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© Alan Ovaska

Tanja Mairhofer hat schon viel machen müssen. Als Moderatorin und Schau­s­pie­lerin war sie oft utopischen An­forderun­gen ausgesetzt. Immer wieder hat die in Süd­afrika geborene Österreicherin versucht, sich allem und allen anzupassen. Das langweilte sie irgendwann. So ­kam sie zu der Erkenntnis: „Je weniger ich versuche, anderen zu gefallen, desto besser gefalle ich mir selbst!“ Mittler­weile verbiegt sich die junge Mutter für keinen mehr und genau darüber erzählt sie in ihrem Buch. Mehr über die Autorin unter www.tanja-mairhofer.de.

Für alle Faultiere da draußen

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VORWORT

DER GELASSENE UMGANG MIT KALKFLECKEN

YOGIS FROM HELL

EIN BISSCHEN DICK IST NICHT SO SLIM

LÄUFT. NICHT.

KONFLIKT-MANAGEMENT NACH DEM HULK-PRINZIP

UNGEFRAGTE RATSCHLÄGE BEI DER PARTNERSUCHE

DER ERKLÄRBÄR

PYROTECHNIK MIT CAPTAIN JACK SPARROW

SPIEGLEIN, SPIEGLEIN AN DER WAND …

DIE SACHE MIT DEM BAUCHGEFÜHL

HÖHER, SCHNELLER, WEITER AM ARSCH

AUSSTIEG AUS DEM BEKANNTEN­FREIWILLIGENDIENST

DAS FAULTIER, DER NEID UND ICH

SCHLECHT BERATEN VOM LIEBESRATGEBER

WENIGER IST MEHR, MEHR ODER WENIGER

DER FREAK WEISS BESCHEID

MULTITASKING IST NUR WAS FÜR IDIOTEN

ENTSCHULDIGUNG, SIE HABEN DA ETWAS FISCHHAUT IM GESICHT

JUNGBÄUERIN TRIFFT STAMMTISCHBRUDER

VOLL GUT: NIX LOS UNNERUM

DER CLOONEY GEORGE, DIE CHER UND WIR DANN SO

WÜNSCHEN BEZAHLT KEINE RECHNUNGEN

HASHI – WER?

ICH MUSS NICHT ALLES KÖNNEN

UPS, SCHON WIEDER 34!

ONE-NIGHT-STAND = WOMANIZER + VOLKSMATRATZE

TECHNIK, DIE BEGEISTERT

BEZIEHUNGSSTATUS: FREIWILLIG SINGLE

DA IST DOCH WAS IM BUSCH?!

NICHT IMMER ALLES GUT …

KARRIERE NACH DEM PANTOFFEL-TIERCHEN-­PRINZIP

FAMILIENVERPLANUNG

VORSICHT! BRUTALE RAT-SCHLÄGER UNTERWEGS!

MIR REICHTS! ICH HAU AB NACH STARS HOLLOW …

SCHEITERN WIE EIN PROFI

NACHWORT

DANK

VORWORT

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„Dieses Buch wird Ihr Leben verändern.“ Mit so viel Konfetti fangen einige Selbstoptimierungsbücher an. Zugegeben, das macht Stimmung. Ich hatte in den letzten 20 Jahren in so ziemlich jedem dieser Art Bücher meine Nase drin. Mit den Weisheiten der besten Motivationstrainer gerüstet, wollte ich ein zunehmend besserer Mensch werden. Ich bin davon ausgegangen, dass in mir eine bessere Version meiner selbst steckt. Fleißiger, schöner, schlauer, sportlicher – und wenn ich mir nur abartig viel Mühe geben und viel Hokuspokus drumherum machen würde, könnte dieses Upgrade irgendwann mal rauskommen. Ich legte viel Hoffnung und Optimierungsbereitschaft an den Tag, mit dem Ergebnis, dass ich heute noch genauso unaufgeräumt bin wie vor 20 Jahren. Hinzu kam, dass ich als Moderatorin und Schauspielerin immer wieder gesagt bekommen habe, wie ich sein muss, aussehen muss, sprechen muss, handeln muss. Zu viel Muss.

