Image

Cressida Cowell

DRACHENZÄHMEN

LEICHT GEMACHT

Mörderische Drachenflüche

Aus dem Englischen
von Elvira Willems

Mit Illustrationen
von Clara Vath

Image

In der Reihe »Drachenzähmen leicht gemacht« von Cressida Cowell
sind im Arena Verlag erschienen:
Band 1 Drachenzähmen leicht gemacht
Band 2 Drachenzähmen leicht gemacht. Wilde Piraten voraus!
Band 3 Drachenzähmen leicht gemacht. Strenggeheimes Drachenflüstern
Band 4 Drachenzähmen leicht gemacht. Mörderische Drachenflüche
Band 5 Drachenzähmen leicht gemacht. Brandgefährliche Feuerspeier
Band 6 Drachenzähmen leicht gemacht. Handbuch für echte Helden
Band 7 Drachenzähmen leicht gemacht. Im Auge des Drachensturms
Band 8 Drachenzähmen leicht gemacht. Flammendes Drachenherz

www.drachenzähmen.de

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte
war ein Furcht einflößender Schwertkämpfer, ein Drachenflüsterer und überhaupt der größte Wikingerheld, der jemals lebte. Doch seine Memoiren entführen dich in die Zeit, als er noch ein ganz gewöhnlicher Junge war und sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass aus ihm mal ein Held werden würde.

Cressida Cowell
verbrachte ihre Kindheit in London sowie auf einer unbewohnten Insel an der Schottischen Westküste. Sie war überzeugt, dass es dort nur so vor Drachen wimmelte, und ist seither von ihnen fasziniert. Neben den Aufzeichnungen von Hicks’ Memoiren hat sie mehrere Bilderbücher geschrieben und illustriert. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im englischen Hammersmith.

Clara Vath
liebte es schon als Kind, bunten und verrückten Fantasiewesen eine Gestalt zu geben. Dass ihr dabei auch der ein oder andere Drache begegnet ist, kam ihr bei der Arbeit an Hicks’ Memoiren sehr gelegen. Seit 2012 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Unternehmen.

Ich widme dieses Buch Joshua

Image

Die Originalausgabe erschien erstmals 2006 unter dem Titel »How to Cheat a Dragon’s Curse« bei Hodder Children’s Books, London.
© 2006 Cressida Cowell

Image

1. Auflage 2017
© 2017 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Elvira Willems
Einband, Satz und Illustration: Clara Vath
ISBN 978-3-401-80655-6

Besuche uns unter:
www.arena-verlag.de
www.twitter.com/arenaverlag
www.facebook.com/arenaverlagfans

Image

 

Image

Image

1. DIE PFEIL-UND-BOGEN-JAGD-AUF-SKIERN-EXKURSION

Kalt waren die Winter im Land der Wikinger immer. Doch dieser Winter war der kälteste seit hundert Jahren. Er war so kalt, dass das trübe Meer zugefroren war und die Inneren Inseln zu einer einzigen riesigen, flachen, soliden Eiswüste erstarrt waren. Stellenweise war das Eis zwei Meter dick.

An diesem besonders kalten Morgen, mehrere Stunden vor dem Frühstück, war es, als hielte die ganze Welt den Atem an, eingefroren in der Zeit. Die Luft war schneidend scharf wie Glasscherben, kein Laut störte die reine schneebedeckte Stille.

Kein Laut, bis auf ein entsetzliches, irres Brüllen, das von irgendwo mitten aus dem Eis kam.

Denn eine kleine Gruppe von Jungen vom Stamm der Räuberischen Raufbolde und ihr Lehrer hatten sich von ihrer kleinen Heimatinsel Berk aufgemacht zur Schurkeninsel im Süden.

Natürlich nicht in einem Schiff, denn auf einem gefrorenen Meer kann man nicht segeln.

Sie rasten in einem riesigen Wikingerschlitten viel zu schnell über das Eis, gezogen von sechs schneeweißen Säbelzahnzugdrachen, die größer waren als Löwen und schneller als Geparden.

Das schreckliche irre Brüllen kam aus dem Mund des Mannes, der den Schlitten lenkte, Grobian der Rülpser. Grobian leitete das Seeräuberausbildungsprogramm auf Berk. Er war ein gewaltiges Monster von einem Mann, eingewickelt in mehrere Felle, und man konnte ihn leicht für einen Grizzly mit einem schmutzigen roten Bart und ausgesprochen schlechten Manieren halten.

