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ISBN 978-3-492-97731-9

Juni 2017

© Piper Verlag GmbH, München 2017

Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München unter Verwendung eines Fotos der SWM

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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Einleitung

Die Stadtwerke München sind heute mit fast 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer der größten deutschen Kommunalversorger. Sie betreiben die Strom-, Gas-, Fernwärme- und Trinkwassernetze der bayerischen Metropole genauso wie den größten Teil des öffentlichen Nahverkehrs in München sowie die zahlreichen Hallen- und Freibäder. Zudem bieten sie Telekommunikationsdienstleistungen an. Ihre Angebote werden von jedem Einwohner und jedem Besucher der Stadt täglich genutzt. Gleichwohl ist über dieses Unternehmen immer noch wenig bekannt. Wer über die zweifellos informativen Internetseiten der Stadtwerke München hinaus Näheres erfahren will, wird fast nur Literatur zu einzelnen Sparten des Geschäfts finden, die zumeist von Mitarbeitern des Unternehmens verfasst wurde.[1] Eine zusammenfassende Übersicht, die anlässlich der Umwandlung der Stadtwerke in eine GmbH 1998 erschienen ist, beschränkt sich weitgehend auf die technischen Anlagen, Dienst- und Versorgungsleistungen.[2] Um zu verstehen, wie die Stadtwerke München wurden, was sie heute sind, und worin die besonderen Merkmale dieses Unternehmens bestehen, bedarf es eines genaueren und breiteren Blicks auf die historischen Wurzeln.

Die Geschäftsführung der Stadtwerke München hat sich daher entschlossen, die Geschichte des Unternehmens von den Vorgängerinstitutionen bis in die jüngste Zeit hinein erforschen zu lassen. Diese Entscheidung fiel, ohne dass ein Jubiläum »drohte«. Von Anfang an stand fest, dass dieses Projekt wissenschaftliche Unabhängigkeit erforderte und nach den Maßstäben der heutigen Unternehmensgeschichte durchzuführen war. Dazu gehört auch, dass dunkle Seiten offen dargelegt und Entscheidungen kritisch hinterfragt werden. Für die Auftraggeber wie für die Autoren war es ein Pionierprojekt, da bisher noch keine derart ausführliche Untersuchung zur Geschichte eines kommunalen Unternehmens durchgeführt worden ist. Die Ergebnisse liegen nun mit diesem Band vor.

Während die gängige Literatur zur Geschichte von Stadtwerken zumeist die Rechtsform und den öffentlichen Auftrag oder die technische Entwicklung in einzelnen Sparten behandelt, steht im Folgenden die Entwicklung des Unternehmens aus einer übergreifenden Perspektive im Vordergrund.[3] Dabei ist vom wichtigsten Merkmal der Geschichte kommunaler Eigengesellschaften auszugehen, dem schrittweisen, aber fast unaufhaltsamen Wandel von einer Behörde der Stadtverwaltung zu einem kommunalen Eigenbetrieb und zu einer Kapitalgesellschaft in kommunalem Eigentum, ja zu einem Konzern, der auch im norwegischen Gasgeschäft engagiert ist und gemeinsam mit Partnern ein Kraftwerk in Spanien betreibt. Vor diesem Hintergrund werden die Veränderungen in Organisation und Aufbau darzustellen sein, aber auch die Spielräume, die Werkleiter bzw. Geschäftsführer hatten, und die Gründe, die jeweils zur Einführung einer neuen Rechtsform führten. Letzteres soll besonders an der gut dokumentierten Umwandlung vom Eigenbetrieb in eine GmbH im Jahr 1998 näher beleuchtet werden.

Weitere Schwerpunkte bilden die Eigentumsform und der Ordnungsrahmen. Anders als etwa in Berlin und Hamburg blieben die kommunalen Versorger in München seit dem Ende des 19. Jahrhunderts stets im Besitz der Stadt. Dabei waren die Gasversorgung und die Straßenbahnen hier von privaten Unternehmen eingeführt worden, und auch später gab es gelegentlich Überlegungen zur Privatisierung einzelner Sparten. Warum setzte sich die Form des kommunalen Betriebs bzw. Unternehmens hier durch, warum hielt die Stadt daran auch in der Privatisierungswelle der 1980er und 90er Jahre fest und wie hat sich dieses Ordnungsmodell in München bewährt? Auch wird zu fragen sein, wie stark die Geschäftsstrategien der Stadtwerke und ihrer Vorgängerbetriebe von dem Status eines kommunalen Unternehmens geprägt wurden. Nach welchen Kriterien wurden geschäftspolitische Entscheidungen getroffen? Wie wirkte sich etwa die Gemeinwohlbindung auf die Preisgestaltung aus? Welche Bedeutung hatte die spezifische, durch das lokale Gebietsmonopol gekennzeichnete Marktposition? Wie war es mit der politischen Einflussnahme bestellt, besonders in der Zeit des Nationalsozialismus?

