>>Donnerstag, 12. Dezember
5.14 Uhr

Die linke Linie kommt schneller als die Test-Linie.

SCHWANGER. SCHWANGER?! SCHWAAAAAAAANNNNNGGGGGGER!!! OH MEIN GOTT.

Dienstag: Da hätte ich meine Tage bekommen müssen. Sie kamen NICHT, und natürlich schwebte diese Tatsache seitdem kontinuierlich durch meinen Kopf, obwohl dafür eigentlich gar keine Zeit war. Immer wieder, manchmal mitten in einem Interview, manchmal während des Mittagessens mit den Kollegen, dachte ich: Jetzt sind sie da. Mist. Rannte aufs Klo und stellte fest: Sind sie nicht. Kein Blut weit und breit.

Heute ist Donnerstag, und ich hatte mir fest vorgenommen, den Schwangerschaftstest noch bis nächste Woche in meinem Waschbeutel schlummern zu lassen. Aber wenn man dann um fünf Uhr wach wird, wie ich vorhin – so frühmorgens, zum optimalen Zeitpunkt für den Werde-ich-Mama-Check … Also gut, ich gab nach: Her mit dem verheißungsvollen Plastikstäbchen.

Und dann war sie auch schon da, diese Linie. Oder vielmehr: diese ZWEI Linien. SCHWANGER. Wirklich?! Aufgelöst wandere ich zwischen Bett und Fenster auf und ab. Tränen laufen meine Wangen hinunter, Glückstränen, Freudentränen, Angsttränen.

Ich bin schwanger.<<

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Vorwort

Eigentlich bin ich ein Glückskind.

Glückskind, das heißt: Ich habe tolle Eltern, die beste Schwester der Welt. Ich arbeite in meinem Traumjob, bin Reporterin bei einer großen Zeitung. Ich bin verheiratet mit der Liebe meines Lebens, wir wohnen in unserer Lieblingsstadt Berlin. All das kam einfach so, irgendwie. Glückskind halt.

Eigentlich, das heißt: Es gibt Dinge, die auch Glückskindern nicht ohne Weiteres zufliegen, selbst wenn der Wunsch noch so groß ist. Das Problem ist: Wenn man gewöhnt ist, dass das Leben so läuft, wie man es plant, guckt man ganz schön blöd aus der Wäsche, wenn das Schicksal plötzlich streikt.

Genau so war das mit der Baby-Nummer. Ich wollte schwanger werden, unbedingt. Und dachte: Das kann ja nicht so schwierig sein. Immerhin werden pro Sekunde vier Kinder auf dieser Welt geboren. Das sind jährlich und weltweit 132.675.000 Geburten. Wenn so viele Frauen jährlich Mama werden, arme, reiche, dicke, dünne, dumme, schlaue, kranke, gesunde, solche, die einen One-Night-Stand hatten und solche, die gar nicht schwanger werden wollen –, dann müsse es doch auch bei mir klappen! Bei MIR: Anfang 30, gesund, gebärfreudig.

Ich habe es nicht ausgerechnet, aber das Geld, das ich für Schwangerschaftstests ausgab, die mit nur einem Streifen im Müll landeten, hätte ich lieber in ein schickes Paar Manolo Blahniks investieren sollen.

Als es ENDLICH klappte, klappte es gleich doppelt: Der Gynäkologe zeigte mir auf dem Ultraschallbildschirm doch tatsächlich ZWEI Babys, die sich alle beide in meinem Bauch befinden sollten. Spätestens diese Nachricht machte mich zur absoluten Vollzeit-Schwangeren. Hach, was WAR ich glücklich. Aber auch voller Ängste und Sorgen. Ich las fortan so ziemlich ALLES über das Thema Schwangerschaft, was mir in die Hände kam, kaufte stapelweise Bücher, durchstöberte das Netz.

Eines aber, das fand ich dabei NICHT: Einen authentischen Ratgeber, der weder von Medizinern geschrieben noch mit Fotos von wunderschönen Models bebildert ist. Natürlich gibt es sie: diese hübsch illustrierten, witzig geschriebenen und wissenschaftlich fundierten Schwangerschaftsbücher. Ich aber suchte eher so etwas: Einen Bericht aus dem echten Leben, von einer normalen Frau, die eben NICHT zu Germanys next Topmodels gehören könnte, sondern auch mal Pickelchen und blaue Adern anstatt ausschließlich glatt gebügelte Haut und wohlgeformte Kurven zeigt. Die offen, ehrlich, detailliert und persönlich aus ihrem schwangeren Alltag erzählt, sich andererseits mit dem Gedanken-Karussell auseinandersetzt, das sich mit dem positiven Schwangerschaftstest zu drehen beginnt. Und obendrauf vielleicht sogar noch Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt, in verständlicher Sprache anstatt in verklausuliertem Fach-Chinesisch. Antworten auf Fragen, die sich so ziemlich jede Frau stellt, die ein Baby erwartet – aber auch Antworten auf Fragen, die explizit Zwillings-Schwangere haben.

Also schrieb ich selbst genau so ein Buch.

Ich pflückte mein Tagebuch auseinander. Ich interviewte Ärzte, Hebammen und viele weitere Experten. Ich sprach mit Dutzenden Schwangeren, um herauszubekommen, was werdende Mamas beschäftigt. Und ließ mich von der tollen Fotografin Michaela Thewes begleiten, die von der Kinderwunschzeit bis zu den ersten Wochen als Mama sämtliche Details rund um meine Schwangerschaft optisch festhielt.

