Vollständige eBook Ausgabe 2012

 

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(eBook) ISBN:  978-3-95452-008-4

 

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eBook-Herstellung: GEPPCO MEDIA, Regensburg

 


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Volkmar Steininger geboren 1970 im niederbayerischen Triftern, machte eine Ausbildung zum Redakteur für Funk und Fernsehen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist er unter anderem als Autor für die Sendung »Verstehen Sie Spaß?« und als Produzent für verschiedene Fernsehanstalten tätig.

Derzeit arbeitet er für das MDR Fernsehen zusammen mit seinen beiden Brüdern an einem neuen Comedy-Format.


»Stimmen von Krimiexperten«

 

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Yvonne de Bark, Schauspielerin u. Autorin

»Mystik und Mord in einer Komposition von Gänsehaut und kriminalistischer Euphorie an einem zarten Schmetterlingsflügelschlag Liebe. Ich habe dieses Buch inhaliert.«

 

…spielt u.a. in:

Die Motorrad-Cops, Küstenwache, Die Rosenheimcops, Alarm für Cobra 11- Die Autobahnpolizei, Der Fahnder, Ein Fall für zwei, Im Namen des Gesetzes

 


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Wigbert Wicker, Regisseur u. Autor

Car-Napping – Kinofilm, Ein Bayer auf Rügen, Der Bulle von Tölz, Derrick

 

»›Mordshexe‹, das ist mehr als nur ein Krimi: Heilskundige Frauen waren – und sind – immer schon verdächtig, ihr Wissen von religiösen Fundamentalisten gefürchtet. Ihre Unabhängigkeit von Frömmlern gehasst und für die Gabe des zweiten Gesichts war ihnen der Scheiterhaufen sicher. Aber von den Menschen wurden sie geliebt.

Volkmar Steininger erzählt von einer Kräuterhexe und von ihrer Gegenspielerin, und diese Geschichte einer Polizeibeamtin ist dermaßen abenteuerlich und hinterhältig. Man liest sie viel zu schnell, weil man allzu bald wissen will, wie diese Teufelei ausgeht, um dann gleich nochmal von vorn anzufangen – und hat bei so viel Niedertracht das größte Vergnügen. Nur Vorsicht – für schwache Nerven ist das nix!«

 


1. Kapitel

 

Die Sonne brannte auf grauem Asphalt. Ein schwacher Flügelschlag wirbelte winzige Staubpartikel durch die Luft. Zu einem grausamen Opfer der Straße war eine Taube geworden. Hilflos lag sie da, voller kläglicher Hoffnung, rechtzeitig Rettung zu erfahren, bevor ihr womöglich der nächste Autoreifen viel zu früh das Leben entreißen würde. Sie war noch jung, reinweiß und zart. Sie wäre das optimale Sinnbild des heiligen Geistes gewesen, doch jede Sekunde hätte ihre letzte sein können, wäre nicht eine zufällig rettende Hand am Tatort gewesen, die sie behutsam hochhob. Die Frau mit den feuerroten, aufgesteckten Haaren legte das verletzte Tier vorsichtig in ihren Fahrradkorb und verließ den Ort des Verbrechens, die Straße, die fünf Kilometer nach Bad Birnbach führte. Die Frau war gerade von Triftern auf dem Weg nach Hause und brachte es nicht übers Herz, wegzusehen. Sie konnte nicht einfach an dem Vogel vorbeifahren.

Angelina Webers Erscheinungsbild war durch ihre vornehme Schlichtheit sehr auffällig. Ihre gesamte Kleidung stammte von naturbelassenen Materialien. So trug sie einen beigefarbenen Umhang und eine Leinenhose in der gleichen Farbe. An fast allen Fingern trug sie Ringe, worauf mystische Symbole, wie Runenzeichen, eingraviert waren und um den Hals hatte sie eine Naturbernsteinkette hängen.