Wie sich aber nun mit etwas Abstand zu all dem Müssen gezeigt hat, war ich auch im unoptimierten Zustand völlig in Ordnung. Als ich nämlich aufgehört habe, mich verändern zu wollen, hat sich Zufriedenheit in mir breitgemacht. Mit der lässt es sich viel besser aushalten als mit dem Gefühl, nicht gut genug zu sein. Deswegen werde ich keine leere Versprechungen ins Vorwort packen wie viele dieser Selbstoptimierer – das trau ich mich gar nicht, weil ich trotz der 20 Jahre Medienzirkus noch ein kleines Fünkchen Anstand in mir trage. Ich fang also noch mal von vorn an, wenn Sie’s mir erlauben.

Herzlichen Glückwunsch! Sie halten gerade ein Buch in der Hand, das Ihr Leben nicht auf bedeutsame Weise verändern wird.

Ich sag’s ehrlich und geraderaus: Das vorliegende Buch könnte Sie unterhalten, zwischendurch auch mal an Ihnen kratzen, vielleicht erkennen Sie sich wieder, es könnte Sie zum Lachen bringen, aber Ihr Leben wird’s bestimmt nicht verändern und das soll’s auch gar nicht. Also keine Angst, hier wird niemand optimiert oder operiert. Übrigens, wollen wir Du sagen? Das macht’s einfacher, da wir noch ein bisschen Strecke vor uns haben, und da wollen wir’s gemütlich miteinander haben, oder? Ich bin die Tanja. Bei diesem Buch musst du keine Reihenfolge einhalten und dir keine Notizen machen. Einen roten Faden gibt’s hier nicht, fang einfach an, wo du willst. Es reicht, wenn du lesen kannst.

Ich muss mich vorweg schon mal für etwas entschuldigen, das zwischendurch wirklich peinlich werden könnte. Ich bin nämlich nie allein unterwegs, ich habe ein inneres Faultier, das sich regelmäßig zu Wort meldet. Als mein persönlicher Ratgeber hält es mich immer wieder davon ab, einen Marathon zu laufen, das Bruttosozialprodukt drastisch zu erhöhen und die Haare auf meinem Kopf in den Griff zu bekommen. Es wird sich, wenn’s nicht gerade schläft, immer wieder mal einmischen und ist dabei manchmal grob und ordinär. Wo wir auch schon beim nächsten Thema wären. Ich entschuldige mich jetzt schon für das eine oder andere Schimpfwort. Wer’s anständig haben will, dem muss ich jetzt fairerweise vom Kauf abraten. Ich habe das Buch so geschrieben, wie ich mich mit meinen Freunden unterhalten würde, und die stecken mein Dachdecker-Vokabular in der Regel ganz gut weg. Manchmal muss ich vulgär sein, da manche Situationen einfach scheiße und manche Menschen Arschlöcher sind, das kann man sich nicht schönreden. So viel zur Abwicklung.

Noch was zum Inhalt: Ein Antiratgeberbuch ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Gegen Ratschläge zu sein, ist ja auch schon eine Art Rat. Trotzdem beschreibt es das, was ich sagen möchte:

Nicht immer hinhören, wenn Leute einem erklären wollen, wie man zu sein hat.

Auch wenn sich einige meiner Aussagen anhören wie Tipps, so nehmt mich nicht immer ganz so ernst. Nicht einmal ich mach das. Ich bin kein Coach, Soziologe oder Psychologe und hab’s auch nicht vor zu werden. So viel zur Expertise. Ich bin vielmehr ein Hansdampf in allen Gassen und mache meistens 13 Sachen gleichzeitig. Einige davon auch recht halbarschig, doch ich würde sagen, dass ich genau aus diesem Grund einen guten Panoramablick bekommen habe. So hat sich ein buntes Kaleidoskop an verschrobenen Sichtweisen angesammelt, durch das ich euch hier durchgucken lassen möchte. Manche Themen hätten sicher eine Vertiefung verdient, geht nur nicht, muss nämlich noch die anderen zwölf Sachen halbarschig erledigen und will euch keine 1.000 Seiten zumuten.

Ihr könnt euch nun zurücklehnen und entspannen. Von mir gibt’s hier keine Tricks, wie ihr euer Leben verändern oder eure Träume verwirklichen könnt. Weil wir alle schon längst wissen, wie das geht. Mit ehrlicher Arbeit und nicht mit dem Lesen irgendwelcher Tschakka-Bücher. Alles, was ihr wissen müsst, brauche ich euch nicht zu erzählen, weil ihr es schon selbst längst wisst und weil alle wichtigen Antworten schon da sind. Nur hört man die oft nicht, weil die vielen Rat-Schläger, denen wir Tag für Tag begegnen, mehr Krach machen. Die kann man aber auch ausblenden. Und das machen wir jetzt.

