Personen

Inhaltsverzeichnis


Don Ferdinand, erster König von Castilien.

Donna Urracca, Infantin von Castilien.

Don Diego, Vater Rodrigo's.

Don Gomez, Graf von Gormao, Chimenens Vater.

Chimene, Don Gomez Tochter.

Don Rodrigo, Chimenens Geliebter.

Don Sancho, Chimenens Liebhaber.

Don Arias, castilianischer Edelmann.

Don Alonso, castilianischer Edelmann.

Leonore, Erzieherin der Infantin.

Elvira, Erzieherin Chimenens.

Ein Edelknabe der Infantin.

Der Schauplatz ist Sevilla.

Neunter Auftritt

Inhaltsverzeichnis

Don Rodrigo. Ich steh' erstarrt, ins tiefste Herz
Von unverhofftem bittern Weh betroffen,
Elender Rächer so gerechter Sache,
So ungerechter Härte Gegenstand;
Und es erliegt die schmerzensmatte Seele
Dem tödtlich schweren Schlage.
So nah war ich mein Glück gekrönt zu sehn!
O Gott, welch herbes Leiden!
Schimpflich gekränkt mein Vater – und es ist
Dein Vater, der ihn so gekränkt, Chimene!

In meinem Innern – welcher Kampf!
Die Liebe wird zum Gegner meiner Ehre,
Den Vater muß ich rächen, die Geliebte
Verlieren! Er schürt meinen Muth, und sie
Hält meinen Arm. Verrath an meiner Liebe
Oder ein ehrlos Leben
Bleibt mir zur Wahl – und beides trag ich nicht!

O Gott, welch herbes Leiden!
Soll ungestraft den Schimpf ich lassen? Soll
Ich deinen Vater strafen, o Chimene?
Pflicht, hart und edel, holder Zwang!
O Vater! O Geliebte! Ehre! Liebe!
Todt alle Freuden – oder hin die Ehre –
Elend macht diesjenes unwerth des Lichts!
Grausame, theure Hoffnung meiner Seele
Voll Muth, doch auch entflammt von Liebe,
Du meines höchsten Glückes würd'ger Feind,
Stahl, Ursach meiner Leiden,
Gab, daß die Ehr' ich räche, man dich mir?
Oder daß mir durch dich geraubt Chimene?

Ehr ziemt es in den Tod zu gehn.
Ich schuld' es der Geliebten, wie dem Vater.
Ihr Haß, ihr Zorn trifft mich, wenn ich mich räche –
Verachten muß sie mich, räch' ich mich nicht!
Eins macht mich treulos meiner liebsten Hoffnung,
Ihrer unwerth das Andre!
Mein Leiden wächst, da ich es heilen will;
Alles vermehrt die Qualen!
Auf meine Seele! Da ich sterben muß,
Sterb so ich, daß du nicht gekränkt, Chimene!

Sterben, bevor ich mich gerächt!
Solch Ende, tödtlich meiner Ehre, suchen?
Dulden, daß Spanien mein Gedächtniß schmähe,
Weil meines Hauses Ruhm ich schlecht gewahrt?
Für eine Liebe, welche meine Seele
Doch als verloren muß betrachten!
Hinweg Gedanke, der mich schmeichelnd lockt,
Doch meinen Gram nur nährt!
Auf! Auf mein Arm! Rett' mindestens die Ehre,
Da ich dich doch verlieren muß, Chimene!

Ja, meine Seele war verirrt:
Dem Vater schuld' ich mehr wie der Geliebten,
Und, ob im Kampfe, ob aus Gram ich sterbe,
Rein wie ich es empfing fließ hin mein Blut!
Schon schelt' ich mich, daß ich zu träg gewesen.

Zur Rache! Auf! Zur Rache!
Und, tief beschämt, daß ich also geschwankt,
Mach' es mir keine Sorge,
Daß, da mein Vater heut so schwer gekränkt,
Der ihn gekränkt dein Vater ist, Chimene!

Neunter Auftritt

Inhaltsverzeichnis

Don Ferdinand. Don Diego. Chimene. Don Sancho.

