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Vor allem für die Üblichen:

für Mom, weil du großartig bist,

für Sally, DIE EHEFRAU, weil du auch großartig bist,

für Sally, DIE AGENTIN, für große Dosen Großartigkeit,

für die vielen guten Autoren des DFW Writers Workshop.

Ja, großartig. Ihr wisst, was ich sagen will.

Und für Doc Savage, den Mann aus Bronze.

Eins

 

Der Ärger begnügte sich nicht damit, Constance Verity zu folgen. Bei Connie war der Ärger eher proaktiv. Sie hatte sich an den Ärger gewöhnt, deshalb bemerkte sie ihn schon, wenn sie einen Raum betrat. Sie wurde erkannt, und sie konnte nichts dagegen tun. Fast hätte sie das Ganze hier abgebrochen, hätte den Personalern dafür gedankt, dass sie sich die Zeit genommen hatten, und wäre ihrer Wege gegangen. Aber jetzt war sie schon mal hier. Also konnte sie auch weitergehen.

»Setzen Sie sich doch, Mrs. Smith.« Tom, ein älterer Mann im grauen Anzug, machte eine Geste zu einem Stuhl hin, der ihm gegenüber am Tisch stand.

»Ich heiße Smythe«, korrigierte sie ihn. »Und es muss Ms. heißen.«

Jan musterte Connie weiterhin wie eine komplizierte Matheaufgabe, die man nicht so ohne Weiteres im Kopf lösen konnte. Sie beugte sich zu Tom hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er riss die Augen auf, dann kniff er sie zusammen. Ein neugieriges Lächeln ging über sein Gesicht.

»Na toll«, murmelte Connie vor sich hin.

»Wie bitte?«, fragte Tom.

»Ach, nichts.« Sie lächelte und strich sich die Hose glatt.

»Ms. Smythe, wir haben uns Ihren Lebenslauf angesehen, und ich muss sagen, er ist ein bisschen dünn.« Er hielt das Blatt Papier hoch, fuhr mit dem Finger über die beiden Absätze und nickte vor sich hin. »Um ehrlich zu sein, hätten wir Sie wahrscheinlich sofort aussortiert, aber Sie haben in den Eignungstests bemerkenswert gut abgeschnitten.«

»Danke.«

Genau genommen war es kein Kompliment, aber sie hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.

Jan verschränkte die Finger über dem Tisch zwischen ihnen. »Allerdings waren Sie Ihrem Lebenslauf zufolge nicht einmal auf dem College.«

Connie zuckte die Achseln. »Meine Ausbildung war … informell.«

»Erzählen Sie bitte weiter, Ms. Smythe.«

Sie beugten sich vor.

»Meine Kindheit war chaotisch. Ich habe vielleicht nicht die nötigen Zeugnisse, aber ich spreche siebzehn Sprachen fließend, tippe an guten Tagen zweihundert Wörter pro Minute, weiß, wie man sämtliche Kaffeemaschinen repariert, die Sie sich vorstellen können und wahrscheinlich auch alle, die Sie jemals besitzen werden, an die Sie bisher aber noch nicht mal gedacht haben. Außerdem laufe ich mit einem brauchbaren Paar Schuhe eine Meile in vier Minuten. Ach ja, und ich kann Steno und spiele ziemlich gut Softball, falls Sie eine Spielerin brauchen, während Ihr Shortstop seinen gebrochenen Knöchel auskuriert.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich bin auch eine ganz passable Detektivin.«

Er nickte wieder. »Und wo haben Sie all diese Fähigkeiten erworben, Ms. Smythe?«

»An verschiedenen Orten«, erwiderte sie. »Ist das wirklich wichtig? Ich bin doch qualifiziert, oder nicht?«

»Vielleicht überqualifiziert«, sagte Jan.

»Wie kann ich überqualifiziert sein? Sie haben eben gesagt, in meinem Lebenslauf stünde nichts.«

»Jemand mit Ihren Qualifikationen kann aber sicherlich anderswo eine gewinnbringendere Anstellung finden.«

»Ich brauche einfach einen Job«, sagte Connie. »Wenn Sie ihn mir nicht geben wollen …«

»Sind Sie Constance Verity?«, unterbrach sie Jan.

»Nein, ich bin Connie Smythe.«

Tom beschäftigte sich mit seinem Smartphone. In den Zeiten vor Google war das Ganze sehr viel einfacher gewesen.

»Ja, das bin ich«, sagte Connie. »Aber das ist mein altes Leben.«

Dann kamen die Fragen.

Die meisten Leute hatten Fragen.

»Wie ist es in der Zukunft?«, fragte Jan.

»So wie jetzt, aber mit mehr bösartigen Robotern. Und mit guten. Fliegende Autos gibt’s aber nicht.«

»Stimmt es, dass Sie zweimal gestorben sind?«

»Dreimal. Aber das eine Mal war ich ein Klon, also zählt es eigentlich nicht.«

»Wie ist Dracula wirklich?«

»Guter Typ, wenn man sich an die gruslige Ausstrahlung gewöhnt hat.«

»Ich habe im Internet gelesen, dass Sie Telekinese beherrschen. Können Sie diesen Stift hier bewegen?« Jan rollte ihn auf sie zu. Die Personaler starrten ihn an und warteten darauf, dass er zu tanzen anfing.

»Ich konnte Telekinese. Ungefähr eine Woche lang«, sagte Connie. »Ich wüsste nicht, inwiefern das relevant sein sollte.«

Stirnrunzelnd nahm Jan ihren Stift zurück.

»Anscheinend verschwende ich Ihre Zeit.« Connie stand auf.

»Warten Sie, Ms. Verity … Ms. Smythe. Vielleicht haben wir eine Stelle für Sie.«

»Ehrlich?«

Tom lächelte. »Ja. Tatsächlich kann ich mir eine hervorragende Verwendung für jemanden mit Ihren Fähigkeiten vorstellen.«

Connie schüttelte den Kopf. »Ich gebe mir Mühe, kein solches Zeug mehr zu machen.«

Er gluckste. »Ach, Ms. Smythe, ich spreche nicht von Ihren farbenfroheren Talenten. Obwohl die sicherlich irgendwann noch nützlich sein werden. Nein, wir haben eine freie Stelle in der Poststelle. Oder wäre das ein Problem?«

»Nein, überhaupt nicht.« Sie schüttelte ihnen die Hände. »Sie werden es nicht bereuen. Das verspreche ich.«

»Bestimmt nicht, da bin ich mir sicher. Wie wäre es, wenn Sie schon mal hier sind, wenn Jan und ich mit Ihnen nach unten gingen und Sie dem Team vorstellten?«

»Jetzt?«

»Warum nicht?«

»Klar, aber können wir die … Sache vielleicht unerwähnt lassen? Ich spreche nicht so gern darüber.«

Lächelnd nickten Jan und Tom. »Dafür haben wir Verständnis. Es bleibt unter uns.«

Das würde es nicht. Das blieb es nie. Jan und Tom würden ganz sicher jemandem erzählen, dass sie die unglaubliche Constance Verity kennengelernt hatten, und bis zum Abend würden es alle wissen. Connie hoffte nur, sie würden keine große Sache daraus machen.