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DER GELASSENE UMGANG MIT ­KALKFLECKEN

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Ein perfekter Haushalt ist ein Zeichen für ein verschwendetes Leben.

Klamotten und Menschen, die faltig sind, sind völlig in Ordnung. Ich freue mich auch über trockenen Kuchen, sehe über Rechtschreibfehler hinweg, habe nichts gegen verbeulte Autos und mag Sturmfrisuren. Beim anderen Perfektionismus zu erwarten, liegt mir fern, weil ich es selbst nie hinkriegen würde. Jedoch rühmen sich viele Menschen damit, perfektionistisch zu sein – bis zum Burn­-out. Gerade am Arbeitsplatz tun manche so, als wäre Perfektionismus eine Tugend. Für Berufsgruppen wie Herzchirurgen, Architekten und Piloten ist das auch wunderbar, aber sonst habe ich für diesen Schlag Mensch noch nie so richtig viel übriggehabt.

Der amerikanische Psychologieprofessor Randy O. Frost hat in den 90ern ein Modell entworfen, das die Persönlichkeitsmerkmale von Perfektionisten zusammenfasst. Demnach sind das Menschen, die hohe persönliche Standards haben, sehr gut organisiert sind, sensibel auf Fehler reagieren und die eigenen und fremden Leistungen ständig anzweifeln.1 Nicht so schön. Das heißt, dass sie mit ihrer unguten Art nicht nur sich selbst im Weg stehen, sondern auch den anderen. Oft waren sie in ihrer Kindheit sehr hohen Erwartungen ausgesetzt und wurden regelmäßig kritisiert. Daher wissen wir auch, für wen Perfektionisten bügeln, falten, kritisieren, korrigieren und alles besser machen wollen. Nicht für uns. Leider noch für Mama und Papa.

Die Angelsachsen haben für diesen pedantischen, pingeligen Menschenschlag ein Eigenschaftswort: Er oder sie ist dann „anal“. Der Begriff stammt aus der freudschen Psychoanalyse. Laut Freud macht es kleinen Babys sehr viel Freude, in die Hose zu machen. Pedantische Menschen sind dabei allerdings oft geschimpft und ihr Kacka in Verbindung mit Ekel gebracht worden. Von der Schimpferei ist dann im Kopf alles etwas durcheinandergekommen und am Ende des Tages haben jene Gesellen eine schlimme innere Abneigung gegen alles Ungeordnete und Schmutzige entwickelt. Daher sollte man sich über Pedanten und Perfektionisten nicht ärgern. Man kann ihnen psychoanalytisch entgegenkommen, indem man ihnen verdeutlicht: „Hosenkacka ist gar nicht so schlimm.“

Angsteinflößend finde ich nicht nur die übersteigerten Ansprüche, die Perfektionisten an sich und ihre Umwelt stellen, sondern auch das Ergebnis davon in deren Wohnstätten. Jeder kennt so jemanden: Die Wohnung ist blitzeblank und gerne mal zugekachelt. Die Schuhe werden am Eingang ausgezogen, dafür ist der Boden dann schön kalt und vielleicht auch noch nass, weil ja gerade gewischt wurde. Wenig Nippes, und der Handstaubsauger ist immer griffbereit. Mich befällt in solchen Wohnungen immer das Gefühl, dass ich mit meiner Anwesenheit alles tierisch durcheinanderbringe und verfussle. Gerne fallen mir ausgerechnet dann beim Essen Sachen aus dem Mund oder ich stoße ein Weinglas um. Seit ich Mama bin, bin ich der Schreck aller Pedanten. Irgendwo an mir kleben nämlich neuerdings immer Sabber, Sand oder Speisereste. Ich kriege das meist gar nicht so mit. Bevor aber jetzt einer sagt „Igitt, ist die eklig!“, guckt doch selbst mal an euch runter! Auf und in jedem von uns leben rund zwei Kilogramm Bakterien. Klingt erst mal gruselig, ist aber wunderbar. Das sind unsere Freunde, die uns helfen, gesund zu bleiben, und ohne die wir sterben würden! Ja und warum sollte ich die jetzt nicht in der Wohnung haben wollen?