Das Ergebnis findet sich auf den folgenden Seiten. Es gibt insgesamt zehn Kapitel, eines für jeden Schwangerschaftsmonat. Jedes Kapitel ist gleich aufgebaut: Am Anfang erzähle ich, was ich in dieser Phase der Schwangerschaft erlebt habe, ein Großteil der Passagen sind zu 100 Prozent authentische Tagebucheinträge. Der zweite Teil besteht immer aus einem Brief mit Tipps, die ich selbst bekam (oder gern bekommen hätte) – Tipps, die ich schwangeren Freundinnen heute gebe. Im dritten Teil beantworte ich die sieben wichtigsten Fragen zum jeweiligen Schwangerschaftsmonat. Hier gebe ich das (natürlich von Fachleuten geprüfte!) Expertenwissen weiter, das ich durch meine Recherchen bekam – erneut mit persönlichen Hinweisen zur eigenen Schwangerschaft versehen. Die erste Frage dreht sich immer darum, was gerade im Mutterleib passiert, die siebte Frage bezieht sich auf Zwillingsschwangerschaften.

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Teamwork: Micha fotografierte mich während der Schwangerschaft einmal im Monat, ich schrieb meine Erlebnisse auf.

Mit dieser Mischung möchte ich vor allem Frauen, die zum ersten Mal schwanger sind, einen Leitfaden an die Hand geben, wie sie es entspannt durch diese besondere Lebensphase schaffen. Denn schwanger sein – ich glaube, das ist heute durch die verschiedensten Rollenanforderungen in der Gesellschaft anstrengend wie nie zuvor:

Wieso eigentlich …?!

Ja: Schwanger sein kann beflügeln, man kann sich besser fühlen als je zuvor. Wie großartig, diese vielen spektakulären Momente: der erste Herzschlag beim Ultraschall, die sanften Tritte im Bauch, die Verkündung der frohen Botschaft.

Aber: Schwanger sein kann auch nerven. Die Kotzerei, Wasser in den Beinen, Pickel im Gesicht.

Ich möchte mit diesem Buch zeigen, dass es trotz des stetigen Aufund-Abs, trotz der sich komplett widersprechenden Rollenanforderungen möglich ist, diese einzigartige Zeit in vollen Zügen zu genießen. Ich möchte zeigen, dass es trotz der hundertzweiundreißigmillionensechshundertfünfundsiebzigtausend Geburten pro Jahr alles andere als gewöhnlich ist, schwanger zu sein – sondern dass jedes einzelne Baby ein Wunder der Natur ist. Ich möchte zeigen, dass eine Schwangerschaft die vielleicht abgefahrenste Zeit im Leben einer Frau ist – und wie wichtig und richtig es ist, genau diese emotionale Achterbahnfahrt auszukosten. Zu leben! Zu schätzen zu wissen!

Meine Schwangerschaft jedenfalls war die verflixt noch mal schrecklich-schönste, panisch-prallste, gemein-glücklichste Zeit meines bisherigen Lebens.

So bleibe ich am Ende ein Glückskind und bin dafür dankbarer und mir dessen bewusster als je zuvor. Schwanger zu sein, Mama zu werden, das ist der Beginn des größten Glücks der Welt, das alles andere in den Schatten stellt.

Viel Spaß mit diesem Buch,

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Der erste Monat

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Dienstag | 26. November
15.35 Uhr | Teneriffa
3. Woche

Sie ist eine blöde Kuh, diese Träne, die mir die Wange herunterkullert. Ich will sie nicht vergießen, ebenso wenig wie die weiteren, die da gerade folgen, als wäre mein Auge ein undichter Wasserhahn.

Diese Heulerei, der Kloß im Hals, das miese Gefühl in der Magengegend – all das passt wirklich gar nicht hierher, in dieses Paradies. Ich sitze auf dem Dach unseres Bungalows, um mich herum blühen kunterbunte Strelitzien unter meterhohen Palmen, das Meer glitzert im 180-Grad-Panorama zum Greifen nah, der Himmel ist swimmingpoolblau. Seit drei Tagen machen wir Urlaub in einem kleinen Hotel in dieser schönsten Ecke Teneriffas. Offiziell: um noch mal die Akkus aufzuladen, uns die nötige Portion Vitamin D für den Berliner Schmuddelwinter zu holen. Inoffiziell: um ein Baby zu zeugen.

Und genau das ist gerade das Problem: Bereits vorgestern zeigte die Familienplanungs-App das Blümchen an, das die größten Chancen in Sachen Nachwuchs verspricht. Auch der Gynäkologe hatte mir exakt denselben Termin errechnet und in meinen Zykluskalender tatsächlich ein Herzchen auf den gestrigen Montag gemalt, daneben ein dezentes »VZO« ergänzt: »Verkehr zum optimalen Zeitpunkt«, erklärte er mir mit einem vielsagenden Augenzwinkern. Gesagt, getan: Diese »Hausaufgabe« hatten wir äußerst strebsam erfüllt. Heute Mittag aber dann dieses Ziehen im Unterleib – und die feste Überzeugung: DAS war jetzt der Eisprung, mit 24 Stunden Verspätung, ganz egal was App und Arzt sagen. Weibliche Intuition. Also wollte ich auf Nummer sicher gehen. Und den sogenannten »Verkehr-zum-optimalen-Zeitpunkt« wiederholen, dagegen könne ja wohl nichts einzuwenden sein.