Damit verbunden ist die Bedeutung der Stadtwerke als dezentraler Versorger. Heute ist dieses Modell in der deutschen Öffentlichkeit so populär wie selten zuvor. Mit Stadtwerken werden Gemeinwohlorientierung und Förderung der Region assoziiert.[4] Energiepolitiker auf nationaler und auch auf Landesebene haben es oft anders gesehen. Sie hielten Stadtwerke wegen des kleinen Versorgungsgebiets für eine unrentable Lösung und setzten auf private Energiekonzerne und andere überregionale Versorger. Mitunter wurden die Stadtwerke auch mit »kommunalem Filz« in Verbindung gebracht. Mit der Liberalisierung des Energiemarkts am Ende der 90er Jahre ist die Diskussion um die Organisationsform der Versorger neu entbrannt, und es entstanden neue Modelle, etwa Zusammenschlüsse zwischen privaten und öffentlichen Versorgern oder Netzwerke aus lokalen und regionalen Stromunternehmen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es geboten, den Blick stärker als bisher auf die empirischen Erkenntnisse zu richten, die sich aus der Geschichte kommunaler Versorger gewinnen lassen.

Da in dem vorliegenden Buch die Unternehmensperspektive im Vordergrund steht, gliedert sich der Band primär nach Epochen, nicht nach Geschäftssparten, wie dies in Chroniken von Stadtwerken häufig der Fall ist. Die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten lassen es freilich nicht zu, auf eine systematische Gliederung ganz zu verzichten. Innerhalb der einzelnen Teile finden sich daher Kapitel und Unterkapitel, die sich auf einen oder auch mehrere der Bereiche Energie, Wasser und Verkehr beziehen. Auch die Bäder werden von Anfang an nach diesem Schema miteinbezogen, obwohl sie erst seit den 1950er Jahren zu den Stadtwerken gehören, da sie sich frühzeitig in städtischem Besitz befanden. Die Telekommunikation kam hingegen in den 1990er Jahren als völlig neue Sparte kommunaler Dienstleistungen hinzu.

Die Geschichte eines Kommunalversorgers ist immer auch Teil der allgemeinen Entwicklung der kommunalen Dienstleistungen und der Daseinsvorsorge. Auch am Beispiel der Stadtwerke München und ihrer Vorgängerbetriebe werden die großen Trends der jeweiligen Zeit deutlich. Es zeigt sich, in welchen Bereichen die kommunale Versorgungswirtschaft entstand und wie sie sich ausweitete. Damit einher gingen tief greifende Veränderungen durch technische Basisinnovationen, die Entstehung neuer Branchen sowie neuer Verkehrs- und Kommunikationsnetze, aber auch der Wandel von Gewohnheiten, Bedürfnissen und Ansprüchen der privaten Haushalte. Die kommunale Versorgung in München begann mit den ersten Ansätzen eines Trinkwassernetzes und einer Straßenbeleuchtung und führte über die Elektrifizierung und den Übergang zu erneuerbaren Energien bis zu den neuesten Kommunikationstechnologien. Es wird zu zeigen sein, wann entscheidende Schübe dieser Art stattfanden, bei welchen die Münchner Stadtwerke bzw. Kommunalbetriebe zu den Vorreitern und bei welchen sie zu den Nachzüglern gehörten, wie sich die Betriebsergebnisse in den einzelnen Sparten entwickelten und wie sich die Strukturen der Stadtwerke mit dem Ausbau der kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungen wandelten.

In der Geschichte der Münchner Stadtwerke spiegelt sich zugleich die Geschichte Münchens so stark wider wie bei keinem anderen Unternehmen. Die Struktur der königlichen Haupt- und Residenzstadt mit geringer Industriedichte und hohem Bevölkerungswachstum prägte das Profil der frühen kommunalen Betriebe. Die Stadtwerke hatten am Ausbau der Stadt zur modernen Metropole Anteil, an deren herausgehobener Stellung als »Führerstadt« in der NS-Zeit wie auch an dem beispiellosen Wachstums- und Industrialisierungsschub, den München nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr. Sie hatten Lösungen für die Verkehrs- und Versorgungsprobleme in der wachstumsstärksten Region der Bundesrepublik zu finden und Prognosen über die zukünftige Entwicklung anzustellen. In der Geschichte der Münchner Stadtwerke schlug sich auch die geografische Lage der bayerischen Metropole nieder. Der Wasserreichtum Oberbayerns und die große Entfernung zu Kohlerevieren und Seehäfen prägten die Strategien bei der Energie- wie bei der Wasserversorgung. Vor diesem Hintergrund wird zu fragen sein, inwieweit sich die Entwicklung der kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungen in München von der in vergleichbaren Städten unterschied und ob sie einem besonderen, durch lokale Gegebenheiten bedingten Pfad folgte.