Chimene. Sire! Gerechtigkeit!

Don Diego. Hört uns, o Sire!

Chimene. Seht mich im Staube!

Don Diego. Eure Knie umfaß ich!

Chimene. Ich fleh' um Recht!

Don Diego. Vernehmt, was mich vertheidigt!

Chimene. Straft eines kühnen Jünglings Uebermuth!
Er warf die Stütze Eures Thrones nieder,
Erschlug den Vater mir!

Don Diego. Er rächt' den seinen!

Chimene. Recht fordert Unterthanenblut vom König!

Don Diego. Gerechte Rache heischet keine Strafe.

Don Ferdinand. Steht Beide auf, und sprecht mit Ruhe. Theilen
Seht Eure tiefe Trauer mich, Chimene.
Mein Herz auch ist von gleichem Schmerz erfüllt.
Sprecht Ihr nachher; stört ihre Klagen nicht!

Chimene. Mein Vater, Herr, ist todt. Ich sah sein Blut
Sprudelnd aus seiner edlen Seite fließen;
Dies Blut, das Eure Mauern oft beschützt,
Dies Blut, das so viel Schlachten Euch gewonnen,
Dies Blut, das, hingeströmt, von Zorn noch rauchte,
Verspritzt sich seh'nd für Andre, statt für Euch,
Das selbst der Krieg nicht wagte zu vergießen,
Tränkt' durch Rodrigo Eures Hofes Boden;
Als Probestück raubt' sein unwürd'ger Frevel
Solch' feste Stütze Eurem Staate, nahm
Die Zuversicht so Euren besten Kriegern,
Und richtete des Feindes Hoffnung auf!
Ich flog zum Kampfplatz kraftlos bleich ich fand
Ihn leblos! O verzeiht dem Schmerze, Sire,
Mir fehlen für den traurigen Bericht
Die Worte mehr wol sagen Seufzer, Thränen!

Don Ferdinand. Muth, meine Tochter; wiss', daß jetzt dein König
Statt seiner dir als Vater dienen will.

Chimene. Dem Jammer folgt zu große Ehre, Sire
Ich fand ihn leblos, sagt' ich, seine Seite
Durchstochen, und, mich mächt'ger noch zu rühren,
Schrieb mir sein Blut im Staub vor meine Pflicht.
Laut sprach zu mir sein Muth in solchem Zustand
Durch seine Wunde rief zur Rache, lieh',
Der Könige Gerechtestem durch meinen
Betrübten Mund verständlich hier zu werden,
Sich meine Stimme! Sire, duldet nicht,
Daß wo Ihr herrscht, man solche Frechheit wage
Daß so die Tapfersten tollkühnen Streichen
Straflos sei'n ausgesetzt; verweg'ne Jugend
Besiege ihren Ruhm, in ihrem Blut
Sich bade und ihr Angedenken schmähe!
Ein Held, wie der, den man Euch nahm, erstickt,
Wenn nicht gerächt, für Euch den Diensteseifer,
Kurz, Rache will ich für des Vater's Tod,
Mehr Euretwegen, als für mich zur Lind'rung.
In ihm verlort Ihr Großes durch den Tod;
Rächt ihn durch eines Andern, Blut durch Blut!
Opfert für mich nicht doch für Eure Krone,
Für Eure Macht, für Euch und für das Wohl
Des Staates, sag' ich, opfert Alle, Sire,
Die solche Frevelthat mit Stolz erfüllt!

Don Ferdinand. Vertheidigt Euch, Don Diego!