Auch wenn’s mich nicht betrifft, aber tragischerweise werden Frauen wesentlich häufiger vom Perfektionismus befallen als Männer. Vor allem wenn’s darum geht, die eigenen Kompetenzen und Leistungen infrage zu stellen. Dr. Jacqueline Mitchelson von der Auburn University in Alabama befragte 288 Erwachsene, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeitsleistung sind. Demnach sind 38 Prozent aller Frauen mit sich selbst unzufrieden und 24 Prozent aller Männer. In Sachen Haushalt sieht’s nicht anders aus: 30 Prozent aller Frauen bemängeln ihre Leistung zu Hause, aber nur 17 Prozent aller Männer.2 Das ist mitunter darauf zurückzuführen, dass Frauen im neuen Jahrtausend immer noch das Gefühl haben, allein fürs Nest zuständig zu sein. Sollte man dringend überdenken. Nur so eine Idee …

Mir machten schon als kleines Mädchen Frauen Angst, die ihre Hausfrauenkompetenzen viel zu hochgehalten und sich darüber definiert haben, wie toll alles glänzt; Frauen, bei denen die Geschirrtücher gebügelt wurden, es zweimal am Tag Fleisch mit Beilage gab und die Frisur trotzdem irgendwie saß. Ich habe damals gehofft, dass diese Anforderungen ans weibliche Geschlecht mit der Generation Teppichklopfer aussterben. Aber leider gibt’s die noch immer, sogar in jung. In der Vorstadt reden sie viel über Markisen, Multifunktions-Küchenmaschine und Thujen. Und abends putzen sie die Kalkflecken von den Kacheln im Bad. Wer weiß, vielleicht die eine oder andere sogar mit einer Zahnbürste, als müsste sie für etwas büßen.

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Seit 16 Jahren führe ich meinen eigenen Haushalt und ich bin noch nie auf die wahnwitzige Idee gekommen, Kalk von den Fliesen zu wischen oder meine Fenster zu putzen. Bisher bin ich deshalb auch noch nicht eingesperrt worden. Wozu auch Fenster putzen? Ich rate sogar ab davon, denn es hat durchaus eine praktische Komponente, wenn man das schleifen lässt, weil man über kurz oder lang einen prima Sichtschutz hat. Und jetzt mal ehrlich: Wir alle haben Besseres zu tun, als Fenster und Kacheln zu putzen, zum Beispiel ein gutes Buch zu lesen. Damit diese garstigen Forderungen an die „anständige“ Hausfrau aussterben, scheinen noch einige BHs verbrannt werden zu müssen. Man kann der Evolution aber einen Schritt entgegenkommen, indem man regelmäßig das Mantra wiederholt:

Ein perfekter Haushalt ist ein Zeichen für ein verschwendetes Leben.

Im nächsten Schritt sollte man sich im Schneidersitz vors ungeputzte Fenster setzen und die Flecken auf sich wirken lassen, es kann sich dadurch eine wunderbar meditative Atmosphäre entfalten.

In Zukunft sollte man Kalkflecken und dreckige Fenster nicht mehr als Bedrohung sehen, denn sie können uns daran erinnern, dass es Wichtigeres im Leben zu tun gibt.

 

{ 1 } http://www.nytimes.com/2011/03/12/your-money/12shortcuts.html

{ 2 } http://cla-au.auburn.edu/tigertalesarchives/detail.cfm?newsarticleid=258

YOGIS FROM HELL

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Jetzt beeil dich „innerer Frieden“, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!

Diese ständigen Aufforderungen zu mehr Achtsamkeit und Innehalten überfordern mich. Ich hab keine Ahnung, was die von mir wollen. In jeder Frauenzeitschrift und Buchhandlung findet man Anleitungen dazu. Die Leute sind in den letzten Jahren sogar unentspannter geworden, das ist nicht nur meine Beobachtung. Nach Angaben der DAK haben sich Burn-out-Diagnosen seit 2006 nahezu verzwanzigfacht.1 Nicht so viele, die’s kapiert haben, wie das geht mit der Stille.

Ein riesiger Wirtschaftszweig hat sich dem Wohlfühlen verschrieben. Psychologische, esoterische und spirituelle Literatur verkauft sich wie eine Radler-Maß aufm Oktoberfest. Der Heidelberger Zukunftsforscher Eike Wenzel beziffert den jährlichen Umsatz, der in Deutschland mit Esoterik gemacht wird, mit etwa

25 Milliarden Euro, in zehn Jahren sollen 35 Milliarden damit gemacht werden.2 Eso ist „unstoppable“, wie die famose Conchita Wurst sagen würde.