Auf der Fahrt im Aufzug ins Erdgeschoss rahmten Jan und Tom sie ein. Sie lächelten, und ihre Köpfe nickten im Takt mit der Fahrstuhlmusik. Sie hätten ihr sicher nur zu gern mehr Fragen gestellt, aber zu ihrer Ehrenrettung musste man sagen: Sie stellten sie nicht. Vielleicht würde aus dem Ganzen hier doch etwas werden.

Die Aufzugtüren glitten auf. Die Poststelle war ein großer, leerer Raum, in dem ein Dutzend Gestalten in Roben um einen gähnenden Abgrund herumstanden, der bis tief ins Fundament und noch weiter reichte.

Connie ächzte. »Ach, Scheiße.«

Tom drückte ihr einen Zeremoniendolch in den Rücken. »Wenn Sie bitte so freundlich wären, Ms. Verity.«

Sie trat aus dem Aufzug, und die Kultanhänger wandten sich ihr zu.

»Ich wollte nur einen Job«, sagte sie. »Ist das denn zu viel verlangt?«

»Aber wir haben doch einen höchst wichtigen Job für Sie«, erwiderte Jan. »Sie werden die Hungrige Erde speisen. Gibt es eine größere Ehre?«

»Eine Betriebsrente?«, schlug sie vor. »Vier Wochen Urlaub im Jahr?«

Sie schoben sie auf den Rand des Abgrunds zu. Auf seinem fernen Grund knirschte ein Kreis aus gigantischen Zähnen, und ein Dutzend Zungen züngelten.

»Ich muss sagen, Sie nehmen das Ganze recht gut auf«, sagte Jan.

»Sie glauben doch wohl nicht, dass das mein erstes Mal auf dem Opferaltar ist, oder? Ich wurde schon öfter dunklen Göttern und kosmischen Schrecknissen geopfert, als ich beim Zahnarzt war. Und Dentalhygiene ist mir sehr wichtig.«

»Ach ja, Ms. Verity«, sagte Tom. »Der Unterschied ist aber, dass Sie ganz allein sind. Hier erscheint niemand zu Ihrer Rettung.«

»Wie kommen Sie darauf, dass ich gerettet werden muss?«

»Ich bitte Sie, Ms. Verity, selbst jemand mit Ihrem Ruf für knappe Fluchten wird doch erkennen können, dass Sie uns ausgeliefert sind. Dieses Gebäude ist sicher. Hier wird nicht in letzter Sekunde noch die Kavallerie eintreffen.«

»Als Erstes könnten Sie mal aufhören, meinen Namen so oft zu verwenden. Warum müsst ihr bösen Jungs das immer machen? Es ist überhaupt nicht dramatisch. Es ist nur repetitiv.

Zweitens, was erhofft ihr euch davon, wenn ihr mich an dieses Ding da verfüttert? Ihr glaubt doch wohl nicht, dass es sich für so ein kleines Stück Fleisch interessiert? Das da ist ein großes, dummes Ding. Da könntet ihr auch gleich Dankbarkeit von einem Wal erwarten, weil ihr ihm einen Kartoffelchip zuwerft.«

Die Kultanhänger schnappten mit einer solchen Präzision kollektiv nach Luft – wahrscheinlich hatten sie es vorher geübt.

»Sie wagen es, unseren Gott zu beleidigen?« Jan klang ehrlich verletzt. »Für eine derartige Häresie kann es nur eine einzige Strafe geben. Sie müssen geopfert werden.«

»Hattet ihr nicht sowieso vor, mich zu opfern?«

Die Kultanhänger tuschelten untereinander.

»Genug davon!«, rief Tom. »Schleudert Ms. Ver… sie in die Grube, damit unser herrlicher Gott an diesem heutigen Tag erwachen möge.«

Mehrere Kultanhänger ergriffen Connie und schoben sie auf den Abgrund zu.

»Ihr habt mich nicht ausreden lassen«, sagte sie. »Es ist doch auf den ersten Blick klar, dass keiner von euch irgendeine Kampfausbildung hat, abgesehen vielleicht von der Lady in Schwarz.«

»Ich habe ein Jahr lang Judo gemacht«, bestätigte die Frau. »Ich habe den Gelben Gürtel.«

»Schön für Sie. Also ja, ihr seid viele, und ihr habt alle eure besonderen Zeremonienmesser dabei, die allesamt sehr hübsch sein mögen, im Kampf allerdings nicht besonders praktisch sind. Aber ich habe schon gegen mehr und bessere gekämpft und trotzdem gewonnen. Ich will nicht sagen, dass ihr nicht vielleicht Glück haben werdet. Das könnte schon sein, aber ich lasse es einfach mal darauf ankommen. Im Agatsuma Gunma Canyon habe ich mit nur einer Hand ein ganzes Regiment von Roboter-Samurai zurückgeschlagen. Aber ich bin mir sicher, euer Haufen außer Form geratener mittlerer Führungskräfte wird mir das Licht ausblasen.«

»Ich mache CrossFit«, sagte ein Kultanhänger in dem Haufen.

»Das wissen wir, Gary«, sagte Jan. »Wir wissen es alle

»Vielleicht habe ich keine Schulbildung«, sagte Connie, »aber Abenteuer sind ein besseres Training als jede Berufsfachschule, die ihr wahrscheinlich besucht habt. Praktisches Training. Wie zum Beispiel die Sieben Tödlichen Stile des Marsianischen Kung Fu, die mich der Erhabene Meister Shang Ig Ga gelehrt hat.«

Sie trat einem ihrer Entführer ins Gesicht, traf den anderen mit dem Ellbogen und lähmte den Dritten mit einem Finger an seinem Hals. Die Kultanhänger erstarrten vor Schreck.

»Wenn ihr das schon beeindruckend findet, stellt euch nur mal vor, was für ein Wahnsinn es wäre, wenn ich die vier Arme und den Greifarm eines wahren Meisters besäße.«

Tom hob seinen Dolch.

»Mach jetzt keine Dummheiten!«, warnte sie ihn.

Mit Gebrüll stürzte er sich auf sie. Sie trat zur Seite und versetzte ihm einen Schlag ins Kreuz, woraufhin er schreiend in den Abgrund stürzte. Die Hungrige Erde verschlang ihn in einem Stück, ohne auch nur zu schmatzen.

Der Rest der Sekte dachte darüber nach, Connie anzugreifen.

»Habt ihr’s gesehen? Euer Gott schert sich nicht im Geringsten um ein mickriges Opfer. Ihr könntet die gesamte Bevölkerung dieser Stadt in dieses Loch stopfen, und er würde es nicht einmal bemerken.«

Jan war geknickt. Es war hart, etwas zu verlieren, an das man glaubte. Auch wenn dieser Glaube aberwitzig und irrsinnig war.

»Wir sind hier fertig«, sagte Connie.

Aus dem Maul schallte ein leises Grollen, und unter ihnen bebte die Erde.

Die zahnbewehrten Kiefer schnappten eifrig, und die Zungen glitschten an den Wänden des Abgrunds herauf.

»Oh.« Sie zuckte die Achseln. »Das habe ich jetzt nicht kommen sehen.«

Die Kultanhänger jubelten. Ihre Feier wurde jäh unterbrochen, als die Zungen der Kreatur aus dem Loch peitschten und anfingen, sie in ihren Untergang zu zerren.