Doch. Und zwar so einiges – ausgerechnet von dem Mann, der eine nicht ganz unwesentliche Rolle in Sachen VZO-Durchführung spielt: Tossi. »Mir reicht’s jetzt mit dem Sex nach Plan«, fuhr er mich an, als ich ihm von meiner Vermutung berichtete. »Unromantischer geht’s echt nicht, und ich bin auch keine Maschine, die auf Knopfdruck funktioniert.«

Rumms, das saß.

Eingeschnappt wie ein pubertierendes Mädchen griff ich Handy, Sonnenbrille, Flipflops und kletterte aufs Dach, um mein Beleidigte-Leberwurst-Dasein zu fristen. Habe ich jetzt die definitive Chance verspielt? Anstatt es einfach anders zu versuchen? Auf die liebevolle, verführerische Art und Weise? Ganz toll, Frau Weingärtner.

Natürlich kommt die Eskalation nicht aus heiterem Himmel. Nicht so ganz jedenfalls: Seit knapp einem Jahr versuche ich jetzt, schwanger zu werden, genauer gesagt: wieder schwanger zu werden. Denn im vergangenen Dezember hatte genau das schon einmal geklappt. Ganz ohne Planungs-App und Termin-Sex, exakt ein halbes Jahr nach unserer Traumhochzeit, wie passend, ja: fast bilderbuchmäßig.

Kurz vor Weihnachten flog ich in die USA und berichtete als Reporterin aus Newtown, einer kleinen Stadt in Connecticut, nordöstlich von New York. Ein junger Mann war Amok gelaufen, hatte 20 Kinder, sechs Lehrer und seine eigene Mutter erschossen. Ich besuchte Beerdigungen von siebenjährigen Kindern, sprach mit Eltern, die gerade das Liebste verloren hatten. Und zwischen all dem Leid – mitten auf der vielleicht traurigsten Dienstreise meines Lebens – bemerkte ich ganz nebenbei, dass meine Tage ausblieben.

Wenige Minuten vor dem Rückflug nach Berlin, auf der Flughafentoilette des John-F.-Kennedy-Airports, schien sich meine Vermutung zu bestätigen: Der Schwangerschaftstest, den ich noch schnell in der Terminal-Apotheke gekauft hatte, lag auf den grauen Fliesen vor dem Klo, zeigte zwei Linien an.

»Kann das sein«, fragte ich mich, »darf das sein … ?! Dass für mich ein so schöner neuer Lebensabschnitt beginnt, während für all diese Familien in Newtown gerade erst eine Welt komplett zusammengebrochen war?«

Nein. Zurück in Berlin schwebten Tossi und ich zwar eine ganze Woche lang auf Wolke sieben. Die schreckliche Bescherung aber folgte pünktlich zu Weihnachten. Heiligabend kamen die Bauchkrämpfe. Am ersten Feiertag wachte ich frühmorgens im Gästebett meiner Schwester auf und schob die tierischen Bauchschmerzen auf den Raclette-Käse vom gestrigen Abend. Schlaftrunken torkelte ich die Speichertreppe hinunter, steuerte das Bad an. Die Klobrille war kalt, als ich mich setzte, aber das war nicht der Grund, der mich am ganzen Körper frösteln ließ: Das Wasser in der Kloschüssel färbte sich dunkelrot. Ein weiterer Blutschwall floss aus meinem Körper, und noch einer. »Nicht umfallen jetzt«, befahl ich mir, während ich halb nackt über den kühlen Badezimmerboden robbte, um den Badewannenrand zu erreichen. Beine hoch, mein Kopf braucht Blut, schnell. » Unser Baby ist tot«, fuhr es mir durch den Kopf. Und dann wurde die Welt um mich herum schwarz.

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Teurer »Spaß«: Zehn Ovulationstests kosten rund 20 Euro. Die Stäbchen ermitteln mit einer Urinprobe die fruchtbarsten Tage.

Die kommenden Stunden verbrachte ich im Krankenhaus, wo eine Ärztin meine Befürchtung bestätigte. Der Rest der Feiertage, der Rest des Jahres bestand aus Tränen und Trauer. Silvester wurde ich krank. Eine Grippe, mit allem Zipp und Zapp. Ich blieb im Bett und ging das allererste Mal in meinem Berufsleben nicht arbeiten. Ich ließ es zu, mich ausruhen zu müssen, und hörte auf den Krankenschein, der mir zehn Tage Bettruhe befahl.

Es folgte ein Kinderwunschjahr, das motiviert begann (»Wenn es einmal geklappt hat, klappt es auch ein zweites Mal«). In den kuscheligen Wintermonaten gelang es uns noch, uns über die Sex-zum-Eisprung-Einheiten zu amüsieren. Im Frühling verkündete der halbe Freundeskreis Schwangerschaften, präsentierte Kugelbäuche anstatt Ostereier oder schwadronierte bereits über Nachwuchs Nummer zwei und drei. Im Sommer wurde der Druck größer und größer, und ganz automatisch verwandelte ich mich in eine dieser Frauen, die ich früher furchtbar fand. In eine von denen, die sich festbeißen am Kinderwunsch. Die kaum noch an etwas anderes denken können. Die in Vier-Wochen-Rhythmen leben, immer hineifernd auf den berühmten 15. Tag, die Zyklusmitte, den Eisprung. Monatlich gingen mindestens zwei Packungen Pinkelstäbchen drauf, um ja nicht DEN Moment zu verpassen. Ein paar Tage später dann – immer viel zu früh, um eine Befruchtung überhaupt nachweisen zu können – der Schwangerschaftstest. Negativ. Einer nach dem anderen.

