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Barbara Giel

Sprach- und
Kommunikationsförderung bei
Kindern mit Down-Syndrom

Ein Ratgeber für Eltern, pädagogische
Fachkräfte, Therapeuten und Ärzte

 

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Informationen in diesem Ratgeber sind von der Verfasserin und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

 

Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de

 

2., geringfügig überarb. Auflage 2015

1. Auflage 2012

ISBN 978-3-8248-0876-2

eISBN 978-3-8248-0903-5

Alle Rechte vorbehalten

© Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2015

Mollweg 2, D-65510 Idstein

Vertretungsberechtigte Geschäftsführer:

Dr. Ullrich Schulz-Kirchner, Nicole Haberkamm

Titelabbildung: Julia und Thomas Frost

Fotos im Innenteil: Dr. Barbara Giel

Lektorat: Doris Zimmermann

Fachlektorat: Dr. Claudia Iven

Umschlagentwurf und Layout: Petra Jeck

Druck und Bindung:

TZ-Verlag & Print GmbH, Bruchwiesenweg 19, 64380 Roßdorf

Printed in Germany

Die Autorin

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Barbara Giel

Dr. paed., Dipl.-Sprachheilpädagogin, systemische Familientherapeutin und Supervisorin (SG), arbeitete von 1992-2004 im Seminar für Sprachbehindertenpädagogik der Universität zu Köln als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und als Vertretungsprofessorin. Sie ist fachliche Leiterin des Zentrum für Sprachtherapie Moers und leitet dort das angegliederte Zentrum und die Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation. In der Sprachtherapie, in der Forschung und in ihren Fortbildungen widmet sie sich seit über 20 Jahren Kindern mit Down-Syndrom und anderen genetischen Syndromen.

| Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Reihe

Einleitung

Hören und andere Voraussetzungen für Sprache, Sprechen und Kommunikation

Hörbeeinträchtigungen bei Kindern mit Down-Syndrom

Spracherwerb bei Kindern mit DS: Sprache ist mehr als Sprechen

Sprachtherapie und Sprachförderung

Aussprache

Wortschatz und Sprachverständnis

Grammatik

Frühe Förderung der Kommunikations- und Sprachentwicklung

Die Förderung der „Vorausläuferfähigkeiten“ für Sprache

Kinder mit Down-Syndrom im Alltag fördern

Spiele, Lieder und Bücher zur Sprachentwicklungsförderung von Kindern mit und ohne Down-Syndrom

Umgang mit Kraftausdrücken und „unerwünschten“ Wörtern

Sprach- und Kommunikationsförderung durch Unterstützte Kommunikation und Gebärden

Unterstützte Kommunikation

Gebärden zur Förderung der Sprachentwicklung bei Kindern mit Down-Syndrom

Kita, Schule, Frühförderung, Sprachtherapie & Co: Welches Gebärdensystem soll ausgewählt werden?

Die Methode: Wie setze ich Gebärden ein?

Ab wann kann mit Gebärden begonnen werden?

Elektronische und nicht-elektronische Methoden der Unterstützten Kommunikation

Sprachförderung durch das Konzept „Frühes Lesen“

Das Konzept

Die Methode des „Frühen Lesens“

Nahrungsaufnahme, Mundatmung & Co

Orofaziale Dysfunktionen

Probleme beim Essen, Trinken und Schlucken

Schlucken

Offene Mundhaltung, Mundatmung und Speichelfluss

Therapiemethoden bei orofazialen Dysfunktionen und Problemen mit dem Essen und Trinken: Was ist die beste Therapie für mein Kind?

