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Und immer geht es um Qualität.
Immer.

Bernhard M. Huber

Bernhard M. Huber

Qualität

Eine Frage der Moral?

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© 2017 Bernhard M. Huber

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7439-1455-1
Hardcover: 978-3-7439-1456-8
e-Book: 978-3-7439-1457-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

1. Einleitung

1.1 Versuch einer Begriffsbestimmung

1.2 Der Untersuchungsauftrag: Die Q-Frage

1.3 Die vier Dimensionen der Qualität und ihre Dynamik

2. Allgemeines Qualitätsverständnis

2.1 Die subjektive Qualität der Dinge

2.2 Die Qualität von Beziehungen und Handlungen

3. Qualitätsverständnis im Unternehmen

3.1 Von der subjektiven zur objektiven Qualität der Dinge

3.2 Vom Glauben an die Prozesse

4. Eine erste Zusammenfassung

5. Bedingungen für die Qualität im Unternehmen

5.1 Bedingungen für die objektive Qualität der Dinge

5.2 Bedingungen für die Qualität von Beziehungen und Handlungen

6. Eine Frage der Moral

6.1 Die Pflicht als Triebfeder moralischen Handelns (Immanuel Kant)

6.2 Mitleid als Triebfeder moralischen Handelns (Arthur Schopenhauer)

6.3 Vertraglich geregelte Moral (Kontraktualismus)

6.4 Moral und Spiegelneuronen

6.5 Warum überhaupt moralisch sein?

7. Testen Sie Ihre innere Einstellung zur Qualität

7.1 Die Büroklammer

7.2 Unsichtbare Qualität

7.3 Angst frisst Vernunft?

8. Wir müssen reden – Kommunikation und Vertrauenskultur

8.1 Es ist eigentlich ein alter Hut…,

8.2 Feedback geben ist eine Kunst

8.3 Fehlerkultur

9. Robert M. Pirsig: Zen oder die Kunst ei Motorrad zu warten

10. Epikur: Über die Freude

11. Zusammenfassung

12. Nachwort

13. Kommentierte Literaturliste

1. Einleitung

Wieso muss man eigentlich über Qualität noch reden oder gar schreiben, wo doch jeder weiß was Qualität ist? Natürlich hat jeder von uns eine Vorstellung von Qualität, weil er entscheiden kann, ob eine Sache für ihn von guter Qualität ist – oder eben nicht. Qualität hat in der Regel etwas, das uns gefällt und positive Gefühle auslöst.

Was uns allerdings normalerweise nicht immer bewusst ist: Wir alle befassen uns immer und ohne Unterbrechung mit Qualität. Denn unseren Entscheidungen gehen immer ein Bewerten und ein (Qualitäts)Urteilen voraus. Das Urteil ist die Grundlage zur Entscheidung, ob wir etwas wollen oder nicht wollen, was wir gut oder schlecht, schön oder hässlich finden. Wenn wir dann noch entscheiden müssen, ob wir dieses Etwas kaufen wollen, kann es allerdings passieren, dass wir uns das Beste oder Schönste nicht leisten können. Möglicherweise machen wir einen Kompromiss und kaufen nur das Zweitbeste. Solche Kompromisse sind völlig normal.

Dass wir uns immer und ohne Unterbrechung mit Qualität beschäftigen liegt auch in der Tatsache, dass wir uns nicht nicht entscheiden können, auch keine Entscheidung zu treffen ist eine Entscheidung. Wir fällen also am laufenden Band Qualitätsurteile. Es ist ein unentwegtes Vergleichen, Abwägen, Bewerten, Urteilen und Entscheiden. Würde man die Ergebnisse dieser Urteile in Worte fassen, würden sie etwa so lauten: Das ist super, das gefällt mir, das will ich haben und ähnliches mehr – in verschiedenen Abstufungen und natürlich auch das jeweilige Gegenteil.

Wer entscheidet braucht Maßstäbe bzw. Kriterien mit denen er eine Sache oder einen Vorgang vergleicht, um dann urteilen zu können, ob etwas gut oder schlecht ist. Wenn man weiterhin bedenkt, dass unterschiedliche Personen ein und dieselbe Sache unterschiedlich beurteilen können, muss man spätestens jetzt schlussfolgern, dass die besagten Maßstäbe subjektiv sind. Diese Maßstäbe sind geprägt von unseren Erfahrungen, Überzeugungen, Empfindungen und nicht zuletzt von unserer Erziehung. Insofern handelt es sich hier also um individuelle Qualitätsurteile.

Wenn aber jeder bei ein und derselben Sache zu einem anderen Urteil kommen kann, dann ist diese subjektive Qualität etwas völlig Beliebiges und insbesondere nicht Normierbares. Im privaten Leben könnte man dieser Aussage wohl leicht zustimmen.

