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Impressum

Myriam von M. mit Sascha Hoffmann

Fuck Cancer

Denn meine Wut macht mich stark gegen den Krebs

eISBN: 978-3-959101-01-1

Eden Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2016 Edel Germany GmbH, Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edenbooks.de | www.facebook.com/EdenBooksBerlin | www.edel.com

1. Auflage 2016

Einige der Personen, Orte und zeitlichen Abläufe im Text sind aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes anonymisiert.

Projektkoordination: Svenja Monert

Lektorat: Laura Krause

Covergestaltung: Christiane Hahn und Christina Hucke

Layout und Satz: Datagrafix Inc.| www.datagrafix.com

E-Book-Konvertierung: Datagrafix Inc., www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

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An DICH, den Leser:

Bevor DU weiterliest, lass DIR kurz sagen, dass DU wundervoll und stark bist. Ich weiß sehr wohl, dass der Weg durch das Leben ein steiniger und schmerzhafter sein kann. Es lohnt sich aber, ihn zu gehen und zu kämpfen, das verspreche ich dir. DU hast den Willen und die Stärke in DIR. DU musst nur an DICH glauben. Lass DICH niemals von anderen beirren und gehe DEINEN Weg. Alle, die das Gegenteil behaupten, sollten kein Teil DEINES Lebens sein. Ich glaube ganz fest an DICH!!

Dieses Buch ist für DICH!!!

Stay Strong, Fuck Cancer! M.

Aufgeben zählt nicht!

Myriam war schon immer eine unerschütterliche, unbeirrbare Kämpferin – und das kommt nicht von ungefähr. Im Laufe ihres von Krankheit und Schmerz geprägten Lebens sollte Myriam von M. viele Höhen und Tiefen überstehen, und dies bereits unmittelbar nach ihrer Geburt.

Als Myriam nach einem Treppensturz ihrer Mutter als Frühchen zur Welt kam, musste sie zum ersten Mal um ihr Leben kämpfen. Sie werde die erste Nacht ihres noch jungen Lebens nicht überstehen, mutmaßten die Ärzte. Sie sei zu schwach, ihre Lungen würden einfach nicht mitspielen. Doch sie hatten den unbändigen Lebenswillen der Mini-­Myriam unterschätzt, die sich als kleine Kämpferin beweisen sollte, wie noch so oft in ihrem späteren Leben. Ihr Vater, der seine Tochter, nach anfänglicher Ablehnung, später doch noch lieb gewinnen sollte, erschoss sich selbst, als Myriam noch ein kleines Mädchen war. Missbrauch und Gewalt ­zogen schließlich in ihr Leben, nachdem ihre Mutter wieder geheiratet hatte und sich einfach nicht in der Lage sah, sich aus diesem Elend zu befreien und Myriam zu schützen. Resultat: Schon in der Pubertät manifestierten sich bei der Teenagerin Borderline, Depressionen, Panikattacken und Zwangsstörungen.

Auch als junge Erwachsene sollte die Pechsträhne nicht ­abreißen, die Gesundheit spielte ihr übel mit. Im Jahr 2002 begann mit der ersten Krebsdiagnose ein schier endloser Kampf gegen dieses übermächtige Monster. Aber Myriam lebt, auch und vor allem, weil sie bis heute eine starke Frau ist, die nie aufgegeben hat, die sich aus jedem Tief wieder tapfer nach oben gekämpft und aus jeder einzelnen niederschmetternden Lebenserfahrung etwas Positives gemacht hat, selbst aus ihrer Krebserkrankung.

Kleines, knubbeliges Etwas

Mir schallen die Worte noch in den Ohren, die ich meinem Freund Robin erst vor Kurzem trotzig an den Kopf ­geknallt habe.

»Was soll das denn schon sein, Schamlippenkrebs, oder was?«

Puh, der Arme musste sich echt ganz schön was anhören. Dabei meint er es ja nur gut, das weiß ich selbst, doch ist er mir einfach fürchterlich auf die Nerven gegangen mit seiner ewigen Schwarzmalerei und dem Drängen, mich endlich operieren zu lassen.

Vielleicht habe ich ihn unterbewusst auch deshalb ­gerade auf dem Seitenstreifen unserer Beziehung geparkt und amüsiere mich lieber mit meiner Affäre. Ja, ich gebe es zu. Ein paar Wochen geht das schon so, und ich fühle mich nicht einmal schlecht dabei. Begehrt, gleichzeitig frei – ohne den ständigen Druck, den eine angeschlagene Beziehung ­unweigerlich mit sich bringt.

Ich bin sogar schon mit Sack und Pack aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen – vorübergehend, so mein Plan. Leicht ist es mir nicht gefallen, schließlich ist Robin ja eigentlich ein lieber Kerl, und der Vater meines Sohnes ­Sebastian noch dazu. Doch irgendwie haben wir uns auseinandergelebt, das ist manchmal einfach so. Vielleicht konnte ich es aber auch schlichtweg nicht mehr ertragen, dass ­Robin ständig über dieses Ding zwischen meinen Beinen sprechen wollte, das er schließlich besser sehen und beobachten konnte als ich selbst.

Urplötzlich war es da gewesen, vor einem Dreivierteljahr etwa, an der Narbe einer Geburtsverletzung, die mich ansonsten nicht wirklich störte. Ein nicht richtig aufgelöster Faden, eine Narbenverhärtung – Gott, da ­waren so viele Möglichkeiten gewesen, um dem Ding eine halbwegs ­akzeptable und ungefährliche Daseinsberechtigung zu ­geben. Ich war ja auch nicht die Einzige, die keine Dringlichkeit erkennen konnte, meine Ärzte taten es mir gleich. Nur mein lieber Freund, der blieb hartnäckig, und das ­rührte nicht von ­ungefähr: Robin hatte selbst Krebs ­gehabt – schwarzen Hautkrebs. Einige Jahre ist das jetzt her, es war ziemlich übel. Er gilt als geheilt, verarbeitet hat er das Ganze aber noch längst nicht und deshalb auch immer mit tief sitzenden Ängsten zu kämpfen, die er verdammt noch mal nicht auf mich projizieren soll.