»MACHTSCHONMACHTSCHON, IHR ELENDEN WEISSWÜRMER!«, brüllte Grobian die Säbelzahnzugdrachen an und ließ die Peitsche über ihren Köpfen knallen. »ICH HAB SCHON SCHNECKEN GEHABT, DIE WAREN SCHNELLER ALS IHR! MEINE OMA HÜPFT SCHNELLER ALS IHR UND DIE IST HUNDERTVIER! JIPPIIIIIIIIIE!!«

Ein gewaltiger Fellarm holte mit einer Peitsche aus, die sich durch die Luft schlängelte wie eine schwarze Riesenschlange, die andere Hand schüttelte in irrsinniger Raserei die Zügel, sodass die Zugdrachen schreckliche, unkontrollierte Sprünge machten.

Hinter Grobian auf dem Schlitten saßen seine zwölf Schüler. Zehn davon waren hässliche junge Schlägertypen, die vor Aufregung genauso laut schrien wie ihr Lehrer. »JIPPIIIIIIIIIE!«, jauchzten sie, als der Schlitten auf eine Schneewehe traf, zehn Meter durch die Luft segelte und mit Wucht wieder aufs Eis krachte.

»JIPPIIIIIIIIIE!«

Die letzten beiden waren kleiner als der Rest und längst nicht so aufgeregt.

»Bin ich froh«, keuchte Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte, als der Schlitten mit einem grässlichen Kreischen unter einem Schauer von Eiskristallen auf einer Kufe dahinschlingerte, »bin ich froh, dass ich nicht gefrühstückt habe. Bestimmt müsste ich alles wieder ausspucken …«

Hicks ist tatsächlich der Held dieser Geschichte – auch wenn du ihm das bestimmt nicht angesehen hättest. Er war klein und rothaarig und sah ansonsten stinknormal aus.

Hicks’ bester Freund Fischbein, eine magere Bohnenstange von einem Jungen, der unter Asthma litt und heftig schielte, hörte ihm gar nicht richtig zu. Er betete mit fest zusammengekniffenen Augen zu Thor. »Bitte, Thor«, bat Fischbein, »bitte lass es aufhören …«

Fischbeins Gebet würde gleich erhört werden.

Der Schlitten näherte sich viel zu schnell den hohen schwarzen Klippen Westgrobianiens, um noch rechtzeitig anzuhalten …

»Mach bloß nicht die Augen auf, Fischbein«, riet Hicks. Grobian der Rülpser richtete sich auf, legte sich mit einem gewaltigen »WOOOOOAH!!!« fast waagerecht nach hinten und zog an den Zügeln. Die Säbelzahnzugdrachen blieben so abrupt stampfend stehen, dass der Schlitten in einem weiten Bogen herumschwang … Bestimmt würden sie mit solcher Wucht gegen die Klippe krachen, dass sie alle zu Brei zerquetscht würden …

»AAAAAARGH!«, brüllte Hicks und schloss ebenfalls die Augen.

Kreischend und zitternd kam der Schlitten zum Stehen. Hicks öffnete die Augen wieder. Erstaunlicherweise lebten sie noch. Doch die glatte schwarze Wand der Klippe war nur Zentimeter von Hicks’ Wange entfernt. Hicks hielt sich einen Augenblick am Fels fest, bis er nicht mehr zitterte.

»SCHÖN!«, bellte Grobian und kletterte völlig unbesorgt aus dem Schlitten. »WAS HOCKT IHR NOCH DADRIN? RAUS MIT EUCH UND STRAMMGESTANDEN, IHR JÄMMERLICHEN OHRWURMKÖTTEL!«

Gähnend und schwatzend holten die zwölf Jungen ihre Skier vom Schlitten und befestigten sie an den Sohlen ihrer Pelzstiefel.

Sechs Monate im Jahr lebten die Wikinger in EIS UND SCHNEE … also musste ein heldenhafter Wikinger ebenso gut SKI FAHREN können wie SEGELN.

Heute waren sie auf einer Pfeil-und-Bogen-Jagd-auf-Skiern-Exkursion. Die Jungen mussten auf Skiern das Schurkengebirge hinunterfahren, den höchsten Berg der Inneren Inseln, und mit ihren Pfeilen möglichst viele Wintersprossige Schneespechte schießen.

»Ich erwische mindestens FÜNFZIG«, prahlte Rotzgesicht Rotznase, ein groß gewachsener Rüpel mit riesigen Nasenlöchern und einem Schnurrbart, der sich wie eine kleine pelzige Raupe auf seiner Oberlippe krümmte.

»RUHE!«, donnerte Grobian und ließ die Peitsche knallen. Augenblicklich herrschte absolutes Schweigen. Erstaunlich, aber wahr – einem schwer bewaffneten, durchgeknallten, zwei Meter großen Lehrer, der eine Peitsche schwingt, gelingt es hin und wieder, sich die Aufmerksamkeit seiner Klasse zu verschaffen.