Don Diego. Zu beneiden
Ist, wer das Leben mit der Kraft verliert,
Denn welch unselig Loos schafft tapfern Männern
An ihrer Laufbahn Schluß ein hohes Alter!
Ich, dessen langes Wirken voller Ruhm,
Ich, dem einst Sieg auf allen Schritten folgte,
Ich seh' mich heut, weil ich zu lang gelebt,
Beschimpft und überwunden! Was kein Kampf
Kein Sturm, kein Hinterhalt jemals vermochte,
Was Arragonien nicht, noch Granada,
Noch Eure Feinde oder meine Neider
Vermocht, erzielt an Eurem Hof der Graf,
Fast Euch vor Augen, nur aus Eifersucht
Ob Eurer Wahl, stolz auf den Vortheil, welchen
Ihm meines Alters Ohnmacht gönnte. Sire,
So stiegen dies im Helm gebleichte Haar,
Dies Blut, so oft in Eurem Dienst vergossen,
Der Arm, des Feindesheeres Schrecken einst,
Beschimpft ins Grab, lebt' mir kein Sohn, mein würdig,
Und würdig seines Landes, seines Königs.
Er lieh mir seine Hand, erstach den Grafen,
Stellt meine Ehre her, wusch ab die Schmach.
Wenn Muth, und Zorn zu zeigen, einen Schlag
Zu rächen, strafenswerth, so treffe mich
Der Wetterstrahl; man zücht'ge, weil der Arm
Gefehlt, das Haupt dafür. Ob es Verbrechen,
Ob nicht, weshalb wir streiten, ich, mein König,
Ich bin das Haupt er ist der Arm nur. Klagt,
Daß er den Vater ihr erschlug, Chimene
Er hätt' es nie gethan, wenn ich's gekonnt!
Nehmt drum dies Haupt, das bald ein Raub der Jahre,
Und wahrt den Arm Euch, der zum Dienst noch nützt;
Ja, stellt Chimene durch mein Blut zufrieden:
Ich widerstrebe nicht, duld' gern die Strafe,
Und, fern zu murren, ob zu strengem Spruch.
Sterb' klaglos ich, weil unentehrt ich sterbe.

Don Ferdinand. Sehr wichtig ist die Sache, und verdient,
Daß man im großen Rath sie wol erwäge.
Don Sancho, führt Chimene jetzt nach Hause!
Don Diego dien' mein Hof, so wie sein Wort
Als Haft. Man ruf den Sohn! Recht soll Euch werden!

Chimene. Gerecht ist's, König, daß ein Mörder stirbt!

Don Ferdinand. Besänft'ge deinen Schmerz, sei ruhig, Tochter.

Chimene. Mir Ruh' gebieten, heißt mein Unglück mehren!

Sechster Auftritt

Inhaltsverzeichnis

Don Diego. Don Rodrigo.

Don Diego. Rodrigo! Schickt der Himmel dich mir endlich!

Don Rodrigo. Weh mir!

Don Diego. Misch' nicht in meine Freude Seufzer!
Laß mich, dich hoch zu rühmen, Athem schöpfen!
Dich zu verläugnen, hat mein Muth nicht Grund.
Du ahmst ihm nach, und deine edle Kühnheit
Läßt meines Hauses Helden neu erstehn.
Du stammst von ihnen bist mein Sproß. Es war
Dein erster Schwertstreich meiner Thaten würdig.
Der schöne Eifer deines Jugendmuthes
Erreicht durch diese Probe meinen Ruhm!
Stab meines Alters! Du, mein höchstes Gut,
Rühr' dieses weiße Haar an, dem die Ehre
Du wiedergibst! Küß diese Wange, wo
Der Schimpf sie traf, den dein Muth abgewaschen!

Don Rodrigo. Euch ziemt der Ruhm; als Euer Sproß und Zögling
Konnt' wen'ger ich nicht thun. Zu glücklich bin ich,
Und es entzückt mich, daß mein Probestück
Dem wohlgefällt, dem ich das Leben danke.
Doch seid in Eurem Glück nicht neidisch, wenn
Nach Euch, mir selbst ich zu genügen wage!
Gestattet meinem Jammer freien Ausbruch!
Zu lange schmeicheltet Ihr durch Worte ihm.
Nicht Reue fühl' ich, daß ich Euch gedient;
Doch gebt das Gut mir wieder, das die That
Mir nahm! Mein Arm, der sich um Euch zu rächen
Bewaffnet, raubte mir durch seinen Sieg
Mein Liebstes! Schweigt! Für Euch verlor ich Alles,
Und zahlt', was ich Euch schulde, wol zurück!