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1

Ich habe mir nie gern die Augen verbinden lassen.

Nicht im Bett und schon gar nicht im Restaurant, am allerwenigsten in einem wie dem DC Coast, wo ich am Vorabend meines dreißigsten Geburtstags saß.

»Gleich passiert was ganz Besonderes«, sagte Hugh und holte eine kleine schwarze Maske aus der Tasche. »Du mußt sie nicht hier anlegen, erst später.«

»Du hast mir versprochen, keine Party zu organisieren«, erinnerte ich ihn. Wir hatten Thunfischcarpaccio, Flußkrebsrisotto und knusprig gebratenen Barsch gegessen und dazu guten Wein getrunken, ein Abend genau nach meinem Geschmack.

»Hmm«, meinte Hugh mit einem Blick auf die Rechnung.

»Wohin willst du mich entführen?« bohrte ich weiter.

»Laß es mich so ausdrücken: Ich hab zwei Tickets ins Paradies.«

Ich verdrehte die Augen. Warum ich den Cappuccino und die Crème brûlée so hastig zu mir nehmen mußte, leuchtete mir nicht ein.

Während wir Ecke 14th/K Street darauf warteten, daß der Parkservice des Restaurants uns den Wagen brachte, reichte Hugh mir die winzige schwarze Augenbinde. »Sie ist nagelneu. Ich hab sie von meinem letzten Zürich-Flug.«

»Ich dachte, du magst es nicht, wenn man Geschenke weiterschenkt?« sagte ich.

»Nun, einen Ring wolltest du ja nicht. Was soll ich dir sonst geben?« Hugh war die Verärgerung deutlich anzuhören. Ich hatte seinen wunderschönen Smaragdverlobungsring nur kurze Zeit getragen, weil er mir genausoviel Angst machte wie mein neues Lebensjahrzehnt. Hugh war zweiunddreißig und hatte somit die magische Schwelle bereits überschritten.

Ich stieg mit einer Mischung aus Erregung und Furcht vor dem, was mich erwartete, in den Wagen. Sobald Hugh am Steuer saß, stellte ich den Sitz so weit wie möglich zurück, damit niemand die Frau mit den kurzen schwarzen Haaren und der Augenbinde sah.

»Fahren wir zum Flughafen?« fragte ich voller Hoffnung.

»Nein, leider nicht. Eine Reise wäre schön gewesen, aber ich kann nicht weg, weil die Partnerentscheidung in der Kanzlei ansteht.«

Hugh war auf internationales Recht spezialisiert, arbeitete nur ein paar Häuserblocks entfernt und beschäftigte sich seit einem Jahr mit einem Fall, mit dem es nicht so recht voranging. Er mußte häufig nach Japan, dem Land meiner Vorfahren, wo wir uns ein paar Jahre zuvor kennengelernt hatten. Natürlich hätte ich ihn liebend gern einmal begleitet, aber das durfte ich wegen einer vertrackten Geschichte nicht, derentwegen mir die Einreise verweigert wurde.

»Denk nicht dran«, sagte ich halblaut. Manchmal redete ich mit mir selbst, um unangenehme Gedanken in den Griff zu bekommen.

»Woran willst du nicht denken?«

»Mir wird schlecht, wenn ich weiter die Binde tragen muß«, antwortete ich. »Und ich bin nervös, weil ich nicht weiß, was du vorhast.«

»Tschuldigung. Moment, ich mach das Fenster auf.« Hugh betätigte den automatischen Fensterheber. »Es ist nicht mehr weit. Hältst du’s noch zwei Minuten aus?«

Ich nickte und konzentrierte mich auf die Straßengeräusche. Mir war klar, daß wir uns nicht in unserem Viertel, in Adams-Morgan, befanden, wo man Salsamusik, hupende Autos und die Flüche verärgerter Lastwagenfahrer gehört hätte. Hier war nur das gleichmäßige Brummen von Automotoren zu vernehmen. Nach einer Kurve merkte ich, wie Hugh auch das Fenster auf seiner Seite öffnete.

»Paradise, Sir?« fragte eine fremde Männerstimme.

»Ja. Es wird spät werden«, antwortete Hugh.

»Hugh, du weißt doch, daß ich morgen früh um halb zehn einen Termin in der Sackler Gallery habe. Ich kann nicht so lange bleiben.«

»Bewerbungsgespräche gibt’s immer wieder mal. Aber ein dreißigster Geburtstag ist etwas Einmaliges!« Hugh klang fast ein bißchen schadenfroh.

Als ich den Sicherheitsgurt löste, spürte ich, wie Hugh mein Handgelenk ergriff, um mir herauszuhelfen.

»Sie sind also die junge Frau mit der Geburtstagsüberraschung«, hörte ich von links die Stimme des Parkwächters.

Ich wußte immer noch nicht, wo ich mich befand, als Hugh sagte: »Gleich kommt eine Treppe nach unten, also mach langsam.«

Wir gingen zehn Stufen hinunter, bevor wir wieder eine ebene Fläche erreichten. »Ich halte dir die Tür auf«, teilte Hugh mir mit.

Obwohl ich nichts sehen konnte, stürmten alle möglichen Wahrnehmungen auf mich ein: ein Song der Eels mit dem schönen Titel »Japanese Girls«, Gesprächsgemurmel, Gelächter und Gekreische, dazu Zigarettenrauch und der Geruch von Sandelholzräucherstäbchen.

Nun ergriff jemand meine andere Hand und preßte etwas darauf, vermutlich einen Gummistempel wie in Nachtclubs üblich.

»Hugh, sei nicht albern«, beklagte ich mich. »Ich will sehen, wo ich bin. Wenn das hier der S & M-Club aus dem Artikel in der City Paper ist, kehre ich auf der Stelle um.«

»Ich hatte gehofft, daß du die Augenbinde bis zum großen Moment tragen würdest, aber wenn du sie unbedingt abnehmen möchtest, kann ich dich vermutlich nicht daran hindern«, meinte Hugh seufzend.

Hätte ich geahnt, was mich nicht nur in dieser Nacht, sondern in den folgenden Tagen erwartete, wäre ich vielleicht nicht der Versuchung erlegen, die Binde abzunehmen.

Aber ich bin nun mal weder für meine Geduld noch für meine Seßhaftigkeit bekannt.

Also nahm ich die Binde ab und öffnete die Augen.

2

Der Club war so voll wie der Tokioter Cube 326 an einem guten Abend; ich kannte keine Washingtoner Disco, in der es so hoch hergegangen und in der soviel geraucht worden wäre wie hier. Gab es in dieser Stadt nicht ein allgemeines Rauchverbot für Lokale? fragte ich mich, während ich mich umblickte.

»Ist das da drüben nicht Kendall?« rief ich Hugh zu und deutete auf eine schlanke Rothaarige mit schwarzer Lederjacke, die zwar aussah wie meine verheiratete Cousine aus Potomac, aber gerade einen attraktiven, ziemlich jungen Mann mit Ziegenbärtchen umarmte.

»Doch. Wahrscheinlich hat sie sich einen Toyboy aus dem Büro mitgebracht. Aber schau mal da rüber.« Hugh drehte mich in die andere Richtung, wo eine Bühne mit Schlagzeug, Keyboards und Mikrofonen aufgebaut war. Darüber hing ein Transparent mit der Aufschrift »HAPPY DIRTY THIRTY, REI!« in silbernen Lettern.