»Ich bleibe hier und bewache den Schlitten«, rief Grobian.

»Sobald ihr am Berg seid, übernimmt Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte die Führung der Jagdgesellschaft.«

Zehn Jungen drehten sich stöhnend um und stierten Hicks wütend an.

JEDER EINZELNE war überzeugt, er würde einen besseren Anführer abgeben als Hicks.

Rotznase hatte drei Jahre in Folge den Hirnlose-Gewalt-Pokal gewonnen. Warzenschweini konnte mit bloßen Fäusten Stühle in Stücke hauen. Stinker der Dussel rülpste so laut, dass Glas zersprang.

Hicks dagegen war klein, mager und unscheinbar und machte nicht den Eindruck, als besäße er überhaupt irgendwelche Führungseigenschaften. Kleinlaut stand er auf einem Bein, dabei überkreuzten sich seine Skier und er fiel vornüber.

»Warum muss HICKS schon wieder die Führung übernehmen?«, wollte Rotzgesicht Rotznase mit zusammengebissenen Zähnen wissen.

»Weil Hicks der Sohn des HÄUPTLINGS ist und eines Tages FÜR IMMER die Zügel in der Hand hält, Thor steh uns bei …«, erklärte Grobian, half Hicks auf die Füße und klopfte ihm mit haariger Hand den Schnee ab. »Noch Fragen?«, dröhnte Grobian.

Fischbein meldete sich. »Nur eine kleine Frage«, sagte er.

»Wie wollen wir denn überhaupt auf den Berg rauf-kommen?«

»Die Säbelzahnzugdrachen SCHLEPPEN euch auf euern Skiern rauf«, antwortete Grobian. »Das dauert keine halbe Stunde.«

Unsicher betrachteten Fischbein und Hicks die großen weißen Geschöpfe, die gefährlich gedrückt auf dem Eis hockten. Zungen scharf wie Schwerter hingen ihnen aus dem Maul, und wenn sie ihre menschlichen Meister anblickten, lag in ihren katzengleichen Augen reinster Hass.

»Und damit basta«, sagte Grobian. »Ich warte hier auf euch und sehe euch in drei Stunden … Ich brauche wirklich ein NICKERCHEN … viel zu früh für mich …«

Grobian machte es sich auf den Fellen des Schlittens bequem und gähnte gewaltig. »Oh, eins noch … wie ihr wisst, ist die Schurkeninsel unbewohnt, aber gleich nebendran liegt die Tobsuchtsinsel und ich sollte euch warnen, dass um diese Jahreszeit Tobsüchtige in der Gegend sein könnten …«

»TOBSÜCHTIGE?«, quiekte Fischbein leicht – nun ja, tobsüchtig. »Aber die Tobsüchtigen sitzen doch auf der Tobsuchtsinsel fest, oder?«

Die TOBSÜCHTIGEN, sollte ich erklären, waren ein besonders blutrünstiger und durchgeknallter Wikingerstamm. Selbst die Westgrobiane hatten Angst vor ihnen. Hicks war noch nie einem begegnet, doch er wusste, dass Tobsüchtige dich zuerst umbringen und erst danach Fragen stellen.

Normalerweise ließen sie die anderen Stämme jedoch in Ruhe, denn drei Viertel der Insel endeten in schwindelerregend hohen Klippen, die direkt senkrecht ins tiefe Meer stürzten, und an der Nordküste lag die Zornige Meeresenge, in der ein unglaublich riesiger, monströser Meeresdrache lebte, ein HORRORSCHLUND.

Das Gute daran war, dass niemand auf die Tobsuchtsinsel gelangen konnte und – noch wichtiger – die Tobsüchtigen kamen nicht von der Insel weg.

Außer um diese Jahreszeit …

»Denn um diese Jahreszeit«, dröhnte Grobian fröhlich, »ist die Zornige Meeresenge zugefroren und der Höllenschlund ist unter zwei Meter dickem Eis gefangen. Falls ihr also zufällig einem Tobsüchtigen über den Weg lauft – was SICHER nicht passiert, dafür ist es viel zu früh am Tag –, schlage ich vor, dass ihr schnellstmöglich in die entgegengesetzte Richtung rast.«

Und damit schlief Grobian kurzerhand ein.

Image

Image

2. SÄBELZAHNZUGDRACHEN

Grobians Schnarchen dröhnte so laut wie das Schnauben eines Walrosses, das einem anderen Walross fünfzig Eisberge weiter etwas zuruft.