Obwohl ich immer skeptischer gegenüber diesen Lehren geworden bin, möchte ich nicht behaupten, dass die Herrschaften aus der Esoterikbranche nur Schwachsinn verbreiten. Ein paar Dinge gehen auf, auch wenn mir dazu vielleicht die Logik fehlt. Nur ist es bei all den Schwingungsexperten, Aura-Soma-Therapeuten, Tarot-Kartenlegern, Lichtmeistern, Geistheilern, Kaffeesatzlesern, Energiearbeitern, Handdiagnostikern und was es sonst noch zum Deifl alles gibt, sauschwer herauszufinden, wer von denen ordentlich einen Hau weghat und wer seine 100 Euro die Stunde wert ist.

Seit fast 20 Jahren praktiziere ich Yoga und glaube fest daran, dass nicht jeder spirituell sein und meditieren muss, um klarzukommen. Ich kenne Leute, die gerne Rad fahren, joggen gehen oder auf Berge steigen und den gleichen physischen und psychischen Nutzen aus ihren Hobbys ziehen können wie ich aus Yoga. Ich kenne grundsolide Landwirte, die mehr in ihrer Mitte sind, als die Yoga-Susi aus der Trendy-Andy-Yoga-Lounge. Dennoch, ich bin sehr froh, dass ich dieses nette Hobby aus dem fernen Indien für mich entdeckt habe. Kann jeden nur dazu ermuntern, es mal auszuprobieren. Ich liebe das Gefühl, dass ich hinterher habe. Ich bin seither gelenkiger, meine Haltung hat sich verbessert, ich habe mehr Kraft und Ruhe davon bekommen. Kann’s fast überall machen, brauche kein Geld dafür auszugeben und muss mich dabei mit niemandem duellieren. Nur wäre ich heute genauso nah dran an einer Erleuchtung, wenn ich meine Zeit im Schützenverein verbracht hätte.

Für mich ist Meditation nichts anderes, als einmal am Tag für ein paar Minuten die Klappe zu halten, in Ruhe gelassen zu werden, sich nicht ablenken zu lassen und auf kein Display zu starren. Das Gedankenwirrwarr wird langsamer, der Kopf ist irgendwann auf Stand-by. Meine Großeltern nannten das auch „Mittagsschläfchen“. Prima Sache, sollte jeder mal ausprobieren, aber bitte ohne Allmachtserscheinungen danach.

Als ich mit Yoga angefangen habe, lagen vorwiegend Birkenstock-Träger und Sozialpädagogen auf der Matte. Keiner hip, keiner extraschön. Keine Yogahosen von Tchibo, keine neonfarbenen Sport-BHs, keine Sanskrit-Tattoos im Nacken und keine coolen Gebetsketten um den Arm. Yoga galt als verstaubtes Getue von ein paar übrig geblieben Alt-68ern. Hatte so viel Lifestylefaktor wie Achselhaare und Batikklamotten. Man konnte Yoga machen oder es auch sein lassen, und angeben brauchte man damit erst recht nicht. Das hat sich geändert, wie sogar die aufmerksame Freizeit-Revue-Leserin mitbekommen hat. Heute hat man das Gefühl, dass Frau es machen muss.

Ach Kinners, damals nach dem Krieg war’s anders … Okay , so alt bin ich dann doch noch nicht, aber den derben Hype der letzten Jahre sollte man ruhig mal auseinandernehmen. Mach ich jetzt!

Die größten Freaks und Narzissten habe ich überraschenderweise nicht beim Fernsehen getroffen, sondern auf den Yogamatten. Vor allem die, die in diesem Bereich etwas zu melden haben. Selbst ernannte Meister und Alpha-Yogis. Soll nicht heißen, dass jeder ein Rad abhat, der Yoga lehrt, da wären wir nämlich ganz schön im Eimer in diesem Land. In Deutschland gibt es ca. drei Millionen Menschen, die Yoga üben und 100.000 Lehrer. Da sind großartige Leute dabei, darunter einige der besten Yogalehrer! Aber ein paar von denen möchte ich nachts nicht allein übern Weg laufen.

