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Petra Mattfeldt

Multiversum

Die Rückkehr

Roman

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile.

Alle Akteure dieses Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind von der Autorin nicht beabsichtigt.

Copyright © 2016 by Buntstein Verlag, ein Imprint von Bookspot Verlag GmbH

1. Auflage

Satz/Layout: Martina Stolzmann

Covergestaltung: Nele Schütz Design, München

Lektorat: Martina Kuscheck

Korrektorat: Thilo Fahrtmann

E-Book: Mirjam Hecht

Druck: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Made in Germany

ISBN: 978-3-95669-085-3

www.buntstein-verlag.de

Widmung

Für Burkhard!
Es ist wunderbar, dich zum Freund zu haben!

ProloG

Tom Stafford war gerade neun Jahre alt, als seine Eltern bei einem Bootsunfall ums Leben kamen. Allerdings wurden ihre Leichen nie gefunden. Sechs Jahre später erhielt Tom eine Nachricht in einer kleinen Schatulle, die ein Fischer aus dem Meer gezogen hatte. Allem Anschein nach stammte die Nachricht von seinen Eltern, geschrieben von seiner Mutter Claire.

Tom suchte gemeinsam mit seiner Großmutter einen ihrer Bekannten, den renommierten Geschichts- und Physikprofessor Jonathan Steiner, auf und fragte diesen um Rat. Und was unglaublich schien, bestätigte eine These des Professors, der bereits seit Jahren auf diesem Gebiet geforscht hatte und nun im Verschwinden von Toms Eltern und deren Nachricht seine These als bewiesen ansah: Offenbar lag die Ursache für das Verschwinden von Toms Eltern in einer Reaktion der Natur nach den Gesetzen der Viele-Welten-Theorie. Oder einfacher mit den Worten des Professors gesagt: »Die Natur macht Fehler.«

Einer dieser Fehler geschah offenbar genau an der Stelle, an der Toms Eltern vor Jahren spurlos verschwunden waren.

Zusammen mit Maximilian Winter, einem Doktoranden des Professors, machte Tom sich auf und versuchte, das Rätsel zu entschlüsseln. Es gelang den beiden, den Sprung in eine Welt des 13. Jahrhunderts zu schaffen. Und was unglaublich schien, stellte sich als wahr heraus: Toms Eltern, Claire und Charles Stafford, waren tatsächlich noch am Leben, doch durch den Unfall waren sie in ein anderes Jahrhundert katapultiert worden. Ganz so geheim, wie der Professor, Tom und auch Maximilian dachten, war dieses Phänomen allerdings für die Regierung längst nicht mehr. Auch die Regierung machte sich in Verbindung mit dem MI6 umgehend daran, die beiden zusammen mit Toms Eltern in deren richtige Zeit zurückzuholen.

Tom und Maximilian fanden sich derweil in ihrer neuen Umgebung und der außergewöhnlichen Situation halbwegs zurecht: Sie unterstützten die Mönche des Klosters von Old Sarum, indem sie einen Fluss umleiteten und mit dem Bau einer Mühle Arbeitsplätze schufen, was dem Kloster zu einigem Wohlstand verhalf.

Und dennoch: Weder Maximilian noch Tom gehörten in dieses Jahrhundert, ebenso wenig wie Toms Eltern, die sie nach einiger Zeit tatsächlich ausfindig machen konnten.

Als Gregory Sonderborg, der Commander des MI6, zusammen mit Professor Steiner ebenfalls im 13. Jahrhundert auftauchte, wurde Tom und Maximilian klar, dass ein Weg zurück in ihre Zeit durchaus möglich war. Gemeinsam mit seinen Eltern kehrte Tom nach Hause zurück.

Doch ein Teil von ihm konnte Old Sarum nicht vergessen. Es war also nur folgerichtig, dass er das Angebot Commander Sonderborgs annahm, nach Beendigung der Schule eine Ausbildung beim MI6 zu absolvieren, um so künftig am Forschungsprogramm der Regierung teilzuhaben.

Denn dass er eines Tages in diese andere Zeit und an diesen anderen Ort zurückkehren wollte, das wusste Tom. Er konnte gar nicht anders.

