Difu-Arbeitshilfe

Das Bebauungsplanverfahren nach dem BauGB 2007

Muster, Tipps und Hinweise für eine zweckmäßige und rechtssichere Verfahrensgestaltung

2., aktualisierte Auflage

Marie-Luis Wallraven-Lindl
Anton Strunz
Monika Geiß

Vorwort

Eine effektive und zugleich rechtssichere Gestaltung des Verfahrens bei Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen ist keine Selbstverständlichkeit. Schon in rechtlicher Hinsicht können viele Fehler gemacht werden, die das Verfahren im Nachhinein erschweren oder die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans selbst infrage stellen. Erst recht gilt dies mit Blick auf die Frage, wie das Aufstellungsverfahren praktikabel und effektiv gestaltet werden kann. Die dabei zum Tragen kommenden Erwägungen sind praktischer Natur; ihre Beantwortung erfordert in der Regel ein weit reichendes Erfahrungswissen und praktisches Geschick. Dieses Erfordernis greift die Arbeitshilfe „Das Bebauungsplanverfahren nach dem BauGB 2007“ auf, indem hier zahlreiche praktische „Tipps und Tricks“ weitergegeben werden. Die Arbeitshilfe erscheint nun in einer zweiten, aktualisierten Auflage. Die Aktualisierungen beziehen sich im Wesentlichen auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung, geänderte Vorschriften vor allem im Bereich des Baunebenrechtes (z.B. neues Bundesnaturschutzgesetz und Wasserhaushaltsgesetz) sowie punktuell weiterentwickelte Muster und Formulierungsbeispiele.

Wie in der Erstauflage wird zwischen dem Normalverfahren mit Umweltprüfung, dem vereinfachten Verfahren nach § 13a BauGB und dem beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB unterschieden. Die Besonderheiten des vereinfachten sowie des beschleunigten Verfahrens gegenüber dem „Normalverfahren“ werden in der Arbeitshilfe jeweils in einem eigenen Kapitel herausgearbeitet. Die klare Strukturierung entlang der Verfahrenstypen Normalverfahren, vereinfachtes Verfahren und beschleunigtes Verfahren gewährleistet eine gute Übersichtlichkeit und erleichtert das schnelle Auffinden der relevanten Ausführungen. In differenzierter Weise werden die Anwendungsvoraussetzungen anhand verschiedener Beispiele erläutert und die zum Teil schwierigen Abgrenzungsfragen dargestellt.

Auf die in dieser Veröffentlichungsreihe bewährte Art und Weise enthält auch die vorliegende aktualisierte Difu-Arbeitshilfe praxisnahe Empfehlungen, Muster und Formulierungsbeispiele für alle notwendigen Beschlüsse und andere Verfahrenselemente sowie kommentierende Hinweise zu den rechtlichen und verwaltungspraktischen Anforderungen. Duktus und Darstellungsweise sind von der Überlegung geleitet, welcher Aufwand in welcher Verfahrensphase und bei welcher Problemstellung mit dem Ziel einer effektiven Verfahrensabwicklung gerechtfertigt erscheint. Für Praxisnähe und ein hohes Maß an juristischer Kompetenz bürgt das Autorenteam Dr. Marie-Luis Wallraven-Lindl, Anton Strunz und Monika Geiß, das über langjährige Erfahrungen im Planungsreferat des Landeshauptstadt München verfügt und dem besonderer Dank für die Neuauflage gebührt.

Berlin, Mai 2011

Dr. Arno Bunzel (Deutsches Institut für Urbanistik)

A Einführung

Die Planungshoheit ist ein zentrales Element der verfassungsrechtlich gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG). Sie ermöglicht den Gemeinden, Regelungen über die Nutzbarkeit der im Gemeindegebiet gelegenen Grundstücke zu treffen. Ein sehr wichtiges Instrument zur Umsetzung der Planungshoheit ist der Bebauungsplan. Gerade aber das Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen hat durch das Europarechtsanpassungsgesetz – EAG Bau vom 24.6.2004, in Kraft getreten am 20.7.2004, umfangreiche und tiefgreifende Änderungen erfahren. Mit diesen Änderungen wollte der Gesetzgeber insbesondere die gemeinschaftsrechtlichen, in den EU-Richtlinien 2001/42/EG und 2003/35/EG festgelegten Anforderungen des Umweltrechts in das Verfahren der Bauleitplanung einbringen.

