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Für meine Mutter und meinen Vater

Für Mia, Henry & Bridie

 

 

Übersetzung aus dem Englischen von Stefan Rohmig

 

 

ISBN 978-3-492-97428-8

August 2016

© Lesley-Ann Jones 2011

Deutschsprachige Ausgabe:

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

Die Originalausgabe erschien 2011 in Großbritannien unter dem Titel »Freddie Mercury: The Definitive Biography« bei Hodder & Stoughton Ltd, einer Hachette UK company.

The right of Lesley-Ann Jones to be identified as the Author of the Work has been asserted by her in accordance with the Copyright, Designs and Patents Act 1988.

Litho: Lorenz & Zeller, Inning am Ammersee

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Covermotiv: Peter Hince

Datenkonvertierung: Tobias Wantzen, Bremen

 

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Inhalt

 

Einleitung    Montreux

 

KAPITEL 01    Live Aid

KAPITEL 02    Sansibar

KAPITEL 03    Panchgani

KAPITEL 04    London

KAPITEL 05    Queen

KAPITEL 06    Frontmann

 

Bildteil 1

 

KAPITEL 07    Mary

KAPITEL 08    Trident

KAPITEL 09    EMI

KAPITEL 10    Dudes

KAPITEL 11    Rhapsody

KAPITEL 12    Ruhm

 

Bildteil 2

 

KAPITEL 13    Champions

KAPITEL 14    München

KAPITEL 15    Phoebe

KAPITEL 16    Südamerika

KAPITEL 17    Barbara

KAPITEL 18    Jim

 

Bildteil 3

 

KAPITEL 19    Break Free

KAPITEL 20    Live

KAPITEL 21    Budapest

KAPITEL 22    Garden Lodge

KAPITEL 23    Barcelona

KAPITEL 24    For the Road

 

Bildteil 4

 

KAPITEL 25    Legende

 

Danksagung

 

 

Anhang

Zeittafel

Diskografie

Bibliografie (Auswahl)

Einleitung

Montreux

Wir haben damals nicht immer gleich alles aufgeschrieben. Wie man es als Journalist zu jener Zeit eben tat, haben wir uns das Wichtigste zu merken versucht, uns dann entschuldigt und sind auf die Toilette verschwunden, wo wir alles in unser Notizbuch kritzelten, bevor der Alkohol seine Wirkung zeigte. Klar hatten wir auch Aufnahmegeräte, aber die konnten wir nicht benutzen. Das wäre tödlich für die Konversation gewesen, besonders wenn man sich an einem, sagen wir mal, kompromittierenden Ort befand. Wo es nicht cool war zuzugeben, dass man von der Zeitung war.

Wir – ein paar Schreiber und ein Fotograf – hatten uns von dem Medienzirkus abgesetzt, der ein Stück weit die Straße hinauf im Konferenzzentrum tobte, und hatten uns auf ein Bier in den einzigen englischen Pub auf der Flaniermeile von Montreux zurückgezogen. Es war ein gemütlicher kleiner Laden, das White Horse oder Blanc Gigi, wie wir es nannten. Freddie war auch dort in jener Nacht, mit ein paar Freunden in hautengen Hosen, es könnten Schweizer oder Franzosen gewesen sein. Dieser typisch englische Pub war einer seiner liebsten Zufluchtsorte, ich denke, wir wussten das damals. Freddie brauchte keinen Leibwächter, er brauchte Zigaretten. Der neue Typ vom Express war Kettenraucher, er hatte immer vier Päckchen dabei. Die Nächte waren lang für junge Showbiz-Reporter. Wir waren gut vorbereitet.

Freddie traf ich nicht zum ersten Mal. Wir waren uns schon vorher mehrmals begegnet. Ich war Rock-Fan seit meiner Kindheit – Bowie lernte ich mit elf kennen, und Hendrix starb 1970 an meinem Geburtstag (das musste doch ein »Zeichen« sein, was sonst?). Die aufregend vielschichtige Musik von Queen brachten mir die Schwestern Jan und Maureen Day aus Aldershot näher, in dem Sommer, als ich von der Schule abging. Wir saßen in einem klapprigen Bus auf dem Weg nach Barcelona und zu den Stränden der Costa Brava. Jeder hatte damals eine Gitarre bei sich und ein Plektrum, das einmal George Harrison gehört hatte. Aber ich konnte meine Finger noch so sehr verbiegen, es wollte mir nicht gelingen, das Instrument zum Weinen zu bringen.

