so viele Hausaufgaben. Da reichte es, mit ihrer Mutter ein paar Seiten zu lesen, obwohl Flora das nicht so gerne tat. Sie las lieber für sich allein und dann auch nicht diese langweiligen Texte aus dem Schulbuch. Pony- oder Abenteuergeschichten fand sie viel spannender.

Aber schließlich war es geschafft und Flora fuhr mit ihrer Mutter zum Reiterhof. Sonst nahm sie ja das Fahrrad, aber es nieselte ständig weiter. Die Niederschläge sollten die nächsten Tage sogar noch schlimmer werden, wie der Wetterdienst sagte. Missmutig betrachtete Flora die Tropfen, die gegen die Scheibe des alten Kombis klatschten. Erst dieser unglaubliche Sturm und jetzt tagelang Regen. Das war doch verrückt. Irgendwie war ihr fast ein bisschen mulmig zumute. Was würde dieser ewige Regen noch mit sich bringen?

Als sie Benni aus dem Stall holte, tänzelte er unruhig am Anbindeplatz herum.

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»Hallo, Flora«, begrüßte sie Sarah, die gerade aus ihrem Büro kam. »Miri ist schon in der Halle.«

»Okay, bin gleich so weit«, antwortete Flora. »Warum ist Benni denn so hibbelig?«

»Manche Pferde macht es nervös, wenn der Regen dauernd so laut aufs Stalldach prasselt. Das mögen sie gar nicht. Aber in der Halle wird er sicher ruhiger sein.«

Flora nickte. Das hoffte sie!