Ich sah Hugh an. »Du hattest versprochen, keine Überraschungsparty zu organisieren.«

Er runzelte die Stirn. »Aber ich hab dir gesagt, daß ich dich ins Paradies bringen würde.«

Plötzlich begriff ich. Wir befanden uns in dem heißen, neuen In-Schuppen an der U Street. Wie war es Hugh nur gelungen, ihn an einem Freitagabend für meine Geburtstagsparty zu buchen?

»Ist das hier der Club Paradise?« fragte ich.

»Ja, toll, was?« Hugh drückte meine Hand. »Ich hab die ganze Woche aufgepaßt, daß du keine Zeitung in die Finger bekommst, sonst hättest du nämlich mitgekriegt, was hier läuft«, meinte Hugh stolz.

»Aber die meisten Leute hier kenne ich gar nicht.«

»Andrea, Kendall und ich haben getrennt voneinander Gäste eingeladen. Von unseren Freunden sind ungefähr hundertfünfzig da. Die anderen mußten Eintritt zahlen, damit wir die Kosten wieder reinbekommen. Aber mit denen wirst du dich im Lauf der Nacht sicher auch noch anfreunden«, sagte er, während er mir eine kleine glitzernde Tiara aufsetzte.

»Wer zahlt denn Geld, um bei meiner Geburtstagsfeier dabei zu sein?« fragte ich verwirrt. Da gesellte sich Andrea zu uns, die in der Gastronomie arbeitete und mit der ich erst seit kurzem befreundet war, um mich mit einem Küßchen auf die Wange zu begrüßen.

»Alles Gute zum Geburtstag, Rei«, sagte sie. »Ich sorge dafür, daß sich niemand hier reinschleicht, ohne zu zahlen.«

Nun marschierte auch Kendall zu uns herüber, die mir einen feuchten, nach Cosmopolitans schmeckenden Kuß auf die Lippen drückte. »Happy dirty thirty, Schätzchen. Ich hab versucht, Hugh dazu zu bringen, daß er deinen dreißigsten noch ein paar Jahre rauszögert, aber er wollte nichts davon wissen. Männer!«

»Wieso denn? Sie wird doch morgen dreißig.« Andrea sah Kendall an, als könnte meine Cousine, die so gern mit ihrem Uniabschluß prahlte, nicht zählen.

»Viele Frauen feiern ihren Dreißigsten erst ein paar Jahre später, so um die fünfunddreißig. Einige meiner Internatsfreundinnen haben das vor, und ich spiele auch mit dem Gedanken, weiß aber nicht, ob man mir das abkauft. Was meint ihr?« Sie zwinkerte dem jungen Mann zu, mit dem sie zuvor eng umschlungen getanzt hatte.

»Sieht fast so aus, als wären ein paar von diesen Freundinnen da«, sagte ich, um ihre Frage nicht beantworten zu müssen. »Die solltest du mir vorstellen.«

»Hugh hat mir fünfundsiebzig meiner Lieben zugestanden. Sie sind schon wahnsinnig gespannt auf die Show …«

»Kendall«, unterbrach Hugh sie warnend.

»Hugh, was denkst du denn? Ich würde nie … George ist mein Praktikant, nichts weiter.«

»Hugh meint bestimmt die Show, Kendall, nicht deinen Toyboy …« Oje, der Viognier im Restaurant hatte meine Zunge zu sehr gelockert.

»Ich hol uns Drinks«, meinte Hugh. »Und dann kümmere ich mich darum, daß die Show bald mal beginnt. Wir sind schon eine halbe Stunde zu spät dran mit allem.«

Nachdem Hugh uns etwas zu trinken gebracht und sich auf den Weg zur Bühne gemacht hatte, beobachtete ich, wie Kendalls hübsche Freundinnen in ihren schicken Klamotten und Hughs Kollegen im Anzug einander zu umkreisen begannen. Unter sie mischten sich Leder-und-Nieten-Typen, modebewußte junge Kerle mit kahlgeschorenen Köpfen und Guayabera-Shirts und junge Frauen mit Stiefeln bis zu den Oberschenkeln.

Ich trug eine meiner schwarzen Lieblingsshorts, eine violett-schwarze Bouclejacke von Adolfo, darunter ein ebenfalls violettfarbenes, ziemlich kurzes Mieder. In meinem Nabel schimmerte eine Perle – ein Körperschmuck, zu dem ich noch immer ein gespaltenes Verhältnis hatte. Um nicht mit einer Nutte verwechselt zu werden, war ich in mittelhohe Sandalen geschlüpft und nicht in die Manolo-Blahnik-Stilettos, die Hugh lieber gewesen wären. Inzwischen bedauerte ich das fast ein wenig.

»Komm,« Kendall ergriff meine Hand, »laß uns dichter an die Bühne rangehen, damit dich alle sehen können, wenn Hugh seine Rede hält.«

»Kendall, ich kenne doch kaum jemanden hier! Ich möchte mich nicht vor Hunderten von Fremden blamieren.« Wie japanisch von mir, dachte ich, während Kendall mich zur Bühne zerrte. Sie gehörte zur amerikanischen, Marylander Seite der Familie meiner Mutter. Nicht zu fassen, wie begeistert sie war vom Club Paradise. Gut, sie verkehrte auch im Zola oder Zaytinya, aber dieser Club hier war längst nicht so hochklassig wie die, die sie normalerweise besuchte.

Hugh stellte sein Whiskyglas auf einem Lautsprecher ab und nahm ein Mikrofon in die Hand. Der Lärm verstummte abrupt, als er die Anwesenden mit seinem Edinburgher, in London und Washington verwässerten Akzent begrüßte, bei dem Amerikaner regelmäßig weiche Knie bekamen. Wieso nur klang das Britische immer so viel smarter als das Amerikanische? Auch mit einem japanischen Akzent klang alles irgendwie niedlicher.

Hugh erklärte, wie erfreut er über das Gelingen der Geburtstagsparty für seine Freundin sei, die die Leser der City Paper unter dem Titel »Berühmt-berüchtigtste Frau unter dreißig« kannten. »Rei ist die erste, die es so weit gebracht hat, ohne mit einem Politiker zu schlafen, und darüber bin ich sehr froh«, sagte er, während mich ein Spotlight einfing. Ich raffte mich zu einem zögerlichen Winken auf, weil es peinlich gewesen wäre, mich hinter Kendall zu verstecken. Jetzt grinsten mich alle an. Eine Cocktailkellnerin mit Nasenring drückte mir einen Mojito in die Hand, und ich nahm einen Schluck, dankbar, mich an dem Glas festhalten zu können, während Hugh weitersprach.

»Als Rei und ich uns kennenlernten, dachte sie, wir hätten keine Gemeinsamkeiten. Aber das änderte sich schnell, weil ich sie in meinen Wagen lockte und ihr Songs aus den achtziger und neunziger Jahren vorspielte. Und zu ihrem Geburtstag wollte ich ihr deshalb die Musik schenken, die sie liebt.«

Hoffentlich, dachte ich, würde sich der Scheinwerfer bald auf die Bühne richten.