Ist man aber in einem Unternehmen mit Qualität befasst, weiß man, dass eine Zufälligkeit und Nicht-Normierbarkeit der Produkt- und Dienstleistungsqualität über kurz oder lang den wirtschaftlichen Untergang bedeuten würde. Die Forderung nach der Normierbarkeit von Qualität wird durch die Einführung von objektiven Qualitätskriterien erfüllt. Wie das gemeint ist, werden wir später genauer betrachten. Hier nur so viel: Diese so normierte Produktqualität kann man messen, zählen, wiegen, also objektiv erfassen. Dennoch werden wir bei der Untersuchung der betrieblichen Qualität feststellen, dass diese auch von unserem subjektiven Qualitätsempfinden abhängig ist.

Diese ersten Anmerkungen deuten darauf hin, dass es mehrere Qualitäten geben könnte: subjektive, objektive, betriebliche, private. Gibt es also tatsächlich mehrere Dimensionen von Qualität?

Das ist die Motivation für diese Schrift: Ich will wissen was Qualität ist! Oder wie Robert M. Pirsig sagt: Für den Intellekt hat der Vorgang, Qualität zu definieren, selbst eine unwiderstehliche Qualität [Pirsig, 2006].

1.1 Versuch einer Begriffsbestimmung

Für einen ersten Versuch einer Begriffsbestimmung befragen wir die einschlägigen Wissensseiten im Internet, beispielweise Wikipedia oder das Gabler Wirtschaftslexikon [Gabler]. Wir bekommen zwei Varianten zur Definition von Qualität geliefert, eine neutrale und eine bewertende. In der neutralen Definition von Qualität (lateinisch qualitas: Beschaffenheit, Merkmal) geht es schlicht nur um die wertfreie Summe aller Eigenschaften eines Objektes, Systems oder Prozesses. Beispiele sind etwa: Das Auto ist rot, der Berg ist 4500 Meter hoch, der Vorgang dauert 3 Stunden. Das sind rein objektive, messbare und widerspruchsfreie Eigenschaftsbeschreibungen.

Geht es aber um die Bewertung eines Objektes, Systems oder Prozesses spricht man nach Gabler von deren Güte. Wobei statt des Begriffs Güte im üblichen Sprachgebrauch meist auch der Begriff Qualität verwendet wird. Eine Bewertung hat immer etwas mit einem Vergleich einer Eigenschaft mit einem vorhandenen Maßstab zu tun, welcher dann ein Qualitätsurteil ermöglicht und in der Folge davon eine Entscheidung erlaubt, wie etwa: Das Auto fährt zu schnell, der Berg ist mir zu hoch, der Vorgang dauert zu lang.

Also, entweder betrachtet man die Eigenschaften wertfrei oder (be-)wertend. Wobei es, wie gesagt, für die Bewertung bzw. den Vergleich natürlich ein fixes Maß als Vorgabe geben muss. In den genannten Beispielen ist das Maß die maximal erlaubte Geschwindigkeit, die Grenze meiner Kondition und die vorgegebene Dauer des Vorgangs. Allgemein definiert sich Qualität nach Gabler aus der Übereinstimmung von Leistungen mit Ansprüchen. Ansprüche stellen Kunden, Händler und Hersteller. Das ist zwar richtig aber leider unvollständig! Wenn wir Qualität umfassend betrachten wollen, müssen wir unbedingt beachten, dass auch die Kollegen und Mitarbeiter bzw., allgemein gesprochen, die Mitglieder einer Gruppe wechselseitige Ansprüche haben und Forderungen stellen! In einem Unternehmen wird das besonders dort deutlich, wo in einer Abfolge von mehreren Arbeitsschritten verschiedene Mitarbeiter ein Produkt oder einen Vorgang bearbeiten. Hier gibt es Ansprüche, Forderungen und Wünsche bezüglich kollegialer Zusam menarbeit, gegenseitiger Unterstützung, Wertschätzung, Kommunikation und schließlich gibt es den Wunsch nach Freude an der Arbeit. Es geht also auch um die Qualität der Arbeitsbedingungen.

Dass es überhaupt mehr als eine Definition für Qualität gibt, gibt nicht nur zu denken, es ist ein echtes Problem im Verständnis und im Umgang mit diesem Begriff. Während man die Verwendung des Wortsinnes als Übersetzung aus dem Lateinischen natürlich widerspruchslos hinnehmen muss (Beschaffenheit, Eigenschaft, Merkmal), sorgt die bewertende Definition von Qualität zunächst für Verwirrung. Allein die Aussage: Der Qualitätsbegriff kann subjektiv (subjektive Qualität) und objektiv (objektive Qualität) interpretiert werden [Gabler], macht die Sache noch unübersichtlicher.

Als subjektive Qualität haben wir unsere private und individuelle Vorstellung von Qualität schon erkannt und es ist unmittelbar einleuchtend, dass wir diese weder ablegen noch leugnen können. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir diese Denkweise auch in unseren beruflichen Alltag mitnehmen. Nur hier müssen wir Qualität objektiv beurteilen und zwar insbesondere so, dass alle der gleichen Meinung sind. Wie kann das sein?