Stottern, Poltern, Mutismus, Stimmstörungen und verbale Entwicklungsdyspraxie

Redeflussstörungen: Stottern & Poltern

Mutismus

Stimmstörungen

Verbale Entwicklungsdyspraxie (VED)/kindliche Sprechapraxie

Kognition bei Kindern mit Down-Syndrom

Lerntipps für Eltern, Frühförderer, Erzieher/Lehrer

Rituale und Regeln in Familie und Gesellschaft – (nicht nur) zur Sprachförderung

Alltagsrituale mit Sprache, Gebärden und Handlungen gestalten

Gemeinsam zum Ziel – Die Herausforderung der Zusammenarbeit: Wie Eltern, Lehrer/Erzieher und Therapeuten an einem Strang ziehen

Inklusion und Integration: Mehr als Worte

Ziele formulieren und überprüfen

Runde Tische

Der Weg zur Sprachtherapie

Adressen von Elternverbänden, Selbsthilfegruppen, Organisationen

Bücher- und Zeitschriften

Glossar

| Vorwort zur Reihe

Die „Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse (auf wissenschaftlicher Basis) und Hilfestellungen zu ausgewählten Themen aus den Bereichen Sprachtherapie, Ergotherapie und Medizin. Die Autor(inn)en der Reihe sind ausgewiesene Fachleute, die seit vielen Jahren in der Therapie, in der Beratung und in der Aus- und Weiterbildung tätig sind.

Wenn ein Kind mit Down-Syndrom auf die Welt kommt, ist es schwierig vorherzusagen, wie sich sein Sprach- und Kommunikationserwerb vollziehen wird: Zu unterschiedlich sind die Entwicklungsvoraussetzungen, die das Kind mitbringt. Gerade deshalb ist es wichtig, von Anfang an die Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten so zu fördern, dass unter den gegebenen Bedingungen die bestmöglichen Entwicklungschancen bestehen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in der frühen Sprach- und Kommunikationsförderung beantwortet die Autorin viele Fragen, die sich Eltern von Kindern mit Down-Syndrom stellen, und gibt praxisnahe Tipps und Hilfen zur Unterstützung der Sprachentwicklung. Ohne dogmatische Festlegung auf bestimmte Methoden oder Konzepte schildert sie die gesamte Bandbreite dessen, was als Hilfestellung funktionieren kann, und die Notwendigkeit, daraus das jeweils auf das Kind zugeschnittene Angebot auszuwählen. Dabei werden allgemeine Sprachförderprinzipien ebenso erläutert wie der Einsatz von Gebärden oder frühem Lesen oder Fragen zur Nahrungsaufnahme und Mundmotorik. Außerdem erhalten Eltern und Förderteam-Mitglieder wertvolle Hinweise zur multiprofessionellen Zusammenarbeit und auf zusätzliche Informationsquellen.

Der Autorin gelingt ein sehr einfühlsamer Überblick über die Möglichkeiten und Perspektiven, die sich durch eine frühe und gezielte Förderung ergeben, ohne die vorhandenen Entwicklungsgrenzen und Alltagsprobleme zu verschweigen. Ziel ist dabei immer, dem Kind die größtmöglichen Kommunikationswege zu eröffnen: Dieser Ratgeber möchte Eltern und andere Partner im Unterstützungsnetzwerk des Kindes ermutigen, sich neugierig und anregend auf das Abenteuer Spracherwerb bei ihrem Down-Syndrom-Kind einzulassen.

Dr. Claudia Iven

Herausgeberin

| Einleitung

„Das Gras wächst auch nicht schneller,
wenn man daran zieht“

(Afrikanisches Sprichwort)

Dieser Ratgeber richtet sich an alle Menschen, die mit Kindern mit Down-Syndrom (DS) kommunizieren.

Eltern, Großeltern, Geschwister, Erzieher, Lehrer, Therapeuten, Ärzte stehen vor der Herausforderung, mit Kindern zu sprechen, die ihre ganz eigene Art der Kommunikation haben.

