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Die Wahrheit über weibliche Depression

Dr. Nicholas Gonzales zum Gedenken

Inhalt

EinführungDie Psyche – Eine Depression entsteht nicht im Kopf

Erster Teil
Die Wahrheit über die Depression

1. Den Code knackenEine Depression ist keine psychiatrische Erkrankung: Was Sie nicht über Depressionen und ihre erkennbaren Symptome wissen

2. Das Wahrheitsserum: Die Entschleierung des Serotonin-MythosFehlinformationen, Fehldiagnosen, Fehlbehandlungen

3. Die neue Biologie der DepressionWas DarmmikrobenDarmmikroben und stille Entzündungen mit der mentalen Gesundheit zu tun haben

4. Die grossen Hochstapler in der PsychiatrieZwei weit verbreitete lösbare Probleme, die zu einer psychiatrischen Diagnose führen können

5. Warum Körperlotionen, Leitungswasser und rezeptfreie Schmerzmittel neue Warnhinweise in ihre Produktbeschreibungen einfügen solltenWeit verbreitete Schadstoffkontakte und Medikamente, die zu einer Depression führen können

Zweiter Teil
Natürliche Behandlungsmethoden für ganzheitliches Wohlbefinden 

6. Nahrung als Heilmittel Ernährungsempfehlungen, die den Weg zu körperlicher Gesundheit ebnen, den Geist befreien und sich problemlos umsetzen lassen

7. Die Macht von Meditation, Schlaf und körperlicher BewegungDrei einfache Lebensgewohnheiten, die Ihre mentale Gesundheit verbessern

8. GrossreinemachenWie Sie Ihre Umwelt entgiften

9. Laboruntersuchungen und NahrungsergänzungsmittelDen Heilungsprozess unterstützen

10. Der natürliche Weg zu optimaler Gesundheit und WohlbefindenDas 30-Tage-Selbsthilfeprogramm

SchlusswortDen Körper in Besitz nehmen und den Geist befreien

Rezepte

Danksagung

Anmerkungen

Register

Einführung

Die Psyche – Eine Depression entsteht nicht im Kopf

In der Geschichte der Medizin waren die wirklich großen Ärzte seltsamerweise stets frei vom Joch der Medikamente.

Sir William Osler (1849–1919)

Wenn Sie dieses Buch in der Hand halten, leiden Sie wahrscheinlich unter einem der folgenden Symptome: anhaltendem Stress, Unwohlsein, Angstzuständen, innerer Erregung, Erschöpfung, Libidoverlust, Gedächtnislücken, Reizbarkeit, Schlafstörungen, einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit, der Überforderung und der abgrundtiefen Niedergeschlagenheit, als ob Sie in einer Falle gefangen wären, aus der es kein Entrinnen gibt. Morgens nach dem Aufwachen sind Sie meistens antriebslos und unmotiviert, schleppen sich dann durch den Tag und warten nur noch darauf, dass er endet – oder Sie etwas trinken können, um ihn zu vergessen. Vielleicht machen sich auch diffuse Ängste oder Panikattacken bemerkbar, ohne dass Sie wissen, warum. Es gelingt Ihnen nicht, das Karussell Ihrer negativen Gedanken anzuhalten, das Sie an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit bringt. Manchmal würden Sie am liebsten stundenlang weinen, oder aber Sie können sich nicht erinnern, wann Sie das letzte Mal so tief bewegt waren, dass Sie in Tränen ausgebrochen sind. Alle diese Beschreibungen gehören zu den Symptomen, die normalerweise der Diagnose »klinische Depression« zugeordnet werden. Und wenn Sie daraufhin im Rahmen der konventionellen Medizin Hilfe suchen, erhalten Sie wahrscheinlich auch dann, wenn Sie sich selber nicht für »depressiv« halten, ein Rezept für ein Antidepressivum, genau wie Ihre zahlreichen Leidensgenossen. Vielleicht sind Sie schon ein Teil dieser Gemeinschaft und haben das Gefühl, Ihr Schicksal sei besiegelt.

Das muss nicht sein.

In den letzten zwanzig Jahren, seit der Zulassung von Prozac-ähnlichen Antidepressiva durch die amerikanische Lebensmittelkontroll- und Arzneimittelzulassungsbehörde FDA, wollte man uns einreden, dass solche Medikamente in der Lage sind, die Symptome zu lindern oder mentale Erkrankungen sogar zu heilen, insbesondere bei Depressionen und Angststörungen. Heute gehören sie zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln, für die Hersteller ein echter Verkaufsschlager!1 Das hat zu einer der größten Tragödien in der Geschichte der modernen Gesundheitsvorsorge geführt, die stillschweigend übergangen und unterschätzt wird.

Ich arbeite als Psychiaterin mit eigener Praxis, habe mich auf kognitive Neurowissenschaft am MIT spezialisiert, am Weill Cornell Medical College promoviert und meine klinische Ausbildung an der NYU School of Medicine absolviert. Frauen, die um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden kämpfen, liegen mir besonders am Herzen. Ich habe das dringende Bedürfnis, auf die Korrumpierbarkeit der modernen Psychiatrie und ihre unrühmliche Geschichte aufmerksam zu machen, und gleichzeitig ganzheitliche Methoden vorzustellen, die Ernährung, Meditation und körperliche Bewegung in den Mittelpunkt rücken; dieser Ansatz wird bisweilen auch als Lebensstilmedizin bezeichnet, weil er einen grundlegenden Wandel der Lebensgewohnheiten einschließt, ohne den Einsatz pharmazeutischer Produkte. Solche evidenzbasierten Methoden, die sich auf die besten verfügbaren Wissensquellen und Daten statt auf eine medikamentöse Behandlung stützen, sind in unserem Zeitalter der Patentlösungen buchstäblich unbekannt.