All diese Ungereimtheiten gäben alleine noch keinen Anlass eine Untersuchung zum Thema Qualität zu starten. Wer aber länger darüber nachdenkt, wie Qualität entsteht und wie sie sich eventuell beeinflussen lässt, was die vielen Qualitätsbeauftragten in den Unternehmen schon von Berufs wegen tun, spürt mit der Zeit eine Art intellektuelle Unzufriedenheit in sich hochsteigen. Diese wird insbesondere von dem Umstand genährt, dass immer wieder mal Maßnahmen, die erwähnten Qualitätskriterien dauerhaft umzusetzen, fehlschlagen. Vielleicht hat man ja eine gewisse Ahnung, warum das so ist, aber wo und wie man da ansetzen könnte, bleibt meist unklar.

Als wichtiges Ergebnis bis hierher sollten wir festhalten, dass wir privat Qualität nicht als wertfreie Eigenschaft einer Sache sehen, sondern immer eine Bewertung vornehmen und wir bewerten eine Sache individuell unterschiedlich. Im Unternehmen muss aber eine Sache von allen Beteiligten gleich, also objektiv, bewertet werden. Wir werden sehen, dass wir auch im Bereich der objektiven Qualität Kompromisse machen müssen.

1.2 Der Untersuchungsauftrag: Die Q-Frage

Um die erwähnten Ungereimtheiten beim Umgang mit dem Begriff der Qualität strukturiert untersuchen zu können, brauchen wir einen klaren Untersuchungsauftrag. Dazu erweitern wir die Forderung: Ich will wissen was Qualität ist! Und wir wollen zusätzlich untersuchen wie Qualität entsteht und welchen Einfluss wir darauf haben. Aus diesem Anspruch heraus formulieren wir unseren Auftrag in Form dieser dreiteiligen Q-Frage:

Was ist Qualität? Wo findet Qualität statt? Unter welchen Bedingungen entsteht Qualität?

Diese Frage soll uns helfen, bisher nicht beachtete Aspekte herauszuarbeiten. Es geht um ein umfassendes Verständnis von Qualität und den Mut nach neuen Antworten zu suchen. Nur mit einer neuen Sicht auf Qualität können wir auch die Bedingungen verstehen unter welchen sie entsteht.

Mit den nun folgenden Betrachtungen und Beispielen beziehe ich mich zum einen auf das private und zum anderen auf das betriebliche Umfeld. Es ist nämlich erstaunlich, dass qualitätsrelevante Ansichten und Verhaltensweisen, die im Privaten selbstverständlich sind, in einem Unternehmen oftmals erst erkämpft bzw. begründet werden müssen.

1.3 Die vier Dimensionen der Qualität und ihre Dynamik

Die bisherigen Anmerkungen zeigen ganz offensichtlich, dass es mindestens zwei Dimensionen von Bewertung bzw. Qualität gibt, eine subjektive Qualität (das Auto gefällt mir) und eine objektive Qualität (das Auto ist rot). Mit der subjektiven Qualität hat es noch eine besondere Bewandtnis, wenn ich sage: Das Auto gefällt mir, ist von mir als Individuum und vom Auto als Ding oder Objekt die Rede. Eine völlig andere Situation liegt vor, wenn ich sage: Die Nachbarn sind nett. Nett ist auf alle Fälle auch eine bewertende Feststellung, und es geht hier, wie bei das Auto gefällt mir, um eine subjektive Bewertung bzw. subjektive Qualität. Allerdings handelt es sich jetzt um die Qualität einer zwischenmenschlichen Beziehung, welche völlig losgelöst von irgendwelchen Dingen ist.

Nach kurzem Nachdenken finden wir noch eine weitere Dimension: Wenn eine Mutter ihr Kind mit den Worten das hast du toll gemacht lobt, dann bewertet sie eine Handlung ihres Kindes, wobei etwaige Gegenstände im Rahmen der Handlung keine besondere Rolle spielen.

Damit zeigt sich mit welchen Dimensionen von Qualität wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir der Qualität insgesamt auf den Grund gehen wollen:

(1) Die objektive Qualität der Dinge

Beispiel: Das Auto hat vier Räder; Bewertung durch Messung (=Zählung). Hier gibt es keine individuellen Unterschiede in der Bewertung.

(2) Die subjektive Qualität der Dinge

Beispiel: Das Auto gefällt mir; Bewertung durch meine Vorstellung von schönen Dingen. Hier gibt es individuelle Unterschiede in der Bewertung.

(3) Die subjektive Qualität von Beziehungen (Beziehungsqualität)

Beispiel: Die Nachbarn sind nett; Bewertung durch meine Vorstellung von guter Nachbarschaft. Hier gibt es individuelle Unterschiede in der Bewertung.

(4) Die subjektive Qualität von Handlungen (Handlungsqualität)

Beispiel: Toll, wie er sein Team führt; Bewertung durch meine Vorstellung von Führungsqualität. Hier gibt es individuelle Unterschiede in der Bewertung.

Die Varianten das Auto gefällt uns bzw. wir finden die Nachbarn nett brauchen nicht betrachtet zu werden, da sich das Uns bzw. das Wirnett sein