Wie ein Mann ließen die Säbelzahnzugdrachen sich auf dem Eis nieder und rührten sich nicht mehr vom Fleck. Bei Wotans Achselhaar, die Zugdrachen waren GEWALTIG. Die Jungen schauten sie an.

»Na los, Hicks«, brummte Warzenschweini ungeduldig. »Übernimm die Führung!«

Hicks räusperte sich und schlug einen sehr vernünftigen Ton an. »Okay, Jungs«, sagte er auf Drachenesisch:* »Ich will keine Schwierigkeiten …«

»Oh, schaut, er sssprichchchcht …«, zischte ein besonders großer und brutaler Säbelzahnzugdrache. Ihm fehlte ein Auge und seine besonders königliche Haltung verriet, dass er der Anführer der Rotte war. »Die kleine menschliche Kaulquappe spricht in der edlen Zunge der Drachen …«

Die anderen Zugdrachen lachten höhnisch.

»Also, wir wissen alle, was hier von uns erwartet wird …«, fuhr Hicks fort.

»Wir wissen jedenfalls, was WIR jetzt machen«, feixte der Zugdrache, schloss sein Auge und ließ sich bequem nieder. »Wir machen hier ein hübsches langes NICKERCHEN, während ihr euch auf den höchsten Berg der Inneren Inseln hinaufquält …«

»Oh, um Thors willen!«, explodierte Rotzgesicht Rotznase. »Bei den Bestien kommst du mit deinem süßen ›Drachenesisch‹ nicht weit!«

Rotznase nahm Grobian die schwarze Peitsche aus der Hand und ließ sie knallen. ZZZACK!

Die Zugdrachen schlugen blinzelnd die Augen auf.

Noch einmal ließ Rotznase die Peitsche knallen und traf diesmal den einäugigen Säbelzahnzugdrachen im Gesicht.

Der Zugdrache sprang mit einem Jaulen auf und der Rest der Bande tat es ihm nach, aufgebracht, aber respektvoll. Die Jungen jubelten.

»So macht man das!«, grinste Rotznase und schlug aus reinem Spaß an der Freude auch noch einen anderen Drachen. Das Tier heulte auf und Rotznase lachte. »MIR nicht gehorchen, was, ihr GREINENDES, KRIECHENDES, SPALTZÜNGIGES GELUMP! Euch werd ich’s zeigen!«

»Nicht, Rotznase«, sagte Hicks leise. Normalerweise bot Hicks Rotznase nicht die Stirn, doch er ertrug es nicht, so stolze und würdevolle Tiere wie Säbelzahnzugdrachen durch die Gegend tanzen zu sehen wie die Affen.

Rotznase hielt inne und drehte sich zu Hicks um. »Was ist das denn?«, höhnte Rotznase. »Will Hicks der Nutzlose Rotznase dem HELDEN etwa vorschreiben, was er zu tun hat? Find dich damit ab, Hicks, der Schnee wird so blau wie die Nase von Grobian dem Rülpser, bevor DU Häuptling des Stammes der Raufbolde wirst.«

Rotznase ließ die Peitsche knallen. Sie schlängelte unbarmherzig auf Hicks zu und traf ihn an der Brust.

Es wäre ein sehr schmerzlicher Schlag gewesen, hätte nicht tief unten in Hicks’ Jacke Hicks’ kleiner, ungehorsamer Jagddrache Ohnezahn geschlafen.

Die Peitsche traf Ohnezahn an der harten, schwieligen Haut seines Hinterteils und weckte ihn aus dem Winterschlaf. Ohnezahn kletterte aus Hicks’ Kragen, setzte sich auf seine Schulter und blähte wütend den Nacken auf. »Ohnezahn hat was am Po-Po-Po getroffen! W-wwie soll O-O-Ohnezahn denn sch-sch-sch-schlafen, wenn ihn was am Po-Po-Po t-t-t-trifft!«

»Warum hält dein lächerlicher Winzling von einem Jagddrachen nicht Winterschlaf wie alle anderen?«, polterte Rotznase.

»Ich hatte Sorge, es würde ihm zu kalt«, antwortete Hicks und tröstete Ohnezahn, indem er ihn zärtlich zwischen den Hörnern kraulte. »Er hatte sein Winterschlafloch nicht tief genug gegraben, und wenn ein Drache zu kalt wird, kann es passieren, dass er für Jahrhunderte schläft. Also hab ich ihn ausgegraben und trag ihn mit mir rum, damit er warm bleibt.«

»Und jetzt ist O-O-Ohnezahn zu FRÜH aufgewacht!«, wütete Ohnezahn. »Er f-f-f-friert!«

»Was«, spottete Rotznase, »was hat der lächerliche Winzling«, (Ohnezahn war tatsächlich der kleinste Jagddrache aller Zeiten und aller Länder), »was hat dein lächerlicher Froschlaich von einem Reptil denn da an?«

Ohnezahn trug einen Pelzmantel. Den hatte Hicks ihm gemacht, in dem verzweifelten Versuch, seinen kleinen Drachen warm zu halten.