»Da ich Reis Geschmack kenne, habe ich mich auf die europäische Szene konzentriert. Ich hätte gern Echo and the Bunnymen engagiert, aber leider treten die heute abend in London auf.« Allgemeines Stöhnen. Offenbar hielten die Anwesenden nicht allzuviel von Echo. »Dann hab ich bei Björk angeklopft, doch die macht gerade eine Stylekrise durch und verläßt das Haus nicht.« Ein paar Lacher. »Massive Attack nehmen momentan den Song für die neue Lexus-Werbung auf, und der Manager von Garbage hat mir mitgeteilt, daß die Band heute den Müll rausbringen muß.« Wieder Stöhnen und von ganz hinten der Ruf: »Nun mach endlich!« Doch Hugh ließ sich nicht hetzen. Nach einem Schluck Whisky fuhr er fort: »Ich dachte schon, das Unternehmen stehe unter einem schlechten Stern, aber dann hatte ich plötzlich einen Geistesblitz und entschied mich für eine Mystery-Band, eine vielversprechende neue britische Gruppe, die letzten Monat ihre Videopremiere auf VH1 hatte und zur Zeit in den britischen Charts ist. Zufällig macht sie gerade eine Amerikatournee, und dies ist ihr einziger Auftritt in Washington. Uns zuliebe haben die Jungs ein Angebot des 9:30 Club ausgeschlagen!«

Applaus. Ich bekam eine Gänsehaut. Es gab lediglich eine Gruppe, zu der Hugh persönlichen Kontakt hatte, und zwar die seines Bruders Angus. Und die tourte im Augenblick an der Westküste.

»Also Schluß mit dem Gerede. Ich möchte euch eine Band mit Biß und Originalität vorstellen: Angus Glendinning mit Glaswegian Hangover!«

Als die Jungs die Bühne betraten, begannen die Scheinwerfer zu rotieren, und ich kreischte mit den anderen, weil ich Hughs jüngeren Bruder seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals war er zwanzig gewesen. Angus, der sich in Tokio mit rotbraunen Dreadlocks herumgetrieben hatte, trug nun einen Stoppelschnitt, dazu ein schwarzes Nieten-T-Shirt, eine enge Jeans und Biker Boots.

Die Menge johlte, als Angus die Gitarre in die Hand nahm und den alten Beatles-Song »Happy Birthday« anstimmte, allerdings mit ein paar neuen Strophen, die mich erröten ließen. Danach folgte ein ziemlich disharmonisches Stück, in dem es darum ging, daß er von einem älteren Bruder, den er einmal geliebt hatte, nun aber abgrundtief haßte, zum Militärdienst gedrängt worden war. Hughs Reaktion darauf hätte mich interessiert, doch der stand, auf einen Drink wartend, mit dem Rücken zu mir an der Bar.

Ich schaute mir den Rest der Band genauer an: Den Dudelsack spielte ein Blondschopf mit traurigem Gesicht, Jeansjacke, Kilt und Springerstiefeln. Ein dunkelhäutiger Typ mit Manchester-United-Trikot bearbeitete hingebungsvoll das Schlagzeug. Davor stand ein Schwarzer mit abgetragener Lederjacke und Jeans am Baß. Fehlte nur noch eine Japanerin zur Völkerverständigung, doch ich würde mich mit Sicherheit nicht freiwillig melden.

Nachdem die Band den Song mit einem trotzigen Riff beendet hatte, nahm Angus einen Schluck aus der Pulle eines besonders begeisterten Fans. »Danke, meine Lieben. Danke auch an Shug, daß er die Bühne für uns organisiert hat. Und was höre ich da? Danke für die Gratisrunde McEwans für alle!«

Sofort strömte die Hälfte der Anwesenden zur Bar, um sich das versprochene Bier zu holen. Die übrigen begannen, Titel von Songs zu rufen, die sie hören wollten: »Methadone Morning«, »On the Train«, »Bleeding Heart Liberal«. Offenbar wurde die CD der Band doch von größeren Sendern gespielt. Wer hätte das gedacht? Glaswegian Hangover waren so gut wie berühmt.

»Wir werden euch jetzt mit ein paar Songs von unserer neuen Scheibe Liberal Elitist einheizen. Der erste heißt ›Pudding‹, weil er ziemlich ungesund ist, genau so, wie wir es lieben.« Angus versuchte sich im Akzent der Glasgower Arbeiterklasse, wahrscheinlich weil die Band Glaswegian Hangover hieß. »Unsere Stücke spielen wir abwechselnd mit Reis Geburtstags-Tracks. Ach, und Shug – mein Bruder – möchte, daß ich euch folgendes sage: Unser Überraschungsgast ist eingetroffen.«

»Wer?« rief ich.

Angus schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, angeblich ein japanischer Star. Also: nicht weggehen!« Und schon stürzte er sich in die ersten Takte von »Pudding«.

Ich überlegte, um wen es sich handeln könnte, als Hugh von hinten meine Taille umfing und mit mir zu tanzen begann. Mir fiel es wegen der beiden Mojitos, die ich in der letzten halben Stunde getrunken hatte, schwer, das Gleichgewicht zu halten. Dann leitete die Band von ihrem eigenen Song über ein mißglücktes schottisches Schulessen zu dem Grandmaster-Flash-Klassiker »White Lines« über. Schon bald ging ich ganz in dem Rhythmus auf, und Hugh mußte mich schließlich zur Bühne drehen, damit ich den japanischen Gast nicht übersah: eine junge Frau in einem goldenen Lederrock, weißen Go-go-Stiefeln und weißem Top. Gold-schwarz gesträhnte Haare fielen ihr in die Stirn, doch als sie sie zurückwarf, erkannte ich meine zwanzigjährige Cousine Chika.

»Chika!« rief ich begeistert.

»Ich hab ihr meine Bonusmeilen überlassen!« erklärte Hugh. »Sie wollte deinen Geburtstag nicht verpassen.«

Ich schlang die Arme um ihn. »Dann bleibt sie also eine Weile?«

»Ja, sie kommt nachher mit uns nach Hause, und die Band übernachtet auch bei uns. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.«

»Und wo bitte?« fragte ich ein wenig verärgert. Hugh lud jede Woche mindestens einen oder zwei Übernachtungsgäste zu uns ein: Anwaltskollegen, die Streß mit der Angetrauten hatten; Rugbykumpels, die nicht wußten, wo sie sonst schlafen sollten; Saufkumpane aus Adams-Morgan, die einen über den Durst getrunken hatten. Er liebte Gesellschaft.

»Irgendwo auf dem Boden«, antwortete Hugh. »Die sind es doch gewöhnt, in Busbahnhöfen oder Badewannen zu pennen. Und sie bleiben bloß ein paar Tage. Es wird nicht so wie damals in Tokio, wo Angus mehrere Monate bei uns war.«

»Hoffentlich nicht.« Ich zwinkerte Hugh zu, weil ich seinen kleinen Bruder eigentlich ganz gut leiden konnte. Dann sah ich zurück auf die Bühne, wo noch immer meine Cousine Chika in ihren hochhackigen Stiefeln tanzte. Sie bewegte Arme und Hüfte fast roboterhaft – ein ziemlicher Kontrast zu der wilden Band und den anderen Gästen.