Eines möchte ich vorab klarstellen: Ich bin keine Anhängerin irgendwelcher Verschwörungstheorien. Mein politisches Interesse hält sich ohnehin in Grenzen, aber ich benutze gerne meinen eigenen Verstand. Ich bin von Natur aus skeptisch und pragmatisch. Derzeit sehe ich mich in meiner beruflichen Tätigkeit mit einigen Theorien konfrontiert, die mich aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit auf die Palme bringen, und ich arbeite daran, die einzelnen Punkte zu einem Gesamtbild zusammenzufügen, um ein Rahmenwerk für eine wissenschaftlich hieb- und stichfeste »Nagelprobe« zu schaffen. Zum einen sind die Symptome mentaler Erkrankungen weder ein ausschließlich psychologisches noch ein rein neurochemisches Problem (wie Sie in Kürze erfahren werden, gibt es keine einzige Studie, die nachgewiesen hat, dass eine Depression durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn verursacht wird). Eine Depression ist ein Symptom, ein Anzeichen dafür, dass an irgendeiner Stelle im Körper eine Unausgewogenheit oder ein Problem besteht, das in Angriff genommen werden sollte.

Und zum anderen sind Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen bei einer Depression auch heute noch an der Tagesordnung, vor allem bei Frauen – jede siebte wird mit Medikamenten behandelt. Aus Gründen, mit denen wir uns später eingehender befassen, kommen Depressionen bei Frauen doppelt so häufig vor wie bei Männern. In den USA nimmt jede vierte Frau zwischen vierzig und sechzig Psychopharmaka. (Anm. d. Ü.: Eine direkte Vergleichszahl für Deutschland gibt es nicht. Jedoch nehmen etwa fünf Prozent der Bevölkerung Psychopharmaka.2) Obwohl ich im Verlauf meiner beruflichen Ausbildung gelernt habe, dass Antidepressiva für Depressive (und Menschen, die unter Angst- und Panikstörungen, Zwangsneurosen, Reizdarmsyndrom, posttraumatischen Belastungsstörungen, Bulimie, Magersucht usw. leiden) genauso unerlässlich sind wie für Kurzsichtige eine Brille, kann ich diese Auffassung nicht länger teilen. Und nach der Lektüre dieses Buches werden vielleicht auch Sie geneigt sein, noch einmal gründlich über Ihre bisherigen Informationen hinsichtlich der Ursachen einer Depression nachzudenken.

Die meisten mentalen Erkrankungen – einschließlich ihrer Verwandten, die damit auf Tuchfühlung gehen, wie die Neigung zu fortwährenden Sorgen, geistige Verwirrung oder Launenhaftigkeit – sind Lebensstilfaktoren und physiologischen Problemen geschuldet, die nicht erkannt wurden und sich auf einer Ebene entwickeln, die weit vom Gehirn entfernt ist, beispielsweise im Darm und in der Schilddrüse. Richtig: Ihr Stimmungstief und das anhaltende Gefühl des Unwohlseins sind möglicherweise auf ein Ungleichgewicht zurückzuführen, das nur indirekt mit den chemischen Vorgängen im Gehirn in Verbindung steht. Fakt ist: Was Sie zum Frühstück zu sich nehmen (denken Sie an Vollkorntoast, frisch gepressten Orangensaft, Milch, Mehrkornmüsli) und wie Sie mit einem hohen Cholesterinspiegel und den Kopfschmerzen am Nachmittag umgehen (vielleicht rücken Sie Ihnen mit Kopfschmerztabletten zu Leibe), könnte durchaus mit den Ursachen und Symptomen Ihrer Depression zusammenhängen. Und falls Sie glauben, eine Pille könnte Sie retten, kurieren oder einen »Defekt beheben«, befinden Sie sich auf dem Holzweg. Da könnten Sie genauso gut Aspirin schlucken, wenn Sie sich einen Nagel eingetreten haben.

Es ist vielfach belegt, dass mehrere Faktoren – beispielsweise tragische Lebensereignisse oder die Folgen hormoneller Veränderungen – Symptome auslösen können, die als Depression bezeichnet (und therapiert) werden, doch niemand hat jemals darauf hingewiesen, dass Antidepressiva die Selbstheilungskräfte des Körpers unwiderruflich schädigen können. Im Gegensatz zu dem, was man Ihnen vielleicht eingeredet hat, wurde in wissenschaftlich fundierten Langzeitstudien wiederholt nachgewiesen, dass Antidepressiva den Verlauf mentaler Erkrankungen verschlechtern – ganz zu schweigen von den Risiken, die sie nach sich ziehen, wie Leberschäden, abnorme Blutungen, Gewichtszunahme, sexuelle Dysfunktion und kognitive Störungen. Das schmutzigste kleine Geheimnis ist die Tatsache, dass Antidepressiva zu den Wirkstoffen gehören, von denen man am schwersten loskommt, schlimmer noch als Alkohol und Opiate. Während Sie von »Entzug« sprechen, bläuen die Pharmariesen den Ärzten ein, die damit einhergehenden kräftezehrenden physischen und psychischen Reaktionen als »Absetzsyndrom« zu verharmlosen.

Im Gegensatz zu den meisten Psychiatern zähle ich nicht zu denjenigen, die einen Zustand als »bleibend« bezeichnen, ein Rezept ausstellen und den Patientinnen »Alles Gute« wünschen – eine Fließbandabfertigung, die in meinem Metier heutzutage Standard ist. Ich fordere sie auch nicht auf, sich auf die Couch zu legen und endlos über ihre Probleme zu reden. Ganz im Gegenteil, meine erste Amtshandlung besteht darin, die medizinische und persönliche Vorgeschichte jeder einzelnen Patientin abzuklären, einschließlich der Belastungen, denen sie seit dem Zeitpunkt der Geburt ausgesetzt war, vom Kontakt mit chemischen Schadstoffen bis hin zu der Frage, ob die Geburt durch den Geburtskanal erfolgte und ob sie gestillt wurde. Ich ordne außerdem Laboruntersuchungen an, um mir einen Eindruck vom biologischen Gesamtbild meiner Patientin zu verschaffen; dabei handelt es sich um nicht invasive diagnostische Verfahren, die von den meisten Psychiatern und Allgemeinmedizinern nicht einmal in Betracht gezogen werden (in diesem Buch erfahren Sie mehr über diese Tests, die Ihnen helfen, Ihren Weg zur Heilung auf Ihre ganz persönliche Situation abzustimmen).