Ich hatte nicht das Zeug dazu, eine Chrissie Hynde oder eine Joan Jett zu werden, stattdessen arbeitete ich von den frühen Achtzigern bis 1992 als Rock- und Pop-Reporterin für die Daily Mail, die Mail on Sunday, deren Beilage, das You-Magazin, und die Sun. Ich war Frischling bei Associated Newspapers, als ich Queen zum ersten Mal begegnete. 1984 schickte man mich zum Interview mit Freddie und Brian ins Queen-Büro im Stadtteil Notting Hill, was den Beginn einer etwas einseitigen Freundschaft markierte: Sie riefen, und du standest auf der Matte. Die darauffolgenden Jahre kommen mir heutzutage irgendwie unwirklich vor. Im Musikgeschäft ging es damals noch wesentlich unkomplizierter zu. Künstler und Journalisten saßen häufig im selben Flugzeug, in denselben Luxuslimousinen, stiegen in denselben Hotels ab und ließen gemeinsam die Sau raus.

Nur sehr wenige dieser Freundschaften haben jene Zeit überlebt.

Heute geht es völlig anders zu. Es gibt zu viele Manager, Agenten, Promoter, Presseabteilungen, Plattenfirmentypen und Gefolgsleute, und alle kriegen sie ihre Prozente. Und wenn nicht, dann tun sie wenigstens so. Es liegt in ihrem Interesse, dafür zu sorgen, dass Leute wie ich hinter der Absperrung bleiben. Damals haben wir uns überall Zugang verschafft – mit oder ohne Access-all-Areas-Pass. Manchmal versteckten wir den Pass auch, weil es ohne mehr Spaß machte, sich irgendwo durchzuwursteln.

Im Jahr zuvor hatte ich Queen bei Live Aid im Wembley-Stadion vom Bühnenrand aus zusehen können – heute dürfte ich da nicht mehr hin – und wurde 1986 zu einigen Konzerten der »Magic«-Tour eingeladen. In Budapest nahm ich an einem Privatempfang zu Ehren der Band in der britischen Botschaft teil, und ich war Zeuge ihres historischen Auftritts hinter dem Eisernen Vorhang in Ungarn – für mich eines ihrer größten Konzerte. Ich habe damals ziemlich gut da reingepasst: eine schlanke, sommersprossige Mittzwanzigerin, die Rock ’n’ Roll liebte, eine unter vielen.

Was mich immer wieder überraschte, war, wie viel schmächtiger Freddie war, als er auf der Bühne wirkte. Vielleicht lag es an seinen Ernährungsgewohnheiten, bei denen Nikotin, Wodka, Wein und Kokain eine große Rolle spielten, vielleicht daran, dass er wenig aß und als Performer immer so aufgedreht sein musste. Dort oben schien er so überlebensgroß, dass man ihn sich auch im wirklichen Leben so vorstellte. Als er mir gegenüberstand, kam er mir ziemlich klein vor und liebenswert jungenhaft. Man wollte ihn bemuttern, das ging allen Frauen so. Er weckte die gleichen Instinkte wie der androgyne Boy George von Culture Club, der zum Liebling aller Hausfrauen wurde, nachdem er »gestanden« hatte – ob man es ihm abnahm, war eine andere Sache –, dass er eine anständige Tasse Tee dem Sex vorziehe.

Im White Horse blickte Freddie um sich und brummelte mit hochgezogenen Augenbrauen und seiner so charakteristischen, leicht affektierten Stimme vor sich hin: »Kippe.« In jener Nacht fiel es mir zum ersten Mal auf, wie viele Widersprüche er in sich vereinte. Dass er gleichzeitig so bescheiden und umgänglich sein konnte, wenn er den ganzen Rummel nicht um sich hatte, und so arrogant, sobald er auf der Bühne stand. Später bekam ich mit, wie er mit kindlichem Tonfall »Pipi« murmelte, und sah fasziniert zu, als ihn einer seiner Begleiter in Richtung Herrentoilette schob. Das war’s, in dem Moment bin ich ihm komplett verfallen. Ich wollte ihn mit nach Hause nehmen, ihn in ein heißes Bad stecken, und meine Mutter sollte ihm einen deftigen Braten vorsetzen. Wenn ich heute darüber nachdenke, kann es wohl kaum so gewesen sein, dass der große Rockstar zu hilflos war, um allein auf die Toilette zu gehen. Freddie hätte dort ein viel zu leichtes Ziel abgegeben, deshalb brauchte er Begleitschutz.