Mit dem „Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte“ vom 21.12.2006 wurden erneut Änderungen zum Verfahrensrecht der Bauleitplanung vorgenommen. In § 13a BauGB wurde ein beschleunigtes Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung, die der Wiedernutzbarmachung von Flächen, der Nachverdichtung oder anderen Maßnahmen der Innenentwicklung dienen, eingeführt. Bebauungspläne, die in diesem Verfahren erlassen werden, unterliegen entsprechend den europarechtlichen Vorgaben keiner förmlichen Umweltprüfung. Sie sind daher auf eine Grundfläche von bis 20 000 qm bzw. nach einer Vorprüfung auf eine nutzbare Grundfläche ab 20 000 bis weniger als 70 000 qm begrenzt.

Die mit dem EAG Bau eingeführte Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB zur Sicherung zentraler Versorgungsbereiche und der verbrauchernahen Versorgung, nach der Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche haben dürfen, kann nach der letzten Novellierung durch einen speziell in § 9 Abs. 2a BauGB geregelten einfachen Bebauungsplan umgesetzt werden.

Weiter können jetzt in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans die Nutzungen auch allgemein, d.h. mittels Baugebietsfestsetzungen festgelegt werden.

1. Europarechtsanpassungsgesetz (EAG Bau)

Wesentliche Änderungen, die das Bebauungsplanverfahren bereits durch das EAG Bau vom 24.6.2004 erfahren hat, sind:

Vereinheitlichung des Verfahrens durch die Umweltprüfung

Die Umsetzung der EU-Richtlinie (2001/42/EG) vom 27.6.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (Plan-UP-Richtlinie) in nationales Recht sollte zum Anlass genommen werden, der gemeindlichen Bauleitplanung ein einheitliches und übersichtliches Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem den komplexen Anforderungen an die räumliche Planung effizient Rechnung getragen werden kann und das seiner besonderen Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland gerecht wird. Dabei konnte an die bestehenden Regelungen zur Behandlung der Umweltbelange in der Bauleitplanung weitgehend angeknüpft und dadurch verdeutlicht werden, dass sich auf Grund der Umweltprüfung für die Planungspraxis grundsätzlich keine neuen materiellen Anforderungen ergeben. Die Verfahrensvorschriften sollten nach Auffassung des Gesetzgebers im Wesentlichen die Arbeitsschritte wiedergeben, die bei der Zusammenstellung des umweltrelevanten Abwägungsmaterials für eine sachgerechte Abwägung ohnehin erforderlich sind.

Die Umweltprüfung wurde hierbei auf den Flächennutzungsplan und auf grundsätzlich alle Bebauungspläne ausgeweitet und vollständig in das Bauleitplanverfahren integriert. Sie wurde damit zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Bauleitplanverfahrens ausgestaltet.

Fortentwicklung des vereinfachten Verfahrens

Ergänzend zu der Ausgestaltung der Umweltprüfung als Regelverfahren wurde ein von den Voraussetzungen her eng begrenztes, vereinfachtes Verfahren nach § 13 BauGB zur sachgerechten Behandlung von solchen Bauleitplänen entwickelt, bei denen von vornherein keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Der erweiterte Anwendungsbereich ist im Wesentlichen auf die Aufstellung von bestandssichernden Bebauungsplänen beschränkt. In solchen Fällen ist von den in der Sache auch nicht erforderlichen umweltbezogenen Verfahrensanforderungen abzusehen.

Vermeidung von Doppelprüfungen

Wurde eine Umweltprüfung für das betreffende Plangebiet oder für Teile hiervon bereits in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, so soll sich die Umweltprüfung in einem Bauleitplanverfahren, das zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführt wird, gemäß § 2 Abs. 4 Satz 5 BauGB lediglich auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränken (so genannte Abschichtung).