Connie geriet an den verschiedensten Orten in Schwierigkeiten. Nach Jahrzehnten der Abenteuer auf dem ganzen Globus hatten die Regierungen der Welt eine spezielle internationale Behörde geschaffen, die nur damit beschäftigt war, sie im Auge zu behalten. Diese Behörde war nichts Großartiges, aber sie machte es einfacher, hinterher die Schweinereien aufzuräumen. Lucas Harrison war der leitende Agent der Behörde.

Er warf einen Blick in den jetzt ruhig gewordenen Abgrund im Keller.

»Was zum Geier ist das?«

»Die Hungrige Erde«, antwortete Connie.

»Die hungrige was?«

»Erde. Haben Sie sich je gefragt, was unter der Felshülle steckt, auf der wir stehen?« Sie deutete auf die Zahnreihen und die erschlafften Zungen. »Da haben Sie’s.«

»So was wie ein Monster? Wie groß ist es?«

»Das müssten Sie eigentlich wissen«, sagte sie. »Es steht in den Akten.«

»Wir haben ein Dutzend Aktenschränke über Sie, Verity. Sie können nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich mir den ganzen abstrusen Scheiß merke, in den Sie sich verwickeln lassen.«

»Ist das nicht Ihr Job?«

»Ich bin die Kontaktperson. Agent Barker macht die Aufzeichnungen.«

»Wie geht es ihr?«, fragte Connie.

»Sie hat bezahlten Urlaub. Hat was in einer der Akten gelesen, das ihr Albträume gemacht hat.« Er deutete auf das riesige Maul in der Tiefe. »Wie groß ist dieses Ding?«

»So groß wie die Erde«, erwiderte sie. »Daher auch der Name: die Hungrige Erde.«

»Sie wollen mir wirklich weismachen, die Erde sei ein Monster.«

»Mehr oder weniger.« Sie nickte zu den sechs übrig gebliebenen Kultanhängern hinüber, die nicht von dem hirnlosen Gott gefressen worden waren. »Und diese Idioten hätten sie fast aufgeweckt. Was? Sie dachten doch nicht, sie wäre hohl, oder?«

Ihr herablassender Ton erwischte ihn auf dem falschen Fuß.

»Ich erinnere mich dunkel an den Vorfall mit der unterirdischen Neandertaler-Invasion«, sagte er.

»Ein Teil ist hohl«, gab sie zu. »Aber der größte Teil ist ein Monster.«

»Also leben wir auf der Haut eines schlafenden Monsters. Was zum Henker passiert, wenn es aufwacht, Verity?«

»Keine Ahnung. Will ich gar nicht wissen. Ich hab ihm ein bisschen Zimt ins Maul geworfen, danach ist es gleich wieder eingeschlafen.«

»Wo hatten Sie verdammt noch mal so schnell Zimt her?«

»Ich bin erfinderisch.«

»Sie wollen mir also sagen, Sie hätten gerade die Welt gerettet. Schon wieder.«

»Um genau zu sein habe ich uns vor der Welt gerettet.«

»Ich werde es in meinem Bericht vermerken. Das wird Barker wahrscheinlich vollends wahnsinnig machen.«

Barker wäre nicht die erste Agentin, die von den Geheimakten der Constance Verity überfordert wurde. Und vermutlich auch nicht die letzte. Harrison selbst war der Nachfolger des vorherigen Behördenchefs, der seinen Job hingeschmissen hatte, nachdem er Connie aus dem Meer hatte fischen und eine umweltfreundliche Entsorgungsmöglichkeit für die Sechshundert-Tonnen-Leiche des Kraken hatte finden müssen. Constance bewahrte sich nur deshalb ihren Verstand, weil sie mit diesem ganzen Zeug schon seit ihrer Kindheit zu tun hatte. Es war nicht schräg. Es war das Leben.

»Und was sollen wir jetzt mit diesem Riesenloch da anstellen?«, fragte Harrison. »Mit Beton ausgießen?«

Connie reichte ihm eine Visitenkarte. »Rufen Sie diese Nummer an. Fragen Sie nach Abigail Cromwell Nightshade. Nennen Sie aber den ganzen Namen. Da ist sie eigen. Sie wird wissen, was zu tun ist.«

»Und Sie tragen ihre Visitenkarte einfach für Notfälle mit sich herum?«

»Ich trage so einiges für Notfälle mit mir herum, Harrison. Das wissen Sie doch.«

Er steckte die Karte in die Tasche. »Ich weiß nicht, wie Sie das machen, Verity. Ich wäre hundemüde, wenn ich ständig in solche Abenteuer geraten würde.«

»Wer sagt, dass ich das nicht bin? Klar, ich komme auch mit einer Stunde Schlaf aus. Ich besitze die unermüdliche Ausdauer eines Kindes, das damit aufgewachsen ist, mit Dinosauriern zu ringen und vor Weltraumbarbaren davonzulaufen. Aber das wird irgendwann auch langweilig. Man kann nicht ewig Zombies verhauen, und nach einer Weile nutzt sich der Charme des Weltrettens auch ab.«

»Und warum hören Sie dann nicht damit auf?«

»Wieso bin ich darauf bloß selbst noch nie gekommen?« Sie schüttelte den Kopf. »Das liegt nicht wirklich an mir. Es liegt nicht in meiner Hand. Lag es noch nie.«

»Sie wollen mir also sagen, dass Sie bei allem, was Sie je getan haben, bei jeder sagenhaften Person, die Sie kennengelernt haben, bei jeder unglaublich knappen Flucht und Rettung in letzter Minute, Ihr eigenes Schicksal nicht in der Hand hatten? Ich weiß nicht, Verity. Wenn Sie es nicht können, wer zum Geier kann es dann?«

Connie gluckste.

»Was ist daran so lustig?«, fragte er.

»Nichts. Hatte nur noch nicht darüber nachgedacht. Sie haben gerade genau das gesagt, was man mir schon vor Jahren hätte sagen sollen. Ich bin Constance Danger Verity. Ich habe magische Nazis in vier verschiedenen Realitäten besiegt und den König des Mondes buchstäblich vor einer Armee von Ninja-Mördern gerettet. Ich kann alles. Warum verdammt noch mal kann ich das dann nicht?«

Sie klopfte Harrison auf die Schulter.

»Danke.«

»Gern geschehen.« Brummelnd ging er an sein Handy. »Harrison hier. Ja, anscheinend der größte Teil des ganzen verdammten Planeten.«

Connie überließ ihn seinem Gespräch und brach in ihr großes Abenteuer auf.

Zwei

 

Professor Arthur Arcane saß in seinem Studierzimmer. Dicke Staubschichten bedeckten alles, und Connie wischte einen Stapel Bücher über das Übersinnliche ab, alle von ihm selbst geschrieben. Arcane war der führende Fachmann auf dem Feld der Parapsychologie. Oder er war es gewesen, bis er sein Leben geopfert hatte, um den Einfall einer Armee verstimmter Geister von der anderen Seite abzuwehren.

»Ich bin tot, sagst du?«, fragte er.

»Ja, tut mir leid, dass ich dir das mitteilen muss«, antwortete sie.

»Lustig. Ich fühle mich gar nicht tot. Ich hatte mir das irgendwie … kälter vorgestellt. Oder wärmer.«

Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht liegt es daran, wie du gestorben bist.«

»Wann ist es passiert?«, fragte er.