»Chika ist wirklich süß«, brüllte Kendall mir ins Ohr, als sie an mir vorbeiwippte. »Frag sie doch später, wo sie die Stiefel herhat.«

»Ja, mach ich.« Inzwischen hatte sich meine Scheu verflüchtigt, und ich gesellte mich zu meiner Cousine auf die Bühne, um sie zu umarmen. Bevor ich es richtig mitbekam, hatte Angus uns beide gepackt. Chika wich, offenbar erschrocken über den fast kahlen weißen Jungen, zurück, und die Zuschauer gröhlten.

Da begann Angus meinen Lieblingssong aus den Achtzigern, »Lips like Sugar«, zu spielen. Während Chika und ich zusammen tanzten, prostete Hugh mir von der Bar aus lächelnd zu.

Jetzt wurde auch Kendall von Verehrern auf die Bühne gehievt und begann sofort, mit Chika und mir im Rhythmus zu wippen. Sie liebte das Rampenlicht.

Während ich mich zwischen meinen Cousinen bewegte, dachte ich über meine japanische Vergangenheit auf der einen und meine amerikanische Zukunft auf der anderen Seite nach. Dabei hätte ich fast nicht gemerkt, daß mein Top immer weiter nach oben rutschte und die Perle in meinem Nabel irgendwann im Scheinwerferlicht schimmerte. Chika setzte ihren roboterähnlichen Tanz fort, während Kendall den Reißverschluß ihrer schwarzen Lederjacke öffnete und wenig später ihr T-Shirt auszog.

Ihr T-Shirt? Ich sah noch einmal hin. Ja, tatsächlich. Nun trug Kendall, die sichtlich das Gejohle der Zuschauer genoß, nur noch einen roten Spitzen-BH und Jeans. Chika wirkte gänzlich unbeeindruckt. Anscheinend entkleideten sich die Mädchen in Japan regelmäßig auf der Bühne. Ich ließ den Blick auf der Suche nach Hugh schweifen. Er war nicht mehr an der Bar. Wahrscheinlich hatte er sich zur Bühne vorgearbeitet, um die schönheitschirurgischen Veränderungen an Kendalls Körper besser begutachten zu können. Anders war die wundersame Vergrößerung ihrer Brüste seit unserer letzten gemeinsamen Dusche während eines Strandurlaubs in der Collegezeit nicht zu erklären. Oder hatte das mit der Geburt der Zwillinge zu tun?

Als die Leute unten zu brüllen begannen, daß auch Chika und ich unsere T-Shirts ausziehen sollten, wurde ich nervös.

»Ich geh runter!« rief ich Chika zu, sobald der Song »Lips like Sugar« vorbei war.

»Ich auch«, schrie sie zurück. »Das Mädchen ist verrückt!«

Unten fragte Chika mich, wo es Wasser gebe. Ich hatte ebenfalls einen Mordsdurst, gönnte mir aber noch einen Blick in Richtung Kendall, die gerade dabei war, den obersten Knopf ihrer Jeans zu öffnen.

»Wo steckt Hugh-san? Ich würde mich gern dafür bedanken, daß er mir das Flugticket spendiert hat – sogar in der Businessclass.«

»Zuletzt hab ich ihn an der Bar gesehen«, antwortete ich und lenkte meine Cousine in Richtung Theke. Doch Hugh war nicht dort. Nachdem Chika und ich uns Wasser geholt hatten, bahnten wir uns einen Weg zu Andrea, die an der Tür noch immer die Namen der Eintreffenden mit der Gästeliste verglich. Sie war gerade dabei, eine Gruppe von Georgetown-Studenten abzuweisen, die behaupteten, irgendwo auf der Liste zu stehen.

»Ich kenne Rei«, sagte eins der Mädchen. »Ich bin sozusagen ihre beste Freundin.«

»Kennst du die?« fragte Andrea mich, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Klar. Laß sie alle rein. Weißt du, wo Hugh steckt?«

»Vorhin hat er eine Runde für seine Rugby-Kumpel ausgegeben. Na, wie gefällt dir die Party?«

»Sehr«, antwortete ich und umarmte Andrea kurz, bevor ich wieder in die Tiefen des Clubs abtauchte.

»Ist das da drüben Hugh-san?« fragte Chika und zog mich einen Flur hinunter, der lediglich durch ein Notausgang-Schild erhellt wurde. Am Ende des Gangs übergab sich gerade ein Mann im Anzug in einen Abfalleimer.

»O nein!« rief ich, als ich den Anzug erkannte. Er gehörte tatsächlich Hugh.

»Hat er was Schlechtes gegessen?« fragte Chika besorgt.

»Ich glaub nicht, daß das Essen schuld ist.« Wir hatten nahezu das gleiche verzehrt, und außerdem genoß das Restaurant einen tadellosen Ruf. Offenbar hatte Hugh die Abfolge Wein, Whisky, Bier nicht vertragen. Er konnte nichts dafür: Früher hätte ihm dieses Durcheinander nichts ausgemacht, doch inzwischen … war er zweiunddreißig. Vielleicht würde sich mein Stoffwechsel demnächst ebenfalls drastisch verändern.

Ich schickte Chika in die Damentoilette, um Papierhandtücher zu holen, während ich bei Hugh blieb.

»Sorry«, sagte er matt.

»Keine Ursache.« Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Der charmante Schotte, der mir wenige Stunden zuvor mit einem Glas Champagner zugeprostet hatte, war nun nur noch ein rotäugiges Häufchen Elend. So ein Lebenswandel hinterließ eben seine Spuren. Zwei Abende zuvor hatte er sich nach einer Dinnerparty in Kalorama ebenfalls übergeben müssen. Ich rief mir ins Gedächtnis, daß das derselbe Mann war, der mich in seiner Wohnung aufgenommen hatte, klaglos Antiquitäten von einem Ort zum anderen transportierte und mir jeden Morgen eine Kanne Tee kochte.

»Ich verpaß wohl gerade die große Show, was?« meinte er kleinlaut.

»Angus und die Band sind wirklich toll«, sagte ich. »Aber die kannst du sicher irgendwann wieder hören.«

»Ja. Und außerdem begleitet er uns ja nach Hause.« Hugh setzte sich auf den Boden, den Rücken an der Wand.

»Stimmt, allerdings noch nicht gleich. Ich organisiere das. Wir werden ein Taxi nehmen müssen, weil ich auch nicht mehr fahren kann.«

»Du brauchst meinetwegen nicht nach Hause zu gehen«, sagte Hugh. »Jetzt, wo du dich so gut amüsierst …«

Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht wichtig, ob ich weiter hierbleibe oder nicht. Und offen gestanden bin ich hundemüde.«

Das stimmte tatsächlich. Noch drei Jahre zuvor hätte ich die ganze Nacht durchgehalten, aber jetzt war ich erschöpft.

Die Dreißiger begannen ziemlich heftig.

3

Am nächsten Morgen wachte ich mit höllischen Kopfschmerzen und dem Wissen auf, daß ich in etwas mehr als einer Stunde im Smithsonian sein mußte.

Ich schleppte mich ins Bad, wo Hugh in der Wanne schlief, zog den Duschhang vor und setzte mich auf die Toilette. Den Gedanken an eine gründlichere Körperreinigung konnte ich wohl vergessen.