5 Jahre später
Kapitel 1

Imaginärer Gegner von links, mit Messer bewaffnet. Jetzt heißt es, blitzschnell zu reagieren: rechter Arm im neunzig-Grad-Winkel, Hand zur Faust geballt. Arm hochreißen und Messer aus der Hand schlagen, seitliche Drehung nach links, Rückhandschlag gegen den Hals des Gegners. Deckung hoch. Halbe Drehung nach rechts, Ellbogenspitze in Solar Plexus rammen. Gegner knickt ein, Schlag mit beiden Fäusten auf Rücken. Gegner von rechts greift an, schnelle Drehung, Handkantenschlag, Ausfallschritt nach halb rechts an Kniekehle, Druck mit Schwung gegen die Schulter, Gegner kippt rücklings auf Boden. Weiterer Gegner von hinten. Ausweichen, mit Kopf abtauchen, zwei schnelle Schläge von unten in die Rippen, Aufwärtsbewegung, Schlag gegen den Kehlkopf, Solar Plexus, Tiefschlag. Halbdrehung nach rechts, Side Kick gegen den Kopf. Gegner sinkt in die Knie, finaler Schlag gegen den Nacken.

Tom stützte seine Hände auf die Knie und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Auch wenn er es gewohnt war, über seine Grenzen hinauszugehen, war das Training der letzten Tage noch einmal eine Steigerung gewesen. Der Kampf gegen imaginäre Gegner, die schnelle Abfolge von Bewegungen. Sein ganzer Körper vibrierte. Er spürte, dass er beobachtet wurde. Wie so oft. Doch diesmal war es anders. Jemand beobachtete ganz unverhohlen jeden seiner Schritte. Aus den Augenwinkeln nahm er deutlich eine Bewegung am Ende des Pfades wahr und blickte auf.

Gregory Sonderborg stand dort an einen Baum gelehnt, nickte kurz, als ihre Blicke sich trafen. Tom richtete sich auf und ging mit ruhigen, gleichmäßigen Schritten auf ihn zu. Etwa einen Meter vor seinem Vorgesetzten blieb er stehen.

»Guten Tag, Sir.«

»Tom. Schön dich wiederzusehen. Beachtlich, was du im Training leistest. Ich habe dich eben beobachtet. Kampf gegen drei imaginäre Gegner? Gut gemacht!«

»Danke, Sir.«

Gregory Sonderborg stieß sich von dem Baum ab, stellte sich gerade hin. »Dein Ausbilder sagt, dass du der Beste bist, den er seit Jahren hatte.«

»Das freut mich, Sir. Ich gebe mir wirklich Mühe.«

»Komm. Gehen wir ein Stück.« Gregory Sonderborg trat auf den Trampelpfad, der durch den Wald führte und wartete, bis Tom zu ihm aufschloss. »Du hast dich körperlich sehr verändert, seit wir uns zuletzt gesehen haben«, stellte Sonderborg fest.

»Ich trainiere härter als je zuvor.« Tom klopfte auf seinen Bizeps. »Es hat sich nochmal ordentlich was getan. Das Training ist hart, aber gut.«

Gregory Sonderborg musterte den Jüngeren von der Seite. Er selbst war 1,95 Meter groß und schätzte Tom auf zwei, höchstens drei Zentimeter kleiner. Seine Schultern wirkten kantig, fast wie bei einem Schwimmer. Arme und Beine waren bis auf den letzten Muskel austrainiert. »Wirklich beachtlich.« Sein Blick veränderte sich, wurde prüfend. »Aber ohne Steroide, hoffe ich?«

Tom grinste. »So ein Mist ist nichts für mich. Sie können jederzeit mein Blut testen lassen. Da ist nichts, was da nicht hingehört, Sir.«

Sonderborg schmunzelte. »Hab ich von dir auch nicht anders erwartet.« Der Commander blieb stehen. »Du bist so weit, Tom. Dein Ausbilder hat mich auf dem Laufenden gehalten.«

»Aber habe ich nicht noch vier Monate vor mir?«

Der Commander schüttelte den Kopf. »Unsere Einheit ist bereit und wir wollen keine vier Monate mehr warten. Ich stelle dich hiermit offiziell in den aktiven Dienst. Willkommen beim MI6!«

Tom war zu verdutzt, um etwas antworten zu können, ergriff lediglich die ihm gereichte Hand und schüttelte sie. »Danke, Sir.«