Es gibt eine ganz einfache Erklärung dafür, warum „verhaltenskreative“ Zeitgenossen sich zu diesen spirituellen Lehren hingezogen fühlen. Sie wirken anziehend auf Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder mit einer angeknacksten Psyche. Sie suchen Unterstützung und klammern sich oft an jeden Strohhalm. Der mögliche andere Weg über eine Psychotherapie erfordert viel Durchhaltevermögen, Selbstreflexion und kann auch mal anstrengend werden. Manche können und wollen diesen Weg nicht gehen und erhoffen sich die schnelle Hilfe durch Engelkarten, ein bisschen Reiki, Heilsteine oder eben Yoga.

Warum hat’s mich so angezogen? Damals unter anderem auch aus den eben genannten Gründen. Dazu kam, dass mich schon von klein auf fremde Kulturen interessiert haben. Das erste Lebensjahr verbrachte ich zunächst im Tragetuch meiner südafrikanischen Nanny, danach im Buggy neben Boule spielenden Franzosen an der Côte d’Azur und später bei einem Teller Sarma bei meiner viel geliebten jugoslawisch-deutschen Oma. Indien war unerforscht und aufregend. Nichts war mir fremder als der Hinduismus mit seinen bunten Göttern und den tollen Verrenkungen. Ich habe damals zudem dringend etwas zum Festhalten gesucht. Der Haltegriff, den ich von zu Hause mitbekommen habe, wackelte. Yoga hingegen gab mir ein klares Regelwerk, das konform ging mit meiner damaligen Einstellung zum Leben. Ich bin schon Jahre davor Vegetarierin geworden, wollte in Ruhe gelassen werden, konnte mir mit der Karma-Philosophie ein bisschen die Welt erklären und fand Spaß an den Übungen. Ich hatte Glück, dass ich damals an Lehrer geraten war, die mir nur zeigen wollten, wie’s ging, mich aber sonst in Ruhe ließen. Bis zum heutigen Tag liege ich regelmäßig bei denen auf der Matte und werde es mein Leben lang tun.

Schlimm finde ich aber, wie viele semi-erleuchtete Yogalehrer in ihren Stunden den Schülern die Welt erklären möchten.

image Nochmals der Vermerk, dass es großartige Lehrer gibt. Nur manche sind eben völlig Banane. Ich darf das sagen, ich bin nämlich selbst ausgebildete Yogalehrerin. Ich kenne mich und die anderen.

Mich hat es immer wieder schockiert, wenn nach einer Stunde Leute zu mir kamen und sich eine Lebensberatung von mir abholen wollten. Ich bin froh, wenn ich beim Schuheanziehen meine Schnürsenkel richtig binden kann, und daher völlig überfordert, wenn man sich so etwas von mir erhofft und sich mir blind anvertraut. Es hat mir aber gezeigt, wie beeinflussbar Menschen sind und wie gefährlich dieses Verhältnis sein kann. Mit ein paar Hundert Stunden Yogaunterricht, die man für die Ausbildung braucht, kann und sollte sich keiner rausnehmen, anderen Leuten sagen zu dürfen, wie sie ihr Leben zu optimieren haben. Dafür gibt’s Profis, Therapeuten, die freiwillig ihr Leben den Problemen anderer verschrieben haben und die mehr Hirnschmalz in das Thema gesteckt haben als der Dude, der auf Goa seinen Yogaschein gemacht hat.