In Bad Birnbach, im niederbayerischen Bäderdreieck, war sie geboren und hatte dort ein Haus am Waldesrand. Dort lebte sie mit Sebastian, ihrem achtzehnjährigen Sohn. Aufgestapelte Holzscheite verdeckten die Hauswand des Holzhauses und davor befand sich ein Garten, in dem sie ihre Kräuter anbaute. Sie hegte und pflegte diesen, genauso wie sie sich um alle Tiere kümmerte. Sie hatte drei Katzen, vier Hühner und einen Ziegenbock, der neben den Katzen zusätzlich die Ratten vertreiben sollte. Das hieß keineswegs, dass der Gehörnte persönlich den Nagern nachjagen und sie fangen sollte. Angeblich sollte der Geruch des Bockes die kleinen Biester vertreiben. Angelina wollte so autark wie möglich sein. Unabhängig sein war ihr Lebensmotto. Sie wollte ihr ganz eigenes Leben führen dürfen. Dieses war geheimnisvoll, denn sie war eine Hexe und verstand sich auf weiße Magie. Schon ihre Mutter hatte dieses Wissen gehabt und weitergegeben.

Das Wohnzimmer, wenn man es so bezeichnen konnte, war nur karg eingerichtet. Es standen ein paar schlichte Hocker, Holzschemel und Bänke um den großen, alten Eichentisch herum und in der Ecke stand noch ein Diwan. Die unebenen Wände des Raums waren mit weißem Kalk verputzt worden.

Der unbehandelte Fichtenboden quietschte, woran sie gewohnt war, wenn sie an ihr Holzbuffet ging, wo sie ihre Geheimtinkturen aufbewahrte, wie Mistel, Kamille, Mariendistel und andere Auszüge aus Heilpflanzen. Allesamt aufbewahrt in vielen getönten Fläschchen, aufgefüllt mit Flüssigkeiten, bildeten sie so aufgereiht eine lange Reihe. Angelina hatte bereits den Vogel auf den Tisch gelegt und ein paar Tropfen einer Tinktur auf seinen Flügel gegeben. Danach schiente sie mit zwei kleinen, hölzernen Stöckchen den Flügel. Die Taube zuckte nur einmal kurz, als sie die Nässe der Tropfen das erste Mal verspürte, dann verhielt sie sich ruhig und entspannt. Geduldig ließ sie die medizinische Prozedur über sich ergehen und lauschte den Worten Angelinas, als würde sie sie verstehen können: »Na, wer hat dich denn so zugerichtet? Wo kommst du eigentlich her? Könnte sein, dass du aus dem Vogelpark ausgebüchst bist«, überlegte Angelina, denn in der Gegend gab es in der Tat einen Vogelpark. Sie griff zum Hörer ihres grauen Telefons mit Wählscheibe und begann zu wählen.

Doch in dem Moment kratzte es an der Tür. Sie legte den Hörer auf, ging an die Tür und öffnete sie. Da stand der Förster mit seinem Dackel. Jeden Dienstag, nachdem er seine Runde im Wald gemacht hatte, fand er Zeit, auf Kurzbesuch zu Angelina zu kommen. Ihr selbstgemachtes Rindsgulasch hatte es ihm angetan. Er nahm den Hut ab. Max war nicht unattraktiv, von kräftiger Statur, trug aber einen Vollbart, der Angelina nicht so besonders gefiel. Der Mann war etwa in ihrem Alter, um die vierzig. Sie hatte sich schon mal vorgestellt, wie Max unter seiner Bürste wohl aussehen würde, doch ihre Magie reichte nicht aus, um ihm gegen seinen Willen den Bart zu entfernen. Schließlich war der Mann auch noch stolz auf diesen gezwirbelten Bart. Als er mit seinem Dackel die Stube betrat, sah er gleich die Taube auf dem Tisch:

»Typisch Angelina, hast wieder mal einen Patienten aufgelesen und mit nach Haus gebracht. Und, wie sieht’s aus?«

»Ich hab sie auf der Straße gefunden. Na ja, der Flügel ist gebrochen.«

»Hatten schon schlimmeres, ich kenn dich, bald fliegt sie wieder.«

Er nahm an einem anderen Tisch Platz. »Erinnerst du dich an den Fuchs, der nicht die Tollwut hatte?«

Der Fuchs, der nicht die Tollwut hatte, war das Ereignis, mit dem er die Hexe immer aufziehen konnte und er genoss es jedes Mal. Schmunzelnd griff er sich an seine Bartspitze: »Wie du damals zu mir gerannt kamst und ihn mir gleich weggerissen hast! Er hat ja keinen Schaum vor dem Mund, bitte erschieß ihn nicht, erschieß ihn nicht, den kleinen Fuchs!«

»Ja, hatte doch Recht«, sagte sie, ging zu ihm hin, strich ihm über die Wange und zog kurz aber fest neckisch an seinem Bart: »Rübezahl …«

»Aua!«

»Ob ich das noch erleben darf, dass du den abnimmst?«, fragte sie und bekam wieder einmal die gleiche Antwort von ihm, ein kurzes aber vehementes: »Nein!«.