Kurz nach unserem ersten Hochzeitstag kam die Verzweiflung: Denn plötzlich spielte mein Zyklus komplett verrückt, hatte über 60 Tage und weder eine natürliche Pause mit Menstruation noch einen Eisprung.

»Haben Sie mal darüber nachgedacht, ein Kinderwunschzentrum zu besuchen?«, fragte mich meine Frauenärztin, als ich ihr im Herbst völlig verzweifelt gegenübersaß. »Nein«, entfuhr es mir spontan und voller Überzeugung: »Das will ich auf keinen Fall.« Ich weiß nicht, ob sie mir meine Empörung ansah, aber ich war fast ein bisschen beleidigt. Wieso sollte ich mir denn bitte ein Kind aus dem Reagenzglas einsetzen lassen, wenn ich doch weiß, dass es auf natürlichem Wege funktioniert?! »Es muss ja nicht gleich eine künstliche Befruchtung sein«, antwortete sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen, »da gibt es vorher noch ganz andere Möglichkeiten.«

Knapp zwei Wochen später saß ich samt Gatten im Auto, und je näher wir der großen Kinderwunschklinik in Berlin-Mitte kamen, desto mehr fühlten wir uns wie zwei Schüler auf dem Weg zur Nachhilfe: Irgendwie hat man keine Lust hinzugehen, hofft immer noch, es alleine zu schaffen. Insgeheim aber weiß man, dass es ein Schritt ist, der einen höchstwahrscheinlich weiterbringt.

Vermutlich war es gut, dass das Anamnesegespräch so absurd begann, denn das drängte unsere Nervosität zumindest ein bisschen in den Hintergrund. »Sie versuchen also seit acht Jahren, ein Baby zu bekommen?«, fragte der Arzt, der mit seinen Krauselocken und der randlosen Brille irgendwie exakt so aussah, wie ich mir einen Reproduktionsmediziner immer vorgestellt hatte. »Huch, nein, jetzt sehe ich: Sie haben bereits ein gemeinsames Kind, stimmt’s?« Ähh, nö: Schweigen auf unserer Seite, und erst als der Doc nach ein paar hektischen Bewegungen die richtige Akte aus dem großen Berg geangelt hatte, wurde es wirklich ernst.

Er betrachtete das Spermiogramm, das Tossi bei seinem Urologen hatte erstellen lassen. »Na, in Schulnoten gesprochen ist das eine 3«, analysierte unser Gegenüber, »Kein Top-Ergebnis, aber auch keine Katastrophe.« Anschließend beantworteten wir viele, viele Fragen über unser Sex-Leben und ich erzählte von meiner endlos langen Menstruationspause.

»Wir starten jetzt erst mal damit, Ihren Zyklus wieder in Gang zu kriegen«, beschloss der Arzt nach einer knappen Stunde, »und dann wählen wir erst einmal die simpelste Methode: Wir beobachten ganz genau, wie sich Ihre Eizellen entwickeln und passen den perfekten Moment für natürlichen Verkehr ab.« Für Schritt eins verschrieb er mir ein pflanzliches Präparat, das helfen sollte, meinen Zyklus wieder zu normalisieren. Erst wenn diese Maßnahme ohne Erfolg bliebe, könne man zunächst über Hormontherapie, dann über intrauterine Insemination, später über In-vitro-Fertilisation nachdenken.

Völlig überfordert mit all diesen medizinischen Fachbegriffen verließen wir die Praxis. In den folgenden Wochen kehrte ich mehrfach alleine zurück – und wünschte mir zu den Kontrollterminen mehr als einmal Harry Potters Tarnumhang. Was, wenn mich jemand sieht, wie ich auf der belebten Friedrichstraße die Klinik ansteuere? Was, wenn ich im Aufzug eine Bekannte treffe? Was, wenn im Wartezimmer eine Kollegin sitzt?

Denn auch hier ist es wie mit der Nachhilfe: Man schämt sich. Will die eigene »Schwäche« nicht preisgeben. Also tat – und tue – ich nach wie vor entspannt. Wenn jemand ganz allgemein fragt, blocke ich sofort ab. Kinder? Nee, das habe noch Zeit. Erst mal die Karriere, blabla. Wenn jemand konkreter fragt, schimpfe ich sogar über das, was ich inzwischen selbst mache: »Nee, wer so einen Druck aufbaut, bei dem klappt's ja eh nicht.« Und dann ganz cool hinterher: »Wenn’s passiert, dann passiert’s – und wenn nicht, dann soll es halt im Moment nicht sein.«

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Durch meinen Kopf aber schwirrt das Gegenteil: ES SOLL SEIN! Am liebsten gleich. Sofort.

Glücklicherweise kam dank der heilpflanzlichen Mönchspfeffer-Pillen vor zwei Wochen dann endlich meine Menstruation, zehn Tage später der vorerst letzte Termin im Kinderwunschzentrum: »Hier wachsen zwei hervorragende Follikel heran«, freute sich der Gynäkologe, irgendwie ein bisschen stolz, mir so schnell ein solches Ergebnis präsentieren zu können – und das auch noch so pünktlich vor unserem »Liebesurlaub«. Mit seinem schwarzen 500-Euro-Kuli kritzelte er seine VZO-Anmerkungen in meine Unterlagen, verabschiedete mich mit einem festen Händedruck. »Grüßen Sie Ihren Mann schön«, sagte er, »ich wünsche Ihnen viel Spaß.«

Tja, und jetzt sitzt dieser Mann, mit dem ich eigentlich so viel Spaß haben sollte, unten im Bungalow, während ich noch immer hier oben hocke und mich langsam abrege. Ist nicht das, was wir zu zweit haben, viel mehr wert als alles andere? Sollte ich mich nicht darüber freuen, dass wir diese Zweisamkeit genießen können, ohne vollgekackte Windeln und Babygeschrei? Sollte ich mich nicht darüber freuen, dass wir das berühmte verflixte siebte Jahr schon hinter uns haben und auch im achten Jahr unserer Beziehung noch so glücklich miteinander sind, dass Außenstehende uns oft für Frischverliebte halten?