Ich nehme die früheren Erfahrungen meiner Patientinnen zur Kenntnis, richte mein Augenmerk aber in gleichem Maß auf die gegenwärtige Entwicklung, wobei die Aktivitäten auf der Zellebene und die potenzielle Beeinträchtigung (»Dysregulation«) des Immunsystems im Vordergrund stehen. Die medizinische Literatur betont seit mehr als zwanzig Jahren die Rolle, die Entzündungsprozesse bei mentalen Erkrankungen spielen. Ich pflege genau hinzuhören und stelle Fragen zur Lebensweise meiner Patientinnen, ein Einflussfaktor, der in der konventionellen Medizin kleingeredet und vernachlässigt wurde. Ich denke über das ganzheitliche Bild nach, erfrage den Zuckerkonsum und andere Ernährungsgewohnheiten, erörtere das Zusammenspiel zwischen dem Darm und den Mikroorganismen, die ihn besiedeln, den Hormonspiegel, beispielsweise von Schilddrüsenhormonen und Cortisol, genetische Varianten in der DNA, die das Risiko erhöhen, die Depressionssymptome zu entwickeln, aber auch die Überzeugungen meiner Patientinnen in puncto Gesundheit und ihre Vorstellungen hinsichtlich unserer Zusammenarbeit. (Ja, das alles zu ermitteln kann einige Stunden in Anspruch nehmen.)

Alle meine Patientinnen haben ähnliche Ziele: Sie möchten körperlich vital und emotional ausgeglichen sein, was nach meiner Ansicht ein Geburtsrecht jedes Menschen ist – und sich nicht ständig ausgelaugt, unruhig, mental benommen und unfähig fühlen, das Leben zu genießen. Diese Ziele erreichen Sie unter meiner Anleitung mit einfachen Strategien: einer Ernährungsumstellung (mehr gesunde Fette und weniger Zucker, Milchprodukte und Gluten); der Einführung natürlicher Nahrungsergänzungsmittel wie die Vitamine des B-Komplexes und Probiotika, die nicht verschreibungspflichtig und oft sogar in bestimmten Nahrungsmitteln enthalten sind; der weitgehenden Beseitigung von toxischen Substanzen, die in biologische Prozesse eingreifen (damit sind Gift- und Schadstoffe gemeint, die von Menschen produziert werden oder durch menschliche Aktivitäten in die Umwelt gelangen, wie beispielsweise Fluorid in Leitungswasser und Duftstoffe in Kosmetika; Toxine sind dagegen Giftstoffe, die in einem lebenden Organismus auf natürlichem Weg erzeugt werden); genug Schlaf und körperliche Bewegung; und dem Einüben von Verhaltenstechniken, die Entspannungsreaktionen fördern. Diese grundlegenden Lebensstilveränderungen stärken die Selbstheilungsmechanismen des Körpers, was wissenschaftlich hinlänglich belegt ist. Und hierbei handelt es sich nicht um irgendein zweifelhaftes New-Age-Heilsversprechen; ich werde meine Behauptungen und Empfehlungen mit aktuellen, von Experten begutachteten Studien untermauern, die weltweit in den angesehensten Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.

Ich gebe zu, dass ich mich in den vergangenen Jahren mit einem Großteil der konventionellen Medizin bisweilen auf Konfrontationskurs befunden habe. Die Zerstörung, die mit dieser Weltanschauung im Leben vieler meiner Patientinnen angerichtet wurde, hat mich überzeugt, dass die Pharmaindustrie und ihre Verbündeten, die sich hinter den offiziellen Titeln medizinischer Gesellschaften und Fachverbände verbergen, ein schönfärberisches Bild von der Wissenschaft geschaffen und dem Profit einen höheren Stellenwert eingeräumt haben als ihrer beruflichen Verantwortung. Ich werde Ihnen vor Augen führen, dass die Rolle, die Medikamenten bei der Behandlung von Depression und Angststörungen zugesprochen wird, auf einem Mythos beruht. Es ist an der Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen. Wir sollten den Dialog eröffnen und eine Perspektive begrüßen, die gängige Annahmen und Theorien über die Depression radikal infrage stellt. Wenn ich Sie überzeugen kann, gründlich darüber nachzudenken, werden Sie Werbeanzeigen für Antidepressiva nie mehr mit denselben Augen betrachten.

Zugegeben, ich war nicht immer so militant, was meinen inzwischen unerschütterlichen, leidenschaftlichen Glauben an die Wirkung einer ganzheitlichen, nicht medikamentösen Medizin zur Heilung von Körper, Geist und Seele betrifft. Ich habe in vieler Hinsicht das Lager gewechselt, war früher eine eingefleischte allopathische Ärztin. Ich stamme aus einer Familie, in der die konventionelle Medizin als Leitbild galt. Ich habe mich schon immer für die Neurowissenschaften und ihre vielversprechenden Möglichkeiten interessiert, Verhalten und Pathologie zu verstehen; das ist auch der Grund, warum ich mich für die Psychiatrie entschieden habe. Meine innere Feministin war jedoch nicht ganz zufrieden, und deshalb habe ich mich auf die Gesundheit von Frauen spezialisiert. In der Psychiatrie gibt es einen wachsenden Fachbereich, perinatale oder reproduktive Psychiatrie genannt, der sich auf die Risiko-Nutzen-Analyse der Behandlung von Frauen während ihrer fruchtbaren Jahre konzentriert. In dieser Zeitspanne sind Frauen auf einzigartige Weise verletzlich, insbesondere dann, wenn sie die Einnahme von Medikamenten in Betracht ziehen, während sie gleichzeitig eine Schwangerschaft planen oder bereits schwanger sind. Schon bald fühlte ich mich aber durch das medikamentöse und/oder Gesprächstherapie-Modell zur Behandlung von Depressionen eingeengt und begab mich auf die Suche nach besseren Optionen für Frauen, nicht nur während der reproduktiven Jahre, sondern während des gesamten Lebenszyklus.

Je weiter ich mich dabei von der konventionellen Psychiatrie entfernte, desto häufiger stellte ich mir Fragen, die nur wenige meiner Kollegen anschnitten, vor allem nach dem Warum. Warum waren bei so vielen Frauen physische und mentale Funktionen gestört? Sind wir genetisch vorbelastet? Warum hat sich unsere Gesundheit im Verlauf des letzten Jahrhunderts erheblich verschlechtert, obwohl sich unsere DNA – dieselben Träger der Erbinformationen seit Millionen von Jahren – nicht verändert hat? Oder verstehen sich Ärzte inzwischen nur besser darauf, Symptome, die durch das Raster fallen, dem Diagnose-Abfalleimer mit der Aufschrift »Depression« zuzuordnen?

Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Fragen, die in diesem Buch angesprochen werden. Die Antworten ebnen den Weg zu einer revolutionären neuen Einstellung, die Sie befähigt, sich eigenverantwortlich um Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu kümmern!

Ich habe auf diesem Gebiet sensationelle Kehrtwenden miterlebt. Beispielsweise bei einer 56-jährigen Frau, die in meine Praxis kam und über Energiemangel, tief greifende Schmerzen, trockene Haut, Verstopfung, Gewichtszunahme und Vergesslichkeit klagte. Sie nahm ein Antidepressivum und Statine zur Cholesterinsenkung, fühlte sich damit aber zunehmend schlechter statt besser und suchte verzweifelt nach einer Lösung ihrer Gesundheitsprobleme. Binnen weniger Monate konnte sie alle Medikamente absetzen, der Cholesterinspiegel hatte optimale Werte erreicht, und ihre »Depression« war verschwunden. Ein weiteres Beispiel war eine 32-jährige Patientin, die unter PMS (prämenstruelles Syndrom) gelitten und daher die Antibabypille genommen hatte, bis sie versuchte, schwanger zu werden. Als sie zu mir kam, nahm sie ein Antidepressivum gegen ihre Niedergeschlagenheit und Erschöpfung, woraufhin ihr Kinderwunsch zwei Jahre lang unerfüllt blieb. Was danach folgte, war kein Wunder, sondern etwas, was ich in meiner Praxis immer wieder erlebe. Mit einer einfachen Ernährungsumstellung und anderen Strategien, die eine Veränderung ihrer Lebensweise beinhalteten – die gleichen, die in diesem Buch beschrieben werden –, konnte sie bald auf Medikamente verzichten und wurde schwanger. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie frei von Symptomen.

Sie werden in diesem Buch vielen Frauen begegnen, deren Geschichte für sich selbst spricht; sie stehen stellvertretend für Millionen andere, die unnötigerweise unter lebensbeeinträchtigenden Depressionen leiden. Ich bin sicher, dass Sie sich mit der einen oder anderen identifizieren können. Ganz gleich, ob Sie derzeit Antidepressiva nehmen oder nicht, dieses Buch enthält wichtige Informationen für jede Frau, die feststellt, dass ihr die Lebensfreude abhandengekommen ist, die sie verdient hätte. Zu mir kommen viele Patientinnen, die schon »alles ausprobiert« und die besten Ärzte weit und breit aufgesucht haben. Tatsächlich befinden sich darunter auch etliche Ärzte und Psychiater.

Viele Frauen haben erklärt, dass sie mir den Anstoß zu einer grundlegenden, heilsamen Veränderung ihrer Lebensweise verdanken. Die Macht der Lebensstilmedizin, die einen Wandel herbeizuführen vermag, der größer ist als die Summe seiner einzelnen Teile – nachhaltigere, kühne Veränderungen in unserer Beziehung zum Leben, zur Spiritualität, zu unserer Umwelt, ja sogar zu den Experten im Gesundheitswesen –, hat mich zutiefst überzeugt und bewogen, mich als Botschafterin einer neuen Auffassung von Gesundheit und Wohlbefinden zu betrachten. Die jeweilige Leidensgeschichte ist die treibende Kraft hinter der neuen Lebensweise, sie kann ein Weg sein, sich wie Phönix aus der Asche zu erheben, wagemutiger und stärker als je zuvor. Auf diese innere Stärke und Widerstandskraft können Sie jederzeit zugreifen, sie begleitet Sie auf Schritt und Tritt.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Teil 1 »Die Wahrheit über die Depression« nimmt Sie mit auf eine Besichtigungstour, bei der wir die Freunde und Feinde der mentalen Gesundheit unter die Lupe nehmen, von der täglichen Ernährung bis zu weit verbreiteten Medikamenten, die mit und ohne Rezept erhältlich sind. Sie werden sehen, warum Sie bald mehr gesättigte Fettsäuren und HDL-Cholesterin (das gute) zu sich nehmen und Ihre Einkaufsgewohnheiten im Supermarkt und in der Drogerie ändern. Danach erfahren Sie, gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse, verblüffende Einzelheiten über die enge Beziehung zwischen der Gesundheit des Darms und der mentalen Gesundheit. Beides steht in Zusammenhang mit Entzündungen, einem Schlagwort, das zwar in aller Munde ist, aber nicht wirklich verstanden wird, vor allem, wenn es um die Rolle geht, die Entzündungsprozesse bei einer Depression spielen. Ich werde beweisen, dass die Depression oft das Ergebnis einer chronischen Entzündung ist – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und ich werde die grundlegenden Aufgaben des Immunsystems schildern, Drahtzieher hinter den Kulissen, der alle Fäden der mentalen Gesundheit in der Hand hält.

Der erste Teil des Buches enthält einen Überblick über aktuelle Forschungsprojekte, die sich mit der Frage befassen, wie wir durch alltägliche Entscheidungen bezüglich unserer Ernährung und Aktivitäten unser genetisches Schicksal – das heißt die Art, wie unsere genetischen Informationen in Erscheinung treten, auch diejenigen, die unmittelbar mit unserer Stimmungslage in Zusammenhang stehen – auf dramatische Weise verändern können. Das Ziel besteht darin, Sie auf das Selbsthilfeprogramm im zweiten Teil des Buches vorzubereiten, in dem es um einen natürlichen, ganzheitlichen Weg zu Gesundheit und Wohlbefinden geht. Dort führe ich Sie durch die einzelnen Schritte des Programms, das auf Frauen ausgerichtet ist, die keine Medikamente nehmen möchten oder vielleicht davon träumen, sie absetzen zu können. Dazu gehört auch ein Vier-Wochen-Plan mit Menüvorschlägen und Strategien, um die neuen Lebensgewohnheiten in Ihren Alltag zu integrieren.

Unterstützung und fortwährende Updates finden Sie auf meiner Website www.kellybroganmd.com. Dort können Sie auch meinen Blog lesen, Lehrvideos anschauen, aktuelle Studien einsehen und weiteres Material herunterladen, um die Informationen in diesem Buch zu vertiefen und auf Ihre persönlichen Präferenzen abzustimmen.