Sonderborg sah sich um. »Wo ist der Rest deiner Einheit?«

»Die meisten sind schon weg. Das Pflichtprogramm ist seit über einer Stunde erledigt. Ich wollte noch ein bisschen was drauflegen.«

»Du bist nicht zu bremsen, was?« Sonderborg schmunzelte. »Und? Fühlst du dich bereit für den Einsatz?«

»Ich habe seit zwei Jahren darauf hingearbeitet, Sir. Ja, ich bin bereit.« Tom überlegte, ob er die nächste Frage stellen sollte. Er ahnte die Antwort bereits, wollte jedoch sichergehen. »Der Einsatz, von dem Sie sprechen, Sir …«

»Ja?«

Tom schluckte. »Führt er uns, wohin ich vermute? Zurück nach Old Sarum?«

Der Commander nickte. »Ganz recht. Es gibt viel zu tun. Und wie du dir vorstellen kannst, waren wir in den vergangenen fünf Jahren nicht ganz untätig. Wir brauchen dich dort, wegen deiner, sagen wir mal, bereits vorhandenen Kontakte.«

»Elisabeth?«

»Elisabeth«, bestätigte der Commander.

»Kann ich erfahren, worin genau der Auftrag besteht?«

»Ja, aber nicht jetzt.« Sie gingen langsam nebeneinander her, als machten sie zusammen einen Waldspaziergang. »Melde dich übermorgen um neun Uhr in der Einsatzzentrale. Dort lernst du das Team kennen, zu dem du künftig gehören wirst.«

»Ja, Sir.«

»Du wohnst noch bei deinen Eltern, richtig?«

»Stimmt«, antwortete Tom, obwohl er sich absolut sicher war, dass Sonderborg ganz genau wusste, wo er wohnte. »Nachdem wir so viele Jahre getrennt waren«, erklärte er dennoch, »haben meine Eltern und ich einiges nachzuholen. Außerdem ist das Gehalt in der Ausbildung beim MI6 nicht gerade üppig.«

»Ich weiß. Wie einverstanden waren deine Eltern mit deiner Ausbildung beim MI6?«

Tom schmunzelte. »Na ja, ein Architekturstudium wäre ihnen lieber gewesen. Aber das wäre einfach nicht mein Ding. Nach dem, was ich damals in Old Sarum erlebt habe, wusste ich, dass ich unbedingt weiter dranbleiben wollte. Immerhin geschieht dort etwas wirklich Großes, nicht wahr?«

»Allerdings. Und wir stehen noch am Anfang. Die Übergänge sind sicherer geworden, und zwar erheblich. Doch es gibt auch noch viel zu tun.«

»Sie können auf mich zählen, Sir.«

»Das weiß ich, Tom. Deshalb werde ich dich auch in mein eigenes Team aufnehmen.«

»Wirklich? Das freut mich.«

»Tom, wie ist deine persönliche Situation, was Freunde angeht?«

»Genau wie verlangt, Sir. Wir sind nur zu viert in unserem Ausbildungsteam. Einen davon würde ich als Freund bezeichnen, die anderen als Bekannte. Keine Außenstehenden.«

»Vorbildlich. Wie sieht es mit der Sprache aus? Wie gut bist du inzwischen in Altenglisch?«

»Ich freue mich darauf, das selbst mal zu testen. Hier gibt’s ja nicht gerade viele Möglichkeiten, sich mit den Leuten zu unterhalten. Ich habe immer noch guten Kontakt zu Maximilian Winter. Was wir damals in Old Sarum erlebten, hat uns zusammengeschweißt. Er ist ein Freund für mich geworden, vor allem auch, weil er ja weiß, was damals geschah. Bei ihm muss ich nicht aufpassen, was ich sage. Wir telefonieren regelmäßig und dabei unterhalten wir uns auf Altenglisch. Das klappt ziemlich gut.«

»Maximilian Winter? Wie geht’s ihm? Ich hab seit damals nichts mehr von ihm gehört.«

»Gut. Wirklich gut. Er hat geheiratet und ist mittlerweile Vater einer Tochter. Wenn er Professor Steiner hier in Southampton besucht, kommt er auch jedes Mal bei uns vorbei. Das ist dann so ein richtiges Familientreffen. Schon verrückt, was durch die Geschehnisse damals alles ins Leben gerufen wurde.«