Ja, beschließe ich. Und noch während ich meine Flipflops an die Füße friemele, um wieder vom Dach herunterzuklettern, sitze ich plötzlich im Schatten. Tossi steht zwischen mir und der Sonne, mit einem tiefen, versöhnlichen Blick. »Kommst du jetzt wieder runter?«, fragt er, und ich ziere mich kurz. »Bleib du doch hier oben«, sage ich und spiele weiter die Zicke. Er hat seine Kamera dabei, fotografiert mich, obwohl ich ihm die Zunge rausstrecke. »Das zeig’ ich eines Tages unserem Baby«, sagt er, »und dann erzähle ich ihm, wie du dich in seiner Zeugungswoche schmollend aufs Dach verzogen hast.«

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Samstag | 30. November
18.45 Uhr | über dem Atlantik
3. Woche

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Zunge raus beim Streit um den Zeugungsakt: Zum Glück versöhnten wir uns kurz nach diesem Schnappschuss.

Der Kater kommt im Flieger, komischerweise, und das matschige Flugzeugessen mindert ihn nur minimal. Puh, was für ein letzter Urlaubsabend gestern. Wir waren Fisch essen in einer herrlich dunklen Spelunke, wir tranken Weißwein und rauchten, mehr als die übliche Genusszigarette nach dem Essen. Im Hotel noch die Flasche Schampus, die wir auf dem Hinflug im Duty-free gekauft hatten: Heiliger Bimbam, funkelten da oben in den vergangenen Tagen auch schon so viele Sterne? Oder anders: Himmel, was waren wir betrunken! Natürlich sagte ich das nicht laut, aber wie so oft in den vergangenen Monaten dachte ich: Einmal muss man das jetzt noch ausnutzen. Es ist der letzte Rausch für die kommenden Monate. Hoffentlich!

Natürlich hatten wir am Mittwoch dann doch noch die VZO-Hausaufgabe wiederholt, und natürlich bin ich wieder einmal guter Dinge: Dieses Mal hat es geklappt, ganz bestimmt. Jetzt gerade befindet sich die befruchtete Eizelle auf dem Weg (hat deshalb auch noch nichts von Alkohol und Nikotin mitbekommen) und macht es sich hoffentlich nächste Woche so richtig schön gemütlich in meiner Gebärmutter. Das muss so sein. Bitte, bitte, bitte!

Ich schaue aus dem kleinen runden Fenster, Gedanken fliegen durch meinen Kopf wie die Wolken am Flugzeug vorbei. Mein Leben lang lief doch immer alles glatt: Nach der Schule ab nach Spanien. Nach dem Auslandsaufenthalt das Praktikum bei der Lokalzeitung. Nach dem Praktikum der Studienplatz fürs Traumfach Journalismus. Nach dem Studium das Volontariat. Nach der Journalistenschule die Redakteursstelle. Traumjob: check. Angekommen. Beruflich jedenfalls.

Und privat? Eigentlich auch: Müsste man einen Leitfaden für eine klassische Liebeskarriere schreiben, ginge der wohl so: Erster Partner in der Pubertät. Mit dem bitte das erste Mal erleben, ein paar Jahre zusammenbleiben. Wenn Pickel und Pubertät gehen, selbiges tun. Dann in zwei bis drei knackigen Affären das ausleben, was man lernte, während man erwachsen wurde. Mit dem zweiten ernst zu nehmenden Partner deines Lebens kapieren, wie man eine echte Beziehung führt. Und dann bist du fertig. Bereit für die große, größte, schönste Liebe.

Diese superlative Liebe, die kam pünktlich zur WM 2006: Tossi. Wir lernten uns auf einer Büro-Party kennen und veranstalteten in den kommenden Wochen unser ganz eigenes Sommermärchen. Im Anschluss daran lebten und liebten wir jahrelang unsere Freiheit, feierten, reisten. 2012 die Hochzeit. Nächster logischer Schritt: ein Baby. Womit wir wieder beim Thema wären.

Meine Ohren knacken, der Landeanflug auf Berlin-Tegel hat begonnen. Neben mir schnarcht Tossi ganz leise, ich gucke mich um: In der Reihe gegenüber eine Frau mit Kugelbauch, weiter vorn eine Familie mit schreiendem Baby. Wieso nehme ich all das so bewusst wahr? War es mir nicht noch vor ein paar Jahren völlig schnuppe, solchen Menschen zu begegnen?

»Solche Menschen«, das klingt, als seien sie von einem anderen Planeten. Ich möchte zu ihnen gehören. Gehöre ich in drei Wochen zu ihnen? »Bitte, lieber Gott«, denke ich noch einmal, während wir die Wolkendecke durchbrechen und der Berliner Herbst uns mit prasselndem Platzregen, der an die ovalen Fenster peitscht, begrüßt.

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Freitag | 6. Dezember
23.15 Uhr | Berlin-Mitte
4. Woche

Ich soll nach Südafrika fliegen. Morgen schon.

