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Das Rechberger Wurzelbuch

VON DEN AHNEN LERNEN

MARIANNE GIESERT

2. AUFLAGE 2017

Alle Rechte an dieser Ausgabe

© Marianne Giesert

Text von Marianne Giesert

Lektorat: Silke Schulze-Gattermann

Farbgrafik: René Blättermann

Buchgestaltung: Gabi Schnauder

Ein besonderer Dank geht an die Gemeinde Rechberg

für Fotos und Schriftquellen aus Rechberg.

ISBN 978-3-7345-9111-2 (Paperback)

ISBN 978-3-7345-9112-9 (Hardcover)

ISBN 978-3-7345-9113-6 (e-Book)

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DER GROSSDÖLLNERHOF IN RECHBERG

Mühlviertel / Österreich

 

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MARIANNE GIESERT´S FAMILIE HEUTE

 

Dieses Rechberger

FAMILIEN-WURZELBUCH

widme ich

meinen beiden Töchtern

Katja und Lea,

meinen Enkelkindern

Oskar, Hollie, Leo, Lilly und Ben

sowie meinen Schwiegersöhnen

Fabian und Oliver.

DIE AHNENTAFEL

DER FAMILIEN

WASTLER UND WINDISCHHOFER

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VORWORT

Meine eigene Geschichte ist mit dem Geburtsort meiner Mutter – Rechberg im Mühlviertel/Österreich – stark verknüpft. So habe ich als Großstadtkind aus Berlin das Leben auf dem Land, auf einem kleinen Bauernhof in Rechberg, kennen und schätzen gelernt. Einerseits konnte ich dort als Kind in der Natur nach Herzenslust spielen, andererseits hatte ich auch Arbeiten zu verrichten. Sie waren für mich Freude und Abenteuer zugleich:

– es war das Ziegenhüten, Schweine- und Hühnerfüttern,

– das Heueinfahren oder das Kornernten in der dörflichen Gemeinschaft.

Vor allem lernte ich Menschen kennen und schätzen, die emsig und ohne Verdruss, tagein, tagaus, körperlich schwer arbeiteten – und dies mit Freude taten.

Meine Mutter Maria und ihre Familie Wastler/Windischhofer prägten mich sehr mit ihrer Herzlichkeit, ihrer großzügigen Gastfreundschaft, ihrer Fröhlichkeit und Ausgelassenheit auf den kleinen und großen Festen und mit ihrer Hilfsbereitschaft, einander bei Schwierigkeiten zu unterstützen. Platz und Essen war immer für alle da, auch wenn das Haus noch so klein war und das Essen oft durch zusätzliche Lebensmitteln ergänzt oder gestreckt werden musste.

Es wurde gemeinsam hart gearbeitet, aber auch mit viel Freude und Genuss gefeiert. Dazu gehörte ein gutes reichhaltiges Essen, viele Getränke, Gesang und Tanz. Es war eine schöne Zeit! Jetzt soll dieses Büchlein dazu beitragen, die Geschichte meiner Mutter zu erzählen und damit Rechberg, ihren Geburtsort, ein Stück mit ihrem Leben und ihren Wurzeln zu füllen.

Ich war immer wieder erstaunt, durch welch tolle Ideen und Projekte das Dorf Rechberg von Jahr zu Jahr attraktiver wurde. Es entstand der Badesee, der Großdöllnerhof wurde restauriert und zu einem Heimatmuseum ausgebaut, der Naturpark eröffnet und vieles mehr. Vor allem der Großdöllnerhof hat mich fasziniert. Hier ist ein Ort der Geschichte – als Museum – konkret nachvollziehbar und fassbar gemacht. Es ist ein wunderschöner Platz für die Menschen in der Gegenwart, zum Kraftschöpfen und Regenerieren. Darüber hinaus ein besonderer Ort für mich und meine Familie, da meine Großmutter dort am 01.02.1873 geboren wurde und bis zu ihrer Hochzeit mit Josef Wastler, am 11. Februar 1896, gewohnt hat. Dadurch hat dieser Großdöllnerhof auch heute noch etwas Einzigartiges für mich. Es ist ein Geschenk, diesen Ort meinen Kindern und Enkelkindern fassbar und nachvollziehbar machen zu können. Dazu soll auch dieses kleine Büchlein beitragen.

Es war sehr wertvoll für mich, die Geschichte dieses Dorfes und seiner Menschen ein Stück des Weges begleiten zu dürfen. Teils direkt vor Ort im Miteinander, meist aber aus der Ferne, von meiner Heimatstadt Berlin.