Hugh war so müde gewesen, daß man ihn überall hätte hinlegen können, und in Gäste- und Wohnzimmer schliefen Angus und seine Jungs sowie zwei Roadies. In dem Schlafraum, den ich normalerweise mit Hugh teilte, schlummerte Chika, nur in ihrem dünnen Unterhemdchen, das Gesicht in den Kissen vergraben. Bevor ich ins Bad gegangen war, hatte ich sie für den Fall, daß irgend jemand zu ihr hineinstolperte, zugedeckt, und auf ein Flugblatt der Band BITTE NICHT STÖREN! geschrieben und es an die Tür geklebt.

Mein Gott, tat mir der Kopf weh! Nie wieder würde ich soviel trinken – zuerst den Wein beim Abendessen, dann im Club die harten Sachen. Und das sah man mir auch an: Ich hatte rote Augen, Krähenfüße und eine ziemlich ungesunde grüne Hautfarbe.

Nachdem ich zwei Aspirin geschluckt und etwas Make-up aufgelegt hatte, zog ich ein dunkelblaues, abgelegtes Donna-Karan-Kostüm meiner Mutter an. Kurzfristig geriet ich in Panik, als ich keine Strumpfhose finden konnte, aber dann entdeckte ich doch eine auf der Kommode, unter einem Bonsaibäumchen, das mir jemand zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich hob vorsichtig den Topf und zog langsam die Strumpfhose hervor, in der Hoffnung, daß sie keinen Schaden genommen hatte. Gott sei Dank, alles in Ordnung. Das faßte ich als gutes Omen auf – sehr viel mehr Positives hatte dieser Morgen nicht zu bieten.

Ich wußte eigentlich nicht so genau, wie die Sackler Gallery auf mich gekommen war, weil ich mich, abgesehen von der Bewerbung um ein Praktikum während der Collegezeit, nie dort um eine Stelle bemüht hatte. Da ich aber, nachdem ich ein neueröffnetes Restaurant ausgestattet hatte, wieder auf Jobsuche war, hatte ich beim Anruf einer resolut klingenden Frau, die mich zur Besprechung eines Beratungsauftrags bat, sofort zugesagt.

Ich schlüpfte in die Krokodillederpumps von Bally, die ich mir während meines letzten Aufenthalts bei meinen Eltern in San Francisco in einem Secondhandladen geleistet hatte. Dann brachte ich Hugh die Arbeitskleidung für den Tag ins Bad.

»Wer hat mir den Kopf eingeschlagen?« krächzte er.

»Du selber«, antwortete ich und fügte ein bißchen sanfter hinzu: »Dir geht’s nicht so gut, was? Tut mir leid, daß wir dich zum Schlafen in die Badewanne gesteckt haben, aber ich brauchte ein Bett für Chika -sie ist bei uns im Schlafzimmer. Hier, ich hab dir was zum Anziehen mitgebracht.«

Hugh gähnte. »Wo willst du denn so früh am Morgen hin?«

»Es ist zwanzig vor neun, und das Gespräch im Smithsonian beginnt in weniger als einer Stunde.«

»Tut mir leid wegen heute nacht.« Er seufzte.

»Du hast mich ja auch schon in üblem Zustand erlebt.« Im Augenblick jedoch wirkte ich im Vergleich zu ihm wie die Gesundheit in Person. »War ’ne wilde, tolle Nacht.«

»Ich schwöre, daß ich bloß einen Whisky und ein oder zwei Bier hatte …«

»Dazu noch eine halbe Flasche Wein und ein Glas Schampus im Restaurant.« Ich begann, mir die Zähne zu putzen.

»Stimmt. Von dort aus sind wir in den Club gefahren … Mein Gott, wo ist der Wagen?«

»Der steht bestimmt noch da, wo der Parkwächter ihn heute nacht abgestellt hat. Wenn du willst, hole ich ihn nach dem Gespräch ab.«

»Nein, nein, mach ich schon. Das ist nur die gerechte Strafe«, meinte Hugh zerknirscht.

Zu Fuß waren es zwanzig Minuten zum Dupont Circle, genug Zeit, den Kreislauf in Schwung zu bringen. Ich hatte einen Becher Latte macchiato mit vier Stück Zucker aus dem Urban Grounds in der Hand, den ich vor dem Betreten der Metro leeren mußte, weil das Mitnehmen von Getränken und Lebensmitteln verboten war. Während ich daran nippte, versuchte ich, mich auf das bevorstehende Gespräch einzustimmen, obwohl ich nicht wußte, was mich erwartete.

Voller Bedauern warf ich den halbvollen Becher in einen Abfalleimer und stieg in den Zug. Dabei hielt ich meine Tasche fest gegen den Leib gepreßt, damit niemand sie mir von der Schulter riß. Darin befanden sich zwei unterschiedliche Lebensläufe. Der erste konzentrierte sich auf meine Tätigkeit als Antiquitätenhändlerin sowie meine freiberufliche Arbeit für ein Washingtoner Restaurant und Privatkunden in Tokio. Im zweiten präsentierte ich mich als Akademikerin mit Veröffentlichungen über historische Ikebanagefäße. Beide wiesen einige beeindruckende Erfolge auf, aber leider keinerlei festen Job. Am längsten war ich nach der Uni als Englischlehrerin in Tokio beschäftigt gewesen, doch das interessierte die Leute vom Smithsonian vermutlich nicht.

Ich stieg an der Haltestelle Gallery Place – Chinatown aus, aber statt mich von dort aus auf den Weg zum Restaurantviertel zu machen, wo ich zuletzt gearbeitet hatte, ging ich ein paar Blocks weiter in Richtung Mall. Endlich wagte sich die Sonne hervor. Es war ein Tag, an dem ich normalerweise zum Fitneßstudio gejoggt wäre. Bei meinen Kursen in Gewichtheben, Yoga und Aerobic hatte ich mir mittlerweile ordentliche Muskeln erworben, was Hugh freute, weil ich nun meine schweren Möbel auch ohne seine Hilfe schleppen konnte.

Schließlich erreichte ich das prächtige Ziegelgebäude, in dem die Verwaltung des Smithsonian untergebracht war, und betrat das runde Glasatrium des Ripley Centers im Freer Museum, von wo aus man ein paar Treppen tiefer in die Sackler Gallery kam.

Gleich hinter dem Eingang gönnte ich mir einen Blick auf die eindrucksvolle Installation eines zeitgenössischen chinesischen Künstlers, der den Rumpf eines japanischen Fischkutters auf Tausenden von weißen Scherben früherer Porzellantassen und -teller plaziert hatte. Ein auf Porzellan schwebendes Boot; der Gedanke gefiel mir, auch wenn ich es schade fand, daß ihm so viel schönes Geschirr geopfert worden war.

»Ma’am? Das Museum öffnet erst um zehn«, hörte ich plötzlich die Stimme einer Frau vom Sicherheitsdienst. Ich erklärte ihr, daß ich einen Termin mit Michael Hendricks habe.