Der Dezemberalltag hat mich wieder, die Woche war heftig, vor allem der heutige Freitag gehörte zu den Tagen, die sich anfühlen, als wohne man in der Redaktion und habe kein Zuhause. Grund: Nelson Mandela ist tot. Sonderseiten, hier noch ein Infokasten, da noch eine Bilderstrecke – und eine Ansage, über die ich mich unter anderen Umständen riesig freuen würde: Sie wollen MICH hinschicken. Trauerfeier, Aufbahrung, Beerdigung – fast zehn Tage wird Südafrika sich im Ausnahmezustand befinden, um seinen Nationalhelden zu ehren, und ICH soll vor Ort sein, um über all das zu berichten.

Aber will ich das? Kann ich das? Sollte ich das? Die Kollegen haben mich insgeheim vermutlich für vollkommen behämmert gehalten: aber ich habe mich tatsächlich gewehrt, als mein Ressortleiter mich fragte, ob ich diese Dienstreise machen könne. In meinem Kopf flogen zwischen Engelchen und Teufelchen die Fetzen. »Sie muss sich schonen«, befahl das Engelchen mit erhobenem Zeigefinger. »Weil sie vielleicht schwanger ist?!«, zischte das Teufelchen, »so ein Unfug!«

Ich verstand sie beide.

Das Engelchen, weil mir all das gruselig bekannt vorkam: Es ist wieder Dezember, wieder eine Dienstreise. Wieder viel Stress, wieder wenig Schlaf. Und vielleicht wieder ein kleines Wesen im Bauch, das eher Ruhe als so einen Riesenalarm braucht, um es sich kuschelig machen zu können? Schließt sich hier gerade ein Kreis? Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um mal NEIN zu sagen. Um eigene Prioritäten zu setzen. Sich wirklich zu schonen.

Das Teufelchen ist aber auch nicht so ganz im Unrecht: Was, wenn der Wunsch Vater (oder Mutter) meiner Gedanken ist, die Schwangerschaftsgeschichte nur ein Hirngespinst? Wenn ich nächste Woche den nächsten negativen Test in den Müll werfe: Wie sehr ärgere ich mich dann wohl über diese verpasste Chance? Und überhaupt: Nicht gerade karrierefördernd, solch einen Trip schlicht anderen zu überlassen.

Der Teufel triumphierte: Kaum hatte ich zugesagt, hatte Sekretärin Susan schon den Hörer in der Hand, buchte die Flüge für mich, den Fotografen und den Videoredakteur. Als ich nach Hause kam, packte ich meinen Koffer, telefonierte dabei mit meiner Mama. »Du machst das schon«, versuchte sie, mir den Entschluss gutzureden. Ich könne ja trotz aller Arbeit Rücksicht auf mich nehmen, und: »Du hast sicher die richtige Bauchentscheidung getroffen. Das wird immerhin eine historische Reise.«

Oh ja. Historisch. Hoffentlich im zweifachen Sinne.

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Dienstreise mit blindem Passagier? Das Ticket nach Johannesburg – und der Airbus, der die minimal-kleine, maximal-wertvolle Fracht erstmals ins Ausland transportierte.

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Liebe Leserin,

wie heißt es so schön? »Ein bisschen schwanger gibt’s nicht.« Ich finde: stimmt nicht. Denn wenn man schwanger ist, es aber noch nicht weiß, ist man irgendwie genau das: ein bisschen schwanger.

Vielleicht hast du Glück und diese Phase bereits hinter dir, wenn du diese Zeilen liest. Dann erst einmal: Herzlichen Glückwunsch! Du hast nur ein einziges Mal die Pille vergessen, und schwups, holterdiepolter waren die zwei berühmten Striche da? Vielleicht haben Hormone deinem Körper auf die Sprünge geholfen oder eine künstliche Befruchtung? Ganz egal, wie es dazu kam: du bist schwanger, wie wunderbar! Auch wenn man zu diesem frühen Zeitpunkt bekanntlich noch nicht allzu laut applaudieren möchte, gibt es allen Grund zu gratulieren. Immerhin hast du mit dem positiven Test die erste große Hürde zu einem ganz neuen, aufregenden und unvergleichlichen Lebensabschnitt überwunden. Bist du also tatsächlich eine der »Ich-habe-schon-positiv-getestet«, »echten« Schwangeren, darfst du schon mal auf > springen und bei den sieben Fragen zum ersten Schwangerschaftsmonat weitermachen – bis gleich!

Solltest du dich hingegen noch zu der Vielleicht-Schwanger-Fraktion zählen oder zu denen gehören, die (wie ich es ebenfalls tat) schon in der Kinderwunschzeit ständig in Schwangerschaftsbüchern blättern, lies gerne die folgenden Zeilen weiter.

Vielleicht lachst du müde über das, was ich im Jahr vor meiner Schwangerschaft erlebte: Mir ist klar, dass es nur ein Bruchteil davon war, was viele Frauen durchmachen. Aber es hat mir Einblicke gegeben in diese nervenzerreißende Berg- und Talfahrt, mich dafür sensibilisiert, wie sehr dieses Thema an einem nagen kann. Wie sehr es das Leben bestimmen kann. Wie sehr man daran verzweifeln kann.