»Klingt gut. Und Professor Steiner? Hast du zu ihm auch noch Kontakt?«

Tom nickte. »Ja. Deshalb weiß ich auch, dass er Sie bei den Arbeiten unterstützt.«

Sonderborg lachte. »Unterstützen ist nicht ganz das richtige Wort. Er sagt uns, wo’s langgeht – das trifft es wohl besser.« Sonderborg blieb stehen. »Dann sehen wir uns übermorgen in der Zentrale. Geh jetzt nach Hause und bereite deine Eltern darauf vor, dass sie dich vermutlich für eine sehr lange Zeit entbehren müssen.«

»Ja, Sir.«

Sie verabschiedeten sich mit Handschlag und Sonderborg stieg in den schwarzen Geländewagen, den er am Waldrand geparkt hatte.

Tom sah ihm kurz nach und machte sich dann auf den Heimweg. Während er zurückjoggte, dachte er daran, wie es gewesen war, damals vor fast fünf Jahren.

Wie von selbst schlugen seine Beine den Weg ein, und er war überrascht, als er sich plötzlich vor seinem Elternhaus wiederfand. Er war so in Gedanken gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass er den ganzen Weg bereits zurückgelegt hatte. Nun blickte er auf das Haus. Früher hatte er es nicht fertig gebracht, es zu betreten, damals, als seine Eltern von heute auf morgen spurlos verschwunden waren. So viele Jahre hatte er geglaubt, dass sie tot seien, ertrunken bei einem Bootsunfall. Doch dann hatte er sie wiedergefunden, wiedergefunden in dieser anderen Welt. Es war verrückt. So verrückt, dass ihn die Regierung gar nicht zum Schweigen hätte verpflichten müssen. Ihm hätte ohnehin niemand geglaubt, selbst wenn er die Geschichte hätte erzählen wollen.

Als er die Tür aufschloss, schnupperte er den Duft von gebratenem Fleisch.

»Mum? Ich bin da!«

»Ich bin in der Küche!«

Tom ging hinüber. Er kam gern nach Hause. Der Duft aus der Küche gab ihm das Gefühl von Geborgenheit. Sicher, auch in der Zeit, als seine Eltern fort gewesen waren, hatte seine Großmutter für ihn gekocht. Sie war stets für ihn da gewesen. Doch aus irgendeinem Grund genoss er es mehr, dass endlich wieder Leben in diesem Haus herrschte. Hier hatte er die ersten neun Jahre seines Lebens verbracht und war erst zurückgekommen, als seine Eltern vor fünf Jahren wieder heimgekehrt waren.

Er trat ein, ging zu seiner Mutter und umarmte sie. »Hey, Mum.«

»Schön, dich zu sehen, mein Schatz.« Sie sah zu ihm auf. »Alles in Ordnung?« Zärtlich strich sie über seine Wange, dann veränderte sich ihr Blick. »Du hast doch etwas.«

»Ich wollte es eigentlich erst sagen, wenn Dad auch da ist.«

»Ist etwas geschehen?« Sie sah ihm in die Augen, legte das Handtuch beiseite, mit dem sie ihre Hände getrocknet hatte. Claire Stafford trat einen Schritt zurück, lehnte sich an die Arbeitsfläche, musterte ihren Sohn. Sie schluckte schwer. »Es ist so weit, stimmts?«

»Gregory Sonderborg hat mich heute besucht«, erklärte Tom. »Ich stehe ab sofort im aktiven Dienst.«

»Jetzt schon? Aber du hast doch noch einige Monate Ausbildung vor dir?«

»Das habe ich ihm auch gesagt. Doch es scheint so, als würde ich jetzt schon gebraucht.«

»Und dein erster Auftrag?« Claire presste die Lippen aufeinander.

»Es ist das, was du wahrscheinlich schon ahnst. Ich werde einen Übergang wagen.«

Von einem Moment auf den nächsten wurde Claire kreidebleich.