»Vor ein paar Jahren. Da war an dieser Kreuzung ein Artefakt vergraben … Weißt du was? Die Einzelheiten sind eigentlich gar nicht so wichtig.«

»Und jetzt bin ich ein Geist. Darin liegt eine gewisse Ironie. Und ich hatte mich schon gefragt, warum das Reinigungspersonal seine Arbeit so glanzlos erledigt.«

Er blies auf ein bisschen Staub, und sein Geisteratem schaffte es, ein paar Körnchen anzuheben.

»Und niemand hat das Haus gekauft, seit ich gestorben bin?«

»Die Leute sagen, hier spuke es.«

Er lachte.

»Und warum bist du noch mal hier, Connie?«

»Ich schaue gern ab und zu nach dir. Ich habe einen Schlüssel behalten.« Nicht, dass sie ihn brauchen würde.

»Nach mir schauen?« Er verschränkte die Hände unter dem Kinn. »Da ich mich an keinen deiner anderen Besuche erinnere, muss ich davon ausgehen, dass ich die üblichen wiederkehrenden spektralen Gedächtnislücken habe.«

Sie nickte.

»Und wir führen dieses Gespräch nicht zum ersten Mal.«

»Ich habe aufgehört zu zählen.«

»Enttäuschend, aber nicht überraschend.«

»Das sagst du immer.«

»Ja, ich kann mir vorstellen, dass ich zu Wiederholungen neige. Das liegt in der Natur einer wiederkehrenden Geistererscheinung, oder? Nachdem ich sie so lange studiert habe, muss ich sagen, selbst eine zu werden ist nicht besonders interessant.«

Das sagte er auch immer.

»Ich vermisse dich, Arthur. Ich hatte nie wirklich die Gelegenheit, dir das zu sagen, als es darauf ankam, aber ich glaube, ich war gerade dabei, mich in dich zu verlieben.«

Arthur zog die Augenbrauen hoch. Die Brille rutschte ihm die Nase herunter. Er schob sie wieder hoch.

»Davon hatte ich keine Ahnung.«

»Ich auch nicht. Erst nachdem du fort warst.« Sie seufzte. »Gestorben, meine ich. Du bist ja noch da.«

»Und du kommst mich immer noch besuchen?«

»Ich hoffe jedes Mal, dass du nicht mehr hier bist. Und gleichzeitig hoffe ich, dass doch.«

»Connie, du darfst dich nicht so quälen. Ich bin mir sicher, du hast alles getan, was du konntest, um mich zu retten.«

Sie lachte. »Ich fühle mich nicht schuldig, Arthur. Ich habe schon früher Leute verloren. Das gehört dazu. Ich wünschte nur, wir hätten ein anderes Leben haben können.«

»Ja, tja, für einen von uns beiden ist es wohl zu spät. Und du hattest eigentlich nie eine Wahl.«

»Ich werde normal werden«, sagte sie.

»Willst du das denn?«, fragte er.

»Ich werde es versuchen.«

»Nein, Connie. Ich habe nicht gefragt, ob du es kannst. Ich frage, ob du es willst

»Natürlich will ich. Was ist das für eine Frage?«

»Connie, normal zu sein ist nicht so leicht wie Abenteuer zu erleben. Das kann man nicht einfach werden.« Er versuchte ihre Hand zu nehmen, aber seine Finger gingen durch ihre hindurch. »Ach ja, richtig. Ein Geist. Das vergesse ich ständig. Was ich sagen will: Du kannst nicht einfach beschließen, normal zu sein. Du hast zu viel gesehen und getan. Man kann dafür nicht einfach einen Schalter umlegen.«

»Ich kenne mindestens vier oder fünf Typen mit Zeitmaschinen«, sagte sie.

»Normale Leute lösen ihre Probleme nicht mit Zeitmaschinen«, sagte er. »Soweit ich mich erinnere, habe ich immer gesagt, dass Zeitreisen sowieso nie so funktionieren, wie man will.«

»Ich konnte nicht zu meinem Abschlussball gehen«, sagte sie.

»Ich war bei meinem auch nicht.«

»Ich konnte aber nicht hin. Ich war unterwegs, um auf der Venus gegen Yetis zu kämpfen. Nicht, dass das eine große Rolle gespielt hätte. Ich war sowieso kaum in der Schule. Hatte dort keine Freunde. Du bist mein zweitbester Freund, Arthur, und du bist tot.«

»Auch das ist nicht gerade normal. Ist es denn so schlimm, besonders zu sein?«

»Ich habe das früher geliebt. Im Universum herumziehen, gegen das Böse kämpfen, verborgene Mysterien ergründen, die Welt retten.« Sie lächelte. »Es hat Spaß gemacht. Und ich habe nicht groß darüber nachgedacht, was mir dabei entging. Abschlussbälle und Hochzeiten und Kaffeepausen im Büro. Meine Jungfräulichkeit habe ich im Dschungel des Amazonas an Korak den Wilden verloren, und es war grandios. Aber so sollte das eigentlich nicht sein.«

»Es ist immer leichter zu sehen, was man nicht hat.«

»Komm mir nicht mit den Kirschen in Nachbars Garten. Ich denke die ganze Zeit an all die Dinge, die ich nicht habe, die meisten anderen aber schon. Und so langsam nervt es mich. Ich kenne eine Million Leute, die sofort mit mir tauschen würden, aber es ist nicht alles so, wie es von außen aussieht.«

»Ja.« Er putzte seine Brille. »So klischeehaft es klingen mag, aber wir haben alle unser Kreuz zu tragen.«

Sie hatte gehofft, er würde sie verstehen. Seine eigene besondere Leidenschaft war sein Verderben gewesen, und jetzt hing er zwischen Leben und Tod fest. Wahrscheinlich half es, dass er das ständig vergaß.

»Ich habe deine Beerdigung verpasst, Arthur.«

»Du hattest sicher einen guten Grund dafür.«

»Es gibt immer Gründe. Und sie sind immer gut. Aber verdammt, ich habe dich geliebt. Ich hätte wenigstens da sein können, um dir die letzte Ehre zu erweisen.«

»Wenn ich eines aus dieser Erfahrung gelernt habe, dann, dass sich Geister im Allgemeinen nichts aus solchen Dingen machen.«

»Ja, aber die Lebenden schon. Selbst wenn ich alles ignoriere, das ich nicht zurückbekommen kann, weil es zu spät ist, denke ich doch an alles, was in der Zukunft noch vorgesehen ist. Meine Mom hat sich gestern den Ballenzeh operieren lassen. Sie hat mich nicht angerufen. Es war nichts Schlimmes, aber irgendwann wird es mal was Schlimmes sein. Und ich werde nicht für sie oder Dad da sein, wenn es passiert. Ich bin mir zwar sicher, es wird einen guten Grund dafür geben, aber das ändert nichts daran, dass ich am Ende trotzdem die Leute im Stich lasse, die mir wichtig sind.«

»Aber was ist mit all den Leuten, denen du geholfen hast?«

»Fremde. Mom führt ein Sammelalbum mit allen Belobigungen, Dankesbriefen und Preisen, die ich bekommen habe. Es sieht hübsch aus, aber was bedeutet das alles am Ende?«

»Hast du nicht schon mehrmals die Welt gerettet?«

»Das sagen mir die Leute andauernd, aber ich frage mich langsam, ob die Welt wirklich so zerbrechlich ist. Das Universum ist Milliarden von Jahren ohne mich ausgekommen. Ich glaube nicht, dass es von mir gerettet werden muss. Ich denke, am Ende kommt alles ungefähr aufs Gleiche heraus. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, einen ausweglosen Job zu haben, den ich nicht mag, einen Ehemann, der sich gehen lässt und undankbare Kinder, die ich zum Fußballtraining fahre. Das hört sich vielleicht trist an, aber wenigstens wäre es mein Leben. Ich weiß, das klingt egoistisch.«

»Es ist nicht egoistisch«, sagte er. »Oder vielleicht schon. Aber es ist nicht unangemessen.«

Er lächelte sie an, und er war auf eine gelehrte Art so gut aussehend, dass sie wünschte, sie könnte ihn küssen. Sein Gesicht berühren. Seine Hand streicheln. Irgendetwas.