»Was gibt’s denn heut? Einen Hunger hab ich. Wie wär’s mit der Taube?«, scherzte er.

Wäre ein Dritter anwesend gewesen, hätte er denken können, es handelte sich bei den beiden um ein Ehepaar. »Hab schon was Besseres zubereitet und die Taube bringen wir jetzt gleich vor dir in Sicherheit.« Angelina ging in den kleinen Nebenraum, in dem sie immer ihre aufgelesenen kranken Tiere wieder aufpäppelte, und brachte die Taube dort in einem Vogelkäfig unter.

Der Blick des Försters schweifte im Raum umher, was ihn zum Nachdenken inspirierte und neugierig machte: »Du bist doch eigentlich römisch-katholisch, hast studiert und … Sag mir Angelina, wie verträgt sich das mit deinem Hexenzeugs?«

Sie zog eine Bibel aus einer Kommodenschublade, strich einmal mit der Hand darüber und hielt sie ihm entgegen: »Gut, weil wir beide auf der gleichen Seite stehen, der liebe Gott und ich.« Dann legte sie die Bibel wieder zurück in die Schublade.

»Was gibt es bei dir Neues, Max?«

Sie ging gerade zur Anrichte und rührte mit dem Löffel im Topf herum. Schon waren zwei Teller mit dem vom Förster so begehrten Rindsgulasch gefüllt. Der Soße hatte Angelina eine eigenkreierte Kräutermischung beigefügt. Dazu gab es Salate aus ihrem eigenen Anbau, die die wohl schmeckende wie gesunde Speise abrundeten.

Als ihr Gast sein Gulasch roch, fächelte er den Dampf hoch in seine Nase, als wäre bereits der Duft die Vorspeise.

»Ruhig, immerzu das Gleiche im Revier, nur die Bürokratie wird immer schlimmer«, klagte er. »Daheim im Büro stapeln sich die Akten und Dateien im PC. So wartet auf mich in den vier Wänden mehr Arbeit als im Wald. Und die Wände drücken aufs Gemüt, Hexerl! Versteh’ s bitte nicht falsch, aber manchmal ist es zu ruhig«, bemerkte er, fummelte an seiner Nase herum und glitt wieder an seinem Bart herab. »Früher gab’s noch Abenteuer im Wald, allein schon wegen den Wilderern.«

Das Hexerl, wie er Angelina manchmal nannte, schmunzelte: »Ja genau, Wilderer hättest gern im Wald. Da möchte ich dich sehen!«

Er hob den Kopf, bevor er das erste Stückchen aus der Soße fischte und sogleich verspeisen wollte und sagte stolz: »Traust du mir das nicht zu, dass ich einen schnappen würde?«

Jetzt musste sie erst recht lachen: »Würd’s ja gern erleben, wenn du einem nachlaufen und außer Atem schreien würdest: Halt! Stehenbleiben oder ich bekomm keine Luft mehr!«

Das fand Max jetzt gar nicht lustig, denn der Schnellste war er wirklich nicht auf den Beinen. Aber dafür konnte er nichts, seine extremen Plattfüße waren schuld daran, dass er eher wie ein John Wayne von Niederbayern durch seine »Nadelholzprärie« latschte.

»Ach, Schmarrn«, knurrte er. »Meinte ja nur, es könnte mehr los sein.«

»Du, der Moosi streift oft durch den Wald. Reicht das nicht?«

»Den Landstreicher und Taugenichts meinst du?«

Sie zwinkerte ihm zu: »Such dir eine, dann ist dir nicht mehr so langweilig.« Und damit meinte sie eindeutig eine Frau für ihn.

Kommentarlos zupfte er an seinem Bart.

»Da gäb’s schon eine …«, wusste er, ohne sein Geheimnis preiszugeben.

Sie ging auf ihn zu, neigte sich herab und foppte ihn wieder: »Welche Frau mag schon so einen Zottelbart?«

Ihr schelmisches Grinsen setzte sie dabei auf und setzte sich an den Tisch zum Förster, um mit ihm zu speisen. Dieser hatte schon begonnen zu essen und schob einen Löffel voll Rindsgulasch nach dem anderen in sich hinein.