Wenn Sie die Empfehlungen in meinem Buch beachten, ist die mentale Stabilität nur eine von vielen Belohnungen, mit denen Sie rechnen können. Zu den »Nebenwirkungen« meines Programms, die meine Patientinnen auflisten, gehören auch das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben und den eigenen Körper, einschließlich einer problemlosen Steuerung des Gewichts, mehr Energie und die unerschütterliche Fähigkeit, mit Stress umzugehen. Ergebnisse, die jeder erzielen möchte, oder? Es ist an der Zeit, Ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen.

Packen wir’s an.

Erster Teil

Die Wahrheit über die Depression

1. Den Code knacken

Eine Depression ist keine psychiatrische Erkrankung: Was Sie nicht über Depressionen und ihre erkennbaren Symptome wissen

Depressionen können auf Ungleichgewichte im Körper und nicht auf chemische Ungleichgewichte im Gehirn zurückzuführen sein.

Wenn ich vor einem großen Publikum über Medizin und mentale Gesundheit spreche, beginne ich oft mit einem Szenario, um die Fakten verständlicher zu machen: Stellen Sie sich eine Frau aus Ihrem Bekanntenkreis vor, die rundum gesund ist. Ihre Intuition sagt Ihnen vermutlich, dass sie gesunde Schlaf- und Essgewohnheiten hat, ihr Leben als sinnvoll empfindet, körperlich aktiv und geistig fit ist und bei aller Geschäftigkeit noch die Zeit findet, sich zu entspannen und die Gesellschaft anderer Menschen zu genießen. Sie würden vermutlich nicht auf die Idee kommen, sie könnte morgens nach dem Aufwachen als Erstes zu den verordneten Medikamenten greifen, um in die Gänge zu kommen, den Tag nur mithilfe von Kaffee und Zucker überstehen, sich ständig Sorgen machen, sich isoliert fühlen und jeden Abend Alkohol trinken, um einschlafen zu können.

Jeder Mensch hat ein intuitives Gespür dafür, was Gesundheit bedeutet, aber viele von uns haben die Landkarte verloren, die uns den Weg zu optimaler Gesundheit weist und geradezu ins Auge springt, wenn wir ihr diesen Weg ebnen. Doch immer mehr Frauen (jede vierte Amerikanerin und etwa acht Prozent der Europäer) in der Blüte ihres Lebens nehmen verschreibungspflichtige Medikamente gegen mentale Probleme, eine Tatsache, hinter der sich eine Krise von landesweiten Ausmaßen verbirgt.1

Menschen haben seit jeher bewusstseinsverändernde Substanzen benutzt, um Schmerzen, Sorgen, Kummer und Leid zu lindern und zeitweilig zu vergessen. Leid gab es seit Anbeginn der Zeiten, aber erst in den letzten Jahrzehnten hat man uns eingeredet, die Depression sei eine Krankheit, die im Kopf entsteht, und chemische Antidepressiva das Heilmittel. Diese Auffassung ist meilenweit von der Wahrheit entfernt. Viele meiner Patientinnen haben einen Arzt nach dem anderen aufgesucht, um Hilfe zu finden, und sind dabei immer wieder gegen die unverrückbaren Stützpfeiler der konventionellen Medizin geprallt. Manche haben es sogar mit der integrativen Medizin versucht, die darauf abzielt, herkömmliche Behandlungsmethoden (zum Beispiel verschreibungspflichtige Medikamente) mit alternativen Therapien (zum Beispiel Akupunktur) zu kombinieren. Am Ende hat man ihnen eröffnet, dass es hervorragende natürliche Alternativen zu den pharmazeutischen Produkten gibt, die imstande sind, ähnliche Wunder zu vollbringen. Doch wie sich herausstellte, war auch das keine Lösung, und der Grund dafür ist, dass niemand nach dem Warum fragt. Warum geht es den Frauen schlecht? Warum erzeugt ihr Körper Symptome, die sich als Depression manifestieren? Warum hat niemand innegehalten und diese wichtige, naheliegende Frage gestellt, sobald sich Stimmungstiefs, Angstzustände, Schlafstörungen und chronische Erschöpfung das erste Mal bemerkbar machten?

Bevor ich zu den Antworten komme, möchte ich Ihnen zunächst sagen, dass der einzige Weg zu einer echten, tragfähigen Lösung erfordert, die medizinische Welt, die Sie kennen, hinter sich zu lassen. Bei diesem Weg, auf den ich Sie mitnehmen möchte, geht es aber nicht darum, Symptome zu unterdrücken, sondern um die Freiheit, die eigene Gesundheit selbstverantwortlich in die Hand zu nehmen. Ich war früher eine Ärztin nach klassischem Muster und darüber hinaus natürlich auch eine typische Amerikanerin, die Pizza, Limonade, Geburtskontrolle und Ibuprofen für die besten Erfindungen seit Menschengedenken hielt. Doch ich habe einen grundlegenden Wandel durchlaufen: Die Botschaft, die ich Ihnen nahebringen möchte, leitet sich aus meinem persönlichen Weg sowie intensiven Recherchen ab; meine Entdeckungen zwingen mich, die Wahrheit über ein Gesundheitssystem zu offenbaren, das sich nahezu ausschließlich auf verschreibungspflichtige Medikamente stützt und damit versucht, uns für dumm zu verkaufen.

Meine gesamte medizinische Ausbildung basiert auf einem Modell der Gesundheitsvorsorge, das Patienten eine einzige Problemlösung anbietet – ein Medikament –, aber nicht die Spur eines echten Wohlbefindens. Wir haben unsere Gesundheit in die Hände derer gelegt, die ein gewinnträchtiges Geschäft darin sehen, und ihnen Argumente abgekauft, die auf folgenden Vorstellungen basieren:

~
Mit uns stimmt etwas nicht – wir haben einen Defekt.
~
Angst ist eine angemessene Reaktion auf Symptome.
~
Wir brauchen die Segnungen der Schulmedizin, um uns besser zu fühlen.
~
Ärzte sind Experten, die genau wissen, was sie tun.
~
Der Körper ist eine Maschine, die neu justiert werden muss (mittels Arzneimitteln). Von diesem ist eine Spur zu viel, von jenem ist eine Spur zu wenig vorhanden.