In diesem Wurzelbuch erzähle ich aus der Perspektive meiner Mutti, Maria Wastler, verheiratete Sikorski, über die wichtigsten und bewegendsten Etappen in ihrem Leben. Grundlage dafür waren Interviews, die ich über mehrere Jahre mit ihr geführt habe. Gleichzeitig wird ein Einblick in unsere Ahnengeschichte gegeben. Sie bezieht sich hauptsächlich auf unsere Ahnen auf dem Großdöllnerhof in Rechberg.

Ich möchte mich bei allen Rechbergern und Rechbergerinnen für die Herzlichkeit und Geborgenheit bedanken, die ich mein Leben lang hier erfahren durfte. Mein Dank gilt vor allem auch Karl Weichselbaumer, der durch sein Wirken und Tun Rechberg ein besonderes Gesicht gegeben hat. Seine Klarheit, seine Herzlichkeit und sein Wille, Dinge umzusetzen, haben mich immer besonders stark beeindruckt.

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Foto: Gemeinde Rechberg

SCHWAMMERLING IN RECHBERG

Möge dieser Ort das Prädikat „besonders wertvoll“ behalten – und mit ihm die Menschen, die hier leben in ihrer Einzigartigkeit, geprägt durch ihre Herzlichkeit, ihren Gemeinschaftssinn und durch die schöne steinreiche Natur des Granits.

MARIANNE GIESERT

März 2016

DIE GESCHICHTE DER MARIA WASTLER, GENANNT „MITZI“ AUS RECHBERG

Mit ihren Wurzeln und Erfahrungen auf den Stufen der Zeit

 

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MARIA WASTLER

 

MITZI WASTLER ERZÄHLT …

… geboren wurde ich am 19. September 1909 als viertletztes Kind meiner Eltern Maria, geb. Windischhofer, und Franz Wastler in Rechberg bei Perg in Oberösterreich.

Rechberg liegt 40 Kilometer östlich von Linz und etwa 600 m hoch im südöstlichen Teil des Mühlviertels. Das Mühlviertel als Teil der Böhmischen Masse war einstmals ein mächtiges Gebirge. Durch den Einfluss von Luft, Wasser, Eis, Hitze, Kälte und Verwitterung wurde das Gestein vor ca. 250 Millionen Jahren an seiner Oberfläche soweit abgetragen, dass heute der in großer Tiefe entstandene Granit in seiner Schönheit und Vielfältigkeit frei liegt – und das Mühlviertel entstand.

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MEIN VATER

Franz Wastler

*28.08.1873 Königswiesen
†20.06.1958 Rechberg

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MEINE MUTTER

Maria Wastler, geb. Windischhofer

*01.02.1873 Rechberg

†19.08.1958 Rechberg

So wie es zu dieser Zeit üblich war, wurde ich, wie meine Schwestern und Brüder – ohne viel Aufsehen – bei uns zu Hause geboren.

Mein Vater, der Franz Wastler, war gelernter Schuster und meine Mutter, die Maria Windischhofer, war Bauerntochter vom Großdöllnerhof in Rechberg.

Insgesamt hatte ich 11 Geschwister. Vier davon verstarben gleich oder kurz nach der Geburt. Dies war vor allem für meine Mutter sehr traurig und kräftezehrend.

NOTGETAUFTES MÄDCHEN *20.05.1896 +20.05.1896
MARIA *07.06.1897 +10.10.1897
JOSEPH *12.08.1898 +07.03.1982
CHRISTINE *18.02.1901 +04.12.1990
MARIA *18.02.1901 +05.03.1901
FRANZ *20.06.1903 +14.03.1952
ERNST *22.10.1904 +15.05.1993
KARL *04.11.1906 +12.03.1915
MARIA *19.09.1909 +16.10.2001
TOTGEBORENES MÄDCHEN *17.11.1911 +17.11.1911
GOTTFRIED *01.01.1915 +28.03.2000
ANNA *27.01.1918 +17.01.2010

Die Kindersterblichkeit (Kinder bis 5 Jahre) lag damals in der Donauregion bei 35 Prozent.

Es herrschte eine große Armut. Alle in der Familie – auch die Kinder – mussten auf ihre Weise von klein auf zum Lebensunterhalt beitragen. Sie beteiligten sich an allen anfallenden Arbeiten im Haus bzw. an der Beschaffung von Lebensmitteln.

Für das Verständnis der damaligen Zeit und die weiteren Entwicklungen möchte ich einen kleinen Einblick in das Leben der früheren Generationen geben. Mittelpunkt soll dabei der Großdöllnerhof mit meinen Vorfahren sein. Skizziert werden die unterschiedlichen Arbeits- und Lebensbedingungen im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten und Entwicklungen der jeweiligen Epoche.

 

Einblick in das Leben meiner Vorfahren

DIE GESCHICHTE LEBT!

Um einen Einblick in das Leben der früheren Generationen zu geben, möchte ich als Erstes die Familienlinie meines Vaters, Franz Wastler, nachzeichnen und dann mit besonderem Schwerpunkt die Familienlinie meiner Mutter, Maria Windischhofer.