»Geht doch nichts über dein Rindsgulasch!«, bemerkte er zufrieden und beide lächelten sich an.

 


2. Kapitel

 

Der Förster war schon gegangen und die Nacht brach herein. Dunkle Wolken waren heraufgezogen und bedeckten den noch vor kurzem blauen Himmel. Der erste Blitz zischte, wenige Minuten später folgte grummelnder Donner und dann passierte es: im Wald neben dem Haus der Hexe sauste ein Blitz in eine Tanne hinein und spaltete sie. Was für ein Glück, dass er das alte Holzhaus verschonte!

Die Hexe sah am Tisch sitzend auf. Sie machte sich Sorgen um Sebastian, ihren Sohn. Er wollte schon seit zwei Stunden von seiner Freundin Yvonne zurück sein. Das donnernde Gewitter verstärkte ihre Emotionen und sie zündete eine Kerze an, hoffend, dass ihr geliebter Sohn unbeschadet und bald nach Hause heimkehrte. Hexi, eine ihrer Katzen – sie war dreifarbig, eine Eigenschaft, die bekanntlich dem Besitzer Glück bringen sollte – sprang auf ihre Schenkel und krallte sich fest.

Da …! Ein Kratzen und Pochen an der Tür. »Gott sei Dank!«, dachte sich Angelina, ihren Sohn vermeintlich in Sicherheit wissend. Die Katze Hexi wusste instinktiv, dass die Herrin jetzt aufstehen würde und sprang schnell von selbst auf den Boden. Angelina ging an die Haustür und öffnete sie. Weit riss sie die Augen auf und ihr Gesicht erstarrte, als sie einen Mann vor sich sah, der ihr stöhnend mit schmerzverzerrtem Blick entgegenstürzte. Sie fing ihn auf. Blut tropfte zu Boden, ein Blitz am Himmel tauchte sein Gesicht in vampirartige, blutleere Blässe. Sogleich folgte ein Donner und nun sah die Hexe auf seinem Rücken ein großes Einstichloch, das tief im Leib des Mannes saß. In dem Moment hauchte der Mensch mit einem Atemzug in ihren Armen sein Leben aus. Ihr Herz bebte vor Aufregung. Sie konnte kaum noch atmen und als es abermals blitzte, ließ sie den Toten zu Boden gleiten. Sie musste sich selbst ans Herz fassen. Ihre Hände zitterten und waren mit Blut getränkt. Die Wunde, die ein großer Gegenstand, wie ein Messer, in den nun leblosen Körper geschlagen hatte, war so tief, dass sie weiterhin, obwohl das Opfer tot war, mehr und mehr Blut an den Tag beförderte.

Da kniete nun Angelina vor der Leiche und ihr Holzboden hatte bereits das Blut aufgesogen und angenommen.

Die angsterfüllte Frau hatte rote Hände, die sie wie fremde Gliedmaßen weit und starr von sich wegstreckte, nur das half ihr weder, die Hände rein zu bekommen noch das Geschehen, in das sie unfreiwillig hineingeraten war, rückgängig zu machen. Das Schicksal hatte sie in einen Mord verstrickt und von ihrem Sohn gab es immer noch kein Lebenszeichen. Sie machte sich jetzt auch noch Vorwürfe, dass sie kein Handy haben wollte, obwohl ihr Sohn ihr es noch vor wenigen Tagen vorgeschlagen hatte.

 


3. Kapitel

 

Am Morgen danach war bereits ein Polizeibeamter in ihrem Haus, denn selbstverständlich hatte sie die Polizei verständigt. Es handelte sich um einen Kriminalkommissar aus Pfarrkirchen mit dem Namen Walter Bierbauch. Er hatte eine Assistentin, Frau Sandra Drexler, bei sich, eine recht attraktive Kriminalbeamtin, genauer gesagt eine frischgebackene Kriminalkommissaranwärterin Ende zwanzig, mit langem, blondem Haar. Mit Kreide waren die Umrisse des Opfers gerade markiert worden, worauf sich eben noch die Leiche befunden hatte, und der Tatort bereits auf zwei Meter abgeriegelt. Rot-weiße Bänder zierten den Ort, an dem das Opfer laut Aussage der Hausbesitzerin tot zusammengebrochen war. Es war eine ziemlich enge Angelegenheit auf dem Hausflur. Die Barriere ließ nicht viel Platz zum Passieren. Ein weiterer Polizeibeamter machte Fotos vom Tatort. Der leblose Körper, der bereits in einem Metallsarg lag, wurde von zwei in Weiß vermummten Männern getragen und anschließend in einem Leichenwagen abtransportiert. Angelina ging in den Garten hinaus, es waren ihr zu viele Fragen, die der Kommissar an sie stellte. Dabei wiederholte er sich immer wieder: »Hat der Mann noch etwas gesagt? Was haben Sie zur Tatzeit getan?« Als würde sie die Tatzeit kennen! Oder wollte er damit etwas Bestimmtes andeuten?