Roger Tavener, der Typ vom Express, bot ihm eine Marlboro an. Freddie zögerte, bevor er sie annahm – er hätte Silk Cut bevorzugt. Er beobachtete uns milde interessiert von seinem Platz aus, als wir uns unter die Trinker am Tresen mischten. Vielleicht gerade weil wir ihn gar nicht so sehr beachteten, kam er zu uns und bat uns um noch eine Zigarette. Wo wir untergekommen wären, fragte er uns. Im Montreux Palace. Das war die richtige Antwort. Freddie hatte dort auch schon gewohnt, er hatte seine eigene Suite gehabt. Er und seine Kollegen von Queen waren Besitzer der Mountain Studios, der einzigen Aufnahmestudios in diesem respektablen Schweizer Ferienort. Die Mountain Studios galten zu jener Zeit als die besten in Europa.

Die nächste Runde ging auf ihn. Noch mal das Gleiche wie vorher.

Nach ungefähr einer Stunde sagte er: »Sicherlich wisst ihr, wer ich bin.« In seinen dunklen Augen blitzte die Erkenntnis auf. Ja, das lag doch auf der Hand. Seinetwegen waren wir schließlich hier. Ein paar Wodka-Tonic früher wäre er vielleicht auch noch auf unsere Namen gekommen. Unsere Herausgeber hatten uns hierhergeschickt, um über das jährliche Fernsehfestival, die Goldene Rose von Montreux, zu berichten (1986 war die Rose d’Or gerade auf dem Höhepunkt ihrer Popularität). Bei der Gelegenheit nahmen wir noch eine weitere Veranstaltung mit, eine vielfach im Fernsehen ausgestrahlte Rockmusik-Gala, die sämtlichen Medienleuten einen willkommenen Anlass bot, über die Stränge zu schlagen.

Wir hatten gedacht, Freddie wolle seine Ruhe haben, aber ganz offenbar hatte er an diesem Abend das Bedürfnis, sich zu unterhalten. In der Regel hielt er nicht viel von Schreiberlingen. In der Vergangenheit hatten sich so viele über ihn lustig gemacht und ihn falsch zitiert, dass er nur wenigen vertraute. David Wigg, damals beim Daily Express der Redakteur für Showgeschäft-Angelegenheiten und ebenfalls in Montreux vor Ort, war ein guter Freund von Freddie. Meistens war er es, dem die Neuigkeiten zuerst gesteckt wurden.

Wir kamen ihm zu nahe. Wir wussten, dass wir damit unsere Chance auf ein offizielles Interview zunichte machten. Bald würde er uns auf die Schliche kommen. Und was noch schlimmer war: sein Management und die Presseabteilung auch. Wir hatten die Grenzen übertreten, die diese Leute gesetzt hatten, und würden wohl nie wieder die Gelegenheit bekommen, uns ihm zu nähern. Das hier war seine Bar, sein Jagdrevier. Trotzdem erschien er uns sehr verletzlich und unruhig, gar nicht so wie der Star, den wir zu kennen glaubten.

»Deshalb bin ich hier«, erzählte er. »Wir sind nur zwei Flugstunden von London entfernt, aber hier kann ich atmen, kann denken, schreiben und aufnehmen, kann Spaziergänge machen. Ich glaube, das werde ich in den nächsten Jahren auch brauchen.«