 

DIE WASTLER-FAMILIE

Die Familie meines Vaters Franz Wastler

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Die Familie meines Vaters Franz Wastler

DIE WASTLER-FAMILIE

Mein Urgroßvater Mathias Wastler (*1795, †17.09.1869 in Königswiesen) kam aus Kalschin im Königreich Böhmen. Mathias heiratete Franziska Buchmüller, meine Urgroßmutter (†17.07.1863 in Königswiesen), Tochter des Johann Buchmüller, Bäckermeister in Urfahr (Herrschaft Wildberg), vermählt mit Maria Dietschler.

MEIN URGROSSVATERMEINE URGROSSMUTTER
Mathias WastlerFranziska Wastler,
Väterlicherseitsgeb. Buchmüller

Sie hatten fünf gemeinsame Kinder und lebten in Heiligenberg:

HERMANN*07.04.1830
JOSEPH*19.02.1831
ERNEST*19.09.1833+31.07.1900
RUPERT*15.09.1834
FRANZ*09.10.1837+06.02.1936

Mein Urgroßvater Mathias Wastler baute ein Schulhaus in Heiligenberg, wo er von 1828 bis 1845 als Schulmeister und Leiter der Schule wirkte.

Diesen Beruf gab es noch nicht so lange. Erst 1774 wurde die Allgemeine Schulordnung für die Normal-, Haupt- und Trivialschulen von Maria Theresia eingeführt und damit die Schulpflicht für alle, erst einmal für die ersten sechs Schuljahre.

Laut Schulchronik war Mathias „ein tüchtiger Schulmann und ein guter Musiker“. Im Jahre 1875 übersiedelte Lehrer Wastler nach Königswiesen. Er verstarb dort mit 74 Jahren.

Sein jüngster Sohn Franz (*09.10.1837), mein Uronkel, wurde ebenfalls Lehrer. Er lebte in Linz, wo er im Alter von 99 Jahren (†06.02.1936) starb. Damit erreichte er ein ungewöhnlich hohes Alter für die damalige Zeit.

Sein dritter Sohn Ernest Wastler, gleichzeitig mein Großvater, wurde am 19.09.1833 in Heiligenberg geboren. Er war Tischler, Ausnehmer und Messner in Königswiesen. Die Bezeichnung „Ausnehmer“ weist darauf hin, dass er „eingeheiratet“ hatte (Bauernhof, Gut, usw.)

MEIN GROSSVATERMEINE GROSSMUTTER
Ernest WastlerChristina Wastler, geb. Haslinger
*19.09.1833 Heiligenberg*1835
†31.07.1900 Königswiesen†29.12.1891 Königswiesen
Väterlicherseits

Mein Großvater, Ernest Wastler ist an einem 19. September geboren worden, am gleichen Tag wie ich. Leider konnte ich meine Großeltern väterlicherseits nicht mehr kennenlernen, da sie schon vor meiner Geburt starben. Mein Großvater verstarb am 31.07.1900 und wurde 67 Jahre alt. Meine Großmutter wurde nur 56 Jahre alt, sie verstarb am 29.12.1891 – 18 Jahre bevor ich 1909 auf die Welt kam. Über die Todesursachen ist nichts weiter bekannt.

Zehn Kinder wurden in dieser Familie geboren. Einige starben bereits im frühen Kindesalter.

JOSEF*31.07.1864
MARIA*23.08.1865
ERNEST*03.01.1867
LEOPOLDINE*20.08.1868+27.09.1869
KARL*17.09.1869+23.02.1874
FLORIAN*03.04.1871+14.02.1874
HEINRICH*06.07.1872+13.08.1872
FRANZ*28.08.1873+20.06.1958
KARL*15.10.1875
ALOIS*14.06.1878+17.02.1879

Mein Vater Franz (*28.08.1873) war 18 Jahre alt, als seine Mutter starb. Fünf Jahre später 1896, mit 23 Jahren, heiratete er meine Mutter, Maria Windischhofer.

 

DIE WINDISCHHOFER FAMILIE

Die Familie meiner Mutter Maria Wastler, geb. Windischhofer

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Die Familie meiner Mutter Maria Wastler, geb. Windischhofer

DIE WINDISCHHOFER FAMILIE

Meine Mutter Maria Wastler, geb. Windischhofer wurde am 1.02.1873 auf dem Großdöllnerhof in Rechberg geboren.

Diese Familienlinie lässt sich bis zu Michael Windischhofer, *1722, †18.03.1816 (mit 94 Jahren), zurück verfolgen – also etwa 300 Jahre!

 

WELCHE ARBEITS- UND LEBENSBEDINGUNGEN HERRSCHTEN ZUR DAMALIGEN ZEIT?