»Dann ändere ich meine Frage zu Kannst du?«, sagte er.

»Ich kann es versuchen«, antwortete sie.

»Ich würde dir Glück wünschen, aber du brauchst es nicht.«

»Danke.« Auf dem Weg aus dem Studierzimmer blieb sie noch einmal stehen. »Tut mir leid, dass ich deine Beerdigung verpasst habe.«

»Beerdigung? Was? Bin ich denn tot?«

Seufzend schloss sie die Tür hinter sich.

Drei

 

Connie hatte als Frau zwischen den Welten immer gewisse Probleme gehabt, Freundschaften zu schließen. Die außergewöhnlichen Leute, die sie bei ihren Abenteuern kennenlernte, waren normalerweise so sehr mit ihren eigenen Abenteuern beschäftigt, dass sie sich nicht wieder meldeten, es sei denn, sie brauchten Hilfe beim Vereiteln einer Alien-Invasion oder beim Erkunden der mit Sprengfallen versehenen Ruinen einer lange verschollenen Zivilisation.

Normale Freunde waren auch nicht ohne Probleme. Es war nicht leicht, das Normale und das Außergewöhnliche auszubalancieren. Diese beiden Seiten ihres Lebens passten nicht immer zusammen und die Konsequenzen konnten unangenehm werden.

Drei ihrer Männer hatten ein tragisches Ende genommen. Einmal wäre Pech gewesen. Zweimal verzeihlich. Dreimal war ein Zeichen des Universums. Die gesündeste Beziehung, die sie je gehabt hatte, war die mit einem Warlord gewesen, der in der mythischen Vergangenheit lebte, und das war wiederum durch dieses ganze Zeitreiseding kompliziert geworden, was sie zu vermeiden gelernt hatte, seit sie mehrere böse Versionen ihrer selbst aus der Zukunft hatte töten müssen. Oder die sie irgendwann würde töten müssen. Da war sie sich immer noch nicht ganz sicher.

Connie hatte eine Freundin unter den Normalen. Mit ihr war sie seit der Feier zu ihrem siebten Geburtstag befreundet, der vom Angriff einer Riesenschlange unterbrochen worden war. Nachdem sie das Monster erlegt hatte, indem sie dessen heftige Allergie gegen Geburtstagstorten ausgenutzt hatte, waren alle anderen Kinder geflohen. Alle außer Tia, die es geschafft hatte, einen Cupcake für Connie aufzuheben. Von da an waren sie beste Freundinnen gewesen.

Sie waren in ihrem Lieblingsladen verabredet, der kitschigen Filiale einer Restaurantkette mit künstlich skurriler Einrichtung. Der Laden war langweilig und öde, ein Ort, an dem keine Abenteuer passierten. Jedenfalls nicht oft. Überall, wo Connie hinging, konnten Abenteuer lauern.

Connie war als Erste da. Wie immer. Das war die Regel. Sie suchte sich einen Tisch, und als sie sich setzte, klingelte ihr Handy.

»Der Adler isst um Mitternacht Käse«, sagte Tia geheimnisvoll.

»Der Elch tanzt unter dem Halbmond«, antwortete Connie genauso geheimnisvoll.

Es folgte eine Pause.

»Warte. Ist das gut oder schlecht?«, fragte Tia.

»Warum fragst du mich das? Du hast dir doch die Sache mit den Codesätzen ausgedacht.«

»Man muss sich ganz schön viel merken. Elch ist das Codewort für Vampire, oder? Ist da im Moment ein Vampir?«

»Elch ist das Codewort für Aliens«, sagte Connie.

»Da sind Aliens?«

Connie warf einen Blick auf den unscheinbaren Mann, der in einer Sitzecke am anderen Ende des Raums saß. Nicht viele Leute hätten die Kiemen an seinem Hals bemerkt oder den fest geschlossenen Schlitz, hinter dem sich sein drittes Auge verbarg. Noch weniger hätten gewusst, dass sie überhaupt hinschauen müssten.

»Da ist einer«, sagte sie. »Aber er ist einfach mit Freunden hier. Dürfte kein Problem sein.«

»Das wird aber nicht so was wie der Zwischenfall mit der Mumie, oder? Wenn ich mich recht erinnere, hast du damals auch gesagt, es sei kein Problem.«

»Nein, ich sagte, dass ich nicht glaubte, dass es zu einem Problem werden würde. Mumien sind unberechenbar. Du bist diejenige, die trotzdem mit mir zu der Ausstellung ägyptischer Artefakte gehen wollte, obwohl du meine Vorgeschichte mit verfluchten Untoten kanntest. Also war das nicht meine Schuld. Aber das ist nur ein Alien, dem Aussehen nach aus dem Ragkurian-Spiralnebel. Die sind völlig harmlos.«

»Warum hast du ihn dann erwähnt?«

»Willst du es mir noch ewig weiter so schwer machen oder kommst du einfach? Die Luft ist rein, ich schwöre es. Das Gefährlichste hier ist eine Frau an der Bar, die darüber nachdenkt, ihren Mann wegen der Versicherung umzubringen.«

»Du weißt, ich liebe dich, Connie, aber es ist gruslig, wenn du dein Detektiv-Ding machst.«

»Tut mir leid. Wir können uns auch in der Safe Zone treffen.«

Die Safe Zone war der Pausenraum der Versicherungsfirma, in der Tia arbeitete. Dort passierte nie etwas Aufregendes.

»Nein, ist okay. Ich hab sowieso die Schnauze voll von Burritos aus der Mikrowelle.« Tia kam von hinten um Connie herum und trat an den Tisch. Sie beendete das Telefonat und zog die Augenbrauen hoch. »Hab ich dich überrascht?«

»Klar. Total. Ich hatte keine Ahnung, dass du dem Kellner zehn Mäuse zugesteckt hast, damit du dich in der Küche verstecken und versuchen kannst, mir zuvorzukommen. Genau wie ich keine Ahnung habe, dass du dafür vierzig Minuten zu früh hier warst und einen Toast gegessen hast, weil du zu großen Hunger hattest, um zu warten.«

Tia setzte sich an den Tisch. »Da ist aber jemand heute bissig drauf. Ich nehme an, das Bewerbungsgespräch lief nicht so gut?«

»Ich habe die Welt davon abgehalten, uns alle zu töten, aber abgesehen davon war es eine Pleite.«

»Tut mir leid.«

»Schon okay. Ich bin nur schlecht gelaunt, weil ich Hunger habe.«

Connie bestellte eine Suppe, ein Sandwich und ein Bier. Die Suppe war geschmacksfrei. Das Sandwich zäh. Das Bier warm. Nichts davon war eine Überraschung. Gerade, weil das Restaurant nichts Besonderes war, kamen sie her.