»In unserem Museum arbeitet niemand mit diesem Namen«, meinte sie stirnrunzelnd. »Könnte es sein, daß er als Volontär hier ist?«

»Ich glaube nicht.« Ich suchte in meiner Tasche nach dem Zettel, auf dem ich mir alles Wichtige notiert hatte. »Den Termin habe ich mit einer Frau vereinbart, einer gewissen Elizabeth Cameron …«

»Das ist die Kuratorin für Nahost-Kunst.« Die Frau ging ihre eigenen Notizen durch. »Hier steht etwas von einem Treffen um neun.«

»Das könnte es sein. Mein Name ist Rei Shimura.« Seltsam, dachte ich, denn ich kannte mich in Nahost-Kunst nicht aus. Außerdem stimmte die Uhrzeit nicht. Soweit ich mich erinnerte, hatte Elizabeth Cameron halb zehn gesagt.

Doch in den Aufzeichnungen der Frau vom Sicherheitsdienst befand sich tatsächlich mein Name, und so rief sie einen Kollegen, der mich durch das Labyrinth der nur schwach beleuchteten Räume zum Verwaltungsbereich führen sollte.

Kein vielversprechender Anfang, dachte ich, während wir mit dem Aufzug in den ersten Stock fuhren. Dumm, daß ich zu spät kam, und noch dazu, ohne zu wissen, worum es überhaupt ging. Vielleicht war den Leuten vom Smithsonian ein Fehler unterlaufen. Ich kannte mich mit fernöstlicher Kunst aus, nicht mit der des Nahen Ostens oder Mesopotamiens, wie das Gebiet früher hieß. Aber das würde ich gleich zu Beginn klären. Dann wäre das Treffen sicher schnell beendet, und ich schaffte es vielleicht noch zu den Pilates-Übungen um zehn im Fitneßstudio.

Der Mann vom Sicherheitsdienst schloß die riesigen Türen zum Verwaltungsbereich auf, hinter denen eine große, schlanke Afroamerikanerin um die Fünfzig auf mich wartete. An den Schultern ihrer grünen Uniform befanden sich silberne Eichenblätter, und auf dem schwarzen Namensschildchen stand »Martin«.

»Sind Sie Rei Shimura?« erkundigte sie sich.

Ich nickte, überrascht, daß sie nicht nur meinen Namen kannte, sondern ihn auch richtig aussprach. Sie musterte mich eingehend. Offenbar konnte sie sich denken, wie ich die Nacht verbracht hatte.

»Kommen Sie herein, Miss Shimura. Wir sind schon alle da.«

Nachdem der Mann vom Sicherheitsdienst verschwunden war, führte sie mich über einen breiten Flur mit Teppichboden in ein großes Zimmer. Als sie die Tür hinter mir verschloß, bekam ich ein flaues Gefühl im Magen.

In dem fensterlosen Raum hingen gerahmte Plakate früherer Sackler-Ausstellungen sowie eine riesige Filmleinwand, wie ich sie von den Vorlesungssälen im College kannte. An einem langen Teaktisch saßen eine Frau und zwei Männer, der eine ein gutsituiert wirkender älterer Japaner, der andere athletisch mit militärischem Kurzhaarschnitt sowie einem Anzug von Brooks Brothers, jenem amerikanischen Hersteller, den Hugh mit seinen ausschließlich europäischen Designeranzügen verabscheute.

»Kaffee?« fragte die Frau mit freundlicher Stimme, als merkte sie, daß ich mich nicht wohl fühlte. Ich nickte dankbar und sah sie mir genauer an, während sie in Richtung Kaffeemaschine ging: brünette Haare mit Pagenschnitt, dazu ein olivgrüner Strickpullover über einem wadenlangen schwarzen Rock. War das die Kuratorin?

»Zucker? Milch? Ich bin Elizabeth Cameron; wir haben miteinander telefoniert. Schön, daß Sie kommen konnten.«

»Beides bitte«, sagte ich. »Ich freu’ mich auch, hier zu sein.« Obwohl das ob der verschlossenen Türen und der ernsten Gesichter der Anwesenden nicht ganz stimmte. Das würde ein denkwürdiges Bewerbungsgespräch werden.

»Und mein Name ist Michael Hendricks. Ich arbeite im Außenministerium, Ressort Japan. Ihren Namen habe ich von Senator Snowden«, stellte sich der Mann im Brooks-Brothers-Anzug vor, nahm Elizabeth Cameron den Kaffee aus der Hand und reichte ihn mir. Seinen Akzent konnte ich nicht zuordnen, und seine graubraunmelierten Haare machten es mir schwer, sein Alter zu schätzen. Leider war ich auch nicht in der Lage, die Schrift auf dem Schildchen an seiner Brust zu entziffern.

Ich wandte mich dem Japaner zu, der einen konservativen dunkelblauen Anzug trug. Mir war nicht klar, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, bis er sich leicht vor mir verbeugte. Ich erwiderte die Verbeugung, allerdings ein bißchen tiefer. Als er lächelte, merkte ich, daß ich ihn schon einmal gesehen hatte, nur fiel mir nicht ein, wo.

»Bitte setzen Sie sich doch. Hier ist noch ein Platz für Sie«, meinte Michael Hendricks. Beim Versuch, mit dem Kaffee in der Hand den Tisch zu umrunden, stolperte ich.

»Kiotsukute kudasai«, sagte der Japaner. »Vorsicht, bitte.«

»Gomen nasai«, erwiderte ich und erklärte, während ich mich setzte: »Ich bin manchmal ein bißchen ungeschickt.«

»Den Eindruck hatte ich heute nacht nicht. Da haben Sie ziemlich gut getanzt«, sagte Michael Hendricks lächelnd. »Tut mir leid, daß ich mich während der Party nicht vorgestellt habe, aber es waren so viele Leute da, daß ich nicht zu Ihnen durchgekommen bin.«

War das einer von Hughs merkwürdigen Scherzen – ein fingiertes Bewerbungsgespräch nach einer wilden Nacht? »Ich fürchte, ich weiß nicht so genau, worum es bei diesem Treffen gehen soll«, sagte ich mißtrauisch.

»Vielleicht stelle ich am besten die übrigen Anwesenden vor. Mit Elizabeth haben Sie ja bereits telefoniert, und Colonel Martin, die vor ein paar Tagen aus Bagdad zurückgekehrt ist, kennen Sie auch schon.«

Brenda Martin setzte sich mit einem Nicken neben Hendricks, der die Vorstellungsrunde weiterführte.

»Ich freue mich, daß Mr. Yukio Watanabe, der japanische Generalkonsul von der Botschaft, heute Zeit für uns hat.« Hendricks machte eine kurze Pause. »Alles, was hier besprochen wird, muß unter uns bleiben, Miss Shimura. Können Sie uns das zusichern?«

»Darauf würde ich Ihnen gern antworten, wenn ich wüßte, worum es geht.«

»Um einen Job für Sie«, erklärte Michael Hendricks.

»In diesem Fall können Sie selbstverständlich mit meiner Verschwiegenheit rechnen. Meinen Lebenslauf habe ich dabei.« Ich holte die akademische Version aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Als niemand sich dafür interessierte, fragte ich: »Hat dieser Job etwas mit japanischer Kunst oder japanischen Antiquitäten zu tun?«

»Nun«, meinte Hendricks, lehnte sich zurück und betrachtete mich mit seinen eisgrauen Augen, »bei dieser Mission geht es um nahöstliche Kunst. Obwohl Sie bisher damit nichts zu tun hatten, sind wir der Meinung, daß Sie die für diesen Auftrag nötigen Qualifikationen besitzen.«

»Gehört Tanzen auch dazu?« fragte ich, doch niemand lachte.