Wir litten mit ihm. Pflichteten ihm bei, wie anstrengend es sei, berühmt zu sein – sein Problem, nicht unseres. Wir machten keine große Nummer draus. Versuchten cool zu bleiben, versuchten unseren journalistischen Killerinstinkt zu unterdrücken – der doch von uns verlangte, dass wir auf der Stelle zum Telefon rannten und unserem Redakteur die heißeste Story des Jahres unter die Nase rieben, nämlich dass wir einen der am zurückgezogensten lebenden Künstler des Rockgeschäfts in der Fremde in einer Kneipe gestellt hatten. Wir tranken noch ein paar Kurze und warteten ab. Das hier war eine unbezahlbare Gelegenheit. Tavener und ich waren erst jetzt zu Komplizen geworden, wir wollten uns gegenseitig beeindrucken. Zwischen den Blättern, für die wir schrieben, herrschte bittere Rivalität. Eigentlich hätten wir uns wie zwei Haie umkreisen und abwarten müssen, wer zuerst einen Fehler macht. Wir versicherten Freddie, dass wir es gewohnt , mit Prominenten zu arbeiten. Dass wir ihre Privatsphäre respektierten, weil wir wussten, dass sie sie opferten, bevor ihnen bewusst wurde, wie sehr sie sie vermissen würden. Das kam gut an bei ihm.

Er schielte in seinen Wodka und schwenkte das Glas.

»Wisst ihr, das ist genau das, was mir schlaflose Nächte bereitet«, sinnierte er. »Ich habe ein Monster geschaffen. Und das Monster bin ich. Ich kann niemandem sonst die Schuld daran geben. Seit ich klein war, habe ich darauf hingearbeitet. Ich hätte dafür getötet. Alles, was mir zustößt, habe ich mir selbst zuzuschreiben. Ich habe es so gewollt. Wir alle wollen das: Erfolg, Ruhm, Geld, Sex, Drogen – was immer es ist, ich kann es kriegen. Aber so langsam wird mir klar, dass ich, ganz egal, wie hart ich dafür gearbeitet habe, dem Ganzen entfliehen will. Ich mache mir Gedanken, dass ich die Sache nicht mehr unter Kontrolle habe, weil sie mich längst kontrolliert.

Wenn ich auf die Bühne gehe, dann verändere ich mich«, gab er zu. »Ich verwandele mich voll und ganz in den ultimativen Showmann. Ich erzähle das, weil es so ist. Ich ertrage es nicht, der Zweitbeste zu sein, da würde ich lieber aufhören. Ich weiß, dass ich da vorne herumhampeln und den Mikroständer auf eine bestimmte Art halten muss. Und ich liebe es ja auch. Mich hat immer schwer beeindruckt, wie Hendrix alles aus seinem Publikum rausgeholt hat. Er hat kapiert, wie’s geht, und seine Fans auch. Aber außerhalb des Rampenlichts war er ein ziemlich schüchterner Typ. Vielleicht litt er darunter, dass er ständig versuchen musste, den Erwartungen gerecht zu werden. Dass er den wilden Mann markierte, der er abseits der Bühne gar nicht war. Für mich wird das zu einer außerkörperlichen Erfahrung, wenn ich da oben stehe. So als ob ich mich selbst betrachte und denke: Das ist ja ganz schön geil. Natürlich merke ich schnell, dass ich es bin, und dann geht’s wieder an die Arbeit.

Es ist eine Art Droge«, fuhr er fort, »ein Aufputschmittel.

Aber es wird schon hart, wenn dich die Leute auf der Straße entdecken. Die wollen nämlich den Typen auf der Bühne sehen, den großen Freddie. Aber so bin ich nicht, ich bin viel ruhiger. Du versuchst dein Privatleben von dem des Künstlers getrennt zu halten, weil es eine schizophrene Existenz ist. Ich schätze, das ist der Preis, den ich zahlen muss. Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin kein bemitleidenswerter, armer reicher Typ. Die Musik bringt mich jeden Morgen wieder auf die Beine. Ich bin wirklich gesegnet.«

Was konnte er tun?

»Ich bausche das alles gerade zu einem furchtbaren Drama auf, oder nicht?« Jetzt blitzte der große Freddie durch. »Das Geld fließt nur so in die Kassen, die Massen verehren mich, ich lebe in Montreux und in der nobelsten Gegend Londons. Ich kann mir Häuser in New York oder Paris kaufen, überall, wo ich will. Ich bin verwöhnt. Der Typ auf der Bühne kann das alles tun. Sein Publikum erwartet es sogar von ihm. Aber ich mache mir Sorgen, wo das alles enden soll«, gestand er schließlich. »Was es bedeuten kann, Teil einer der größten Bands der Welt zu sein. Es bringt ganz eigene Probleme mit sich. Es bedeutet, dass ich nicht einfach durch die Gegend spazieren und mir am Nachmittag in einem entzückenden kleinen Teeladen in Kent ein Gebäckstückchen genehmigen kann. Und das muss ich mir immer vor Augen führen. Ich habe einen unglaublichen Weg hinter mir, und es macht mir immer noch jede Menge Spaß, das versichere ich euch. Aber es gibt Zeiten …«