Monitoring

Ist der im Regelverfahren aufgestellte Bebauungsplan in Kraft getreten, so sind die Gemeinden gemäß § 4c BauGB verpflichtet, die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchführung des Plans eintreten, zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene Umweltauswirkungen zu ermitteln und in der Lage zu sein, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Bei Bebauungsplänen, die im vereinfachten oder beschleunigten Verfahren nach §§ 13, 13a BauGB aufgestellt wurden, ist ein Monitoring nicht vorgesehen.

Wie das Monitoring allerdings durchzuführen ist, lässt das Gesetz – entsprechend der europäischen Vorlage – offen.

Regelungen zur Planerhaltung

Auch die Regelungen zur Planerhaltung (§§ 214 ff. BauGB) erhielten durch das EAG Bau durchgreifende Änderungen. Besonders hervorzuheben ist hier § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Diese Vorschrift reagiert auf die Neuregelung des § 2 Abs. 3 BauGB, der die Ermittlung und Bewertung abwägungsbeachtlicher Belange als Verfahrensvorschrift qualifiziert. Des Weiteren wurde die Frist für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften zunächst auf grundsätzlich zwei Jahre festgelegt (§ 215 Abs. 1 BauGB) und nun mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte nochmals und zwar auf ein Jahr verkürzt.

Frühzeitige Behörden- und TÖB-Beteiligung

Eingeführt wurde in das (Regel-)Bauleitplanverfahren das so genannte Scoping (engl.: the scope = der Umfang), mit dem der erforderliche Umfang und Detaillierungsgrad bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials von der Gemeinde ermittelt wird. Insbesondere im Hinblick auf das Scoping wurde mit § 4 Abs. 1 BauGB auch die Pflicht zur Durchführung einer frühzeitigen Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger geschaffen. Sie soll dazu dienen, durch die frühzeitige Einbeziehung externen Sachverstandes in den Planungsprozess sowohl Ermittlungsfehler als auch unnötigen Aufwand bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials zu vermeiden. Zugleich soll dieser Schritt zur Straffung des Verfahrens beitragen, da hierdurch die Wahrscheinlichkeit verringert wird, dass auf Grund der im Rahmen der späteren, formalen Beteiligung eingehenden Stellungnahmen der Planentwurf nachträglich ergänzt und erneut ausgelegt werden muss.

2. Novelle 2007

Das bereits erwähnte – durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 eingeführte – beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne, die der Innenentwicklung dienen, sieht folgende Verfahrenserleichterungen vor:

Die durch das EAG Bau und das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte getroffenen Änderungen des Baugesetzbuches betreffen in besonderer Weise das Bauleitplanverfahren und damit auch die vorliegende Arbeitshilfe „Das Bebauungsplanverfahren nach dem BauGB 2007“.

3. Zielsetzung der Arbeitshilfe

Das Hauptanliegen dieser Arbeitshilfe ist es, die vielfältigen Variationen des Bebauungsplanverfahrens umfassend, praxisbezogen und mit Beispielen darzustellen. Dabei wird in dieser Arbeitshilfe an der Konzeption und ursprünglichen Zielsetzung der Vorläufer-Arbeitshilfen „Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans“ festgehalten, nämlich jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gemeindeverwaltungen, die mit der Aufstellung von Bebauungsplänen befasst sind, taugliche Instrumente an die Hand zu geben, die ihnen den Umgang mit einer komplexen und – jetzt noch schwieriger gewordenen – Materie erleichtern.

Das Schwergewicht liegt demnach auf „Arbeitshilfe“, also auf beispielhaften und praxisbezogenen Erläuterungen der im Bebauungsplanverfahren auftauchenden Probleme und Fragestellungen. Dies gilt auch für die eingearbeitete Rechtsprechung und Literatur, die nach Aktualität und Praxisrelevanz ausgewählt wurden.

Es versteht sich von selbst, dass die gegebenen Hinweise und Empfehlungen nicht ungeprüft übernommen werden dürfen, da das Bauleitplanverfahren im Baugesetzbuch nicht umfassend und abschließend geregelt ist, d.h. dass dort, wo das Baugesetzbuch keine Regelung bereithält, landesrechtliche Bestimmungen zu beachten sind. Dies gilt z.B. für die Ausfertigung der Bebauungsplansatzung.