»Ich denke, ein bißchen Tanzen kann nicht schaden. Aber weil wir schon ziemlich spät dran sind, wende ich mich gleich der Präsentation zu.« Endlich gelang es mir, seinen Akzent zuzuordnen: Ostküste, vermutlich Andover, Exeter oder eines der anderen Internate dort.

Da ging das Licht aus, und am Ende des Raums wurde ein Projektor angeworfen. REI SHIMURA – HINTERGRUNDINFORMATIONEN erschien auf der Leinwand, dann ein Foto von mir aus der japanischen Zeitung Asahi Shinbum. Das Bild hatte mir immer schon gefallen, weil ich darauf – mit dem Azzedine-Alaia-Kleid einer Freundin bei der Party im Tokyo American Club – besonders schlank aussah. Die japanischen Paparazzi hatten den Schnappschuß gemacht, weil ich seinerzeit in die Ermittlungen zu einem Mordfall verwickelt gewesen war.

»Rei Shimura lebte von ihrem vierundzwanzigsten Lebensjahr an in Japan. Hier ist sie vor dem Tokyo American Club zu sehen, wo sie mit prominenten Ausländern wie Joseph Roncolotta verkehrte, der immer noch eine Beratungsfirma in Tokio leitet.«

Dann folgte eine Aufnahme von der Gesellschaftsseite des Tokyo Weekender, auf der Joe Roncolotta, umgeben von japanischen Geschäftsleuten, in einem von Tokios Biergärten deutschen Stils jemandem zuprostete. Anschließend waren Bilder von Ishida-san, meinem Mentor auf dem Gebiet des Antiquitätenhandels, und Tante Norie mit einem Blumenarrangement zu sehen, das einen Preis der Kayama-Ikebana-Schule gewonnen hatte. Sie zeigten sogar ein Foto von Hugh und mir, wie wir unseren Wohnblock in Roppongi verließen.

»Darf ich kurz unterbrechen?« fragte ich. »Ich finde, mein Privatleben hat in einem Bewerbungsgespräch nichts zu suchen.«

»Aber gerade Ihr Privatleben finden wir perfekt«, erwiderte Hendricks. »Keine Sorge, Hugh Glendinning ist uns nicht so wichtig.«

Hughs Bild verschwand und wurde durch ein Foto von Takeo Kayama ersetzt, auf dem dieser gerade aus der Ikebanaschule seiner Familie trat. Takeo, mit dem ich einmal zusammengewesen war, sah anders aus als früher: Die langen Rockstarhaare waren dem Kurzhaarschnitt eines Geschäftsmanns gewichen. Auf dem Bild hatte er einen langen schwarzen Trenchcoat an, der sich fledermausähnlich hinter ihm bauschte und fast das Gesicht der jungen Frau an seiner Seite, vermutlich seiner Schwester, verdeckte.

»Hier hätten wir Takeo Kayama, den frischgebackenen iemoto oder Leiter der Tokioter Kayama-Schule für Ikebana.«

Ich konzentrierte mich auf Takeos Gesicht, das mir härter erschien, als ich es in Erinnerung hatte. Über meine Rückkehr zu Hugh war Takeo natürlich nicht sonderlich begeistert gewesen, aber soweit ich wußte, hatte er sich schnell mit einer anderen getröstet. Typisch Mann, dachte ich.

Mr. Watanabe begann in gesetztem Englisch Takeos Leben zu beschreiben: seine einsame Kindheit in einer Luxuswohnung, sein Studium an der Tokyo University sowie der University of California, sein wachsendes Interesse für den Umweltschutz und schließlich seine kurze Leidenschaft für mich. Oder, wie Mr. Watanabe es höflich ausdrückte: »Seine angenehme Freundschaft mit Shimura-san.«

Jetzt erschien ein Bild von Takeos Landhaus auf der Leinwand, dessen Anblick mir einen Stich versetzte. Einen Sommer lang hatte ich Takeo geholfen, die alten, fleckigen Wände in den Farben des Meeres, des Himmels und des Gartens zu streichen. Ich liebte dieses Haus aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts; es gehörte zu den Orten in Japan, nach denen ich mich am meisten sehnte. Takeo und ich hatten dort so viel Zeit gemeinsam verbracht, vorgeblich wegen der Renovierung, in Wirklichkeit aber eher am Strand und im Bett. Meine Freunde hatten mir in den Ohren gelegen, sie zu einem Wochenende aufs Land einzuladen, doch wir waren uns selbst genug gewesen und hatten keine Gesellschaft gewollt.

»Die Freundschaft mit Miss Shimura weckte Mr. Kayamas Interesse an Antiquitäten. Unter ihrer Anleitung begann er sich intensiver damit zu beschäftigen.« Während Mr. Watanabe das sagte, erschien ein Foto, das ein Paparazzo mit einem Teleobjektiv gemacht hatte, auf der Leinwand. Darauf waren Takeo und ich hinter seinem Strandhaus in Hayama zu sehen, in ein Comic-Heft vertieft, Takeos Hand auf meiner Hüfte. Mir fiel alles wieder ein, was wir in diesem alten Haus getrieben hatten.

Ich gab mir Mühe, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. »Was wir da lesen, ist ein Comic. Ich habe ihm nichts über Antiquitäten beigebracht, weil er sich nicht dafür interessiert.«

»Warum hat er dann letztes Jahr bei Christie’s in London mehr als achtzigtausend Pfund für asiatische Keramiken ausgegeben?« fragte Hendricks und projizierte die Aufnahme eines Verkaufsbelegs aus dem Auktionshaus auf die Leinwand. »Und davor zehn Millionen Yen bei Meiwashima in Tokio?«

»Ach. Was hat er denn gekauft?« Zehn Millionen Yen entsprachen etwa einhunderttausend Dollar, und das Meiwashima war ein hochklassiges Auktionshaus, kein Vergleich zu den Versteigerungen auf dem Land, die ich für gewöhnlich besuchte.

»Gefäße«, antwortete Hendricks. »Mr. Kayama scheint sich für historische Gefäße aller Art zu interessieren – Urnen, Schalen, Vasen, einfach alles, was Pflanzenerde und Wasser aufnehmen kann.«

»Ach so, für Ikebana. Schön, daß er ein neues Hobby hat.«

»Das Problem ist nur, daß dieses Hobby illegal sein könnte.« Hendricks räusperte sich. »Colonel, vielleicht wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt, Rei die Lage im irakischen Nationalmuseum darzulegen.«

»Miss Shimura hat bestimmt Berichte über die Plünderungen in der ersten Phase des Kriegs gelesen«, sagte Colonel Martin. »Hunderte von Zivilisten stürmten das Museum und entwendeten alles, was nicht niet- und nagelfest war und irgendwie wertvoll aussah – hauptsächlich Goldexponate aus den offenen Galerien. Zum Glück gelang es den Kuratoren, die eine solche Aktion vorhergesehen hatten, viele unersetzliche Stücke zu verstecken. Allerdings verschwanden andere Dinge, über deren Wert nur Kenner Bescheid wußten. Zu dieser Kategorie gehören einige etwa dreitausend Jahre alte mesopotamische Gefäße.« Das grobkörnige Schwarzweißfoto eines bäuerlichen Krugs in der Form einer Ziege erschien auf der Leinwand. Die langen, gebogenen Hörner dienten als Griff, und an Schwanz und Maul des Tieres befanden sich Öffnungen, durch die sich Flüssigkeit einfüllen beziehungsweise ausgießen ließ.