Genau in diesem Augenblick kam Toms Vater Charles nach Hause und trat in die Küche. »Guten Abend zusammen. Du bist früh da, Tom.« Er ging auf seine Frau zu, blieb abrupt stehen. »Was ist geschehen?«, fragte er besorgt, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

Sie hob den Kopf. Ihre Augen schimmerten feucht. »Alles in Ordnung.« Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Tom hat wunderbare Neuigkeiten.«

Charles sah seinen Sohn fragend an.

»Ich bin ab sofort im aktiven Dienst des MI6.«

Charles nickte, brauchte einen Moment, sich zu sammeln. »Ich gratuliere dir, mein Sohn.«

»Danke, Dad.«

»Ich nehme nicht an, dass du in Southampton bleiben kannst?« Es fiel Charles sichtlich schwer, diese Frage zu stellen.

»Ich werde ins 13. Jahrhundert zurückkehren, um dort meinen Dienst aufzunehmen.«

»Ich verstehe.« Charles zog seine Frau an sich, drückte sie und legte seinen Arm um ihre Schultern. »Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde.«

»Und ich wünschte, besser damit umgehen zu können. Aber leider gelingt es mir nicht besonders gut«, antwortete Claire.

»Ich werde ja nicht für immer fortbleiben«, warf Tom ein.

»Bei uns hat es damals immerhin sechs Jahre gedauert«, widersprach Claire.

»Aber das war doch etwas völlig anderes, Mum.«

»Du hast recht. Bitte entschuldige, Tom. Es, es hat mich nur einfach überrumpelt.« Sie blickte sich um. »Verdammt! Mein Braten.« Sie löste sich aus der Umarmung ihres Mannes, griff nach den Topflappen und öffnete schwungvoll den Backofen.

Charles und Tom tauschten einen Blick.

»Na los, steht da nicht rum.« Claire wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen, nachdem sie die Schale mit dem Braten abgestellt hatte. »Wir wollen essen.«

Tom und Charles beeilten sich, den Korb mit Weißbrot und die Salatschüssel auf den Tisch zu stellen.

Dann ging Charles zu seiner Frau und nahm ihr das Messer ab, mit dem sie eben den Braten schneiden wollte.

»Lass mich das machen«, bat er.

Sie gab ihm bereitwillig das Schneidwerkzeug, atmete tief durch und ging zum Tisch hinüber. Während Charles noch mit dem Braten beschäftigt war, setzte sie sich. Tom wusch sich die Hände und nahm ebenfalls Platz. Als auch Charles hinzukam, hob Claire ihr Wasserglas, als wäre es mit Champagner gefüllt.

»Schluss jetzt mit der trüben Stimmung. Ich bin sehr stolz auf dich, Tom. Und nur weil ich dich vermissen werde, heißt das nicht, dass ich dir die Mission, vor der du stehst, nicht zutraue.«

»Danke, Mum. Das weiß ich.«

Charles prostete seiner Frau mit dem Wasserglas zu. »Deine Mutter hat recht. Auf dich, mein Sohn! Wir sind sehr stolz auf dich. Wir wissen, wie wichtig die Arbeit ist, die du künftig tun wirst. Obwohl ich, ehrlich gesagt, gar nicht so genau weiß, was du dort eigentlich sollst. Aber gut. Du bist schon einmal da gewesen und nur deshalb sind deine Mutter und ich jetzt wieder hier. Gib dein Bestes, so wie immer.«

»Das werde ich.« Tom erhob ebenfalls sein Glas, auch wenn ihm diese Geste albern vorkam. Dann stellte er es ab und sie begannen zu essen.

Nur kurz sprachen sie noch über die Aufgabe, die vor Tom lag. Claire war deutlich um Fassung bemüht, weshalb ihr Mann versuchte, sie mit seinen Erzählungen aus dem Arbeitsalltag auf andere Gedanken zu bringen. Tom gab sich Mühe, dem Gespräch zu folgen, doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er würde nach Old Sarum zurückkehren, ganz so, wie es der Professor schon vor Jahren vorausgesagt hatte, weil sich in den Geschichtsbüchern ein Hinweis auf einen Thomasius von Birmingham fand, der entscheidend an der Verhandlung zum späteren Werk der Magna Carta beteiligt gewesen war. War das wirklich er? War dieser Thomasius von Birmingham im Leben des 21. Jahrhunderts niemand anderer als Tom Stafford? So oder so. Tom würde es bald erfahren.