Mir haben stumpfe Zahlen ganz gut geholfen, allerdings sollte man sich die Statistiken nach dem Prinzip »Das-Glas-ist-halbvoll« ansehen: Wenn man zum perfekten Zeitpunkt (kurz vor oder während des Eisprungs) Sex hat, liegt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, bei bis zu 38 Prozent (Angabe variiert je nach Alter, Veranlagung und Lebensumständen). Frauen zwischen 19 und 26 Jahren werden häufig schon nach zwei bis drei Monaten schwanger, Frauen Anfang 30 brauchen oft vier bis sechs Monate, bei Frauen über 35 ist ein »Übungszeitraum« von bis zu einem Jahr üblich. Und wenn’s auf natürlichem Wege nicht klappt: Die durchschnittlichen Erfolgsraten für IVF- und ICSI-Behandlungen liegen jeweils bei rund 28 Prozent.

Ich weiß: Es gibt ungefähr hunderttausend Floskeln, die man in der Kinderwunschzeit NICHT mehr hören möchte. Trotzdem habe ich dir eine Top-12-Liste zusammengestellt, wie sich diese Monate (wenn es denn nur Monate sind, über alles andere möchte ich mir nicht anmaßen zu urteilen) einigermaßen gut überstehen lassen. Sollte ein Satz dabei sein, der zu deiner persönlichen Hass-Plattitüden-Sammlung gehört, überspringe ihn bitte einfach. Vielleicht helfen die anderen Lektionen dir weiter.

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Auch wenn’s schwerfällt: Zurücklehnen – und in Sachen Familienplanung nicht unter Druck setzen (lassen).

Lektion 1: Gib deinem Körper Zeit

Und damit meine ich nicht Tage und Wochen, sondern Monate – vor allem nach einer Fehlgeburt, und wenn sie noch so früh war. Ich dachte tatsächlich: Was einmal klappt, kann gleich wieder funktionieren. Nicht ausgeschlossen, aber auch nicht die Regel. Also: Abwarten und Tee trinken. Wenn du magst Himbeerblättertee zwischen dem ersten Tag der Menstruation bis zum Eisprung, dann Frauenmanteltee ab dem Eisprung bis zum (hoffentlich positiven) Schwangerschaftstest. In meinem Fall half (neben der Geduld!) außerdem Mönchspfeffer (nicht rezeptpflichtig!), um den Zyklus zu regulieren.

Lektion 2: Lerne, wie du tickst

Ist vielleicht nicht sexy, macht aber Spaß, weil man ein ganz neues Gefühl für seinen Körper bekommt, wenn man begreift, wie er funktioniert: Zyklus-Apps wie »Clue«, »Glow« oder »PinkPad« helfen, einen Überblick über die fruchtbaren Tage zu bekommen. Miss zusätzlich deine Basaltemperatur, immer morgens vor dem Aufstehen und am besten vaginal, notiere dir die Ergebnisse (zum Beispiel in einer der genannten Apps). Kurz nach dem Eisprung erhöht sich dein Progesteronwert, der die Temperatur ansteigen lässt.

Untersuche auch deinen Zervixschleim: Um den Eisprung herum nimmt er stark zu, wird dünnflüssiger, glasklar und zwischen den Fingern »spinnbar«. Ebenfalls eine große Hilfe: Ovulationsstäbchen, die die Konzentration des luteinisierenden Hormons (LH) im Urin messen und dir damit sagen, zu welchem Zeitpunkt die Chance schwanger zu werden am größten ist.

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Lektion 3: Hör endlich auf zu rauchen

Ich will nicht klingen wie deine Mutter, aber wenn es dir ernst ist mit dem Kinderwunsch: Lass die Finger von den Glimmstängeln – und investiere die Kippen-Kohle lieber in Ovulationsstäbchen und ein Thermometer (siehe Lektion Nummer 2 >). Hintergrund: Rauchen senkt die Konzentration der weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron im Blut, es entwickeln sich weniger Eizellen. Somit sind Raucherinnen nachweislich weniger empfängnisbereit als Nichtraucherinnen; die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung ist pro Zyklus um 10 bis 40 Prozent geringer. Und wenn du einmal dabei bist, überrede auch deinen Partner zum Aufhören: Das Risiko für einen Misserfolg in der Kinderwunschbehandlung ist bei rauchenden Männern doppelt so hoch!

Lektion 4: Plane die Schäferstündchen in Eigenregie

Bescheuert, wenn es so weit kommt, dass ihr (wie wir) über den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs streitet – und es am Ende mehr um einen technischen Akt geht als darum, Liebe zu machen. Viel klüger: Hab’ deinen Zyklus so im Griff, dass du die Schäferstündchen in Eigenregie planen kannst. JEDER Mann freut sich darüber, verführt zu werden. Die wenigsten aber sind begeistert, wenn man sie auf Knopfdruck fordert. Was keinen Sinn macht: mehrere Nümmerchen täglich zu schieben, dadurch werden Spermienqualität und -quantität gemindert (besser: alle zwei bis drei Tage). Die besten Stellungen sind übrigens die klassische Missionarsstellung und Sex »von hinten«: So können die Spermien schön tief eindringen. Und bitte gern ein kleines »Nachspiel« (anstatt unter der Dusche oder auf dem Klo die wertvolle Ladung gleich wieder zu »entlassen«).

Lektion 5: Freu dich mit schwangeren Freundinnen

Du könntest durchdrehen, wenn du all die Babybäuche im Umfeld siehst? Ich weiß. Trotzdem: Freu dich über das neue Leben, das entsteht. Die anderen können nichts dafür, dass du selbst noch nicht zur Kugelbauch-Fraktion gehörst – und eure Freundschaften sind zu wertvoll, um jetzt den Kontakt einschlafen zu lassen, nur weil sie etwas haben, was du nicht hast. Sieh es so: Alle, die jetzt vorlegen, können dir später hilfreiche Tipps für Schwangerschaft und erste Babyzeit geben und dir vielleicht ihre Erstausstattung vermachen …

Lektion 6: Sprich drüber. Aber weihe nicht zu viele ein

Such dir eine Handvoll Vertraute, die du einweihst in das Kinderwunsch-Thema. Eine Freundin, der es ähnlich geht. Deine Schwester oder Mutter. Der schwule beste Freund. Vielleicht auch eine Kombination. Eine gute Mischung ist von Vorteil. Wichtig aber: Lass nicht Hinz und Kunz wissen, wann dein nächster Eisprung ist, wann du theoretisch schwanger werden könntest. Das erhöht den Druck unnötig und kurbelt bloß die Gerüchteküche an.