Diese kollektiven Vorstellungen bezeichne ich als medizinische Trugbilder der westlichen Welt. Sie schaffen einen Teufelskreis, der uns in einen lebenslangen Kundenstatus drängt, abhängig und entmachtet.

Wie Sie vermutlich schon gemerkt haben, ziehe ich für meine Überzeugungen zu Felde. Aber ich bin mit den besten Waffen gerüstet, die Forschung und Wissenschaft zu bieten haben, denn heute wissen wir eine Menge über die wahren, grundlegenden Ursachen der Depression – und wie man sie sicher und erfolgreich behandelt, ohne Rezeptblock. Auf eine Lektion möchte ich besonders hinweisen: Legen Sie zuallererst Ihre Angst ab, neue Wege zu gehen, lassen Sie sich wieder von Ihrem inneren Kompass leiten und verpflichten Sie sich, Ihrem besten Selbst zum Durchbruch zu verhelfen, und zwar ohne Medikamente. Auch wenn Sie noch keine verschreibungspflichtigen Medikamente nehmen, bezweifeln Sie vielleicht, dass Sie für den Rest Ihres Lebens ohne auskommen können und sich nur auf Ihre Intuition verlassen sollten, auf Ihre innere Stimme, die weiß, was gut für Sie ist. Der Gedanke, die angeborene Intelligenz Ihres Körpers zu unterstützen, mag bestenfalls bizarr und schlimmstenfalls wie eine gefährliche Werbung für die New-Age-Bewegung anmuten. Doch ich möchte Sie bitten, sich von nun an auf neue Vorstellungen von Gesundheit und Wohlbefinden einzulassen, nämlich:

~
Prävention ist möglich.
~
Medikamentöse Behandlungen fordern einen hohen Tribut.
~
Medikamente sind kein Weg zu optimaler Gesundheit.
~
Sie sind für Ihre Gesundheit selbst verantwortlich.
~
Die Lebensstilmedizin – die Einführung einfacher Gewohnheiten in Ihren Alltag, die keine Medikamente erfordern – ist eine ebenso gesundheitszuträgliche wie wirksame Methode, um dem Körper ein Gefühl der Sicherheit zu signalisieren.

Was hat es mit diesen Behauptungen auf sich, und was ist mit Lebensstilmedizin gemeint? Die Antwort auf diese und ähnliche Fragen finden Sie in diesem Buch, untermauert mit wissenschaftlich fundierten Beweisen, um auch die Zweifler zu überzeugen. Wenn ich mit einer Patientin und ihrer Familie spreche, erörtern wir die Möglichkeiten, sich von Angststörungen, Depressionen, Manie und sogar Psychosen zu befreien. Wir klären die Vorgeschichte ab, die zeigt, wie sie an den Punkt gelangt ist, an dem sie sich gerade befindet, und ermitteln die Auslöser der Symptome, die sich häufig einer oder mehreren der folgenden Kategorien zuordnen lassen: Lebensmittelintoleranz oder Überempfindlichkeit, Blutzuckerungleichgewicht, Kontakt mit Chemikalien, Schilddrüsenfehlfunktion und Nährstoffmangel. Ich gehe eine Partnerschaft mit meiner Patientin ein und kann bereits innerhalb eines Monats eine dramatische Besserung der Symptome feststellen. Diese Fortschritte werden durch einfache Veränderungen von Gewohnheiten erzielt, die ihren Alltag bestimmen, angefangen bei der Ernährung. Meine Patientinnen erhöhen die Nährstoffdichte, klammern entzündungsfördernde Lebensmittel aus, achten auf einen ausgewogenen Blutzuckerspiegel und lernen, traditionellen Nahrungsmitteln in ihrem naturbelassenen Zustand einen höheren Stellenwert einzuräumen. Das ist das wirkungsvollste Instrument, um den Stein ins Rollen zu bringen, denn Nahrung ist nicht nur Treibstoff für den Körper, sondern ein Informationsträger, der ihn buchstäblich in Form bringt, und das damit einhergehende Heilungspotenzial empfinde ich als ein Wunder, das sich jeden Tag aufs Neue vollzieht.

Kompromissloses Wohlbefinden zu erreichen bedeutet, dem Körper die richtigen Informationen zukommen zu lassen und ihn vor aggressiven Übergriffen zu schützen. Dabei geht es nicht nur um die mentale Gesundheit, die eine Manifestation aller physischen Erfahrungen ist und auch die Einschätzung des Geistes hinsichtlich der eigenen psychischen Sicherheit und Stärke beinhaltet. Es geht auch um die Erkenntnis, dass Symptome lediglich die Spitze eines riesigen Eisbergs mit all seinen Ecken und Kanten darstellen, die unter der Oberfläche lauern.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass keines dieser Konzepte an Substanzen im Gehirn anknüpft, an denen ein »Mangel« herrschen könnte. Wenn Sie den Begriff Depression jetzt definieren müssten, würden Sie vermutlich wie die Experten von »affektiver Störung« oder »mentaler Erkrankung« sprechen, ausgelöst durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn, das sich mit Medikamenten wie Prozac (Fluoxetin) oder Zoloft beheben lässt, um die Botenstoffe im Gehirn anzukurbeln, die für eine positive Stimmung zuständig sind. Doch damit befänden Sie sich auf dem Holzweg.

Bei vielen Patienten, die heute in die Psychopharmaka-Mühle geschleust werden, sind Überdiagnosen, Fehldiagnosen oder Fehlbehandlungen an der Tagesordnung. In Wirklichkeit leiden sie unter »Brain Fog«, einem »Gehirnnebel«, der infolge von Stoffwechselveränderungen, Schlafstörungen, innerer Erregung und Angstzuständen auftritt, und zwar aus Gründen, die nur entfernt mit den chemischen Prozessen im Gehirn zusammenhängen. Alle weisen Symptome auf, die in der Werbung für Cymbalta erwähnt werden, die ihnen empfiehlt, mit ihrem Arzt zu sprechen, um zu sehen, ob dieses Antidepressivum nicht genau das Richtige für sie sein könnte. Doch damit erreicht man in etwa das Gleiche, als würde man ein Pflaster über einen Splitter kleben, der tief in der Haut steckt, sich weiter entzündet und schmerzt. Man verpasst die Chance, den Splitter zu entfernen und das Problem an der Wurzel anzupacken. Dieses Beispiel ist typisch für die gravierenden Fehler der konventionellen Medizin, die von der Pharmaindustrie nur allzu bereitwillig bestärkt werden.