»Du musst es wegmachen lassen, das sieht nicht gut aus.«

Es drehte sich alles nur um diese winzige Stelle an meinem Körper. Leider. Um dieses kleine, knubbelige Etwas, das sich aus dem Nichts durch die Hintertür in mein Leben und somit auch in unsere Beziehung geschlichen hatte.

Ich selbst zog es vor, mir einzureden, dass es ganz bestimmt nichts Schlimmes wäre, während das Teil munter weiterwuchs und mit ihm schließlich auch die Verunsicherung, die schön langsam zu meinem tagtäglichen Begleiter wurde. Hatte Robin vielleicht aufgrund seiner eigenen ­Erfahrungen doch berechtigte Sorgen und deshalb so eindringlich auf mich eingeredet, endlich zu einem anderen Arzt zu ­gehen? Beim Gynäkologen war ich ja längst gewesen, aber all die Salben, die ich immer und immer wieder verschrieben ­bekam, wollten einfach nicht helfen – Wirkung gleich null!

Sechs Monate mache ich das nun schon mit. Es reicht! Eine zweite Meinung muss her, die Meinung eines Mediziners, den ich schon ewig kenne, nämlich ganz genau seit meiner Geburt.

Dr. Meininger hat mich immer wie eine Tochter behandelt, ihm vertraue ich blind. Zu doof, dass ich mittlerweile nicht mehr in seiner Nähe wohne, sonst wäre ich nämlich nie auf die Idee gekommen, überhaupt die Praxis zu wechseln. Nun aber ist mir die lange Fahrt egal, ich muss einfach wissen, was er zu der ganzen Sache zu sagen hat.

Obwohl ich keinen Termin habe, werde ich sofort aufgerufen. Dr. Meininger scheint zu ahnen, dass es wichtig ist, schließlich hätte ich ihn ansonsten wohl kaum extra aufgesucht. Er untersucht mich nur kurz und kommt gleich auf den Punkt: »Myriam, das muss raus, am besten sofort!«

Der mir so vertraute alte Mann sagt dies mit einem zerknirschten Stirnrunzeln, wie ich es so bei ihm noch nie gesehen habe. Was es ist oder sein könnte, darüber verliert er kein Sterbenswörtchen. Nur seine mehr als eindringliche Empfehlung wiederholt er mehrfach: »Raus damit, Myriam, das muss raus, ich mache dir für morgen einen Termin bei einem Kollegen!«

Irgendwie will die Dringlichkeit bei mir dennoch nicht so richtig ankommen. Ich lehne dankend ab, schiebe den Eingriff weit von mir und gebe vor, alles zeitlich erst ­planen zu müssen. Noch immer möchte ich an nichts Schlimmes denken, gebe drei Wochen später dann aber doch dem ­Zureden meiner Liebsten nach und mache einen Termin in der Klinik, ohne mir allzu große Sorgen zu machen.

Dann ist es so weit: Morgens rein, Vollnarkose, mittags ­wieder raus – fertig! Endlich bin ich das Ding los – hurra! Ich bin happy, einfach nur happy.

Ein paar Tage später piksen die Fäden der OP-Naht ­dermaßen, dass es mich fast zur Weißglut bringt. Ich will die blöden Teile nur noch loswerden. Ab zum Gynäkologen und weg damit!

Im Wartezimmer angekommen, überkommt mich ein seltsames Gefühl. Es ist dieses sonderbare Gefühl, als würde etwas Schreckliches unmittelbar bevorste­­­­­hen. Fast so wie in alten Hitchcock-Schockern, wenn das Messer hinterm Duschvorhang blitzt und man einfach nur die Decke übers Gesicht ziehen will, bevor das Blut spritzt. Angstschauer bahnen sich in lähmender Zeitlupengeschwindigkeit über den Rücken. Meine Atmung wird flacher und flacher. Enge, ich spüre nichts als Enge in der Brust, als hätte es sich ein dicker, fetter Elefant darauf gemütlich gemacht. »Verpiss dich«, denke ich, während die Seiten der Illustrierten zum hundertsten Mal durch meine Finger gleiten, ohne dass ich auch nur einen einzigen Buchstaben, geschweige denn ein ganzes Wort darin gelesen habe.

Wann werde ich bloß endlich aufgerufen? Warum dauert das so lange? Ist diese schwangere Übermutter mit ihren drei Kids nicht lange nach mir gekommen? Und die pausenlos mit ihrer Sitznachbarin schnatternde Oma doch auch. Wie all die anderen, deren Namen längst durch den Lautsprecher an der vergilbten Decke gerattert sind und die sich längst wieder aus der Praxis verabschiedet haben, mit einem Rezept oder Arztbericht in der Hand und einem ­erleichterten, zufriedenen Lächeln im Gesicht, weil sich das Jucken zwischen den Beinen doch nur als harmlose Pilzinfektion herausgestellt hat. Haben die ein Glück!

Meine Gedanken fahren nicht nur Karussell, sondern regelrecht Geisterbahn. Will sich der Weißkittel etwa ­besonders viel Zeit für mich nehmen, um mir ganz behutsam beizubringen, dass ich mich die letzte halbe Stunde völlig zu Recht verrückt gemacht habe? Wenige Minuten später ­erfahre ich es.