Dabei kratzte sich der Möchte-Gern-Columbo am Hals und dann zur Abwechslung an der Pobacke, als würde ihn ständig etwas kneifen und zwicken, wie Zecken oder Flöhe. Angelinas drei Katzen waren ohnehin gepflegter als er, nein, alle ihre Tiere waren es – und dann war da erst sein Auftreten …

 Was ihr außerdem noch sehr unangenehm war, war seine Alkoholfahne, die sie schon gleich bemerkt hatte, als er sich ihr vorgestellt hatte. Sie war seither auf der Flucht vor ihm und seinen Fragen, die keinen Sinn ergaben, um den Täter zu ermitteln. Warum fragte er nicht etwas wie »Kannten Sie das Opfer?«, denn natürlich kannte sie das Opfer. Es war Herbert Huber. Herbert Huber war ein Großindustrieller, der immer zur Urlaubszeit nach Bad Birnbach kam, um sich in der Rottal Terme zu erholen und seine Nichte zu besuchen. Sollte Angelina dem ungepflegten, rauen und ihr unsympathischen Kommissar mit offensichtlichen Alkoholproblemen die Tatsache  erzählen, dass ausgerechnet dieser Mann der Onkel von Sebastians Freundin gewesen war? Nein, sie würde es diesem abstoßenden Menschen nicht auf die Nase binden, denn sie hatte kein Vertrauen zu ihm und ihren Sebastian würde sie selbst suchen gehen.

Endlich war der Ermittler fortgegangen, aber noch lange war keine Ruhe in dem Haus eingekehrt. Außerdem hatte Bierbauch Angelina folgenden Satz zurückgelassen, den er leise an seine Assistentin Sandra Drexler gerichtet hatte, aber den Angelina gut hören konnte: »Die Frau ist verdächtig.«

Kurz zuvor hatte sie einen Anruf von Sebastians Freundin erhalten, die wegen dem Tod ihres Onkels weinte und Sebastian sprechen wollte. Sie hatte es übers Handy versucht, doch konnte ihn nicht erreichen. Von ihr erfuhr Angelina jetzt, dass ihr Onkel Sebastian gestern an einem vereinbarten Treffpunkt zum Golfen abholen wollte. Sebastian und Herbert Huber hatten sich noch nicht lange gekannt und dennoch Sympathie füreinander gehabt. Huber lehrte Sebastian das Golfen und dank ihm hatte der Junge es bereits auf ein Handicap 24 gebracht. Außerdem wollte Sebastian bald in dessen Firma ein Praktikum machen.

Angelina hatte bereits den Wald abgesucht, denn sie ahnte, wie es nur eine Mutter kann, dass er darin sein musste und ihm etwas zugestoßen sein könnte. Das Ganze war für sie wie ein Albtraum. Sie schritt Wege ab, sah hinter jeden Baum. Obwohl die Bäume ihre Freunde waren, verrieten sie ihr an diesem Tag nichts.

Sie entschloss sich, nach dem zwölf Kilometer südwestlich entfernten Triftern, einem Markt, der in einem kleinen Seitental der Rott liegt, zu fahren, bevor es Nacht werden würde.

Dort wusste sie einen speziellen Ort im Wald des Marktes, der ihr helfen konnte. Sie musste so bald wie möglich Sebastian finden. Jener Platz war etwas Besonderes, er öffnete ihren Geist und führte so an guten Tagen zu Visionen. Gerüchten zufolge sollte schon während der Pestzeit im 17. Jahrhundert, bezeugt durch einen Pestfriedhof am Ortsrand, ein geheimer, weißer Hexenbund versucht haben, von dort die Pest zu besiegen. Auf den Steinen des Naturdenkmals hätten sie ein Ritual abgehalten und ihre Kräfte verbunden, um den schwarzen Tod zu vertreiben. Aber was waren schon Gerüchte wert?