Manche Kinder mit Down-Syndrom sprechen sehr unverständlich und verwaschen, andere wiederum sprechen nur in kurzen Äußerungen. Dann gibt es auch Kinder mit DS, die gar nicht mit Lautsprache kommunizieren, wiederum andere Kinder sprechen in komplexen Satzstrukturen. Die Unterschiede in der Sprachentwicklung bei Kindern mit DS sind groß: Viele Kinder durchlaufen nahezu die gleiche Sprachentwicklung wie Kinder ohne Down-Syndrom, nur zeitlich stark verzögert. Viele Kinder zeigen eine Verzögerung der Sprachentwicklung von ca. zwei Jahren, sodass die ersten Wörter in einem Alter von gut drei Jahren gesprochen werden. Es gibt aber auch Kinder, die früher ihre ersten Wörter sprechen und andere, die bei Schuleintritt noch gar keine Lautsprache verwenden. Die meisten Menschen mit DS sprechen ihre ersten Wörter zwischen dem ersten und dem sechsten Lebensjahr, wobei die ersten 50 Wörter meist im Alter zwischen dreieinhalb und sechs Jahren gesprochen werden. Dies sind Durchschnittswerte aus Forschungsstudien, sodass es sein kann, dass Ihr Kind eine andere Entwicklung zeigt.

Auch wenn die Lautsprache in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat, ist es umso wichtiger zu verstehen, dass Kinder auch etwas zu „sagen“ haben, wenn sie noch nicht sprechen. Die Aufgabe von (früher) Sprachförderung muss es daher sein, alle Kommunikationskanäle zu nutzen, damit Kinder ihre Bedürfnisse, ihre Wünsche, ihre Freude, ihren Ärger, ihre Schmerzen etc. äußern können. Eine frühe Unterstützung der Kommunikations- und Sprachentwicklung ist deshalb unumgänglich. Ein Weg dahin können Gebärden sein. Die Förderung von Kindern mit Down-Syndrom kann nur in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Kinderarzt, HNO-Arzt, Erziehern/ Lehrern, Therapeuten und Eltern gelingen. Da dieser Ratgeber die Förderung und die Therapie von Kommunikation, Sprache und Nahrungsaufnahme thematisiert, wird an vielen Stellen auf die Fachkraft des Sprachtherapeuten/Logopäden hingewiesen, der selbstverständlich nur ein Unterstützer von Kindern mit DS ist.

Die selbstständige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben mit so viel Unabhängigkeit wie möglich kann ein Erziehungsziel sein. Soziale Netzwerke und möglichst viel Teilhabe an ganz „normalen“ Aktivitäten (Krabbelgruppe, Musikalische Früherziehung, Kinderturnen, Schwimmverein etc.) sind ein Weg dorthin.

„Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“ ist ein Sprichwort, das verdeutlichen soll, dass im gemeinsamen Leben mit Kindern mit Down-Syndrom alle miteinander viel Geduld benötigen. Denken Sie bei allen Handlungen immer daran, dass Kinder mit DS einerseits längere Reaktionszeiten haben und andererseits viele Wiederholungen brauchen, um Dinge abzuspeichern. Für uns Menschen ohne DS hat dies auch einen Vorteil: Entschleunigung.

Entwicklung kann man nicht erzwingen, aber wir können gute Bedingungen für Sprachentwicklung schaffen. Auch Gras braucht einen bestimmten Boden, regelmäßig Wasser, ausgewogen Sonne und gelegentlich Dünger, um zu gedeihen. Ob man Gänseblümchen, Klee, Moos und Löwenzahn im Gras als störend oder eher als Bereicherung ansieht, ist jedem Gärtner selbst überlassen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Freude, Kreativität, Geduld und auch Humor bei der Begleitung Ihres Kindes mit DS. Leben Sie „Normalität“, die anderen sind auch besonders – nur anders.

Barbara Giel

Mein besonderer Dank gilt allen Kindern, Jugendlichen mit Down-Syndrom und anderen genetischen Syndromen sowie deren Eltern/Bezugspersonen, die mir in den letzten Jahrzehnten beigebracht haben, langsam und kreativ Sprachtherapie zu gestalten.

Meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Zentrum für Sprachtherapie in Moers, insbesondere Frau Dr. Andrea Liehs und Herrn Dr. Volker Maihack, danke ich für den fachlichen Austausch, die konstruktive Kritik und das gemeinsame Engagement.