Lektion 7: Geh an deine Grenzen

Powere dich beim Sport aus, danach ab in die Sauna, spüre dich und deinen Körper: Geh noch mal an deine Grenzen, bevor die Zeit beginnt, in der du dich erst einmal schonst wie ein rohes Ei.

Lektion 8: Leih dir ein Kind aus …

… und sei froh, es wieder abgeben zu können, wenn es eine volle Windel hat / hungrig,  müde und quengelig wird / Bauchweh bekommt.

Lektion 9: Genieße dein Leben

Es ist leichter gesagt als getan, aber versuche, dich nicht zu versteifen, bleibe bei dir – und genieße dein aktuelles Leben. Genieße es, dass du ausgehen kannst. Sollte dein Plan demnächst von Erfolg gekrönt sein, kannst du das erst einmal vergessen. Übrigens nicht nur die neun beziehungsweise zehn schwangeren Monate, sondern (je nach Stilldauer) möglicherweise doppelt so lange (das habe zumindest ICH vorher nicht bedacht). Genieße es, dass du am Wochenende bis in die Puppen schlafen kannst. Es werden Zeiten kommen, in denen du dich nach diesem Schlaf sehnst.

Lektion 10: Mach AUF KEINEN FALL Diät

Ich dachte, es könne ja gar nicht schaden, noch mal kurz so eine Stoffwechselumstellung zu machen, bevor ich schwanger werde. Das ging gewaltig in die Hose: Diese Diät, mit nur drei Mahlzeiten am Tag und je fünf Stunden Pause dazwischen, bewirkte das Gegenteil und führte zu einem ewig langen 62-Tage-Zyklus. Vorher noch mal schön abnehmen? Vergiss es: Die Pfunde purzeln nach der Schwangerschaft schneller, als du denkst, vor allem wenn du stillst. Viel besser: gesund leben. Achte auf die nötige Portion Obst und Gemüse und verzichte auf die tägliche Tafel Schokolade. Wenn du aber exakt diese brauchst, um locker zu bleiben: bitte weitermachen!

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Lektion 11: Lass dich auf alternative Medizin ein

Ich war nie ein Mensch, der sich von Hokuspokus (oder von dem, was ich dafür hielt) beeindrucken ließ. Dann aber wurde meine Sandkastenfreundin Briddy, die monatelang meine »Leidensgenossin« in Sachen Kinderwunsch war, plötzlich schwanger, nachdem sie es mit Akupunktur versucht hatte. Auf ihre Empfehlung suchte ich mir eine auf chinesische Medizin spezialisierte Heilpraktikerin, ließ mich auf ihre Behandlung ein – und flog danach jedes Mal förmlich aus der Praxis, so gut taten mir die Akupunktur-Nadeln. Nach drei Sitzungen schlug die Methode auch bei mir an, ebenso wie bei vier Freundinnen, die ich anschließend zu dieser tollen Frau schickte. Vielleicht Zufall – vielleicht auch nicht.

Lektion 12: Hab keine Angst vor Kinderwunschzentren

Die beißen nicht, wirklich nicht – und haben vor der »echten« künstlichen Befruchtung noch ganz andere Methoden in petto. Im Rückblick weiß ich nicht mehr, warum es mir so peinlich war, diesen Schritt zum Kinderwunschzentrum zu wagen. Die Schwester meines Patenkindes entstand im Reagenzglas, viele Freunde meiner Kinder sind nur dank Hormonen auf dieser Welt, und mit einer ehemaligen Nachbarin, die mich tatsächlich mal in der Kinderwunschpraxis »erwischte«, treffe ich mich inzwischen regelmäßig zum Kaffee. Ob schwanger mit oder ohne Hilfe: Im Nachhinein ist das echt schnuppe, kein Mensch redet noch davon, wenn die Kinder da, gesund und munter sind. Vermutlich wird all das in den kommenden Jahren immer normaler, weniger verpönt. Und wenn nicht: Dann versuche für dich selbst, ihn als Hilfestellung zu sehen, nicht als Beleg für eigene Unfähigkeit.

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Zwölf Lektionen – eine für jeden Monat, in dem ich versuchte, schwanger zu werden. Heute denke ich: Diese zwölf Monate waren wichtig. Mehr noch: Vielleicht sollte alles genau so sein. Vielleicht streikte das Schicksal gar nicht, sondern ließ mich nur einen kleinen Umweg gehen. Dieser Umweg erweiterte meinen Horizont gewaltig – er zeigte mir, dass im Leben eben NICHT alles planbar ist, und lehrte mich, das, was ich habe, noch mehr wertzuschätzen. Also: Selbst, wenn es bei dir gerade (noch) nicht klappt mit dem Schwangerwerden: Versuche, darauf zu vertrauen, dass es irgendeinen Sinn hat, den du vielleicht erst im Nachhinein erkennen wirst.

Trotzdem drücke ich dir ganz fest die Daumen,

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