Durch das Casino hindurch und auf der anderen Seite raus, drifteten wir irgendwo zwischen Nacht und Dämmerung. Freddie und ein paar seiner Freunde lebten in einer Villa unterhalb der zerklüfteten Alpen, von denen Freddie behauptete, sie hüteten uralte Geheimnisse und verborgene Schätze, die die Nazis im Krieg dort versteckt hätten. In der kühlen Nachtluft lag der Duft von Pinien. Die mondbeleuchteten Berge warfen ihre Schatten auf den ruhenden See.

Es war nicht zu übersehen, wie sehr Freddie seinen Zufluchtsort liebte. Ein Idyll an der Waadtländer Riviera, berühmt geworden durch das jährliche Jazzfestival, seine Weingüter, durch Nabokov und Chaplin, durch »Smoke on the Water«, den Song mit dem unvergleichlichen Riff, den Deep Purple im Dezember 1971 schrieben, als ein Fan bei einem Konzert von Frank Zappa mit einer Signalpistole in die Decke schoss und einen Brand auslöste. Das ganze Casino brannte damals bis auf die Grundmauern nieder, Rauchwolken zogen über den Genfer See, und Roger Glover stand mit dem Bass in der Hand an seinem Hotelfenster und sah zu.

»Werft einfach meine Überreste in den See, wenn es mal so weit ist«, scherzte Freddie. Mindestens zweimal hat er das wiederholt.

Im Gespräch kamen wir darauf, wie wichtig es sei, die einfachen Dinge im Leben genießen zu können. Das Thema stand riesengroß im Raum und zugleich zwischen uns – mit seinem Vermögen als Rockstar war Freddie in der Lage, sich die Erfüllung sämtlicher Wunschträume zu erkaufen, von denen unsereins nur träumen konnte.

Und was haben wir mit dieser »Exklusivmeldung« angefangen? Nichts. Nichts haben wir geschrieben. Alles blieb unter uns.

Freddie und sein Gefolge waren gute Leute. Wir hatten viel Spaß in dieser Nacht. Er war ehrlich zu uns gewesen. Wahrscheinlich traute er uns kein Stück weit über den Weg. Er wusste, wer wir waren, und musste einfach davon ausgehen, dass wir ihn reinlegen würden. Vielleicht wollte er das sogar, nur um bestätigt zu sehen, was er schon immer gewusst hatte: Mit Journalisten hatte man nichts als Ärger. Gerade Freddie gehörte zu den Rockstars, die es gewohnt waren, dass man sie hinterging, Leute wie wir hatten das oft genug getan. Auch wenn wir es damals nicht verstanden, im Rückblick kann ich sein Verhalten durchaus nachvollziehen: Freddie mag gespürt haben, dass seine Tage gezählt waren. Mit Sicherheit lebte er so, als ob es kein Morgen gebe. Vielleicht war ihm auch einfach danach, auf sämtliche Vorsichtsmaßnahmen zu pfeifen, mit denen er sich als Gefangener seines Erfolgs schützte. Weil wir wussten, dass Freddie das Allerschlimmste von uns erwartete, einigten Tavener und ich uns darauf, etwas zu tun, wofür wir hätten gefeuert werden können: Wir würden Freddies Vertrauen nicht missbrauchen, um daraus billige Schlagzeilen zu stricken.

Die Morgendämmerung begann über den schneebedeckten Gipfeln zu schimmern. Farben spiegelten sich im See, als wir uns auf den Weg zurück zu unserem Hotel machten. Keiner von uns beiden sagte etwas. Es gab nichts mehr zu sagen. Tavener rauchte seine letzte Zigarette.

»Rockmusik ist enorm wichtig«, erklärte Cosmo Hallström, ein renommierter Psychotherapeut, der seit vier Jahrzehnten im Dienste der Großen und Berühmten arbeitet.