Wer sich mit der Geschichte von Stadtwerken beschäftigt, steht vor dem Problem, dass diese weit über die Gründung der Unternehmen zurückreicht und ihre Anfänge nicht leicht zu bestimmen sind. Unternehmen mit der Bezeichnung »Stadtwerke« entstanden erst ab Ende der 1930er Jahre, bedingt durch die Vorgaben des damaligen Kommunalrechts. Die Stadtwerke München wurden am 1. April 1939 durch den Zusammenschluss der Elektrizitätswerke, der Gas- und Wasserwerke und der Verkehrsbetriebe gegründet. Die Grundlagen des städtischen Energieversorgungs- und Nahverkehrssystems waren von diesen Werken aber schon in den vorangegangenen Jahrzehnten als städtische Regiebetriebe gelegt worden. Die neuere Forschung geht denn auch davon aus, dass die Geschichte der Stadtwerke bereits mit der Bildung eines koordinierten Querverbunds zwischen unterschiedlichen kommunalen Versorgungs- und Dienstleistungsbetrieben begann.[5] Für die Stadtwerke München bietet es sich an, den Ausgangspunkt ihrer Geschichte auf den 1. November 1899 zu datieren. An diesem Tag entstanden die beiden ersten städtischen Betriebe für die kommunale Versorgung, die Elektrizitätswerke und die Gasanstalt. Beide unterstanden der Aufsicht durch einen städtischen Verwaltungsausschuss.

Die Stadtwerke München haben den Autoren dieses Bandes uneingeschränkte Einsicht in alle historischen Unterlagen gewährt. In der Zentralregistratur und im Archiv der Geschäftsführung Versorgung und Technik konnten auch neuere, bis in die jüngste Zeit hineinreichende Akten eingesehen werden. Da die Stadtwerke München über kein Unternehmensarchiv verfügen, musste für die früheren Epochen auf Bestände des Stadtarchivs München zurückgegriffen werden.[6] Insgesamt gestaltet sich die Überlieferung für die einzelnen Teile dieses Buchs sehr unterschiedlich. Für die letzten Jahrzehnte lässt sich die Entwicklung des Unternehmens anhand der Unterlagen in den Registraturen und Archiven der Stadtwerke recht genau erfassen. Zusätzlich konnten Zeitzeugeninterviews durchgeführt und Dokumente aus privaten Archiven ausgewertet werden. Für die Jahre 1919 bis 1945 sind die Verwaltungs- bzw. Jahresberichte und die im Stadtarchiv München überlieferten Protokolle des Werkausschusses die wichtigste Quelle. Ergänzend wurden für die Zeit des Nationalsozialismus Spruchkammerakten des Staatsarchivs München herangezogen. Für die frühere Zeit ist die Überlieferung von Akten recht dünn. Die Darstellung stützt sich hier neben den im Stadtarchiv München vorhandenen Beständen auf Veröffentlichungen und ergänzend auch auf Akten der Staatsarchive. Epochenübergreifend konnten die Archivbestände des MVG Museums ausgewertet werden.

Aufgrund der wiederholten Veränderungen in der Organisationsform der städtischen Werke und der Brüche in der Überlieferung des Schriftguts sind die einzelnen Teile dieses Bandes von unterschiedlichem Zuschnitt. Die beiden Teile zu Vorgeschichte und Frühzeit der städtischen Betriebe haben stärker den Charakter einer Überblicksdarstellung. Die Kapitel über die Zeit des »Dritten Reichs« enthalten dann eine dichtere Darstellung, gestützt auf die Protokolle des Werkausschusses, die Geschäftsberichte und die Werkbestände des Stadtarchivs. Für die Nachkriegszeit wird die Geschäftsentwicklung auf der Grundlage von Unterlagen des Unternehmens zunehmend genauer beschrieben. Auch Entscheidungen der Geschäftsführung und unternehmensinterne Planungen können nun stärker verdeutlicht werden als für die früheren Jahrzehnte. Für die letzten 25 Jahre stützt sich die Darstellung zusätzlich zu den schriftlichen Quellen auf die durchgeführten Zeitzeugeninterviews.

Die Autoren danken dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH, Dr. Florian Bieberbach, und Andreas Brunner, dem Leiter Marketing und Kommunikation, als den Initiatoren und Mentoren dieses Buchprojekts. Veronika Kübrich hat das Projekt über die gesamte Laufzeit hinweg engagiert und kompetent betreut. Ein besonderer Dank gilt der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte und deren Geschäftsführerin Dr. Andrea H. Schneider-Braunberger für die zuverlässige Koordination sowie ihren beiden Mitarbeitern Michael Bermejo-Wenzel und Tanja Roos für die Unterstützung des Manuskripts. Für die Bereitstellung von Unterlagen aus dem Bereich Geschäftsführung Versorgung und Technik und dem Büro der Geschäftsführung gebührt unser Dank Gabriele Meixner und Michael Schimpf. Irene Mandl und Bernhard Thiem von der GFVT-BG Dokumentensammelstelle des Archivs Geschäftsführung Versorgung und Technik wie auch Klaus Onnich vom MVG Museum verdanken wir wertvolle Hinweise. Mathias Irlinger hat die Recherchen für dieses Buch unterstützt und Teile des Manuskripts durchgesehen. Herzlicher Dank gilt auch den befragten Zeitzeugen für ihre Bereitschaft, offen und vorbehaltlos Auskünfte zu erteilen.