In Sachen Yoga bin ich rund um die Welt gereist. Mitgebracht habe ich tolle Freundschaften und viele Geschichten von lustigen Vögeln. Manche Vögel waren aber auch gefährlich. So nahm ich vor Jahren in Südostasien an einem mehrtägigen Yogaworkshop teil. Stattgefunden hat er in der Hölle. Geleitet wurde er von einem Guru-Pärchen, die so etwas wie eine Sekte um sich gegründet hatten. Nennen wir sie mal Guru-Horst und Guru-Gabi. Mit von der Partie waren viele sinnsuchende Anhänger, die den beiden an den Lippen hingen, als würde Siddharta Gautama persönlich sprechen. Der Kennenlernabend gestaltete sich wie ein Morgenkreis im Kindergarten, wir machten Spiele, die darin gipfelten, dass man der wildfremden Nachbarin die Kopfhaut kraulte. Ich weiß Gott sei Dank nicht mehr, ob ich beim letzteren Teil recht aktiv war, ich hab nämlich die wunderbare Gabe, traumatisierende Erlebnisse auszublenden. Der Abend wurde immer persönlicher. Der Guru-Horst erklärte mir dann irgendwann vor den 50 Teilnehmern, dass meine Aura seit der Geburt meiner Tochter Zacken und Löcher hätte. WTF?! Diese ausgefranste Aura hätte der Horst mit einer Aura-Soma-Behandlung ganz schnell fixen können. Für ca. 75 Euro cash auf Täsch. Nachdem ich dankend abgelehnt hatte, war ich unten durch beim Horsti. Denn wenn Narzissten eins nicht mögen, dann sind das Leute, die sich ihnen nicht unterwerfen und durch die ihnen dann auch noch Geld durch die Lappen geht. Hinzu kam, dass die beiden erst seit wenigen Jahren Yoga praktizierten und auffallend wenig Ahnung von der Materie hatten. Das konnten sie aber kompensieren: mit Dominanz, irgendwelchen esoterischen Durchgeknalltheiten und einem fabelhaften Geschäftssinn. So konnte man bei ihnen unter anderem zusätzlich eine Aura-Soma-Ausbildung machen, die nur einen ganzen Nachmittag lang ging und für die man einen stattlichen Betrag lockermachen musste. Danach war man Experte. Für mich klang das eher nach dem schnellen Geld für die beiden. Irgendwas mit Ölen und Engeln haben sie auch noch angeboten, ich bin bei den Extras ausgestiegen und blieb beim Basicprogramm, nämlich Yoga, zog den Kopf ein und war froh, als alles vorbei war.

Solche Leute sind gefährlich, denn die beiden waren so weit von einer Erleuchtung entfernt wie mein Wäschetrockner, ließ einen aber glauben, dass sie eine Standleitung ins Nirwana hätten. Wie man aus der Psychologie weiß, sind Narzissten Menschenfänger. Ihre leichteste Beute sind schwache, angeschossene Leute, die man unter den Sinnsuchern massig findet. Narzissten strahlen etwas aus, was dem Schwachen fehlt, nämlich Stärke und Überlegenheit. Davon hätte der Schwächere gerne mehr und durch seine Anhängerschaft möchte er daran teilhaben.

Das erklärt auch den Erfolg mancher asozialen Partei in diesem Land, aber auch in Übersee. Narzissten finden bei ihrem Gegenüber schnell die vermeintlichen Schwachstellen (krasses Zickzackmuster in der Aura), deuten immer wieder darauf hin und halten so die Leute um sich herum klein und die Abhängigkeit groß.

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Sie geben sich außerdem oft charmant und sind wirtschaftlich erfolgreich. Schnell finden sie Jubelknechte, die daran mitwirken, dass sie nach oben befördert werden. Jeder von uns kennt so einen narzisstischen Mistkäfer. Laut, unsensibel, manipulativ, meint, er oder sie sei etwas Besseres, und schwimmt meistens ganz oben mit. Man könnte sich tagelang über so jemanden aufregen, aber eigentlich hilft nur umdrehen und gehen, da man diese Menschen nicht ändern kann. Psychologen beißen sich an denen schon ewig die Zähne aus. Unter dieser übermächtigen narzisstischen Fassade sind sie arme Regenwürmer mit einem schwachen Selbstwert, der bei dem leisesten Furz ins Wanken kommen kann.

image Könnt ihr mal ausprobieren. Schönen Gruß von mir an euren Lieblingsnarzissten: Sagt ihm, dass er in Wirklichkeit ein Mistkäfer/Regenwurm/Riesenarschloch ist. Dann Kopf einziehen und schauen, was er macht. Gibt bestimmt einen Mordsknall.

Wir sollten daher dringend aufpassen, wem wir uns anvertrauen. Seelenheil to go is nich. Für solche Sachen muss man sich eben Zeit nehmen und sollte genauer hinsehen, wer da vor einem steht.