»Unsere irakischen Museumskollegen nennen das den Bockskrug, weil er die Form einer wilden Ziegenart hat, die im früheren Mesopotamien, dem heutigen Irak, Iran und Syrien, heimisch war. Dieser Krug verschwand während der Plünderungen zusammen mit etwa dreihundert anderen Objekten aus dem Museum.«

»Oje«, stieß ich hervor. Mit seiner Kunst verlor ein Land seine Seele. Angeblich hatten die Amerikaner Kyoto – anders als Tokio – im Zweiten Weltkrieg nicht bombardiert, weil dieser Ort als das Zentrum der japanischen Kultur galt.

Anschließend wurde das Bild eines rundgesichtigen Mannes mit schütterem schwarzen Haar und riesiger Aktentasche in einer Flughafenhalle auf die Leinwand projiziert, der wie ein Anwalt auf dem Weg zum Gericht wirkte.

»Das ist Osman Birand«, erläuterte Colonel Martin, »ein steinreicher Istanbuler Antiquitätenhändler. Er steht im Verdacht, mit aus Moscheen und Museen im ganzen Nahen Osten entwendeten Antiquitäten zu handeln. Wir vermuten, daß er auch Stücke aus dem Nationalmuseum weiterverkauft hat, aber dafür fehlen uns die Beweise und ein Käufer, der bereit wäre, gegen ihn auszusagen.«

Das nächste Bild zeigte Osman Birand ohne Aktentasche, mit einem Weinglas in der Hand auf einer Yacht in Gesellschaft eines schlanken, großgewachsenen Mannes. Das Foto war offenbar in der Dämmerung aufgenommen worden, weil sich die Einzelheiten nicht gut erkennen ließen.

»Vor ein paar Monaten gab Osman Birand eine Party auf seiner Yacht in Hongkong, und Takeo Kayama, der auf diesem Bild zu sehen ist, gehörte zu seinen Gästen«, erklärte Colonel Martin.

Ich war alles andere als überzeugt davon, daß es sich bei dem Mann auf dem Foto um Takeo handelte. »Was wollte Takeo dort?«

»Spenden für eine organische Blumenfarm sammeln.« Colonel Martin zog die schmalen Augenbrauen nach oben. »Er sagt, er möchte bedürftigen Arabern nach dem Kibbuzvorbild Möglichkeiten zur Selbsthilfe verschaffen. Von Birand erhielt er umgerechnet zwanzigtausend Dollar.«

Organische Blumenfarm – das klang sehr nach Takeo. Wieder erschien ein Foto auf der Leinwand, erneut in Takeos Landhaus aufgenommen. Die Illustriertenüberschrift im phonetischen katakana, das für gewöhnlich bei Fremdwörtern verwendet wird, lautete: »Meeresschönheit!« Der Raum war tatsächlich wunderschön, denn durch die neuen, vom Boden bis zur Decke reichenden Glasfenster, die eine ganze Wand des alten Wohnzimmers einnahmen, konnte man das Meer sehen. Bei meinem letzten Aufenthalt hatten sich in dem Raum noch keine Möbel befunden; nun bekam ich ihn endlich in seiner jetzigen Pracht mit allerlei japanischen Stücken aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert und anderen Dingen, die mit Sicherheit nicht aus Takeos eigener Familie stammten, zu Gesicht: eine mit Schnitzereien verzierte indische almirah-Vitrine aus dunklem Holz, vermutlich aus der Kolonialzeit, und eine niedrige, nachtblaue Couch in Art-deco-Form. Vor dem Sofa befand sich ein Lacktischchen, darauf ein Gefäß in Tierform mit einem Weißdornheckenzweig.

»Wir wurden auf dieses Bild in der Zeitschrift Lovely Home aufmerksam und ließen sofort per Computer die Antiquitäten analysieren«, erläuterte Colonel Martin. »Anschließend wandten wir uns für ein weiteres Gutachten an Elizabeth Cameron von der Sackler Gallery.«

Das nächste Foto war zweigeteilt – ein Farbbild eines Gefäßes aus Takeos Vitrine auf der einen Seite, ein schwarzweißes des Bockskrugs auf der anderen.

»Welche Farbe hat denn der irakische Krug?« fragte ich.

»Genau den gleichen unverwechselbaren Rot-Ton wie der Krug von Mr. Kayama«, antwortete Elizabeth Cameron. »Diese Färbetechnik wird heute kaum noch angewandt.«

»Das Gefäß gehört zu den ältesten existierenden Keramiken des Irak«, fügte Colonel Martin hinzu. »Den Bockskrug kennt dort jedes Schulkind, er ist einer der beliebtesten Kunstschätze des Landes.«

»Jetzt beginne ich zu begreifen, wieso Sie mich zu diesem Treffen gebeten haben. Nicht wegen meiner Keramikkenntnisse, sondern wegen meiner Beziehung zu Takeo.«

»Sowohl Ihre Kenntnisse als auch Ihre Bekanntschaft mit dem Verdächtigen sprechen für Sie, aber da wären noch andere Faktoren«, meinte Hendricks nach einem kurzen Räuspern. »Wir wissen Bescheid über Ihre hiesigen und ausländischen Aktivitäten. Sie haben bewiesen, daß Sie eigenständig denken und schnell reagieren können und Durchsetzungsvermögen besitzen – wenn Sie etwas wollen.«

»Aber Takeo will ich nicht«, sagte ich. Der war mir jetzt, da ich dabei war, mir ein Leben mit Hugh einzurichten, zu gefährlich.

»Takeo Kayama mag dieses Gefäß auf dem Schwarzmarkt erworben haben, aber wir verdächtigen ihn nicht des Diebstahls«, erläuterte Colonel Martin. »Wenn es uns aber gelänge, es in die Hände zu bekommen und herauszufinden, ob Ihr Freund es von Birand gekauft hat, hätten wir endlich das letzte fehlende Stück des Puzzles und könnten Druck ausüben.«

»Ich glaube immer noch nicht, daß ich Ihnen helfen kann«, meinte ich nach kurzem Zögern.

»Wie Colonel Martin schon erklärt hat, sind den amerikanischen Behörden die Hände gebunden. Natürlich haben wir Militärpolizei und auch Ermittler in Japan, aber deren Befugnisse dort sind begrenzt. Ohne Erlaubnis der japanischen Regierung läßt sich keine Durchsuchung einer japanischen Wohnung durchsetzen.«

»Ich habe Mr. Hendricks gesagt, daß wir auch nichts tun können«, meinte Mr. Watanabe mit sanfter Stimme. »Wir besitzen nicht genug Beweise, um die japanische Polizei einzuschalten.«