In der ganzheitlichen Medizin gibt es keine Fachgebiete. Alle Bereiche sind miteinander verknüpft. Hier ein klassisches Beispiel: Eva nahm seit zwei Jahren Antidepressiva, plante sie aber abzusetzen, weil sie schwanger werden wollte. Ihr Arzt riet ihr, sie unbedingt weiter zu nehmen, und so kam sie völlig verunsichert zu mir in die Praxis. Ihre Leidensgeschichte hatte mit dem Prämenstruellen Syndrom (PMS) begonnen, das sich in der Woche unmittelbar vor ihrer Periode bemerkbar machte, in der sie zu erhöhter Reizbarkeit neigte und nahe am Wasser gebaut hatte. Ihr Doktor verschrieb ihr die Antibabypille (eine weit verbreitete Behandlungsstrategie), und es dauerte nicht lange, bis sich Evas Zustand zunehmend verschlechterte, gekennzeichnet von Schlafstörungen, Erschöpfung, vermindertem Lustempfinden und generell trüber Stimmung – Symptome, die nun den ganzen Monat anhielten. Deshalb verordnete ihr der Arzt zusätzlich Wellbutrin, als »Stimmungsaufheller« zur Behandlung ihrer vermeintlichen Depressionen. Aus Evas Sicht trug das Antidepressivum zur Erhöhung ihres Energiespiegels bei, hatte aber keine merklichen Auswirkungen auf ihre Stimmung und Libido. Und wenn sie es nach Mitternacht nahm, verschlimmerten sich die Schlafstörungen. Sie war bald daran gewöhnt, sich zwar stabil, aber alles andere als optimal zu fühlen, sie war allerdings überzeugt, dass ihr die Medikamente halfen, sich über Wasser zu halten und ihren Alltag überhaupt zu bewältigen.

Die gute Nachricht ist, dass Eva mithilfe einer sorgfältigen Vorbereitung die Medikamente weglassen und ihre Energie, ihr inneres Gleichgewicht und die emotionale Kontrolle wiederherstellen konnte. Der erste Schritt dazu war, grundlegende Veränderungen in ihren Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten und bessere Strategien zur Stressbewältigung einzuführen. Der zweite Schritt bestand darin, die Antibabypille abzusetzen und den Hormonspiegel testen zu lassen. Unmittelbar vor ihrer Periode waren die Cortisol- und Progesteron-Werte niedrig, wahrscheinlich die grundlegende Ursache für das Prämenstruelle Syndrom, mit dem das gesamte Problem begann. Weitere Tests ergaben eine grenzwertige Schilddrüsenunterfunktion, möglicherweise das Ergebnis der oralen Verhütungsmittel und der Ausgangspunkt für die verstärkt auftretenden depressiven Symptome.

Das Ausschleichen der Medikamente geschah unter meiner Anleitung, als der Zeitpunkt für Eva gekommen war. Selbst in der Zeit, als sich Körper und Gehirn daran gewöhnen mussten, ohne das im System zirkulierende Antidepressivum auszukommen, verbesserten sich Energiespiegel, Schlafstörungen und Angstzustände. Innerhalb eines Jahres war sie gesund, nahm keine Medikamente mehr, fühlte sich rundum gut – und wurde schwanger.

Ich bitte Sie, genau wie meine Patientinnen, Ihre Entscheidungen und Ihr Konsumverhalten bezüglich Ihrer Gesundheit noch einmal gründlich zu überdenken und einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich habe dieses Buch nicht zuletzt deshalb geschrieben, um Ihnen eine neue Sichtweise zu vermitteln, die dazu beiträgt, jede Erfahrung auf diesem Gebiet aufmerksam und kritisch zu überprüfen. Damit es meinen Patientinnen gut geht, müssen sie sich innerlich verpflichten, ihre physische und psychische Gesundheit aufrichtig und selbstbestimmt in die eigenen Hände zu nehmen. Ich selbst habe nicht die Absicht, jemals wieder zu einer Lebensweise zurückzukehren, die pharmazeutische Produkte einschließt, welcher Art und unter welchen Umständen auch immer.

Warum?

Weil der Körper einem fein gesponnenen Spinnengewebe gleicht – greifen wir in einen Bereich ein, gerät das gesamte Netz aus den Fugen. Und weil es mehr als einen Weg gibt, der zur Heilung führt.

Die Lösung des Problems ist ebenso einfach wie revolutionär.

Vielleicht sind Sie ein Mensch, der sich für konfliktscheu hält – jemand, der auf Harmonie bedacht ist und lieber den Ratschlägen anderer folgt. Doch um in unserer heutigen Welt gesund zu bleiben, müssen Sie Selbstvertrauen entwickeln und pflegen. Und das gelingt Ihnen nur, wenn Sie damit beginnen, Ihre Sichtweise grundlegend zu ändern. Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und machen Sie sich klar, dass die Medizin nicht das ist, was sie zu sein scheint. Medikamentöse Therapien machen krank. Ich wage sogar zu behaupten, dass Krankenhausbehandlungen krank machen; obwohl sich die Schätzwerte unterscheiden, kosten vermeidbare ärztliche Fehler einige Zehntausend, wenn nicht gar hunderttausend Patienten jährlich das Leben, zurückzuführen auf Fehldiagnosen, Fehlmedikationen, Fehler bei operativen Eingriffen, Krankenhauskeime oder Fehler bei der Verabreichung von Infusionen.2 Die Cochrane Collaboration, ein in London ansässiges Netzwerk, dem über 31 000 Wissenschaftler aus mehr als 140 Ländern angehören, führt die weltweit gründlichsten unabhängigen Analysen zur Erforschung des Gesundheitswesens durch. Gestützt auf Daten des British Medical Journal, des Journal of the American Medical Association und der Centers for Disease Control, die sich mit Krankheitskontrolle und Prävention befassen, stellte man dort fest, dass verschreibungspflichtige Medikamente an dritter Stelle der häufigsten Todesursachen stehen, hinter Herz- und Krebserkrankungen.3 Und was psychotrope Substanzen angeht, so fallen die Schlussfolgerungen der Cochrane Collaboration zwingend unangenehm aus. Mit den Worten des Gründers Dr. Peter Gotzsche: »Unsere Bürger wären erheblich besser beraten, wenn wir alle psychotropen Substanzen vom Markt nähmen, da die Ärzte unfähig sind, damit umzugehen. Es ist unvermeidbar, dass ihre leichte Verfügbarkeit mehr Schaden anrichtet als Gutes bewirkt.«4