 

{ 1 } https://de.statista.com/themen/161/burnout-syndrom/

{ 2 } https://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article13189158/Mit-Esoteriklaesstsich-reales-Geld-machen.html

EIN BISSCHEN DICK IST NICHT SO SLIM

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„There’s people who don’t want to see bodies like mine or bodies like their own bodies.“
– Lena Dunham

Ups, jetzt habt ihr mich gerade beim Barbiefüttern erwischt. Die sah so schlecht aus, da musste ich etwas unternehmen. Mir tut sie fast ein bisschen leid, viel zu mager und so einen miesen Ruf, wer will das schon? Damals in meiner Kindheit war das mit ihr schon eine Katastrophe, umso größer die Überraschung, als ich eine Generation später festgestellt habe, dass sie noch immer das Lieblingsspielzeug vieler Mädchen ist und sie sich über die Jahrzehnte kaum verändert hat. Ein utopisches Schönheitsideal, das seit den 50er-Jahren die Kinderzimmer terrorisiert.

Hierzulande hat die Marke Barbie einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent. Jedes Mädchen besitzt im Schnitt sieben Stück davon.1 Superberühmt, aber in Wirklichkeit eine äußerst bemitleidenswerte Kreatur, weil völlig lebensunfähig. Wissenschaftler haben errechnet, dass ein standardisiertes lebensgroßes Modell der Puppe bis zu 2,26 Meter groß sein würde.2 Der dünne Hals könnte das Gewicht der Riesenbirne nicht tragen. Mit dem Vorbau und den verhältnismäßig winzigen Füßen würde Barbie vornüberkippen und die lebenswichtigen Organe hätten nicht genug Platz in ihrem Körper. Na bravo, Mattel, was soll denn der Schmarrn? Barbie ist zudem zu nichts zu gebrauchen, den einzigen Auftrag, den sie auf Erden hat, ist hübsche Kleider aus- und anzuziehen. Was lernen die Kinder dabei? Nix.

Frage: Warum wollen junge Frauen seit Generationen so aussehen wie Barbie, wenn’s doch eigentlich gar nicht geht? Eine haarsträubende Studie von Forscherinnen der University of Sussex und der University of the West of England zeigte, welchen schlimmen Einfluss ein Stück Plastik auf das Selbstvertrauen unserer Kinder ausüben kann. Bei der Untersuchung wurden Mädchen zwischen fünf und acht Jahren in Gruppen aufgeteilt, einige Teilnehmerinnen bekamen Bilder von Barbies zu sehen, andere Bilder von Emme Dolls, den realistischen Puppen-Pendants, einer Frau mit Konfektionsgröße 44 nachempfunden. Danach fragte man die Mäuse, inwieweit sie mit ihrem eigenen Körper zufrieden wären. Diejenigen unter euch, die nah am Wasser gebaut sind, können jetzt schon mal die Taschentücher holen. Bei den Mädchen in der Barbie-Gruppe zeigte sich, dass die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper wesentlich höher war und diese Kinder einen stärkeren Wunsch nach einem dünneren Körper hatten als die anderen. Wir sprechen hier wie gesagt von fünf- bis achtjährigen Mädels. Quasi Babys, grad mal aus den Windeln raus, die sich mit Barbie vergleichen und davon ein geringeres Selbstwertgefühl bekommen.3

Es ist ja nicht nur Barbie, die uns alle irremacht. Unerreichbare Schönheitsideale werden allen vorgesetzt, egal ob Knirps oder Oma. Irgendwann legen die Mädchen vielleicht den Plastikzombie beiseite, gucken dann aber Germany’s Next Topmodel, hören Taylor Swift und finden die gephotoshoppte Gigi Hadid klasse. Dann werden Filme und Fernsehsendungen mit ranken und schlanken Schönheiten geguckt und am Schluss fühlen sich alle schlecht.

In den Medien sieht man meist nur schlanke Menschen, als hätten es die anderen nicht verdient, gezeigt zu werden. Ich will aber alle sehen und damit bin ich bestimmt nicht allein.

Dicke, dünne, junge, alte. Weil wir coole, kluge, lebensfrohe Vorbilder brauchen von allen Typen, die’s gibt. Dazu bräuchte es aber von allen mehr Toleranz. Dass es an der fehlt, hat mir Facebook unlängst mal wieder gezeigt. Die meisten Facebook-Diskussionen gehen an mir vorüber, weil mir meist die Muße fehlt, mich irgendwo reinzuhängen. Außerdem möchte ich mich nicht mit jedem Kleingärtner duellieren, da das soziale Miteinander in den sozialen Netzwerken oft fehlt. Mein Onlineaktionismus beschränkt sich daher darauf, lustige Schwachsinnigkeiten zu teilen, die die Menschheit meist nicht weiterbringen.