»Ich weiß immer noch nicht, warum du überhaupt einen Job willst«, sagte Tia. »Arbeit ist doch langweilig. Und du musst nicht arbeiten, oder? Du bist reich.«

»Nicht so reich, wie du vielleicht denkst. Der größte Teil der Schätze, die ich im Lauf der Zeit gesammelt habe, war verflucht. Das Zeug kann man nicht wirklich ausgeben. Aber ja, Geld ist nicht das Problem. Es geht nicht um Geld. Geld bringt nicht viel, wenn man keine Zeit hat, es auszugeben, und wenn ich ab und zu in den Urlaub fahren könnte, hätte ich nicht viel Grund zur Beschwerde.

Für mich ist jeder Tag ein Abenteuer. Jeder einzelne Tag. Wenn sie schnell gehen, schaffe ich manchmal auch zwei Abenteuer am Tag. Ich will einfach nach Hause gehen, mich auf dem Sofa einkuscheln und mir keine Sorgen machen, dass ich von Felsmonstern entführt werde oder an gut aussehende, sorglose Schurken gerate.«

»Ich sage dir doch immer wieder, du kannst mir die Schurken, die du nicht brauchst, gern vorbeischicken.«

»Die nutzen sich auch ab«, sagte Connie. »Wenn sie dich nicht bei einem ausgeklügelten Plan, die Kronjuwelen von England zu stehlen, verraten.«

»Verrats-Sex ist aber bestimmt ziemlich heiß«, erwiderte Tia mit einem schiefen Lächeln.

Connie nickte. »Stimmt. Das ist es fast immer wert. Wenn es einem nichts ausmacht, hinterher über einer Krokodilgrube zu hängen.«

»Ich kann immer noch kaum glauben, dass es im Tower von London eine Krokodilgrube gibt.«

»Krokodilgruben gibt es überall.«

Tia fragte: »Was ist dann dein Plan?«

»Wer sagt, dass ich einen Plan habe?«

»Du selbst. Ich sehe es dir an den Augen an. Du hast diesen Blick. Entschlossen. Konzentriert. Streite es nicht ab. Ich habe ihn schon tausendmal gesehen. Was mich zu dem Schluss bringt, dass du demnächst etwas Tollkühnes und Unglaubliches machst, und da es eine Weile her ist, seit ich den Blick gesehen habe, kann ich nur annehmen, dass es mit deinem Wunsch zu tun hat, normal zu sein.«

»Dieses Detektiv-Ding ist wirklich irgendwie gruslig«, stimmte Connie zu.

»Für einen normalen Menschen bin ich manchmal gar nicht so schlecht.«

»Du hast recht. Ich habe einen Plan, und das Schöne daran ist seine Einfachheit.«

Connie beugte sich vor. Das billige Restaurantlicht warf dunkle Schatten auf ihr Gesicht.

»Ich werde meine gute Fee umbringen.«

Vier

 

Constance Verity war nicht als ein außergewöhnliches Wesen geboren worden, sondern wurde es erst gut drei Stunden später.

Die sehr kleine Frau flatterte ins Krankenzimmer. Ihre winzigen, hauchdünnen Flügel waren viel zu klein und zart, um sie zu tragen, aber da sie kaum flatterten, konnte man mit einiger Sicherheit sagen, dass sie hauptsächlich um des Effektes willen da waren. Sie trug einen grellen blaulila Hosenanzug. Glitzerkleider waren in ihrem Beruf ein paar Jahrzehnte zuvor aus der Mode gekommen. Sie hatte aber immer noch eine Schwäche für Pailletten, und sie funkelten auf ihrem Revers.

»Ah, da bist du.« Ihr rundes, engelsgleiches Gesicht runzelte sich zu einem sanften Lächeln. Ihre rosigen Wangen glühten, und sie zog einen Zauberstab aus ihrer Innentasche. »Es war echt höllisch schwer, dich zu finden, meine Liebe.«

Mr. Verity, ein nichtssagender Mann unbestimmter Volkszugehörigkeit und im Alter irgendwo zwischen zwanzig und fünfzig Jahren (soweit es ein oberflächlicher Betrachter einschätzen konnte) war ein technikbegeisterter Typ und davon fasziniert, wie sie es schaffte zu fliegen. Seine erste Vermutung war eine Art Drahtgeschirr, aber das erschien ihm unpraktisch.

»Können wir Ihnen helfen?«, fragte er.

Sie kicherte. »O nein, ich bin es, die euch helfen wird. Nicht euch im Speziellen. Um euch zu helfen, ist es viel zu spät. Ihr seid beide vollkommen normale, vollkommen langweilige Leute, was aber keine Beleidigung sein soll. Die Welt kann immer vollkommen normale, vollkommen langweilige Leute gebrauchen. Aber eure Tochter muss deshalb nicht auch so werden.«

Constances Mutter, die genauso nichtssagend war wie ihr Mann, sagte: »Hat Sharon Sie geschickt?«

»Das Schicksal selbst hat mich geschickt, gute Frau. Um diesem schönen Kind einen Segen zu bringen.« Sie landete neben dem Bett und reichte Mr. Verity eine Visitenkarte. Darauf stand:

Großmutter Willow,

Gute Fee

Großmutter Willow zwinkerte Constance zu, die ihre gute Fee mit dem leeren, verwirrten Blick anstarrte, der für Neugeborene reserviert war und für Kiffer, die darüber nachgrübelten, ob ihre Katzen die Geheimnisse des Universums kannten und sie nur nicht verrieten.

»Wie viel kostet das?«, fragte Mr. Verity, während er auf der Suche nach Drähten mit den Händen über Großmutter Willow herumwedelte.

»Euch? Nichts. Für diesen Fall habe ich den Auftrag von einer Agentur von außerhalb bekommen.« Sie legte den pummeligen Finger an die Lippe. »Fragt mich nicht. Ich darf es nicht erzählen. Doch euch soll ein Segen zuteilwerden, und er soll das Schicksal dieses schönen Kindes auf die fantastischste Weise verändern.«

Sie tippte ihren Zauberstab gegen den Nachttisch, um den Feenstaub abzuschütteln. Ein kleines Häufchen bunter Sand funkelte wie ein Regenbogen.

»Die Frage ist: Welche Form soll dieser Segen haben? Großer Reichtum? Zu uninteressant. Großer Ruhm? Zu oberflächlich. Makellose Schönheit? So letztes Jahrhundert. Übermenschliche Kraft? Zu traditionell. Mit Tieren sprechen?« Kichernd schüttelte sie den Kopf. »Himmel, nein. Allein das Geplapper der Vögel reicht schon, um einen auf ewig zu verstören.«

»Haben wir kein Mitspracherecht?«, fragte Mrs. Verity, die das alles zwar keine Sekunde lang glaubte, aber das Spiel genoss.

»Nein, nein, nein. Eltern kann man diese Entscheidung nicht anvertrauen. Sie ist viel zu wichtig. Vielleicht sollte ich das Kind selbst fragen.« Großmutter Willow schwebte über das Bett, und Mr. Verity beschloss, es musste etwas mit Magneten zu tun haben.