»Oh, das ist zu gut … halt mich fest, Stinker!«, schnaubte Rotznase. »Hicks hat seinem putzi-putzi Drachen ein putzi-putzi-pelzi Kleidchen genäht!«

»Issn Ma-Ma-Mantel!«, zischte Ohnezahn. »Issn Ma-Ma-Mantel!«

»Ein Drache im Kleidchen!«, kreischte Rotznase.

»Ha Ha Ha Ha!«, grölten die Jungen. »Ein Drache im Kleid!« Selbst die Säbelzahnzugdrachen lachten mit.

»Oh, bei meinen scharfen Klauen«, sagte Einauge gedehnt. »Ich glaube, das ist der kleinste Jagddrache, den ich JEMALS in MENSCHENKLEIDERN gesehen habe! Schämt der sich nicht?«

Der arme Ohnezahn richtete sich auf Hicks’ Schulter kerzengerade auf. Von den Hörnern abwärts nahm er einen zarten Rosaton an. Er klemmte die Kiefer zusammen und Rauchringe stiegen aus seinen Ohren.

Image

»Issss ein se-se-sehr modischer Wintermantel«, sagte er barsch. »Ihr seid do-do-doch nu-nu-nu-nur neidisch.«

Rotznase fing an, Befehle zu brüllen. »Okay, genug Zeit vergeudet … Alle tun sich zu zweit zusammen und packen eins der Geschirre dieser Säbelzahn-Biester … ihr zwei VERLIERER«, er zeigte auf Hicks und Fischbein, »könnt den halb Blinden nehmen.«

»Du magst uns Menschen nicht besonders, nicht wahr, Einauge?«, sagte Hicks, als er und Fischbein sich hinter dem riesigen Säbelzahnzugdrachen in Position begaben.

Einauge spuckte eine gewaltige Feuergarbe in den Schnee. »Ich mag euch nicht besonders?«, zischte er. »Ich VERABSCHEUE euch mit jedem Tropfen meines reinen grünen Blutes … Ihr Menschen seid hinterhältig, ungebildet, habgierig und gewalttätig. Ich bin seit vierzig Jahren Anführer meiner Rotte, in guten wie in schweren Zeiten. Was weiß Rotznase denn schon von wahren Führungsqualitäten? Er ist nur ein Schwein mit einer Peitsche in der Hand. Die Zähne tun mir WEH vor Hass … es JUCKT mir in den Klauen, sämtliche zweibeinigen, kriechenden, sabbernden menschliche Wesen vom Planeten zu kratzen …«

»Oh, toll«, sagte Fischbein nervös. »Wir haben einen Zugdrachen, der uns HASST. Dieser Vormittag wird doch immer besser …«

Als sie endlich loskamen und Einauge sie GEMÄCHLICH die Schlucht hinauf durch einen dichten Kiefernwald zog, war von den anderen Jungen längst nichts mehr zu sehen.

Der Wald endete so plötzlich, wie er angefangen hatte, und der letzte steile Anstieg führte durch vollkommen kahles Gelände. Auf dem Gipfel des Schurkengebirges blieb Einauge stehen.

Ein einsamer Felsblock markierte den höchsten Punkt. Hicks klammerte sich an diesen Felsen, damit der Wind oder der schwindelerregende Sog des Abgrunds ihn nicht nach unten riss, und linste hinunter auf der anderen Seite auf die Zornige Meeresenge.

Normalerweise dröhnten und tobten das Meer und der Höllenschlund durch diese tückische Meeresenge, strudelten und wanden sich und krachten ineinander. Jetzt war es dort still und eisig wie der Tod selbst und der einzige Hinweis auf den Höllenschlund war ein scheußliches Stöhnen, das in den Ohren dröhnte wie Kopfschmerzen, und ein dunkler Schatten, der sich langsam unter dem Eis bewegte wie eine gewaltige Wolke, die sich vor einem Gewitter zusammenballt.

»Lass uns hier so schnell wie möglich verschwinden«, bibberte Fischbein. »Auf dem Barbarenarchipel gibt es ja viele gruselige Orte, aber das hier ist sicher der GRAUSIGSTE und UNHEIMLICHESTE von allen.«