»Sie repräsentiert die Kultur, wie sie sich heutzutage darstellt. Es geht um das große Geld, deshalb will jeder daran teilhaben. Ein Phänomen, das man nicht ignorieren kann. Sie vereint Menschen und schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl.

Rock ’n’ Roll hat diese Unmittelbarkeit. Es geht um rohe, ungezügelte, frühkindliche Gefühle und einfache Wertvorstellungen, die mit Nachdruck dargebracht werden. Dem kann man sich schwer entziehen. Man müsste schon taub sein – und manchmal gelingt es nicht mal dann. Rock ’n’ Roll spricht ganze Generationen an, gibt ihnen eine Bestätigung, die sie sonst nicht finden.«

»Künstler zu werden, ist ein Hilfeschrei«, behauptete dagegen Simon Napier-Bell, einer der berühmt-berüchtigtsten Manager der Popindustrie, und der muss es wissen. Er schrieb Hits für Dusty Springfield, machte Marc Bolan, die Yardbirds und Japan überall bekannt, erfand Wham! und verwandelte George Michael in einen Solo-Superstar. Simon nahm kein Blatt vor den Mund – schon gar nicht bei diesem Thema.

»Alle Künstler sind unglaublich unsichere Menschen. Sie sehnen sich verzweifelt nach Aufmerksamkeit. Ständig sind sie auf der Suche nach Publikum. Sie sind gezwungen, kommerziell zu werden, was sie hassen, aber für mich macht das ihre ›Kunst‹ nur besser. Und alle haben sie die gleiche Geschichte, und darin liegt der Schlüssel. Nehmen wir zum Beispiel Eric Clapton: Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich, das ist kein Künstler, das ist einfach nur ein Musiker. In John Mayalls Band spielte er mit dem Rücken zum Publikum, weil er so schüchtern war. Aber als er sich weiterentwickelte, wurde mir klar, dass er doch ein Künstler ist. Er hatte keinen Vater, eine Schwester, die eigentlich als Mutter fungierte, und eine Großmutter, die er für seine Mutter hielt. Künstler haben immer eine schwere Kindheit hinter sich – zumindest, was Gefühlsentzug betrifft. Deshalb legen sie es verzweifelt darauf an, Erfolg zu haben, von allen geliebt zu werden und im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen. Alle anderen ziehen sich früher oder später aus dem Geschäft zurück. Weil es stimmt, was ich sage: Es ist absolut furchtbar, ein Star zu sein. Klar ist es nett, dass man in einem Restaurant einen guten Tisch bekommt, aber beim Essen steht alle dreißig Sekunden jemand an deinem Tisch. Es ist ein Albtraum. Trotzdem nehmen die Stars so etwas nur zu gerne auf sich. Das gehört einfach dazu.

In der Regel sind sie sehr nett und charmant zu Leuten, die sie neu kennengelernt haben«, fuhr er fort. »Aber es gibt da eine dunkle Seite. Wenn sie von dir alles genommen haben, was sie nur kriegen konnten, dann brauchen sie dich nicht mehr und spucken dich aus. Ich bin ausgespuckt worden, aber das ist mir völlig schnuppe. Ich verstehe diese Menschen, ich weiß, wie sie ticken. Es hat keinen Sinn, sich darüber aufzuregen, dass irgendein Star undankbar oder bösartig zu dir ist. Sie sind, wie sie sind. Jeder Einzelne von denen hat mit psychischen Defiziten zu kämpfen. Wenn Sie in deren Kindheit stöbern, werden Sie darauf stoßen, das garantiere ich Ihnen. Wo soll es denn sonst herkommen, dass sie dermaßen um Beifall und Anerkennung buhlen? So verzweifelt, dass sie ein jämmerliches Leben führen, über das sie nie selbst bestimmen können? Kein normaler Mensch würde jemals Star sein wollen. Nicht für alles Geld der Welt.«

»Freddie Mercury hat alles richtig gemacht«, entgegnete Dr. Hallström. »Er starb jung. Statt zu einer fetten, aufgedunsenen alten Queen zu werden, trat er in der Blüte seines Lebens ab und bleibt uns deshalb auf alle Ewigkeit so in Erinnerung. Nicht der schlechteste Abgang.«

Das ist seine Geschichte.