»Sag mir, liebes Kind, was ist dein tiefster Wunsch?«

Sie schwebte dichter an Constance heran, die gluckste.

»Ich verstehe. Aber könntest du vielleicht konkreter werden?«

Constance nieste Großmutter Willow ins Gesicht. Stirnrunzelnd landete die gute Fee am Fußende des Bettes. Sie wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab, während über ihrem Kopf eine kleine schwarze Wolke grollte.

»Eine gefährliche Wahl, Kleine, aber es ist deine Entscheidung.«

Mit ihrem Zauberstab vollführte sie Kreise in der Luft und verteilte Glitzerstaub im ganzen Raum.

»Wenn auch alle anderen Sterblichen entweder im Gewöhnlichen oder im Fantastischen wandeln, sollst du durch beide Welten reisen. Von der Dämmerung deines siebten Geburtstages an soll dein Leben voller Abenteuer und Wunder sein, und das soll bis zum Tag deines ruhmreichen Todes so blieben.«

Der Raum wurde in blendendes Licht getaucht.

»So soll es sein!«, rief Großmutter Willow. Ihre Worte hallten mehrere Minuten lang durch das Krankenhaus, sprangen spielerisch in seinen Fluren hin und her.

Mit einem Knall verschwand das Licht.

Großmutter Willow bürstete sich den Feenstaub von der Schulter. Auf allem lag eine Schicht von dem Zeug.

»Sorry für die Schweinerei.« Sie nickte Mr. und Mrs. Verity zu und steckte ihren Zauberstab in die Tasche zurück. »Einen schönen Tag. Und Glückwunsch.«

Auf einem in ihre Hose eingebauten, sorgfältig verborgenen Luftkissenfahrzeug, zu diesem Schluss kam Mr. Verit, schwebte sie zur Tür hinaus.

Fünf

 

»Bringt es nicht Pech, eine gute Fee umzubringen?«, fragte sie.

»Wahrscheinlich«, sagte Connie. »Aber ich muss es tun.«

»Das ist ziemlich kaltblütig.«

»Ich töte nicht zum ersten Mal.«

»Das meine ich nicht. Die anderen Male waren Selbstverteidigung, oder? Du hast nie jemanden gejagt, um ihn zu töten, oder?«

»So wie ich es sehe, ist das auch Selbstverteidigung.«

»Du weichst der Frage aus.«

»Ich habe beim zweitgrößten Assassinen des Universums studiert. Und nachdem er von der größten Assassinin umgebracht wurde, habe ich bei ihr studiert. Ich habe genug gesehen und getan, um zu wissen, dass das Leben billig ist und dass der Grat zwischen Held und Mörder ein schmaler sein kann.«

»Du meine Güte.« Tia verdrehte die Augen. »Wie lange hast du diese Rede schon in der Tasche?«

»Seit heute Nachmittag, als ich mir den Plan ausgedacht habe und wusste, du würdest ihn mir ausreden wollen.«

»Ich will ihn dir gar nicht ausreden«, erwiderte Tia. »Ich möchte nur, dass du noch ein bisschen darüber nachdenkst. Das tun Freunde, wenn ihre Freunde kurz davor sind, möglicherweise einen Fehler zu machen.«

»Du hältst es also für einen Fehler.«

»Ich sagte möglicherweise. Ich weiß es nicht, Connie. Ich führe nicht dein Leben, aber ich sitze den größten Teil davon an der Seitenlinie und wurde ab und zu schon hineingezogen. Ich kann sagen, dass das nicht zu dir passt. Du bist keine Mörderin. Nicht so.«

»Vielleicht hast du recht. Das finde ich aber nur heraus, indem ich meine gute Fee suche und schaue, was passiert.«

»Na gut, aber dann komme ich mit.«

»Auf keinen Fall. Das ist zu gefährlich.«

»Wir sprechen hier über gute Feen«, sagte Tia. »Was soll sie denn machen? Mich mit ihrer Kürbiskutsche überfahren? Mich unter einer Lawine von Ballkleidern begraben?«

»Du denkst an Feen aus Disney-Filmen. Echte Fae sind gefährlich und unberechenbar.«

»Genau deshalb solltest du Verstärkung dabeihaben.«

»Du wärst ein Risiko«, sagte Connie.

»Noch besser. Hast du mir nicht mal erzählt, die Eigenschaft eines guten Sidekicks sei, schlecht ausgebildet und übertrieben begeistert zu sein?«

»Soll das heißen, du möchtest ein Sidekick sein?«

»Nein, ich möchte dein Sidekick sein. Du bist die Constance Verity. Du machst jeden Tag alle möglichen unglaublichen Sachen. Ich will mal dabei sein. Ich habe bisher ein vollkommen normales Leben geführt, abgesehen von den Momenten, als ich in deine Heldentaten hineingezogen wurde. Und was hat es mir gebracht? Einen langweiligen Job, eine Scheidung und ein Haus, das ich schon viel zu viele Jahre dekoriere und dann wieder umdekoriere. Ich habe erst kürzlich mit meiner Mom überlegt, ob ich mit einem neoasiatisch/postmodern-russischen Thema experimentieren soll.« Tia schüttelte sich. »Lieber Gott, was ist nur aus meinem Leben geworden? Du hast mich vor Außerirdischen und Gangstern gerettet. Da kannst du mich wenigstens auch davor retten, Wandteppiche shoppen zu gehen.

Und bevor du Nein sagst: Ich komme sowieso mit und laufe dir stur hinterher, bis du keine andere Wahl mehr hast, als mich mitzunehmen.«

»Das würdest du wirklich tun, oder?« Connie lachte. »Okay, du bist dabei, aber ich übernehme keine Verantwortung, was auch immer passiert.«

»Was soll schon passieren? Ich werde mit Constance Verity unterwegs sein, sicherer kann man vermutlich in diesem ganzen verdammten Universum nicht sein.«

»Oh, warum musstest du das sagen? Du hast es gerade verflucht.«

»Ich dachte, du glaubst nicht an Flüche«, sagte Tia.

Das tat Connie auch nicht.

Aber sie war sich keineswegs sicher, dass Flüche auch nicht an sie glaubten, und sie hatten sehr viel Zeit gehabt, einen Groll aufzubauen.

Sechs

 

Connie hatte gelernt, ihre ruhigen Momente zu genießen, wo sie konnte. Nach dem Zwischenfall mit der Hungrigen Erde konnte sie eine Auszeit gebrauchen. Normalerweise teilte ihr der Kosmos auch eine Ruhezeit zu, nachdem sie die Welt gerettet hatte.

Tia hatte Abendpläne mit ihren normalen Freunden und lud Connie dazu ein. Es war immer ein Risiko, mit Tias Freunden auszugehen. Connie konnte nicht so gut mit normalen Leuten und normalem Zeug umgehen. Sie konnte zwar so tun als ob, aber es war immer so viel Gequatsche. Sosehr sie sich auch bemühte: das normale Zeug interessierte sie einfach nicht. Sie schaute nicht viel fern. Wenn sie Zeit zum Lesen fand, waren es meistens obskure Lehrtexte über Fähigkeiten, die sie vielleicht irgendwann einmal gebrauchen konnte. Ihr Musikwissen beschränkte sich hauptsächlich auf Popsongs aus der Großen Magellanschen Wolke, die überraschend eingängig waren, wenn man sich an den kreischenden Gesang gewöhnt hatte.