Im Allgemeinen führen Ärzte nichts Böses im Schilde. Sie sind intelligent, arbeiten hart und investieren Geld, Herzblut, Schweiß und Tränen in ihre berufliche Ausbildung. Aber woher beziehen sie ihre Informationen? Wem lernen sie zu vertrauen? Haben Sie sich je gefragt, wer hinter der Bühne die Fäden zieht? Einige Mitglieder der medizinischen Gemeinschaft haben den Mut aufgebracht, Klartext zu reden und die Tatsache offenzulegen, dass unsere theoretische und praktische Ausbildung weitgehend erkauft wurde.

»Bedauerlicherweise kristallisiert sich beim Abwägen der Vor- und Nachteile die unbequeme Wahrheit heraus, dass die meisten Medikamente bei den meisten Patienten nicht anschlagen.«5 Bevor ich diese Feststellung in einem Bericht aus dem Jahr 2013 in der renommierten Fachzeitschrift British Medical Journal las, hatte ich bereits begonnen, Behauptungen auf den Grund zu gehen, dass es nur wenig gibt, was für die Wirksamkeit medikamentöser Behandlungen und medizinischer Interventionen spricht; das gilt vor allem in der Psychiatrie, wo unter Verschluss gehaltene Daten und von der Industrie finanzierte, von Auftragsschreibern verfasste Publikationen die Wahrheit kaschieren.

Eine andere 2013 veröffentlichte Studie in der gleichermaßen angesehenen Fachzeitschrift Mayo Clinic Proceedings bestätigte, dass sage und schreibe 40 Prozent aller derzeit gängigen medizinischen Verfahren ausgemustert werden sollten.6 Leider dauert es im Schnitt siebzehn Jahre, bis die Daten, die eine Unwirksamkeit und/oder Gefahrensignale aufzeigen, im Alltag der praktischen Ärzte ankommen; dieses Zeitverschiebungsproblem hat zur Folge, dass der medizinische Standard im Gesundheitswesen vorerst nur in der Theorie, nicht aber in der Praxis verankert wird.7

Dr. Richard Horton, Chefredakteur der prestigeträchtigen medizinischen Fachzeitschrift Lancet, hat die Mauer des Schweigens durchbrochen und unmissverständlich erklärt, was er tatsächlich von den veröffentlichten Forschungsergebnissen hält – dass sie nämlich bestenfalls unglaubwürdig und schlimmstenfalls völlig falsch sind. In einem 2015 veröffentlichten Artikel schrieb er: »Was gegen die Wissenschaft spricht, ist einfach gesagt: ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur, vielleicht die Hälfte, könnte schlicht auf Falschaussagen beruhen. Belastet von Studien mit zu kleinem Stichprobenumfang, unmerklichen Wirkungen, ungültigen explorativen Datenanalysen, eklatanten Interessenkonflikten und der zwanghaften Neigung, angesagten Trends von zweifelhafter Bedeutung zu folgen, hat die Wissenschaft eine Wende genommen, die nicht Licht, sondern Dunkelheit anstrebt.«8

2011 gab das British Medical Journal eine allgemeine Analyse von rund 2500 weit verbreiteten medizinischen Behandlungsmethoden in Auftrag. Sie zielte darauf ab, festzustellen, welche dieser Methoden durch ausreichende, verlässliche Belege gestützt waren.9 Hier die Ergebnisse:

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13 Prozent hatten eine positive Wirkung.
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23 Prozent hatten wahrscheinlich eine positive Wirkung.
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8 Prozent hatten wahrscheinlich eine genauso negative wie positive Wirkung.
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6 Prozent hatten wahrscheinlich keinerlei positive Wirkung.
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4 Prozent hatten wahrscheinlich eine negative oder gar keine Wirkung.

Bei allen anderen Behandlungen, die mit 46 Prozent die größte Kategorie darstellten, war die Wirksamkeit letztendlich nicht bekannt. Einfacher ausgedrückt: Wenn Sie einen Arzt konsultieren oder ins Krankenhaus eingewiesen werden, stehen die Chancen auf eine Behandlung, die nachgewiesenermaßen eine positive oder wahrscheinlich positive Wirkung hat, bei gerade mal 36 Prozent. Solche Ergebnisse haben verblüffende Ähnlichkeit mit den Schlussfolgerungen von Dr. Brian Berman, der sich mit den Therapie-Analysen der Cochrane-Forschungsgruppe befasste: Er stellte fest, dass 38 Prozent der konventionellen medizinischen Behandlungen eine positive und 62 Prozent eine negative oder »keine nachweisliche Wirkung« hatten.10

Gibt es Ausnahmen? Ich behaupte, nein. Das liegt daran, dass der gesamte pharmazeutische Ansatz auf Informationen beruht, die in die falsche Richtung weisen. Pharmazeutische Produkte, wie wir sie kennen, wurden nicht mit den relevanten Prinzipien der modernen Wissenschaft im Hinterkopf entwickelt: Die Komplexität und Macht aller Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln, die Schadstoffbelastung, wie gering auch immer, Autoimmunerkrankungen als Anzeichen einer umweltbedingten Überstimulation und die grundlegende Bedeutung der individuellen Biochemie wurden dabei nicht berücksichtigt. Da sich die Medizin an den längst veralteten Grundsatz von einem Gen, einer Krankheit und einer Pille klammert, wird die Wirksamkeit ihrer Behandlungsmethoden durch eine rosarote Brille betrachtet, und ihre Sicherheit lässt sich weder genau einschätzen noch mit den einzelnen Patienten im Gespräch abklären.