Also lehnte sie die Einladung ab und verabredete sich mit Tia für den nächsten Tag zu Connies letztem Abenteuer.

»Es könnte dir guttun, ab und zu mal unter normale Leute zu kommen«, sagte Tia.

»Du weißt doch, wie ich mit Leuten bin«, erwiderte Connie.

»Ja, ich weiß, wie du bist. Und wie Leute sind. Aber wenn du wirklich versuchen willst, normal zu sein, solltest du dich schon mal daran gewöhnen.«

»Wir wissen beide, dass es so nicht läuft. Wenn ich mit dir hingehe, kann genauso gut etwas Abgefahrenes passieren. Ich glaube nicht, dass mir deine Freundin Dolores je verziehen hat, dass ich ihre Babyparty ruiniert habe.«

»Ruiniert? Wenn du nicht da gewesen wärst, wären wir alle jetzt Gehirne in Einmachgläsern.«

»Ich glaube nicht, dass sie das so sieht«, sagte Connie.

Es war eine schwierige Frage. Löste Connie durch ihre reine Anwesenheit eigenartige Abenteuer aus oder zwang das Universum sie, darüberzustolpern? Sie hatte es nie herausgefunden, aber sie konnte Tias Freunden nicht verdenken, dass sie paranoid waren. Wenn sie mit Tia auftauchte, würde sich wahrscheinlich die Hälfte von ihnen Gründe ausdenken, warum sie dringend gehen mussten. Und die andere Hälfte würde höflich sein und so tun, als erwarteten sie nicht, dass jede Sekunde eine Katastrophe hereinbrechen könnte, während sie bei jedem plötzlichen Geräusch zusammenzuckten.

»Wie du möchtest«, sagte Tia, »aber wehe, du fängst dein Abenteuer ohne mich an.«

»Würde mir nicht im Traum einfallen«, sagte Connie, obwohl sie darüber nachgedacht hatte.

Sie verabschiedeten sich, und Connie ging in ihre Wohnung im besseren Teil der Stadt zurück.

Mr. Prado war da, um sie zu begrüßen. Normalerweise war er immer da. Ihm gehörte das Gebäude, und er verbrachte einen Großteil seiner Zeit in der Lobby, las Bücher und wartete darauf, dass jemand vorbeikam, damit er ein Gespräch anfangen konnte. Connie hatte den Verdacht, dass er das Gebäude nur besaß, um Leute auf dem Weg zum Aufzug abfangen zu können.

Bei Connies Anblick strahlte er. »Wenn das nicht meine Lieblingsmieterin ist. Erzählen Sie mir von der großartigen neuen Arbeitsstelle, die Sie heute bekommen haben?«

»Keine Stelle heute«, antwortete sie.

»Oh, ich bin sicher, Sie werden bald etwas finden. Solange Sie nicht in eine Ihrer Exkursionen verwickelt werden. Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen. Ich bin sicher, dass sich schon bald etwas auftun wird.«

Connie betrat den Aufzug.

»Vorhin kam ein Paket für Sie an«, sagte Prado. »Keine Sorge. Ich habe die Annahme verweigert, wie Sie mich gebeten haben. Es hatte allerdings eine höchst eigenartige Form, und es hat gesungen. Ich frage mich schon, was drin war.«

Connie hatte bereits vor Jahren aufgehört, sich das zu fragen. Sie bekam ständig geheimnisvolle Päckchen. Zwei oder drei die Woche. In ihrer Jugend hatte sie sie noch mit Begeisterung geöffnet, nur zu bereit, sich in jede Großtat zu stürzen, die damit begann. Irgendwann war ihr der Spaß an diesen kleinen rätselhaften Geschenken dann aber vergangen.

»Danke, Mr. Prado. Sie sind ein Lebensretter.«

»Jederzeit gerne«, sagte er, als sich die Aufzugtüren schlossen.

Connies Wohnung war eine Ansammlung von Kartons, gefüllt mit den Schätzen eines außergewöhnlichen Lebens. Manche hätten sie vielleicht – fälschlicherweise – für einen Messie gehalten, aber sie hatte Platz für all das Zeug, wenn sie nur irgendwann die Zeit fand, es auch auszupacken. Abenteuer waren zeitintensiv, und der Tag hatte nicht genug Stunden, um gegen Drachen zu kämpfen und sich irgendeine Art von Routine anzugewöhnen. Deshalb war der Segen von Großmutter Willow ein Fluch. Zu beiden Welten zu gehören hieß, dass etwas zu kurz kam, und sosehr Connie auch versuchte, es zu vermeiden, meistens blieb doch die normale Welt auf der Strecke.

Sie entspannte sich mit einem langen Bad und einem Bier. Dann setzte sie sich, umgeben von ihren Souvenirs, auf die Couch und versuchte, beim Fernsehen abzuschalten.

Es funktionierte nicht.

Sie war überdrehter, als sie gedacht hatte. Der Gedanke, dass das ihre Abschiedsvorstellung werden könnte, machte sie ungeduldig, damit anzufangen. Dabei war sie noch nie besonders geduldig gewesen. Sie war eine Frau der Tat, und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, machte sie es normalerweise einfach. Aber sie hatte Tia versprochen, dass sie warten würde.

Sie musste ja nicht in ihrer Wohnung warten. Also beschloss sie auszugehen. Sie hatte keine konkreten Pläne, aber sie würde schon etwas finden.

Während sie die Wohnungstür abschloss, öffnete sich die Tür gegenüber und eine Frau kam heraus.

Connie nickte ihr zu. »Hallo.«

»Hallo«, sagte die Frau. »Bist du neu eingezogen?«

»Nein, ich wohne hier schon eine Weile«, sagte Connie.

Misstrauen huschte über das Gesicht der Frau. »Hm. Ich dachte, die Wohnung würde als Lager genutzt.«

Das war nicht weit von der Wahrheit entfernt.

»Wahrscheinlich haben wir uns noch nicht kennengelernt. Ich reise viel. Verbringe kaum Zeit zu Hause. Ich bin Connie.«

Die Nachbarin blinzelte. »Du kommst mir bekannt vor. Bist du berühmt?«

»Ich habe mal in der Lotterie gewonnen«, antwortete Connie. Es war keine Lüge. Sie sagte nicht dazu, dass sie dadurch ein Lotterie-Absprachesystem entdeckt hatte, was zu einer Schießerei in einem Zeppelin geführt hatte. Man musste es ja nicht unnötig kompliziert machen.

»Ach ja. Ich bin Dana.«

Sie wirkte normal. Ein bisschen zu normal. Connies Argwohn erwachte. Viele normale Dinge in ihrem Leben waren nicht normal.

Dana zog ihre Hand zurück, die sie schon ein paar Sekunden ausgestreckt gehalten hatte. Connie griff danach.

»Entschuldigung. Ich bin ein bisschen abgelenkt. Connie.«

Sie schüttelten sich die Hände. Connie überprüfte den Händedruck auf etwas Verdächtiges. Schwammige Androidenhaut. Zimmerwarme Untote. Zu heiße Lavaperson. Ein elektrischer Schlag. Das Pieken einer versteckten Spritze voller Gift. Das Übliche eben.

Danas Handy klingelte. Sie drehte Connie den Rücken zu.